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Am Anfang schuf Gott • 1. Mose 1, 1+26–28a
Predigt am 21.04.2013 • Jubilate • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag Jubilate steht
ganz am Anfang der Bibel. Genauer im 1. Buch Mose im
1. Kapitel und besteht aus zwei Teilen
Teil 1 ist der Vers 1: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Teil 2 sind die Verse 26 bis 28: Und Gott sprach: Lasset uns Menschen
machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische
im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über
alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und
Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn;
und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu
ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie
euch untertan.
Die Erschaffung der Welt und die Erschaffung des Menschen sind ganz
große Themen. Sie waren es vor 2500 Jahren, als das 1. Buch
Mose aufgeschrieben wurde. Und auch heute ist für jeden von uns die
Erschaffung der Welt und die Erschaffung des Menschen ein großes Thema
geblieben. Warum, werden sie fragen. Warum soll das für mich ein großes
Thema sein. Das ist doch etwas mehr für die Wissenschaft. Das heißt, für
die Philosophie und Theologie oder die Naturwissenschaften, die zum
Beispiel den Himmel oder die Vererbungslehre erforschen. Da haben Sie
vollkommen Recht: Für die Wissenschaft ist die Erforschung der
Entstehung oder Erschaffung der Welt und des Menschen tatsächlich ein
großes Thema. Zudem ein Thema, bei dem es um ganz grundsätzliche Fragen
unserer Existenz geht. Und weil das so ist, geht das Thema doch jeden
von uns an. Auf die Fragen, die wir uns dort im Einzelnen zu stellen
haben, komme ich noch zurück.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Damit beginnt unser heutiger Predigttext. Hier wird nichts blumig erzählt. Es ist ein Satz wie in Stein gemeißelt: Am Anfang: Das entspricht dem Urbeginn im allgemeinsten Sinne. Am Anfang schuf Gott: Das heißt, es ist Gott selbst, der da handelt. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Das heißt, Himmel und Erde, das gesamte Weltall hat Gott erschaffen mit
allem, was darin war und was darin ist. Mit allem, was gleich bleibt,
und mit allem, was sich laufend ändert. Aus diesem Glaubenssatz folgt
alles andere, was uns in der Schöpfungsgeschichte auch außerhalb unseres
Predigttextes erzählt wird.
Und nun die Frage an uns: Muss ich als moderner Mensch bei dieser
Schöpfungsgeschichte nicht meinen Verstand abschalten? Wir wissen heute,
dass das Weltall nicht wie in der Bibel berichtet wird einige Tausend
Jahre alt ist, sondern viele Milliarden Jahre – um nur ein Beispiel
zu nennen. Es gibt ganz viele gegensätzliche Aussagen der
Naturwissenschaften und der Schöpfungsgeschichte der Bibel über die
Entstehung der Welt und die Erschaffung des Menschen. Es gab und gibt
hier großen Streit. Dabei sind die Verteidiger der Schöpfungsgeschichte
fast verstummt oder werden in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen.
Das ist ein Trauerspiel und müsste auch überhaupt nicht sein. Denn:
Alles, was der Mensch erforscht und immer besser kennenlernt, ist Gottes
Schöpfung. Gott als der Schöpfer der Welt kann kein Teil dessen sein,
was er geschaffen hat. Gott ist nicht von dieser Welt. Er wäre sonst
nicht der Schöpfer, sondern auch nur ein Geschöpf wie wir.
Was nun die modernen Wissenschaften vor allem in den letzten
100 Jahren über die Welt, über das Weltall herausgefunden haben,
ist fantastisch. Auch wenn wir Laien das nur noch zum Teil verstehen,
denn dazu sind die Messverfahren und mathematischen Auswertemethoden
viel zu kompliziert geworden. Heute weiß man, wie riesengroß das Weltall
ist und dass es wahrscheinlich im sogenannten Urknall seinen Anfang
hatte. Und Gott? Gott, liebe Gemeinde, kann bei unserer Suche im Weltall
nicht gefunden werden. Ich sagte es schon: Gott ist nicht Teil seiner
Schöpfung, sondern derjenige, der alles erschaffen hat. Und da greift
auch das Gegenargument nicht, dass sich das Weltall bis heute dauernd
verändert, dass Neues hinzukommt und Altes verschwindet. Na und? Warum
soll denn Gott seine Schöpfung nicht so angelegt haben, dass diese
Änderungen dazu gehören?
Wenn sie versuchen, sich die uns heute bekannte Größe des Universums
vorzustellen: Haben sie schon einmal daran gedacht, dass zum Beispiel
mit der zunehmenden Größe der Schöpfung auch der Schöpfer als immer
mächtiger zu erahnen ist? Und doch ist es der gleiche Gott, der in Jesus
von Nazareth Mensch wurde. Jesus, der uns gelehrt hat, dass nicht
Macht, sondern die Liebe das Größte ist. Und der es im Übrigen seinen
Peinigern gesagt hat, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Diese
Welt: Das ist nicht das kleine Land Israel, sondern das ist die gesamte
Welt, das gesamte Universum.
Liebe Gemeinde; es gibt vieles, was uns den Glauben oft schwerer macht.
Die Schöpfungsgeschichte muss nicht dazu gehören. Denn: Natürlich haben
die Verfasser des 1.-Mose-Buches die Welt so beschrieben, wie es dem
damaligen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand entsprach. Sollten sie
vor 2500 Jahren vom Urknall oder schwarzen Löchern im Weltall
schreiben, von Galaxien so groß wie unsere Milchstraße, aber Milliarden
Lichtjahre von uns entfernt? Oder von einem Universum, das sich ausdehnt
und immer größer wird?
Nun kann eingewendet werden, genauer es wird eingewendet: Ist denn damit
die Schöpfungsgeschichte nicht etwas, was sich kluge Leute bloß
ausgedacht haben – ohne von Gottes Geist erfüllt zu sein.
Mitnichten, denn das Entscheidende und das damals wie heute Gültige und
das, woran wir glauben, das steht ja in der Schöpfungsgeschichte: Unser
Gott hat alles geschaffen. Unser Gott ist und bleibt Herr über seine
gesamte Schöpfung. Und wie diese Schöpfung im Einzelnen aussieht, das
können und sollten wir getrost den Naturwissenschaften überlassen. Und
vergessen wir nicht: Je mehr wir durch die Forschung über die Welt
erfahren, umso wunderbarer und großartiger wird die Schöpfung Gottes.
Das gilt für die gesamte Schöpfung. Nicht nur für das Weltall im Großen
oder die kleinsten Teilchen, aus denen die gesamte Materie
zusammengesetzt ist.
Nun enthält die Schöpfungsgeschichte nicht nur die Erschaffung der Welt,
sondern auch die Erschaffung des Menschen. Und hier sind ganz
grundsätzliche Fragen unserer Existenz anzusiedeln. Ich nenne dazu nur
wenige Beispiele: Warum gibt es mich eigentlich? Woher komme ich? Wohin
werde ich einmal gehen, wenn ich gestorben bin? Warum bin ich so, wie
ich nun einmal bin? Welche Aufgabe habe ich hier auf dieser Welt?
Welchen Sinn hat dieses mein Leben?
Und hier wird nun Teil 2 des Predigttextes aus der Schöpfungsgeschichte
wichtig. Denn er zeigt uns den Heilsplan Gottes mit uns Menschen. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen
machen, ein Bild, das uns gleich sei. Und Gott schuf den Menschen zu
seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und
Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und
mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan.
Dem ist, liebe Gemeinde, eigentlich nicht viel hinzu zu fügen. Ich würde
das in 4 Teilen zusammenfassen:
1. Am Anfang war das Wort, denn Gott sprach: Lasst uns Menschen
machen. Keine Menschen, die Gott gleich sind, aber Menschen, die ein
Bild Gottes sind. Welch eine Verheißung, aber auch welcher Anspruch an
uns.
2. Gott schuf den Menschen, wie er gesagt hatte. Übrigens: Mann und
Frau sind hier vollkommen gleichberechtigt. Das war vor
2500 Jahren eine Revolution.
3. Die Menschen erhalten von Gott einen Auftrag: Bekommt Kinder,
damit die ganze Erde bevölkert wird. Und macht euch die Erde untertan.
Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als das uns Gott seine gesamte
Schöpfung anvertraut hat und auch heute noch anvertraut. Was das
eigentlich für jeden von uns heißt: Darüber lohnt es sich immer wieder
einmal nachzudenken. Und
4. Gott segnet die Menschen, das heißt, er schenkt ihnen eine
heilvolle Kraft. Eine heilvolle Kraft für ihr Leben und für die
Erfüllung ihres Auftrages.
In allen diesen Punkten wird eines deutlich: Der Mensch, wir, wir sind
tatsächlich die Krone der Schöpfung. Und vergessen wir nicht: Wir sind
kein Produkt des Zufalls, bloß weil die Vererbungslehre für uns nicht
vorhersehbare Sprünge macht. Diese Entwicklung, diese Evolution mit
ihren unvorhersehbaren Sprüngen bis hin zum Menschen ist genauso in der
Schöpfung angelegt und gehört zum Heilsplan Gottes mit uns Menschen.
Denn: Wir sind von Gott gewollt. Nicht nur die Menschheit im
Allgemeinen, sondern jeder einzelne Mensch. Auch jeder von uns. Jeder
von uns ist von Gott gewollt und ist damit einzigartig.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Bewahrung der Schöpfung • 1. Mose 2, 4b+15
Predigt am 19.09.2023 • 15. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.
Liebe Gemeinde, heute soll es einmal um die Bewahrung der Schöpfung gehen. Genauer gesagt, geht es um Gottes Schöpfung. Und damit natürlich auch um uns. Um uns, die wir uns fragen lassen müssen, wie wir denn mit Gottes Schöpfung umgehen und was das für Folgen hat – für uns, aber auch für Gottes Schöpfung insgesamt. Das ist zwar ein Thema, das schon immer aktuell war. Aber heute ist es ein bestimmendes Thema geworden, das auch uns und unser tägliches Leben betrifft. Das Ergebnis ist eine Gemengelage bei uns aus Zustimmung im allgemeinen oder aber auch aus Ablehnung – wenn es denn konkret wird für uns. Denn wer würde von uns schon
etwas gegen die Bewahrung von Gottes Schöpfung sagen. Die Einwände kommen von uns erst dann, wenn etwas von uns abverlangt wird: Zum Beispiel ein – wenig-stens kleines – Umdenken oder Einschränken.
Bewahrung der Schöpfung. Eine Schöpfung, liebe Gemeinde, das ist etwas Geschaffenes. Und zwar in unserem Fall etwas Geschaffenes von Gott, dem Schöpfer. So, wie wir es uns im Glaubensbekenntnis gerade zugesprochen haben: Dass wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Dieses Bekenntnis ist schon 1.600 Jahre alt. Und der Ursprung dieses Textes ist nun noch sehr viel älter. Er steht fast am Anfang der Bibel im 1. Buch Mose, Kapitel 2, und ist wahrscheinlich 2.800 Jahre alt. Einen kleinen Teil daraus haben wir vorhin als 1. Lesung gehört. Und auch der Predigttext steht in dieser ersten Lesung:
Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.
Um diesen Text besser verstehen zu können, soll das einbezogen werden, was uns vor unserem Predigttext im 1. Buch Mose, Kapitel 1, dazu gesagt wird. Dort erhalten die von Gott geschaffenen Menschen einen Auftrag. Denn Gott sagt ihnen: Bekommt Kinder, damit die ganze Erde bevölkert wird. Und macht euch die Erde untertan. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass uns Gott seine gesamte Schöpfung anvertraut hat und auch heute noch anvertraut. Und wie dieses Anvertrauen, dieser Auftrag von Gott zu erfüllen ist, das wird uns nun im Predigttext gesagt, den wir gerade gehört haben: Gott der HERR setzte den Menschen in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.
Die Natur- und Gartenfreunde unter uns werden sich nun zu Recht sagen: Ja, so ist das. Das haben wir schon immer gesagt. Und es ist auch kein Wunder, wenn wir uns dabei wohlfühlen. Das ist alles richtig. Nur: Gottes Schöpfung umfasst natürlich viel mehr. Sie umfasst alles, was existiert: Unser gesamtes Umfeld und unsere Umwelt. Alle Menschen. Erde, Sonne und Mond. Ja, die ganze Welt mit ihren Milliarden von Sonnen, die wir nur als Sterne sehen. Und natürlich alles, was es auf der Erde gibt. Wasser, Luft und Boden, Tiere, Pflanzen und Bäume. Alles von uns Geschaffenes. Alles von uns Gebrauchtes. All unsere Lebensgrundlagen.
Alles das sollen wir bebauen und bewahren. Wenn wir nun alle Bibelübersetzungen hernehmen, wird uns noch deutlicher gemacht, was damit alles gemeint ist: Nämlich Bebauen und bearbeiten und pflegen. Bewahren und schützen und behüten. So sollen wir mit Gottes Schöpfung umgehen, die er uns anvertraut hat. Und das Bauen, Bearbeiten, Pflegen, Bewahren, Schützen und Behüten gehören ja tatsächlich zu unserem Alltag
Aber, liebe Gemeinde, das ist leider nur die halbe Wahrheit. Denn mit Gottes guter Schöpfung wird auch in unserem Alltag nicht immer und auch nicht überall vernünftig umgegangen. Deutlicher wird das allerdings, wenn wir uns das Geschehen In der großen, weiten Welt ansehen. Ich nenne hier beispielhaft 3 Merkmale, die die Bewahrung der Schöpfung erschweren oder unmöglich machen: Nämlich eine Gefährdete Umwelt. Und dann der Wahnsinn, dass immer alles noch mehr werden muss. Dass wir so tun, als ob ein fast grenzenloses Wachstum eine ganz normale Sache ist. Das gilt auch für die Ressourcen, die dafür gebraucht werden. Die werden nämlich knapp und einige sind es schon – wie zum Beispiel viele Rohstoffe, die Regenwälder, Brauch- und Trinkwasser.
Alles das hat nun auch viel mit uns zu tun. Mit unserem Denken genauso wie mit unserer Gedankenlosigkeit. Mit unserem verantwortungsvollen Tun genauso wie mit unserem verantwortungslosen Tun. Dabei sind wir ja selbst Teil der Schöpfung. Und zwar nicht irgendein Teil, sondern der Teil, dem Gott seine ganze Schöpfung anvertraut hat. Wir sind es damit, denen die Stellschrauben für die Bewahrung der Schöpfung in die Hand gegeben sind. Und wo uns damit die Bewahrung der Schöpfung nicht gelingt – warum auch immer - sind wir gleichermaßen die Verursacher und die Leidtragenden. Die Folgen an ganz vielen Stellen unserer Erde zum Beispiel beim Klima erfahren wir gerade: Dürre, Hitzewellen und Waldbrände. Orkane, Überschwemmungen oder der Hunger in den armen Ländern. Und das alles aktuell in einem wie bisher nicht erlebten Ausmaß.
Und hier stehen wir vor einer spannenden Frage: Was sollen und was können wir denn nun dagegen tun? Genauer gesagt: Was soll und was kann ich denn dagegen tun? Wer sich diese Frage ernsthaft stellt, der hat schon angefangen etwas zu tun – nämlich mit sich. Und wie er bald merken wird, auch etwas für sich, etwas für andere, etwas für Gottes Schöpfung. Nachdenken hilft natürlich. Zum Beispiel wie und an welchen Stellen kann ich bewusster Leben. Wo kann ich mich etwas einschränken, ohne dass mir das verloren geht, was ich brauche und was ich gern habe. Sich etwas bewusster machen oder Lebensgewohnheiten auf den Prüfstein stellen, hat noch niemanden geschadet, aber oft geholfen. Und meistens ist das auch gut für meine Lebensqualität. So wie uns ja jede gute Tat gut tut.
Weiterhin geht es darum, dass wir nicht die Augen verschließen vor den Kennzeichen einer bedrohten Schöpfung. Ich habe dazu ein Beispiel, das ich bei Papst Franziskus gelesen habe: 20% der Weltbevölkerung verbrauchen aktuell Ressourcen in einem solchen Umfang, dass sie den armen Nationen und kommenden Generationen das rauben, was sie zum Leben brauchen.
Und wir sollen auch nicht wegsehen, sondern hinsehen und handeln, wenn Geschöpfe wie wir in vielen armen Ländern ohne eigenes Verschulden in bitterer Armut leben. Jesus sagt uns dazu etwas, was vor 2 Jahren sogar die Jahreslosung war: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Barmherzigkeit gegenüber Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns: Das will Jesus von uns und hat uns das in seiner Erzählung „Vom barmherzigen Samariter“ auch sehr deutlich gesagt.
Liebe Gemeinde, hoffen wir gemeinsam darauf, dass Gott weiterhin zu seiner Schöpfung steht und damit auch zu uns. Und zwar auch dann, wenn wir seine Schöpfung oft nicht so bewahren, wie wir das sollen und wir das eigentlich auch können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Ein Gesegneter des Herrn • 1. Mose 12, 1–4a
Predigt am 08.07.2012 • 5. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im
1. Buch Mose, Kapitel 12, in den Versen 1 bis 4: Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus
deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters
Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will dich zu einem großen
Volk machen, ich will dich segnen und dir einen großen Namen machen. Du
sollst selbst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und
verfluchen, die dich verfluchen; In dir sollen gesegnet werden alle
Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt
hatte, und Lot zog mit ihm.
Der Name Abram im Predigttext muss sie nicht verwundern. Denn das ist
die gleiche Person, die ab einer späteren Stelle im 1. Buch Mose
von Gott Abraham genannt wird. Ich will deshalb auch heute den Namen
Abraham verwenden, weil er uns einfach vertrauter ist. Doch nun zum
Predigttext. Hier passiert nun etwas Fantastisches: Gott selbst spricht
Abraham an, ohne Vorwarnung, ohne Voraussetzungen. Auf welche Weise
Abraham das Wort Gottes empfängt, bleibt offen. Von einer besonderen
Gotteserscheinung ist wie z. B. bei Mose nicht die Rede. Gottes
Wort allein setzt das Folgende in Gang. Hier werden wir an den Beginn
des Johannesevangeliums erinnert, wo der Evangelist Johannes viele
Jahrhunderte später schreiben wird: Im Anfang war das Wort. Das Wort war
bei Gott. Und: Gott war das Wort.
Auch in unserem Predigttext beansprucht Gottes Wort höchste Autorität
und klingt in der wörtlichen Übersetzung fast wie ein Befehl: Du, geh!
Dreifach wird im Text benannt, wovon Abraham sich trennen muss: Von
seinem Land, von seiner Verwandtschaft, von seinem Vaterhaus. Er muss
Menschen verlassen, die ihm nahe stehen und wahrscheinlich auch eine
Gemeinschaft, die ihm Sicherheit gibt. Und er muss nicht zuletzt die
Weide für sein Vieh aufgeben und seine Heimat. Abraham soll alles
verlassen. Und das für ein Ziel, das er nicht kennt. Denn Gott sagt nur
zu ihm: Zieh in ein Land, das ich dir zeigen will.
Da bleibt vieles offen. Das gibt keine Sicherheit. Nicht einmal das
konkrete Ziel und der Weg dorthin werden Abraham genannt. Das macht
Menschen normalerweise Angst. Auch für einen wie Abraham, der das
Wandern gewohnt ist, dürfte das eine große Herausforderung gewesen sein.
Gott reißt Abraham – ich wiederhole es noch einmal – heraus
aus den vertrauten Bindungen. Das Wort seines Gottes ist und bleibt für
ihn das einzig Gewisse. Es ist für Abraham das einzig Gewisse, weil er
an Gott und an das Wort Gottes glaubt. Weil er Gott und damit seinem
Wort vertraut. Diese Gewissheit, dieses Vertrauen auf Gottes Wort bewegt
Abraham nicht nur wohlig in seinem Herzen. Sondern er handelt auch
danach, obwohl dieses sein Handeln sein bisheriges Leben total
verändert. Unser Predigttext sagt dazu nur ganz lapidar: Da zog Abraham aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot – das war seine Frau – zog mit ihm.
Wie ist das eigentlich bei uns? Würden wir uns allein im Vertrauen auf
Gottes Wort auf den Weg machen? Auf einen Weg, von dem wir nicht so
richtig wissen, wohin er uns führen wird? Und im Predigttext kommt ja zu
Gottes Auftrag noch eine riesengroße Verheißung dazu: Abraham soll ein
berühmter Mann und der Vater eines großen Volkes werden. Und Abraham
soll gesegnet sein und gesegnet werden. Ich frage uns wieder: Würde uns
diese Verheißung, dieses riesengroße Versprechen den Glauben an Gottes
Wort stärken? Oder würde das nicht vielmehr unsere Skepsis vergrößern?
Die im Predigttext beschriebene Berufung Abrahams erfolgte
wahrscheinlich zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christi Geburt und
wird als der Beginn der Frühgeschichte Israels angesehen. Entscheidend
ist nun, dass Abraham als Vater des Glaubens an Gott angesehen wird. Und
zwar in allen drei monotheistischen Weltreligionen. Also im Judentum,
im Islam und im Christentum. So wird an vielen Stellen im Neuen
Testament auf Abraham Bezug genommen. Zum Bespiel geht bei Matthäus der
Stammbaum Jesu bis auf Abraham zurück. Bei Lukas wird uns Abraham im
Gleichnis vom barmherzigen Samariter als Vater all derer geschildert,
die vom Leben benachteiligt sind. Hier hat auch der Begriff von
„Abrahams Schoss“ seinen Ursprung. Und an mehreren Stellen im Neuen
Testament wird uns Abraham als Vorbild im Glauben und als Vater des
Glaubens genannt. Und bei Paulus ist schließlich Abraham ein
Glaubenszeuge, der in seinem ganzen langen Leben nie an Gott und an der
Kraft des Glaubens gezweifelt hat.
Und hier wird nun auch klar, warum im heutigen Predigttext Abraham dem
Aufruf Gottes folgt und ohne Wenn und Aber aufbricht und damit sein
vertrautes Umfeld verlässt. Paulus schreibt dazu im Römerbrief: Gegen
alle Hoffnung hat Abraham voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater
vieler Völker werden wird. Er zweifelte nicht im Unglauben an der
Verheißung Gottes, sondern wurde stark im Glauben. Und er erwies Gott
die Ehre. Soweit Paulus.
Voller Hoffnung glauben können. Ich denke mir: Das wünschen sich alle
von uns. Ist doch der Glaube ein tragender Grund für das, was wir uns
erhoffen – für andere, aber natürlich auch für uns selbst. Und
heißt Glauben nicht auch Vertrauen haben? Vertrauen auf Gott und auf
sein Wort? Zu diesem Vertrauen haben wir gerade als Christen allen
Grund. Denn mit Jesus ist nicht nur die vom Glauben getragene Hoffnung
in die Welt gekommen, sondern auch die von ihm vorgelebte Liebe bis zu
seinem Tod am Kreuz. Kurz gesagt: Auf Jesus können wir bauen und Jesus
können wir vertrauen. Ihm können wir uns zuwenden und ihm können wir
glauben. Und weil das so ist, können wir auch an ihn glauben. Dass sich
dabei im Alltag auch einmal Zweifel einstellen, ist ganz normal und
sollte uns nicht vom Glauben abhalten. Und Abraham? Abraham ist
natürlich ein gutes Vorbild im Glauben. Aber ich muss ja mit meinem
Vorbild nicht immer auf gleicher Höhe sein.
Liebe Gemeinde, eines macht der heutige Predigttext aber auch deutlich:
Wer an Gott glaubt, muss auch lernen, auf sein, auf Gottes Wort zu
hören. Wie ist das bei uns? Versuchen wir auf Gott zu hören? Und hören
oder horchen wir nicht nur, sondern gehorchen auch Gott? Natürlich ist
das Gehorchen oder das Gehorsamsein vollkommen gegen den Geist unserer
heutigen Zeit. Und trotzdem: Über das Gehorsamsein gegenüber Gott sollte
wieder neu nachgedacht werden – auch von uns. Abraham hat an Gott
geglaubt, er hat auf Gott gehört und er hat Gott gehorcht. Und dann hat
er sich im Vertrauen auf Gottes Zusage auf den Weg gemacht.
Ich hatte uns vorhin gefragt: Würden wir uns allein im Vertrauen auf
Gottes Wort auf den Weg machen? Würden wir uns auf einen Weg machen, von
dem wir nicht so richtig wissen, wohin er uns führen wird? Wann würden
wir denn zu neuen Ufern aufbrechen wollen, obwohl in unserem Leben alles
so wohl geordnet ist? Auch hier gilt: Es sind nicht nur die großen
Schritte, die zählen. Sich auf den Weg machen, kann auch heißen: Sich an
etwas Neuem zu versuchen. Das kann eine Reise sein oder ein
Besuchsdienst. Das kann auch heißen, etwas von dem abzugeben, was ich
habe. Und das kann nicht zuletzt heißen, auf Jemanden zuzugehen. Jemand,
der mich braucht, oder jemand, den ich brauche.
Gott hat im Predigttext zu Abraham gesagt: Ich will dich und deinen Weg
segnen. Ich wünsche uns den Glauben daran, dass dieser Segen Gottes auch
auf unseren großen und kleinen Wegen liegt. Oder wie es uns im
Psalm 91 gesagt ist: Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich
behüten auf allen deinen Wegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Neid • 1. Mose 37, 3–11
Predigt am 30.03.2014 • Lätare • St. Johannis Freiberg
Israel aber hatte Josef lieber als alle
seine Söhne, weil er der Sohn seines Alters war, und machte ihm einen
bunten Rock. Als nun seine Brüder sahen, dass ihn ihr Vater lieber hatte
als alle seine Brüder, wurden sie ihm Feind und konnten ihm kein
freundliches Wort sagen. Dazu hatte Josef einmal einen Traum und sagte
seinen Brüdern davon; da wurden sie ihm noch mehr Feind. Denn er sprach
zu ihnen: Hört doch, was mir geträumt hat. Siehe, wir banden Garben auf
dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand, aber eure Garben
stellten sich ringsumher und neigten sich vor meiner Garbe. Da sprachen
seine Brüder zu ihm: Willst du unser König werden und über uns
herrschen? Und sie wurden ihm noch mehr Feind um seines Traumes und
seiner Worte willen. Und er hatte noch einen zweiten Traum, den erzählte
er seinen Brüdern und sprach: Ich habe noch einen Traum gehabt; siehe,
die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten sich vor mir. Und als er
das seinem Vater und seinen Brüdern erzählte, schalt ihn sein Vater und
sprach zu ihm: Was ist das für ein Traum, den du geträumt hast? Soll ich
und deine Mutter und deine Brüder kommen und vor dir niederfallen? Und
seine Brüder wurden neidisch auf ihn. Aber sein Vater behielt diese
Worte.
Neid. Mit Neid, liebe Gemeinde, erreichen wir nichts. Aber: Neid
erreicht etwas bei uns, etwas in uns. Neid kann wachsen. Genauer: Neid
wächst in uns, wenn wir nichts dagegen tun. Wenn uns das nicht gelingt,
dann kann uns Neid – wie der Volksmund sagt – zerfressen.
Warum, wodurch entsteht Neid? Das wissen wir alle. Neid entsteht
zwischen Menschen. Einer hat irgendetwas, was wir nicht haben. Einer
bekommt etwas, was wir nicht bekommen. Oder er kann etwas, was wir nicht
können. Dabei müssen die Unterschiede nicht groß sein, damit Neid
entstehen kann.
Selbst wenn wir etwas geschenkt bekommen, woran wir uns freuen können.
Und woran wir uns auch freuen. Wenn nun der andere auch etwas geschenkt
bekommt und uns das vielleicht besser gefällt oder wertvoller ist oder
ganz einfach größer, was ist dann? Wenn wir dann trotzdem die Freude an
unserem Geschenk nicht verlieren, ist alles in Ordnung. Wenn uns aber
das eigene Geschenk weniger wichtig ist als der Unterschied zwischen den
Geschenken: Dann sind wir arm dran. Nicht weil wir arm sind, sondern
weil wir uns von unserem Neid die Freude an unserem Geschenk nehmen
lassen. Auch Schönheit ist ein Geschenk. Jedem von uns ist Schönheit
geschenkt. Auch wenn sie sich bei jedem etwas anders zeigt. Und dann
sind ja zum Glück auch die Geschmäcker verschieden. Doch wie heißt es
bei Schneewittchen, dem Märchen der Gebrüder Grimm? „Frau Königin, Ihr
seid die Schönste hier. Aber Schneewittchen über den Bergen, bei den
sieben Zwergen ist noch tausendmal schöner als ihr.“ Grund genug für die
Königin so neidisch auf Schneewittchen zu werden, dass sie sie mehrmals
umbringen lassen will und ihr das auch fast gelingt.
Und wie ist das, wenn nicht wir neidisch sind, sondern andere auf uns
neidisch werden? Wenn der Andere etwas bei uns sieht, was er selbst gern
hätte. Wir leiden also nicht nur unter Neid, sondern wir erzeugen auch
Neid. Die Frage an uns lautet nun nicht: Ist es böse, Neid zu erzeugen?
Sondern die Frage an uns lautet: Tut uns das gut, wenn wir andere
neidisch machen, neidisch machen können? Schwingt da nicht ein bisschen
Stolz mit bei dem nur scheinbar harmlosen Satz: Mitleid bekommt man
geschenkt, Neid muss man sich schon erarbeiten? Das Wörtchen „man“ ist
dabei verräterisch. Und es klingt so schön anonym, zu sagen: Neid muss
man sich erarbeiten. Sind wir so ehrlich zu sagen: Neid muss ich mir
erarbeiten. Oft bewirkt Neid, unser Neid, durchaus etwas Positives: Wenn
ich zum Beispiel anfange darüber nachzudenken. Nachzudenken darüber, ob
mir bestimmte Unterschiede zu anderen wirklich wichtig sind. Und warum
das so ist.
Das Thema Neid ist also ein weites Feld. Und oft ist es kein schönes
Thema, aber es gehört zu unserem Leben dazu. Wer also über Menschen
schreibt, muss auch über Neid schreiben. Auch in der Bibel ist das so.
Mit Neid beginnt auch die lange Geschichte von Joseph und seinen Brüdern
im 1. Buch Mose, im Kapitel 37. Dieser Beginn ist der
Predigttext für den heutigen Sonntag, den wir vorhin als 1. Lesung
gehört haben.
Mit meinen Worten ausgedrückt, passiert dabei Folgendes:
Joseph wurde geboren, als sein Vater Jacob schon sehr alt ist. Josef
wird deshalb der Lieblingssohn seines Vaters Jacob. Dieser schenkt dem
erst 17 Jahre alten Joseph einen wertvollen bunten Mantel. Josef
hat viele, wahrscheinlich 11 Brüder, die wesentlich älter sind als
er. Sie haben solche Mäntel nie bekommen und werden nun neidisch auf
Josef. Sie sind sogar so sehr verärgert, dass sie mit Josef kein
einziges Wort mehr reden. Aber es kommt noch schlimmer. Der junge Josef
hat zwei Träume und erzählt auch seinen Brüdern davon. Es sind zwei
Träume, in denen sich andere – so auch seine Brüder – vor
Josef verneigen. In der Lutherübersetzung sagt Joseph: Siehe,
wir banden Garben auf dem Felde. Meine Garbe richtete sich auf und
stand. Aber Eure Garben stellten sich ringsumher und neigten sich vor
meiner Garbe. Soweit der erste Traum. Und als Steigerung im zweiten Traum: Siehe, die Sonne, der Mond und 11 Sterne neigten sich vor mir.
Bei den 11 Sternen haben sich zu Recht die Brüder angesprochen
gefühlt. Jedenfalls wird Jacob, also der Vater Josefs zornig und
schimpft Josef aus. Uns Josefs Brüder? Josefs Brüder wurden nicht nur
zornig. Es erfüllt sie Wut auf Joseph und großer Neid.
Was dieser Neid alles für Folgen hat, wird uns in der weiteren
Geschichte von Joseph – also nach dem heutigen Predigttext –
erzählt. Das beginnt schon damit, dass Joseph umgebracht werden soll,
dann aber als Sklave nach Ägypten verkauft wird. Weil Gott bei ihm ist,
wird Joseph in Ägypten ein mächtiger Herrscher und vergibt letztendlich
auch seinen Brüdern das, was sie ihm angetan hatten. Insgesamt eine
spannende und schon vom Umfang her eine Riesengeschichte, die im Alten
Testament 14 Kapitel mit insgesamt 450 Versen umfasst. Zu
lesen und gemeinsam darüber nachzudenken, wie es mit Joseph weitergeht.
Das ist ein Gewinn. Und es ist das Thema der Bibelwoche, zu der wir in
dieser Woche alle eingeladen sind.
Doch zurück zum Predigttext. Als der junge Joseph seine Träume erzählt:
Ist er dann arglos und reinen Herzens? Ja, er ist arglos und reinen
Herzens. Denn Gott ist – wie wir später in der Josephs-Geschichte
erfahren – Joseph ganz nahe. Gerade weil er arglos ist, erzählt
Joseph noch seinen zweiten Traum, obwohl seine Brüder schon nach den
ersten Traum böse auf ihn waren. Und sein wertvoller Mantel?
Wahrscheinlich hat er – in aller Unschuld – die Bevorzugung
durch seinen Vater gern angenommen. Im Übrigen: Wie ist das bei uns?
Wenn wir merken, dass wir in den Augen – hier des Vaters –
etwas Besonderes sind. Werden wir skeptisch, wenn wir besser gestellt
werden oder kommt uns das zu. Oder stellen wir uns einen jüngeren Bruder
vor, der alles besser weiß oder denkt, dass er es besser weiß. Einen
jüngeren Bruder, den die Eltern mir vorziehen und der sich das auch gern
gefallen lässt. Ich frage uns: Fühlen wir uns zurückgesetzt – auch
dann, wenn wir uns das alles nur einbilden? Natürlich fühlen wir uns
zurückgesetzt und werden neidisch. Niemand und nichts verlangt von uns,
nicht neidisch zu sein oder nicht neidisch zu werden. Auch unser Glaube
an Jesus Christus verlangt das nicht.
Es ist doch so, dass alle Menschen unterschiedlich sind. Jeder hat seine
Vor- und Nachteile, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Die einen
sind bessergestellt als andere. Sie haben mehr Geld und in ihrer Familie
gibt es auch weniger schlimme Krankheiten – um nur zwei Beispiele
zu nennen. Aber: Wir alle sind Kinder der Schöpfung. Deshalb hat jeder
von uns das Recht, hier auf dieser Welt zu sein. Und jeder von uns ist
deshalb etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Aber wir können nur
einzigartig sein, wenn sich jeder von uns von anderen – von allen
anderen – unterscheidet. Dass das auch Neid hervorbringt, ist nicht
das Problem. Wichtig ist etwas ganz anderes. Wichtig, ja entscheidend
ist, was aus unserem Neid wird. Was wir daraus – aus diesem unseren
Neid – in uns wachsen lassen. Im Grunde ist es ganz einfach. Mein
Neid soll niemanden schaden oder ihm wehtun. Niemanden – anderen
nicht und auch mir selbst nicht.
Liebe Gemeinde, wir glauben daran, dass Gott auf unser Tun und Denken
schaut. Dass es ihm nicht egal ist, was Neid in uns anrichtet und was
unser Neid anderen Menschen antut. Denn Gott ist es ernst mit uns. Ich
wünsche uns, dass wir uns das im Alltag wenigstens manchmal bewusst
machen. Denn wenn uns das gelingt, werden auch Neid und Wut bei uns
nicht das letzte Wort haben. Und dann werden wir auch dem, auf den wir
neidisch sind oder der uns in Wut gebracht hat, leichter die Hand
reichen können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Der Segen des Herrn • 4. Mose 6, 22–27
Predigt am 26.05.2013 • Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag Trinitatis steht im 4. Buch Mose im 6. Kapitel: Und der Herr redete mit Mose und sprach:
Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den
Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über
dich und gebe dir Frieden.
Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Ein schöner und ein zu Herzen gehender Predigttext. Und es ist vor allem
ein Text, der uns in seiner Kernaussage sehr vertraut ist. Sie werden
es schon bemerkt haben: Es ist die Rede von dem Segen, der das letzte
gesprochene Wort in jedem unserer Gottesdienste ist. Aber: Haben wir
schon einmal darüber nachgedacht, was uns hier alles zugesprochen wird?
Was das für uns bedeutet? Und warum gerade diese Textstelle als
Schlusssegen im Gottesdienst verwendet wird? Das Letztere ist schnell
beantwortet. Es war Martin Luther, der diesen Segen als Schlusssegen
1525 in den Gottesdienst eingeführt hat. Unter Theologen wird dieser
Segen „Aaronscher Segen“ genannt. Warum das so ist, das steht im
heutigen Predigttext vor dem Wortlaut des Segens. Und der Herr redete mit Mose und sprach:
Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den
Israeliten, wenn ihr sie segnet.
Und nach dem Segen: Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Damit ist klar, warum der Aaronsche Segen seit alters her bis heute im
jüdischen Gottesdienst verwendet wird. Warum er auch für uns Christen
wichtig ist und ihn Martin Luther in den Gottesdienst eingeführt hat,
darüber wird noch zu sprechen sein und das hat natürlich etwas mit
unserem Herrn Jesus Christus zu tun. Die katholische Kirche verwendet im
Übrigen seit dem frühen Mittelalter bis heute den sogenannten
„trinitatischen Segen“, der da lautet: Es segne euch der allmächtige
Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
Der Herr segne Dich.
Segen, liebe Gemeinde, ist im Alten und im Neuen Testament ein wichtiges
Leitwort. Von seiner Grundbedeutung her heißt segnen: Mit heilvoller
Kraft begaben. Mir fällt in diesem Zusammenhang das hebräische Wort
Schalom ein. Schalom drückt das Wohlergehen im materiellen, körperlichen
und seelischen Sinne aus. Wenn sie so wollen, wünscht uns der Gruß
Schalom inneren und äußeren Frieden. Finden können wir den inneren und
äußeren Frieden, weil wir gesegnet werden. Genauer: Weil wir gesegnet
sind. Wir sind gesegnet, weil wir den Segen Gottes empfangen. Auch wenn
das Segnen von unseren Pfarrern und von beauftragten Laien geschieht:
Der Segen kommt von Gott. Und dieser Segen bleibt auch – unser
ganzes Leben lang. Dass wir trotzdem zum Beispiel in jedem Gottesdienst
oder zu besonderen Gelegenheiten gesegnet werden, ist eine Bekräftigung
und ist ein Zuspruch. Es ist ein Zuspruch, der uns sagen will, dass wir
nicht allein gelassen sind, dass wir Gott ganz nahe sein dürfen. Er ist
deshalb ein Zuspruch, der uns immer wieder für den Alltag Mut macht und
uns auch trösten soll, wenn wir zum Beispiel am Grab eines geliebten
Menschen stehen. Denn – und das soll hier noch einmal wiederholt
werden – der Segen Gottes begabt uns mit heilsamer Kraft.
Die Frage, die sich nun jeder von uns stellen muss, lautet: Was fange
ich denn mit dieser heilsamen Kraft an? Lege ich sie ab wie einen
Mantel, wenn ich zum Beispiel aus dem Gottesdienst dann nach Hause
komme? Oder verwende ich sie nur für mich selbst? Reicht es mir, dass
ich meinen Segen bekommen habe? Wer nur so von sich denkt, macht sich
schlechter, als er es ist. Denn: Gerade mit und durch den Segen Gottes
gehen wir trotz unserer Sündhaftigkeit einigermaßen anständig durchs
Leben. Und ich bin mir sicher: Jeder von uns trägt diese heilsame Kraft
in sich. Jeder nutzt sie auch, diese heilsame Kraft – wenn auch
leider viel zu wenig: Gegen seinen inneren Schweinehund und für seinen
Nächsten. Denn beides ist zu unserem Besten. Der Volksmund sagt nicht
ohne Grund: Sich regen, bringt Segen.
Dabei ist dieser Segen kein Zauberspruch. Er hat nichts mit den vielen
Versprechungen zu tun, mit denen wir täglich zum Beispiel in der Werbung
überflutet werden. Und er hat auch nichts mit den vielen
Heilsversprechen zu tun, bei denen uns ein besseres Leben versprochen
wird, oder Glück, oder Gesundheit, oder der richtige Partner, oder auch
ein Geldsegen. Nein, den Segen Gottes kann ich mir nicht kaufen. Denn
Gottes Segen ist ein Zeichen für seine Nähe zu uns. In unserem
Predigttext aus dem Alten Testament wird dieser Segen dem Volke Israel
zugesprochen. Seit Jesu Leben, Sterben und Auferstehen wissen wir, was
die Nähe Gottes bedeutet und dass der Segen Gottes auch uns gilt. Er
gilt jedem von uns, er gilt unserer ganzen Gemeinde, im Grunde genommen
gilt er allen Menschen dieser Welt.
Wenn wir zum Schlusssegen aufgestanden sind und das „Der Herr segne
dich“ hören: Dann geht es mir manchmal so, dass ich gedanklich an dem
„Der Herr segne dich“ hängen bleibe. Was alles weiterhin im Schlusssegen
steht, höre ich dann natürlich auch, aber es bleibt blass im Vergleich
zu dem Segenswort. Ob das einigen unter Ihnen manchmal auch so geht,
weiß ich natürlich nicht. Und das ist auch überhaupt nicht wichtig. Was
aber wichtig ist: Der Schlusssegen enthält fünf weitere Zusagen Gottes,
von denen jede für unser Leben von großer Bedeutung ist. Ich zitiere
diese Zusagen aus dem Predigttext: Der Herr behüte dich. Der Herr lasse sein
Angesicht leuchten über dir. Der Herr sei dir gnädig. Der Herr hebe sein
Angesicht über dich. Der Herr gebe dir Frieden.
Der Herr behüte dich. Wer behütet
ist, der steht unter dem Schutz Gottes. Oder wie es im Psalm 91 so
wunderbar heißt: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich
behüten auf allen deinen Wegen.
Der Herr gebe dir Frieden Dieser
Frieden meint ein ganzes heiles Leben, unser Wohlergehen. Womit wir
wieder bei dem hebräischen Gruß Schalom wären. Nämlich dem, was der
Segen Gottes bewirken kann: inneren Frieden und letztendlich
Zufriedenheit – auch dann, wenn nicht alle unsere Blütenträume
gereift sind.
Der Herr erhebe sein Angesicht über dich.
Oder wie es in der Einheitsübersetzung verständlicher heißt: Der Herr
wende sein Angesicht dir zu. Diese Aufmerksamkeit Gottes, des Schöpfers
des gesamten Weltalls, gerade für uns ist eigentlich etwas ganz
Unvorstellbares. Aber vergessen wir nicht: Weil uns Gott ansieht, sieht
er auch alles, was wir tun, reden und denken. Und da kann ich nur darauf
hoffen, dass sich die nächste Zusage im Schlusssegen erfüllt: Der Herr sei dir gnädig.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir.
Gott verbirgt sein Angesicht nicht. Wir können ihn sehen, wenn wir es
denn wollen. Gott ist in Jesus Christus für uns sichtbar geworden, denn
Gott will, dass wir ihn sehen.
Alle im Predigttext genannten Zusagen Gottes und sein Segen stehen nicht
einfach nebeneinander, sondern diese Zusagen gehören zusammen. Und mit
dem „Der Herr segne dich“, fängt alles an.
Heute zum Sonntag Trinitatis feiert die Christenheit die Dreieinigkeit,
die Dreifaltigkeit von Gott, dem Schöpfer der gesamten Welt und Vater,
von Gott, dem Sohn unserem Herrn, und von Gott, dem Heiligen Geist. Es
ist ein Gott, der uns – auch hier und heute – sieht und von
uns gesehen werden will. Es ist ein Gott, der gnädig ist und uns eine
heilsame Kraft zutraut. Und es ist ein Gott, der uns beschützt und
letztendlich Frieden schenkt. Oder wie es in unserem Predigttext heißt: Der Herr segne dich und behüte dich; der
Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr
hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Und dieser Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Unsere Liebe zu Gott • 5. Mose 6, 4+5
Predigt am 22.06.2014 • 1. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht 5. Brief Mose im 6. Kapitel: Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der
Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem
Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.
Der 1. Satz im heutigen Predigttext ist wie ein Fanfarenstoß. Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
Hier wird ein ganzes Volk aufgerufen. Der Herr über Israel ist Gott
selbst. Es ist der Gott, den die Juden anbeten und anrufen, den sie als
ihren Herrn anerkennen und dessen Willen sie sich unterwerfen. Und das
ist nicht einer der vielen Götter, wie sie damals in der Antike zum
Beispiel in Griechenland oder im Römischen Reich üblich waren. Nein, das
ist der eine Gott, neben dem es keine anderen Götter gibt. Diese
Aussage war vor fast 3000 Jahren eine Revolution. Und weil das so
ist, weil Gott das Größte ist, was Menschen damals wie heute zu denken
vermögen: Deshalb sollst du den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Wie es im Predigttext weiter heißt.
Diese beiden Sätze vom „Einzigen Gott, der der Herr über Israel ist, und
die unbedingte Liebe zu ihm“ gehören zum heiligsten Gut der Juden. Sie
sind Gebet, Gebot und Glaubessbekenntnis zugleich. Und sie sind dem
Juden damals wie heute Hilfe und Trost. So wird aus den
Vernichtungslagern des Nazis berichtet, mit welcher Inbrunst und
hoffnungssuchend gebetet wurde: Höre, Israel, der Herr ist unser Gott,
der Herr allein. Hier sei auch daran erinnert, dass mit der Liebe zu
Gott die 10 Gebote beginnen. Diese 10 Gebote werden auch im
gleichen Brief Mose genannt und führen direkt zu unserem Predigttext.
Denn aus der Liebe zu Gott folgt unser Umgang mit den Menschen. Und hier
sprechen die 10 Gebote die klare Sprache, die wir kennen: Du
sollst nicht töten, Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht falsch
Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Unser Predigttext und die 10 Gebote sind ein Beispiel dafür, dass
es im Alten Testament nicht nur um das „Auge um Auge oder Zahn um Zahn“
geht, sondern auch um Liebe. Im heutigen Text ist es die Liebe zu Gott.
In den 10 Geboten ist es unser Verhalten gegenüber Gott und den
Menschen. Und an einer anderen Stelle des Alten Testaments steht in
einen ganz anderen Zusammenhang: Du sollst deinen Nächsten lieben wie
dich selbst.
Was hat der Predigttext nun eigentlich mit uns zu tun? Ein Text, der uns
etwas von der Heilsgeschichte Gottes mit dem jüdischen Volk vor langer
Zeit erzählt? Er hat mit uns zu tun, liebe Gemeinde. Er hat sogar sehr
viel mit uns zu tun. Denn der eine Gott Israels, das ist auch unser
Gott. Es ist der eine Gott, der in Jesus von Nazareth Mensch und damit
für uns sichtbar wurde. Und es ist der eine Gott, der im Geiste unter
uns und in uns wirkt. Die Bibel nennt ihn den Heiligen Geist.
Und weil der Gott der Juden auch unser Gott ist, gehört das hierher, was
uns Jesus dazu gesagt hat und einem jeden von uns mit auf den Lebensweg
gegeben hat: Auch für Jesus ist unsere Liebe zu Gott ganz wichtig. Für
ihn ist es sogar das höchste Gebot: Unsere Liebe zu Gott und unsere
Liebe zu anderen Menschen. Beides – unsere Liebe zu Gott und unsere
Liebe zu anderen Menschen – gehören bei Jesus unmittelbar
zusammen. Dabei ist der Nächste für Jesus nicht nur der, der uns nahe
steht. Sondern es sind alle Menschen. Denn für Jesus sind alle Menschen
gleich wertvoll: Frau und Mann, Arme und Reiche, Freundliche und
Unfreundliche, Ehrliche und Unehrliche, Schuldige und Unschuldige usw.
Das gesamte Neue Testament ist voll von Beispielen dafür. Und dabei geht
es immer auch um die Tat, um das gute Tun. Um unser gutes Tun. Nehmen
wir als Beispiel die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Hier wird
uns gezeigt, was Nächstenliebe gegenüber einem Fremden an Hilfe bewirken
kann. Das Gegenbeispiel haben wir heute im Evangelium gehört: Ein
reicher Mann lässt den armen Lazarus links liegen und versagt ihm die
einfachste Hilfe. Und später wird er erfahren müssen, was das für ihn
selbst bedeutet.
Wir haben es schon gehört: Für Jesus gehören die Liebe zu Gott und
Nächstenliebe unmittelbar zusammen. Wie hat er es uns anderer Stelle der
Bibel gesagt? Was ihr den Geringsten unter meinen Brüdern getan habt,
das habt ihr mir – Jesus Christus, Gottes Sohn – getan. Im
Predigttext für den heutigen Sonntag wird uns deshalb nicht ohne Grund
gesagt, dass wir uns unsere Liebe zu Gott zu Herzen nehmen sollen, in
unserem Herzen bewegen sollen. Und von Jesus von Nazareth wissen wir,
dass Gott nur der lieben kann, der auch andere Menschen liebt.
Die Liebe zu Gott und die Liebe zu unseren Mitmenschen in unserem Herzen
bewegen. Martin Luther schreibt im großen Katechismus bei der Auslegung
des 1. Gebotes: Ein Gott ist das, woran unser Herz hängt, was uns
wirklich wichtig ist. Hier lohnt es sich einmal, in uns hinein zu
horchen: Woran hängt mein Herz, was ist mir wirklich wichtig. Ja, woran
hängt mein Herz, was habe ich gern, was will ich gern haben. Was würde
ich mir gern kaufen, wenn ich es mir leisten könnte. Schöne Kleider, ein
Auto mit allen Finessen, eine große Urlaubsreise. Oder etwas, was mir
bereits gehört und das mir besonders gefällt, woran also auch mein Herz
hängt. Zum Beispiel an meinem Garten, an meiner Fernseh- und
Musikanlage, an meinen CDs und Büchern.
Heißt das nun, Gott nicht mehr lieben, weil mein Herz an so vielen
anderen Dingen hängt? Nein, liebe Gemeinde. Es hat mit unserer Liebe zu
Gott wenig zu tun, ob unser Herz nun besonders am Garten hängt oder
nicht oder ob mir mein Garten wichtig ist oder nicht. Vorausgesetzt
natürlich, dass unsere vielen Wünsche an das Leben Gott nicht aus
unserem Herz verdrängen. Was aber mit Gott ganz viel zu tun hat: Das ist
die Liebe. Liebe, die ich jemanden schenke oder Liebe, die ich jemanden
verweigere. Liebe ist dabei oft ein zu starkes Wort: Liebe schenken
denen, die mir wirklich nahe stehen, Achtung vor denen, mit denen ich im
Alltag zu tun habe, Barmherzigkeit für die, die meine Hilfe brauchen.
Darauf kommt es an.
Es ist natürlich wichtig, dass Gott in unserem Herzen einen Platz hat
und diesen Platz auch behält. Ich denke mir, diesen Platz in unserem
Herzen hat Gott, hat unser Herr Jesus Christus. Denn wir gehören zu
seiner Gemeinde, die unter seinem Kreuz zusammen kommt, die gemeinsam zu
ihm betet, singt und auf sein Wort hört. Leider ist das heute nicht
mehr selbstverständlich und wir Christen sind zum Beispiel in Freiberg
längst eine Minderheit. Umso mehr gilt auch für die Christenheit, was im
Predigttext den Juden vor über 2.600 Jahren gesagt wurde: Der Herr
ist unser Gott, der Herr allein. Ich wünsche uns sehr, dass uns das
wieder mehr bewusst wird.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Über die Gerechtigkeit • 5. Mose 6, 24+25
Predigt zum Lesen, aufgeschrieben im Juni 2024
Und der HERR gebot uns, nach allen diesen Satzungen (seinen 10 Geboten) zu handeln und den HERRN, unseren Gott, zu fürchten, damit es uns gut geht allezeit und er uns am Leben erhält, wie es heute der Fall ist. Und Gerechtigkeit wird bei uns herrschen, wenn wir dieses ganze Gebot halten und danach handeln vor dem HERRN, unserem Gott, wie er es uns geboten hat. (Züricher Bibel)
Sie haben es richtig gelesen: Es geht um Gerechtigkeit. Um Gerechtigkeit im Leben und im Glauben. Und damit um eine Gerechtigkeit, die wir erfahren oder die von uns ausgeht, genauer von uns ausgehen sollte. Was uns dabei wahrscheinlich mehr interessiert und was wir auch viel besser verstehen, ist das genaue Gegenteil von Gerechtigkeit: Nämlich die Ungerechtigkeit, die wir auch wieder selbst erfahren, aber auch andere durch uns erfahren und aushalten müssen.
Denn wie ist das bei uns? Bei uns selbst? Natürlich sind wir alle für Gerechtigkeit und noch mehr gegen die Ungerechtigkeit. Oder wollen es zumindest sein. Aber denken und handeln wir in unserem Alltag auch danach? Leider ist es so, dass es auf der Erde viel, ja sehr viel Ungerechtigkeit gibt. Der griechische Philosoph Heraklit hat dazu vor etwa 2.500 Jahren zum Thema Gerechtigkeit gesagt: „Wenn es keine Ungerechtigkeit gäbe, hätte man das Wort Gerechtigkeit nicht gekannt.“
Dazu will ich einige Beispiele erzählen
Wenn wir uns zum Beispiel mit einem Nachbarn auf etwas geeinigt haben oder in einer Sache gleicher Meinung sind: Dann finden das unser Nachbar und wir gerecht. So weit, so gut. Aber wie ist das, wenn wir einmal nicht einer Meinung sind oder es einen richtigen Nachbarstreit gibt? Haben wir dann immer Recht oder behaupten das jedenfalls? Und unser Nachbar muss dann Unrecht haben? Oder wir haben tatsächlich Recht, aber der Nachbar will das nicht anerkennen? Wohin das führen kann, haben sicher einige von uns schon erfahren. Und dann stellt sich natürlich auch eine Frage, die uns weh tun wird: Hat der Nachbar vielleicht doch Recht und wir wollen das nur nicht einsehen? Sind wir also derjenige, der Unrecht hat? Oder um bei unserem Thema zu bleiben: Geht die Ungerechtigkeit damit und dadurch von uns aus, obwohl wir doch so sehr für Gerechtigkeit sind? Und wir als Christen natürlich wissen, dass das auch Gott von uns verlangt.
Für Menschen, die mit anderen Menschen eng verbunden sind oder ein gemeinsames Leben führen, ist Gerechtigkeit ein sehr sensibles Thema. Denn anders als beim Nachbarschaftsstreit geht es hier um das tägliche Zusammenleben, das miteinander Auskommen und Verstehen, auf das aufeinander Angewiesen-sein und nicht zuletzt das einander Vertrauen-können. Wenn sich hier ein oder beide Partner ungerecht behandeln oder sich nur ungerecht behandelt fühlen, dann ist – wenn das oft passiert – eine Gemeinschaft gefährdet, auch wenn sie einmal mit viel Liebe begonnen hat. Wenn diese Liebe nicht ganz verschwunden ist, gibt es Hoffnung: Paulus sagt uns dazu im 1. Brief an die Korinther: „Liebe sucht nicht das Ihre, sie rechnet das Böse nicht zu und freut sich nicht über die Ungerechtigkeit.“ Diese Hoffnung kann sich erfüllen, wenn beide Partner dazu bereit sind und es auch aushalten, einmal nicht Recht zu haben.
In der Gegenwart ist in unserer Gesellschaft Gerechtigkeit wieder ein sehr aktuelles Thema geworden. Das ist eine gute Entwicklung, weil sie zum Beispiel die großen Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern und Einzelpersonen thematisiert. Denn dabei wird deutlich gemacht, wieviel Ungerechtigkeit es auf der Welt und für einzelne Menschen geben kann oder es tatsächlich gibt. Nicht gut finde ich, dass so viel von Ungerechtigkeit gesprochen wird, wo das gar nicht zutrifft. Warum wird deshalb von Teilen der Gesellschaft unser Land so schlecht geredet und Angst geschürt? Und warum ist es manchmal so leicht, anderen ein Gefühl des Zu-kurz-Gekommenen einzureden? Problematisch ist auch, dass Gerechtigkeit so oft nur für sich selbst eingefordert wird. Ich-Bezogenheit als Maß aller Dinge kann und darf nicht das letzte Wort haben in unserem und gegen unser Gemeinwesen.
Und schließlich frage ich diejenigen, auf die das zutrifft: Warum sollen andere Menschen schlechter sein als wir, nur weil es ihnen sehr viel schlechter geht als uns, sie aus einem anderen Kulturkreis kommen oder nur eine andere Hautfarbe haben als wir? Warum werden manchmal Herzen und Türen verschlossen – auch wenn wirklich Not-leidende und Hilfe-suchende bei uns anklopfen? Das alles hat mit fehlender Gerechtigkeit zu tun.
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit gibt es im Großen im Kleinen. Und das nicht erst heute, sondern seit es den Menschen gibt. Zu den großen Ungerechtigkeiten gehören zum Beispiel die vielen Kriege, die die Menschheitsgeschichte wie eine Blutspur begleiten, die vielen Hungersnöte und die Unterdrückung ganzer Völker. Es ist auch im Einzelnen unfassbar, was Menschen anderen Menschen antun können und angetan haben. Ja, Ungerechtigkeit kann wie die Unbarmherzigkeit bis zur Unmenschlichkeit führen. Das ist natürlich nicht unser Weg. Aber Achtung: Der Weg von der Gerechtigkeit bis zur Ungerechtigkeit kann schon sehr wohl auch einmal unser Weg sein - oft oder selten und bei jedem anders.
Die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit und der Weg dorthin sind ein Maßstab für das Verhalten von uns Menschen. Dabei ist der Weg zur Ungerechtigkeit viel leichter zu gehen als der Weg zur Gerechtigkeit, denn der Weg zu einer besseren Gerechtigkeit ist verbunden mit der Bereitschaft, ungerechte Zustände gerechter zu machen und das nicht nur zu wollen, sondern auch etwas dafür zu tun. Das heißt: Wer gerecht sein will, hat die Pflicht gegenüber sich selbst und gegenüber anderen Menschen entsprechend zu handeln.
Zum Glück gibt es dazu Gesetze und Verhaltensregeln, die eine Hilfe sind und eine Orientierung für den richtigen Weg. Dabei ist das in Gesetze und Verhaltensregeln gegossene Recht nicht das Gleiche wie die Gerechtigkeit, sondern ein Rechtsrahmen, der Gerechtigkeit verlangt und möglich macht. In diesem Rechtsrahmen ist es – wie schon genannt - der Mensch, der durch sein Verhalten und Handeln Gerechtigkeit erreichen soll.
Hierzu nun der Predigttext, der im 5. Buch Mose im 6. Kapitel steht. Wir können dort in der Übersetzung der Züricher Bibel lesen: Und der HERR gebot uns, nach allen diesen Satzungen (seinen 10 Geboten) zu handeln und den HERRN, unseren Gott, zu fürchten, damit es uns gut geht allezeit und er uns am Leben erhält, wie es heute der Fall ist. Und Gerechtigkeit wird bei uns herrschen, wenn wir dieses ganze Gebot halten und danach handeln vor dem HERRN, unserem Gott, wie er es uns geboten hat.
Obwohl der Predigttext mit seinen zwei Sätzen nur kurz ist, enthält er viel. Es geht um Gerechtigkeit, zu der ich nicht ohne Grund so viele aktuelle Beispiele aufgeschrieben habe. Entscheidend ist nun, dass es Gott im Predigttext selbst ist, der hier handelt. Gott handelt, damit es uns gut geht allezeit und er uns am Leben erhält, wie es im Predigttext zu lesen ist. Gott handelt, weil er weiß, dass ein gutes Leben für uns am besten dann erreicht wird, wenn wir gerecht miteinander umgehen, wenn also bei uns und durch uns Gerechtigkeit herrscht. Gott handelt, in dem er uns dazu und deshalb Zehn Gebote gibt, an die wir uns halten und danach handeln sollen. Gott handelt, indem er uns klar macht, wie ernst es ihm mit seinen Zehn Geboten ist. Das heißt, dass wir vor ihm handeln und ihn, unseren Gott, fürchten sollen. Der Glaube an Gott gibt uns den Zugang zu diesem Handeln Gottes. Denn was sollte uns denn das Handeln dieses Gottes interessieren, wenn wir Gott nicht ernst nehmen oder gar nicht daran glauben, dass es ihn überhaupt gibt.
Der Text der Zehn Gebote ist uns natürlich bekannt. Die komplette Fassung habe ich trotzdem aufgeschrieben, weil der Text eine Hilfe ist und dabei auch sichtbar wird, was uns im Predigttext gesagt ist: Gerechtigkeit wird bei uns herrschen, wenn wir so handeln, wie es die Gebote verlangen.
Text der Zehn Gebote:
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
Du sollst den Feiertag heiligen.
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Du sollst nicht töten.
Du sollst nicht ehebrechen.
Du sollst nicht stehlen.
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.
Die Zehn Gebote sind für uns etwas Wichtiges. Nicht nur als für uns ehrfurchtsvolles Wort Gottes, für das es sich wunderbar eintreten lässt, sondern als Richtschnur für mehr Gerechtigkeit, für unser Leben, ja sogar für unseren Alltag.
Aber hatten sich damals die Zehn Gebote mit dem Kommen von Jesus nicht eigentlich erledigt? Wahrscheinlich wird das damals der eine oder andere auch gedacht haben. Aber hier greift Jesus in seiner ersten großen Rede, der Bergpredigt, sofort ein und sagt dazu mit großer Bestimmtheit:
„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz – gemeint sind die Zehn Gebote - bis es alles geschieht. Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.“ (Matthäus 5, Verse 17-19). Jesus als Gottes Sohn autorisiert hier praktisch die Zehn Gebote, die ursprünglich an das jüdische Volk gerichtet waren, und macht sie zu einem verbindlichen Kanon für die gesamte Christenheit – übrigens ohne sie dem jüdischen Glauben wegzunehmen.
Aber Jesus geht noch einen Schritt, einen großen und entscheidenden Schritt, weiter. Denn als ein Schriftgelehrter Jesus nach dem höchsten Gebot in der Bibel fragt, antwortet Jesus mit dem Doppelgebot der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22, 37-40). Mit diesem Gebot fasst Jesus die Zehn Gebote zusammen. Demnach sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten und zu sich selbst gleich wichtig. Jesus schenkt uns hiermit einen neuen Zugang zu den notwendigen Zehn Geboten und zeigt uns damit einen Weg, der zu mehr Gerechtigkeit führt.
Jesus sieht natürlich, wieviel Ungerechtigkeit auf der Welt herrscht und wie die meisten Menschen darunter leiden. Deshalb sagt Jesus dazu in den Seligpreisungen gleich zu Beginn seiner Bergpredigt den Menschen damals, aber auch uns heute: Selig sind die, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden (also Gerechtigkeit erfahren). Und selig sind auch die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich.
Auch heute herrscht auf der Welt und zwischen uns oft eine große Ungerechtigkeit.
Alles, was in den Zehn Geboten genannt ist und wie Jesus diese Gebote mit seinem Doppelgebot auslegt, will und kann ein Baustein für mehr Gerechtigkeit sein oder werden. Deshalb haben auch heute für uns die Gebote eine große Bedeutung als notwendige Verhaltensregel für eine Gerechtigkeit, die wir alle brauchen im Leben und im Glauben. – auch im Alltag.
Amen
Ein Bund fürs Leben • 5. Mose 7, 6–9
Predigt am 23.07.2017 • 6. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn,
deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des
Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der Herr
angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle
Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern, sondern
weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren
Vätern geschworen hat. Darum hat der Herr euch herausgeführt mit
mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand
des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der
Herr, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die
Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und
seine Gebote halten.
Liebe Gemeinde, der Predigttext, den wir vorhin gehört haben, beschreibt
ein Bündnis, einen Bund, den Gott vor langer Zeit mit dem Volke Israel
geschlossen hat. Ist so etwas heute noch zeitgemäß? Ein Bund, der beide
Seiten im ganz wörtlichen Sinne bindet? Heute kommt es uns vielmehr oft
so vor, als ob in unserer Zeit vieles unverbindlicher geworden ist und
auch immer unverbindlicher wird. Und auch Regeln, die bisher – auch
für unser Leben – wichtig waren, scheinen irgendwie unsicherer und
unverbindlicher zu werden. All das wird uns auch täglich in den Medien
vermittelt. Also in Zeitungen und Zeitschriften, in Radio und Fernsehen
und neuerdings immer stärker auch im Internet. Alles, was gut oder nur
scheinbar gut ist: Das soll vor allem dann immer besser werden, wenn dem
keine Grenzen mehr gesetzt werden. Wenn also vieles vollkommen
ungebunden ist. Und auch unser Glück soll ja angeblich auch grenzenlos
sein, wenn wir keine Verpflichtungen mehr eingehen und nur noch auf uns
selbst Rücksicht nehmen. Wenn wir also vollkommen ungebunden – oder
wie es modern heißt – vollkommen frei sind.
Was uns da vermittelt wird, das klingt auf den ersten Blick verlockend.
Und da ist es auch kein Wunder, wenn immer weniger Menschen bereit sind,
sich fest zu legen oder sich zu binden, einen Bund einzugehen. Zum
Beispiel mit einem Partner oder durch eine Verpflichtung. Hier heißt es
nun inne zu halten. Fragen wir uns doch einmal: Ist es wirklich besser,
keine Verbündete und Partner zu haben? Es ist nicht besser. Besser ist
das genaue Gegenteil, auch wenn das oft unbequemer ist. Es ist besser
für ganze Staaten, Bündnisse und Verträge mit anderen Staaten
einzugehen. Es ist besser, weil sich damit ein Staat und die darin
lebenden Menschen besser schützen können. Und weil das natürlich auch
sonst Vorteile bringt. Zum Beispiel bei der Durchsetzung eigener
Interessen. Die Europäische Union ist dafür ein Beispiel – auch
wenn das viele manchmal anders sehen.
Besser zu verstehen ist die Frage eines Bündnisses im Einzelfall, also
zwischen zwei Menschen. Ein gutes Beispiel für so einen Bund ist nicht
nur, aber auch die Ehe. Hier wird ein Bündnis geschlossen mit dem
gegenseitigen Versprechen, zusammen zu halten in guten wie in schlechten
Zeiten. Was so ein Bund – zum Beispiel in einer Ehe – wert
ist, zeigt die Zeit. Denn ein Bund, ein Bündnis bleibt nur dann sinnvoll
und hat Bestand, wenn der Wille dazu nicht nachlässt und vereinbarte
Regeln des Bundes eingehalten werden.
Der Bund zwischen zwei Menschen hat wie jedes Bündnis ein Ziel: Ich
suche zum Beispiel einen Partner gegen meine Einsamkeit. Ich suche
Menschen, die mir angenehm sind. Bei denen ich mich wohlfühle und denen
ich vertrauen kann. Die ich liebe und von denen ich mich geliebt fühlen
kann, zum Beispiel in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft oder in einer
Familie. Ich suche Menschen, mit denen mich gleiche Interessen
verbinden, mit denen ich meine Aufgaben und Hobbies oder ganz allgemein
mein Leben besser meistern kann. Ich brauche dazu Verbündete und
Weggefährten. Ich wünsche mir Freunde und Gleichgesinnte im Beruf, in
der Schule oder im Seniorenheim. Und nicht zuletzt in der Gemeinde, im
Kirchenchor oder in den Gemeindegruppen, zum Beispiel in den
Hauskreisen. Gott sagt uns dazu schon in der Schöpfungsgeschichte: Es
ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
Natürlich gibt es auch Bündnisse und Verpflichtungen, die für mich eine
Last sind oder die mir zur Last werden. Bündnisse, von denen ich mir
gewünscht hätte, dass ich sie nie eingegangen wäre. Sie merken schon:
Ein Bündnis schließen und dieses Bündnis auch festhalten zu wollen oder
aushalten zu müssen, das ist ein weites Feld. Jeder von uns hat da so
seine Erfahrungen – gute und schlechte. Und bei jedem von uns sind
die Erfahrungen anders, die er dabei gemacht hat.
Von einem Bündnis, von einem Bund handelt nun auch der Predigttext. Ich
sagte es schon. Es ist eine ganz alte Geschichte aus dem 5. Buch
Mose, die wir vorhin als erste Lesung gehört haben. Was uns berichtet
wird, will ich mit meinen Worten noch einmal kurz zusammenfassen: Gott
liebt das Volk Israel. Er hat es aus allen Völkern auserwählt und mit
ihm einen Bund geschlossen – obwohl es zu dieser Zeit wesentlich
größere und bedeutendere Völker gegeben hat. Gott setzt damit ein
Zeichen und er hält auch an dem Bund fest, den er lange vor unserem
Predigttext mit dem Volk Israel geschlossen hat. Deshalb führt er zum
Beispiel auch das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten.
Wörtlich heißt es weiter im Predigttext: So
sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der
treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied
hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.
In diesem Satz nun wird dem Volk Israel Entscheidendes über Gott gesagt:
Gott ist der Herr über Israel und der Herrscher über alles. Gott ist
treu und hält an dem Bund mit Israel fest. Gott ist barmherzig zu allen,
die seine Gebote halten und ihn lieben. Und: Gott ist der alleinige
Gott, der ewig ist und neben dem es keine anderen Götter gibt.
Liebe Gemeinde, was hier dem Volk Israel gesagt ist, das wird auch uns
gesagt. Denn der Gott Israels ist auch unser Gott. Es ist der gleiche
Gott, zu dem wir uns bekennen. Im unserem Glaubensbekenntnis heißt es
dazu: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Nun kann gefragt werden: Drängeln wir uns hier nicht in einen Bund
hinein, den Gott vor langer Zeit mit dem Volke Israel geschlossen hat?
Mitnichten. Denn unser Glaubensbekenntnis bleibt ja dabei nicht stehen,
sondern wir bekennen anders als das jüdische Volk außerdem: Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Dieser unser Jesus feiert, bevor er verraten wurde, mit seinen Jüngern
das Abendmahl. Er nimmt dort den Kelch nach dem Mahl und spricht: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!
Das heißt nicht mehr und nicht weniger: Durch Jesu Blut, durch seinen
Tod und seine Auferstehung schließt Gott alle Menschen dieser
Welt – auch jeden von uns – in seinen neuen Bund ein. Ich
wünsche uns den Glauben daran, dass der neue Bund Gottes mit uns Bestand
hat. Und ich wünsche uns die Einsicht, dass auch wir etwas dafür tun
müssen, damit der Bund Gottes mit uns nicht wie in einer schlechten Ehe
durch uns auseinanderbricht.
Heute am 6. Sonntag nach Trinitatis ist der jährliche Taufsonntag.
Es ist die Taufe, in der der Bund Gottes mit uns – mit jedem
Einzelnen von uns – besiegelt wird. Ich wünsche uns das Vertrauen
darauf, dass dieser Bund Gottes mit uns unser Leben tragen kann.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Ist alles hoffnungslos? • Hiob 14, 1–6
Predigt am 11.11.2012 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief des Hiob im 14. Kapitel: Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze
Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht
wie ein Schatten und bleibt nicht. Doch du tust deine Augen über einen
solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst. Kann wohl ein
Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! Sind seine Tage bestimmt,
steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er
nicht überschreiten kann: So blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe
hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.
Dieser so ernste und in Teilen sogar trostlose Predigttext hat eine
Vorgeschichte, die zum Verständnis des Predigttextes hilfreich ist und
die ich deshalb kurz darstellen will. Hiob war ein frommer und
gottesfürchtiger Mann. Er achtete auf Gottes Gebote und liebte seine
Mitmenschen. Hiob vertraute seinem Gott, hatte eine große glückliche
Familie und war auch sehr reich, denn er besaß tausende Tiere und viele
Knechte und Mägde. In dieses schöne Leben bricht nun unendlich schweres
Leid herein. Die Tiere werden gestohlen und die Knechte werden von
räuberischen Banden getötet. Und seine eigenen Kinder kommen durch ein
Erdbeben alle um. Damit nicht genug. Er bekommt auch noch eine sehr
schmerzhafte Hautkrankheit: Üble Geschwüre übersäen seinen Körper von
der Fußsohle bis zum Scheitel. Hiob erlebt so viel Leid und Schmerzen,
dass er es kaum ertragen kann.
Die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften sind Botschaften, wie wir sie im
Hiobsbrief lesen können. Hiob steht also nicht mehr auf der Sonnenseite
des Lebens, sondern auf dessen Schattenseite. Er bekommt sogar die ganz
dunklen Seiten des Lebens zu spüren. Da ist es verständlich und ganz
menschlich, dass Hiob mit seinem Unglück und mit Gott hadert. Aber, und
das ist nun nicht selbstverständlich: Hiob glaubt fest an Gott und hält
auch im Leid an Gott fest. Ob das bei Hiob so ist, weil es ihm schlecht
geht oder obwohl es ihm schlecht geht: Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle
setzt unser Predigttext nach den wahr gewordenen Hiobsbotschaften ein.
Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt eine
kurze Zeit und ist voll Unruhe. Er geht auf wie eine Blume und fällt ab.
Er flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.
In diesen beiden ersten Strophen des Predigttextes ist eigentlich alles
gesagt, was zu sagen ist. Und das in einer Kürze und Klarheit, die ihres
gleichen sucht: Wir werden vom Weibe geboren. Unser Leben ist begrenzt
und währt nur eine gewisse Zeit, die – gemessen an den großen
Zeitläufen – auch nur kurz ist. Unser ganzes Leben lang sind wir
voller Unruhe. Ganz egal, ob diese Unruhe innerlich oder äußerlich ist.
Ganz egal, ob diese unsere Unruhe einen freudigen oder traurigen Grund
hat. Ganz egal, ob ich allein oder mit anderen zusammen bin. Und auch
ganz egal, ob es meinen Alltag oder ein für mich wichtiges Ereignis
betrifft.
Und nun vor allem: Der Mensch geht auf wie
eine Blume: Eine Blume, die blüht, die verwelkt und deren Blüte dann
abfällt. Und: Unser Leben flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.
Diese beiden Zeilen des Predigttextes sind für sich genommen unsagbar
düster und traurig und Gott kommt darin auch nicht vor. Hier wird auch
klar, warum weltliche Beerdigungen so besonders traurig und vollkommen
ohne Trost sind. Denn hier gibt es nichts außer unserer Vergänglichkeit.
Und je lieber oder erfolgreicher ein Dahingegangener war, je mehr er
jetzt fehlt, umso trauriger wird das Ganze.
Unser Predigttext bleibt auch traurig, aber in den folgenden Versen kommt Gott mit ins Spiel. Hiob sagt zu Gott: Obwohl das Leben des Menschen vergänglich ist, tust du deine Augen über einen solchen auf und ziehst ihn vor dein Gericht.
Gott sieht also den Menschen an und sieht zu, was der Mensch denkt,
redet und tut. Gott interessiert sich für den Menschen und er
interessiert sich auch für uns. Wir sind also gar nicht so allein, wie
wir oft denken. Soweit, so gut. Bei Hiob lernen wir, dass wir es nicht
mit einer Art lieber Wohlfühl-Gott zu tun haben, den ich mir bei Bedarf
aus der Tasche hervorholen kann.
Gott ist hier tatsächlich der große und strenge Gott. Denn Gott sieht
uns nicht nur manchmal, sondern immer an. Und er zieht uns auch vor sein
Gericht. Und dort zählt das, was Gott vorher gesehen hat. Und da wollen
wir gar nicht anfangen nachzudenken, was Gott dabei bei jedem von uns
so zu sehen bekommt. Die Frage dabei an uns ist: Ist es uns egal, was
Gott bei uns zu sehen bekommt? Oder ist es uns nicht egal. Haben wir
Angst vor Gottes Gericht? Anders gesagt: Nehmen wir Gott genügend ernst?
Hiob hat Gott sehr ernst genommen und dazu gehört auch, dass er Gott
gefürchtet hat. Und weil das so ist, beklagt sich Hiob über Gottes
Gericht. Genauer gesagt: Hiob beklagt sich bei Gott über sein Gericht.
Oder wie es im Predigttext heißt: Kann wohl ein Reiner kommen vom Unreinen? Auch nicht einer! Doch Hiob, einer kann kommen und einer wird kommen. Aber von Jesus von Nazareth konnte Hiob noch nichts wissen.
Am Schluss des Predigttextes kommt Hiob noch einmal auf das Schauen Gottes zurück und sagt: So blicke doch weg von ihm, den Menschen, damit er Ruhe hat. Bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.
Dieser Satz ist eine Bitte, deren Schlichtheit und Tiefe anrühren. Hiob
bittet Gott wegzuschauen, den Menschen nicht dauernd zu beäugen und zu
beobachten, sondern ihn seine kurze Lebenszeit bis zum Tod so leben zu
lassen, dass er ohne Furcht vor dem Zorn Gottes leben kann. Diese Bitte
spricht Hiob wahrscheinlich aus, weil er seinen nahen Tod erwartet.
Hiob hat keinen Zweifel, dass Gott es ist, der bestimmt, wie lang ein Mensch zu leben hat. Im Predigttext heißt es dazu: Im Voraus setzt du fest, wie alt der Mensch wird, auf Tag und Monat hast du es beschlossen.
Wenn das bei einer Beerdigung gesagt wird, wird niemand Einspruch
dagegen erheben. Befragen wir aber in unserem Alltag z. B. einen
Arbeitskollegen oder einen Arzt, wodurch die Länge eines Menschenlebens
bestimmt wird, so kommt in seiner Antwort Gott in aller Regel überhaupt
nicht mehr vor. Und wenn wir uns selbst befragen, was ist dann? Halten
wir mit Hiob daran fest, dass Gott im Himmel den Todestag, die
Todesstunde eines jeden Menschen vorherbestimmt? Wenn der 17jährige mit
seinem Rad schwer verunglückt und Tage später an den Folgen des Sturzes
stirbt, hat Gott das so vorherbestimmt?
Wir Heutigen sind nicht die Ersten und Einzigen, die solche Fragen
stellen. Wahrlich nicht. Aber es gibt wohl kein Dokument der
Weltliteratur, in dem diese Frage so radikal gestellt wird, wie im Buch
Hiob aus dem Alten Testament. Oder wie es der Theologe Karl Barth
formuliert: Was sind doch die sämtlichen alten und neuen Atheisten,
Skeptiker, Pessimisten und Religionsspötter für arglose, gemütliche
Gesellen neben diesem Hiob! Die wussten und wissen ja gar nicht, gegen
wen sie mit ihrem Achselzucken, Zweifeln, Lächeln und Leugnen angingen
und angehen. Hiob wusste es, denn er war im ganz wörtlichen Sinne ein
gottesfürchtiger Mann.
Uns wünsche ich hier viel Demut: Verstehen zu wollen, wie Gott denkt,
warum und wie er handelt, ist Anmaßung. Denn an diesem großen und für
uns unangreifbaren Gott hat sich auch für uns nichts geändert. Was sich
geändert hat, ist unsere Zugangsmöglichkeit zu Gott. Und geändert hat
sich auch unser Wissen darum, wie sich Gott verhalten hat, als er für
eine kurze Zeit Mensch wurde. Das war lange nach Hiob und ist trotzdem
vor inzwischen fast 2000 Jahren passiert. Hier im Gottesdienst muss
nicht vertieft werden, dass ich von Jesus von Nazareth rede. Jesus von
Nazareth, der die Liebe gepredigt und bis in den Tod vorgelebt hat und
der unser Herr und Heiland wurde und ist.
Er ist es auch am heutigen Tag und hier im Gottesdienst, wo wir unter
seinem Kreuz gemeinsam beten, singen und auf sein Wort hören. Und Hiob?
Seine Botschaft und sein Erleben sind damit nicht außer Kraft gesetzt: Der
Mensch, vom Weibe geboren, lebt eine kurze Zeit und ist voll Unruhe. Er
geht auf wie eine Blume und fällt ab. Er flieht wie ein Schatten und
bleibt nicht. Gott hat die Zahl seiner Tage bestimmt und damit ein Ziel
gesetzt, das der Mensch nicht überschreiten kann.
Soweit Hiob. Das Neue seit Jesus Christus für uns ist nun, dass wir in
dieser Welt nicht allein gelassen sind und dass wir darauf hoffen
dürfen, auch im und nach dem Tod nicht allein gelassen zu werden. Das
heißt doch aber: Uns erwartet nicht nur das Gericht Gottes wie bei Hiob,
sondern die Fürsprache von Jesus Christus beim Gericht Gottes. Der Tod
beendet unser Leben hier auf dieser Welt. Unsere Gottgeborgenheit bleibt
uns aber – bis an das Ende aller Zeit. Der Glaube daran spendet
Trost – nicht nur bei einer Beerdigung, sondern auch im Alltag.
Jeden Tag neu. Auch für uns.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Ist mir meine Kirche vertraut? • Psalm 26, 8
Predigt am 19.11.2017 • Kirchweihe • Kirche Reinsberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im 26. Psalm, Vers 8. Ich lese ihn in einer modernen Übersetzung: Großer, ewiger Gott ich liebe das Haus, in dem du wohnst, wo du in deiner Herrlichkeit uns nahe bist.
Der Predigttext ist mehrere Jahrhunderte vor Christi Lebzeiten
aufgeschrieben worden. Die Juden beteten schon damals an den einen
ewigen Gott, den auch wir anbeten und der der Vater unseres Herrn Jesus
Christus ist. Und der besondere Ort dafür war und ist für die Juden die
Synagoge. Also das Gleiche, was wir Christen eine Kirche nennen. Es ist
das Haus, in dem Gott wohnt, wie es im Predigttext heißt.
Jede Kirche, jedes Kirchengebäude ist deshalb etwas Besonderes. Eine
Kirche, genauer jede Kirche ist ein Ort, an dem wir Gott begegnen –
wenn wir es denn wollen. Wir, die wir heute hier in der Kirche
beisammen sind, um Gottesdienst zu feiern: Wir wollen Gott nahe sein.
Hier, wo wir unter Jesu Kreuz zusammen kommen. Wo wir gemeinsam singen,
gemeinsam beten, gemeinsam auf Gottes Wort hören. Wo wir um Vergebung
unserer Sünden bitten. Wo wir letztendlich Gottesdienst feiern. Dabei
wollen wir nicht vergessen, dass ein Gottes-Dienst kein Dienst von Gott
an uns ist. Das Wort Gottesdienst kommt vielmehr vom lateinischen Wort
cultus und heißt Verehrung, Anbetung von Gott. Oder wie es in unserem
Predigttext heißt: Ich liebe das Haus, wo du, ewiger Gott, in deiner Herrlichkeit uns nahe bist.
Jeder, der wie wir immer wieder einmal in die Kirche geht. Jeder, der
wie wir regelmäßig oder auch nur ab und zu einen Gottesdienst besucht:
Der spürt mit den Jahren eine ganz besondere Vertrautheit zu seiner
Kirche und eine besondere Vertrautheit in seiner Kirche. Ich denke mir,
dass wird Ihnen in Ihrer Reinsberger Kirche auch so gehen: Sie kommt
Ihnen vertraut vor und Sie fühlen sich hier wohl. Und Sie können das
empfinden, was uns im Predigttext über eine Kirche gesagt wird: Gott ich liebe das Haus, in dem du wohnst.
Da ist es ganz egal, ob eine Kirche riesengroß ist wie der Kölner Dom
ist oder bescheidener, wie Ihre Reinsberger Kirche. Heimat finde ich
dort, wo mir alles vertraut ist: Die Kirche von außen und von innen und
vor allem die Menschen, die ich in dieser Kirche treffe – zum
Beispiel im Gottesdienst.
Bei der Vorbereitung auf den heutigen Kirchweih-Gottesdienst habe ich
Bemerkenswertes über die Baugeschichte Ihrer Kirche gefunden. Zum
Beispiel gibt es im Buch „Evangelische Kirchen im Meißner Land“ dazu
interessante Details, die wahrscheinlich nicht alle kennen werden. So
wurde Ihre Kirche von 1768 bis 1773 gebaut und der abgebrannte Kirchturm
1899 wieder aufgebaut. Ich nenne die Zahlen nicht um Sie zu langweilen,
sondern weil sie uns etwas sehr Interessantes sagen: Im nächsten Jahr
ist es 250 Jahre her – also ein Vierteljahrtausend, dass mit
dem Bau Ihrer Kirche begonnen wurde. Und in zwei Jahren können Sie
gleich weiterfeiern: Denn dann ist es 100 Jahre her, dass Ihr
Kirchturm nach einem Brand wieder aufgebaut wurde. Und wenn sie einmal
beim Feiern sind, können Sie – zusammen mit dem ganzen Ort –
auch stolz und dankbar auf Ihre Vorfahren blicken. Für den kompletten
Bau der Kirche haben sie gerade einmal 5 Jahre gebraucht und für
den Wiederaufbau des abgebrannten Turmes nur 6 Monate. Und das
alles mit den damaligen technischen Möglichkeiten.
Liebe Gemeinde, es lohnt sich einmal darüber nachzudenken, was so ein
alter Kirchenraum für uns, für jeden von uns bedeuten kann. Es ist die
gleiche Kirche wie damals vor fast 200 Jahren, in der wir heute
sitzen. Ja, es sind sogar die gleichen Steine und die anderen gleichen
Teile der Kirche, die die Menschen hier, wie wir heute, gesehen haben:
bei Hochzeiten, Beerdigungen, Taufen und Gottesdiensten. Und das sind
nicht irgendwelche Menschen gewesen, sondern Reinsberger wie Sie. Ob das
nun in den fast 250 Jahren oft Vorfahren von ihnen gewesen sind,
weiß ich nicht. Wir reden hier immerhin von 8 Generationen. Aber
viele Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern von Ihnen werden schon dabei
gewesen sein. Und wenn kein Unglück passiert, werden auch Ihre
Nachfahren noch in diese Ihre Kirche gehen und nicht nur den
Gottesdienst, sondern auch diesen Raum auf sich wirken lassen. Und zwar
auch dann noch, wenn wir schon lange gestorben sind und auf dem Friedhof
kein Grab mehr an uns erinnert.
Doch zurück zu uns heute: Eine Kirche ist etwas Besonderes, wir haben es
schon gehört. Gerade in kleineren Orten wie hier in Reinsberg ist die
Kirche den Menschen wichtig. Ganz egal, ob sie zur Kirchgemeinde gehören
oder von Gott nichts mehr wissen, oft nichts mehr wissen wollen. Wenn
es um das Kirchgebäude geht, fühlen sich viele zuständig und packen mit
an – auch Nichtchristen. Denn: Ein Kirchgebäude hat etwas
Identitätsstiftendes für alle Einwohner auch hier im Ort. Oder einfacher
gesagt: Ihre Kirche in Reinsberg stärkt Ihr Zugehörigkeitsgefühl –
zur Kirchgemeinde. Und bei den Einwohnern von Reinsberg, die nicht zur
Kirchgemeinde gehören? Auch bei denen stärkt die Kirche das
Zugehörigkeitsgefühl zum Ort – zu Reinsberg. Vielleicht auch zur
Kirchgemeinde. Und weil das alles so ist, sagt uns denn auch der
Predigttext: Großer, ewiger Gott ich liebe das Haus, in dem du wohnst, wo du in deiner Herrlichkeit uns nahe bist. Und von dieser Nähe Gottes zu uns können Sie ruhig etwas mit nach Hause nehmen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Wünschen • Psalm 27, 7
Predigt am 08.05.2016 • Exaudi • Petrikirche Freiberg
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich.
Liebe Gemeinde, heute können und wollen über das Wünschen, über unsere
Wünsche für uns und für andere reden. Interessanterweise können wir
dabei – beim Wünschen – viel von Kindern lernen. Jeder von uns
hat da so seine Erfahrungen. Das geht mit den eigenen Kindern und
Enkeln los. Das betrifft aber alle Kinder, mit denen wir zu tun haben.
Kinder sind beim Etwas-haben-wollen noch ganz unverstellt und sagen frei
heraus, was sie sich wünschen. Und wenn diese Wünsche nicht gleich
erfüllt werden, kann es Ärger geben. Selbst unsere gut gemeinte oder
manchmal auch etwas genervte Erwiderung, dass das jetzt nicht geht,
hilft nicht viel weiter. Die Reaktion reicht oft vom „Ich will aber“ bis
zum beleidigten oder traurigen Zurückziehen. Andererseits: Wenn Kindern
ein Wunsch erfüllt wird, ist ihre Freude darüber in der Regel groß und
ganz spontan. Und das ohne Hintergedanken.
Aber wie ist das bei uns unter Erwachsenen, wenn wir uns etwas wünschen,
wenn wir etwas haben wollen? Wir Erwachsenen sind da aus Erfahrung
vorsichtig geworden. Wir fragen uns zum Beispiel: Gehört sich das, sich
jetzt einfach etwas zu wünschen? Gehört sich das, anderen immer einfach
zu sagen, was ich will. Egal, ob es im Beruf mein Chef ist oder ein
Bekannter, von dem ich mir etwas wünsche. Selbst zu Hause äußern wir oft
unsere Wünsche nur über eine Hintertür. Dass es auch nicht erfüllbare
Wunschträume gibt, versteht sich. Es spricht für uns, dass wir uns oft
nicht nur etwas für uns selbst wünschen, sondern auch für andere.
Wünsche zu haben, gehört zu unserem Leben dazu und das ist gut so. Denn:
Wer für sein Leben keine Wünsche mehr hat, der ist arm dran. Das ist
so, als ob ich von meinem Leben nichts mehr erwarten würde. Und das
wünsche ich keinem von uns. Ich wünsche uns vielmehr, dass wir ab und zu
tatsächlich wunschlos glücklich sind. Dass wir also Glücksmomente
erleben, in denen wir uns nichts anderes oder noch mehr wünschen. Aber
für unser weiteres Leben – außerhalb der Glücksmomente –
sollten wir uns unsere Wünsche, unsere Sehnsüchte, unsere Hoffnungen,
unsere Lebensplanungen – auch heimliche – nicht nehmen
lassen. Dazu gehört aber auch, dass wir unser Herz vor den Wünschen
anderer und ihren Hoffnungen, die sie in uns setzen, nicht verschließen.
Ich habe jetzt viel über Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen bei Kindern,
bei uns und zwischen uns Menschen gesprochen. Das war keine Vorrede,
sondern Hinführung auf das, was uns im Predigttext gesagt ist. Denn dort
geht es auch um die Wünsche, die wir für uns und für unser Leben haben.
Im Großen, wie im Kleinen. Nur werden dort unsere Wünsche an Gott
benannt. Der Predigttext aus Psalm 27 hat nur ein Vers. Er ist also
nur kurz, aber er hat es in sich: Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich.
Das Ganze lässt sich wie folgt zusammenfassen: Höre meine Stimme
ist die Bitte. sich meinen Wunsch überhaupt anzuhören. Und es ist ja
nicht irgendjemand, der uns anhören soll, sondern es ist der Herr –
also Gott selbst. Und das Erhöre mich, Gott
drückt unseren Wunsch nach Erfüllung unserer Bitte aus. Beides: Höre
mich und erhöre mich ist überhaupt nicht selbstverständlich. Denn: Es
steht nicht in unserer Macht, was Gott tut. Und wir wissen alle nicht,
ob, wie und warum uns Gott eine Bitte erfüllt oder nicht. Gott, der Herr
und Herrscher über die ganze Welt, ist für uns nicht verfügbar. Und was
Gott tut, tut er allein aus Gnade.
Deshalb heißt es auch im Predigttext nicht nur: Gott höre meine Stimme, wenn ich rufe, und erhöre mich. Sondern: Gott, höre meine Stimme, wenn ich rufe; erhöre mich und sei mir gnädig.
Dieser Text hat einen besonderen Bezug zum heutigen Sonntag. Denn der
Name des heutigen Sonntags lautet: Exaudi oder sinngemäß übersetzt:
Höre! Und zwar in Anlehnung an unseren Predigttext aus Psalm 27: Herr, höre meine Stimme.
Wer will, dass ihm zugehört wird, wer will, dass ihm sogar Gott zuhört,
muss natürlich vorher sagen, was denn erhört werden soll. Er muss also
seine Stimme erschallen lassen, wie es im Text steht. Gegenüber Gott
kann ich alles ansprechen, was er hören soll. Alles, was ich mir
wünsche. Alles, wonach ich Sehnsucht habe. Alles, worauf ich hoffe.
Alles, worüber ich mich ärgere oder worüber ich enttäuscht bin. Alles,
was ich ungerecht finde. Alles, was sich ändern müsste. Eben alles, was
mich oder andere betrifft. Alles Freud und Leid. Gott kann alles hören:
Unsere Bitten, unseren Dank. Jeden Hilferuf. Selbst ein Stöhnen oder
einen stummen Schrei in höchster Bedrängnis.
Nun hat das Erhöre mich, Gott aus
dem Alten Testament durch Jesus Christus eine vollkommen neue Qualität
bekommen. Der heutige Sonntag heißt ja nicht nur Exaudi, sondern er ist
gleichzeitig der 6. Sonntag nach Ostern. Es ist ein Sonntag, der
wie alle Sonntage vor ihm seit Ostern bewusst dem Ostergeschehen
zugeordnet ist. Zur Erinnerung: Ostern haben wir uns gegenseitig unsere
Glaubensgrundlage vergewissert: Der Herr ist auferstanden. Er ist
wahrhaftig auferstanden. Der Auferstandene, also Jesus von Nazareth
hatte sich damit als Gottes Sohn, als Jesus Christus, unser Herr,
offenbart. In Jesus war also Gott unter uns gewesen und, liebe Gemeinde,
er ist auch heute unter uns. Wenn wir also heute bitten: Gott, erhöre uns können wir auch sagen: Jesus Christus, erhöre uns. Und das Jesus für uns ein Herz und ein offenes Ohr hat, das hat er uns gezeigt – bis hinein in seinen Tod.
Auch wenn nicht alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen: Wir haben allen
Grund darauf zu vertrauen, dass uns unser Herr Jesus Christus auch heute
hört. Deshalb können wir ihn in Anlehnung an den Predigttext im Gebet
auch bitten: Jesus, höre meine Stimme. Jesus, erhöre mich. Jesus,
erbarme dich meiner. Für Jesus war nun wichtig und das sollte auch uns
heute wichtig sein: Die Fürbitte, also das Beten und Bitten nicht nur
für mich, sondern auch für andere. Es ist also gut, wenn wir in
Anlehnung an den Predigttext auch bitten und beten: Jesus, höre unsere
Stimme. Jesus, erhöre uns. Jesus, erbarme dich unser.
Seit Jesus von Nazareth wissen wir: Egal, ob wir Gott, den Vater, den
Schöpfer des Himmels und der Erde, oder Jesus Christus, unseren Herrn,
ansprechen wollen. Beide dürfen wir bitten: Herr, erhöre uns.
Erhöre unsere Bitten und Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen, die wir
für uns und unser Leben haben. Und hilf uns nicht zu vergessen, dass
auch andere ihre Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen für ihr Leben haben.
Und die oft dafür unsere Fürbitte brauchen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gott, die sichere Zuflucht • Psalm 31, 4–6
Predigt am 20.11.2016 • Ewigkeitssonntag • Kirche Reinsberg
Denn du bist mein Fels und meine Burg, und
um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen. Du wollest
mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten; denn du bist
meine Stärke. In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott.
Liebe Gemeinde, der letzte Sonntag eines Kirchenjahres ist der
Ewigkeitssonntag. Manche nennen ihn auch den Totensonntag. Beide Namen
sind richtig und wichtig. Der Name des Sonntags weist auf die Ewigkeit
hin. Das ist eine Zeit, die weit über unseren Tod hinaus reicht. Und der
Begriff Totensonntag sagt uns, dass es heute – am
Totensonntag – mehr als an jedem Sonntag im Jahr um die Toten, also
um die Verstorbenen geht. Um das, was sie uns einmal bedeutet haben. Um
das, was sie uns auch nach ihrem Tod bedeuten. Um das, was sie uns auch
heute noch zu sagen haben. Um das, was sie uns vielleicht noch sagen
wollten oder was wir ihnen gern noch gesagt hätten.
Wir empfinden Schmerz und Trauer, wenn wir einen Menschen verloren
haben, den wir gekannt oder sogar geliebt haben. Also ein Mensch, der
uns fehlt. Einer, der einfach zu unserem Leben dazu gehört hat. Und je
näher er uns gestanden hat, umso größer ist unser Schmerz und unsere
Trauer. Es geht also nicht nur um den Verstorbenen, sondern es geht auch
um uns. Es geht um jeden von uns, weil wir immer einmal wieder an einem
Sonntag wie diesen und auf jeder Beerdigung an unsere eigene
Vergänglichkeit erinnert werden.
Denn auch wenn wir das alle miteinander gar nicht gern hören: Nichts ist
uns so sicher wie unser Tod. Ja, liebe Gemeinde, unser eigener Tod, der
ist uns im ganz wörtlichen Sinne totsicher. Und wenn ich uns nun sage,
dass wir damit einmal alle sterben müssen: Dann spreche ich nur eine
Selbstverständlichkeit, sozusagen eine Binsenweisheit aus. Das Sterben,
bei dem unser Leben hier in Reinsberg oder auf einem beliebigen Fleck
dieser Erde zu Ende geht, gehört natürlich zum Leben, zu unserem Leben
dazu. Wie sollte es denn auch anders sein.
Und trotzdem haben wir das in unserer Zeit einigermaßen verdrängt. Wenn
ein uns lieber Mensch vielleicht bald sterben wird, wenn er stirbt oder
wenn er gestorben ist, dann kann alles andere im Alltag plötzlich
unwichtig werden. Aber wie ist das, wenn wir mit einem Todesfall nichts
zu tun haben? Ist dann das Sterbenmüssen bei uns im Alltag irgendwie ein
Thema? Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung spielt das Sterben fast
keine Rolle mehr. Warum das in der heutigen Zeit so ist, warum das
Sterben aus dem Leben ausgeklammert wird, das ist schon eine spannende
Frage.
Natürlich sind wir heute in einer komfortablen Situation. Der Stand der
Medizin, das hohe Niveau bei der Versorgung von Kranken und Alten und
nicht zuletzt das Sterbenkönnen in aller Stille sind hier zu nennen.
Aber das Problem liegt tiefer. Heutzutage hat der Mensch fast alles im
Griff – zumindest denken wir das. Viele glauben auch deshalb nicht
mehr an Gott. Viele sagen sogar: Wozu brauche ich einen Gott, ich habe
doch mich. Aber beim Thema Tod und Sterben zeigt sich nun plötzlich,
dass das gar nicht stimmt. Dass wir doch nicht alles im Griff haben.
Dass der Tod ein weitgehend verborgenes Ereignis geblieben ist. Und dass
uns dabei auch modernste Wissenschaft nicht helfen kann. Deshalb stellt
sich Angst ein. Also am besten gar nicht daran denken, wenn es denn
nicht sein muss.
Vom deutschen Schriftsteller Christian Morgenstern kennen wir den Satz:
„Wer Gott aufgibt, der löscht die Sonne aus, um mit einer Laterne weiter
zu wandern.“ Und ich will hinzufügen: Wer Gott aufgibt, für den ist mit
dem Tod tatsächlich alles vorbei. Deshalb sind weltliche Beerdigungen
nicht nur traurig, sie sind meist auch ohne Trost. Wir, die wir an Gott
glauben oder es zumindest immer wieder versuchen: Wir haben es da viel
besser. Denn wir dürfen daran glauben und darauf hoffen, dass unser
Leben von Gott kommt, dass unser Leben hier auf dieser Welt in Gottes
Hand liegt und dass uns unser Tod nicht wirklich von Gott trennen kann.
Alles das wissen wir aus der Bibel. Das steht auch im gewählten
Predigttext, im Psalm 31, der schon vor 3.000 Jahren
aufgeschrieben wurde. Wir haben ihn vorhin als 1. Lesung gehört:
Herr, du bist mein Fels und meine Burg, und
um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen. Du wollest
mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten; denn du bist
meine Stärke. In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott.
Oder wenn ich es mit meinen Worten zu sagen versuche: Für dieses mein
Leben auf dieser Welt bitte ich dich, Herr: sei mein Fels und meine
Burg. Leite und führe mich. Hilf mir, wenn mir Böses angetan wird oder
wenn ich zum Bösen verführt werde. Und halte mich in deiner schützenden
Hand. Lass mich auch im Sterben und im Tod darauf vertrauen, dass ich
nicht allein gelassen bin, dass du mich erlöst hast und dass mein Geist
in deinen schützenden Händen liegt. Oder wie Martin Luther diesen
letzten Satz übersetzt hat: In deine Hände befehle ich meinen Geist.
Es ist eine große Gnade, es ist ein Geschenk für uns, das wir an den
großen ewigen Gott glauben dürfen. Den gleichen Gott, der das gesamte
Weltall erschaffen hat, der dieses Universum seitdem und für alle Zeit
erhält. Und dass dieser ewige Gott in der Person des Jesus von Nazareth
unter uns war. Auch wenn es uns nicht immer leicht fällt, daran zu
glauben: Gott ist unser Fels und unsere Burg und unsere Stärke.
wie es im Predigttext heißt. Wenn Gott unser Fels ist, dann haben wir
festen Boden unter den Füßen. Wenn Gott unsere Burg ist, dann können wir
uns wirklich behütet fühlen. Und weil Gott unsere Stärke ist, so können
wir den Widrigkeiten unseres Lebens besser widerstehen. Das gilt auch
und gerade dann, wenn wir um einen lieben Menschen trauern.
Aber wie kann dann Gott unsere Stärke sein? Doch, Gott ist auch dann
unsere Stärke. Er ist unsere Stärke, weil uns Gott in seinen Händen
hält. Egal, ob es der Sterbende ist oder die, die mit ihm leiden. Egal,
ob es der Verstorbene ist oder die, die um ihn trauern. Wir alle liegen
in Gottes Hand. Durch den Glauben daran kann in uns wieder Hoffnung
wachsen. Eine Hoffnung darauf, dass wir wieder Trost finden und dass der
Tod über uns nicht das letzte Wort hat. Ich wünsche uns diese Hoffnung.
Vor allem auch dann, wenn wir Gott nicht verstehen können, wenn wir uns
von Gott nicht verstanden fühlen, wenn Gott zu uns schweigt.
Ich habe dazu ein Gedicht gefunden, verfasst von einem unbekannten
Juden, der im Warschauer Ghetto auf seinen Abtransport in ein
Vernichtungslager der Nazis und damit auf seinen sicheren Tod warten
musste:
Ich glaube an die Sonne – auch wenn sie nicht scheint.
Ich glaube an die Liebe – auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott – auch wenn er schweigt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Warten • Psalm 37, 5–7a, 8b
Predigt am 16.09.2018 • 16. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf
ihn, er wird's wohlmachen. Er wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie
das Licht und dein Recht wie den Mittag. Sei stille dem HERRN und warte
auf ihn. Entrüste dich nicht, dass du nicht Unrecht tust.
Liebe Gemeinde, auf etwas warten. Lieben wir es, auf etwas zu warten? Zu
warten zum Beispiel auf ein Geschenk, dass uns versprochen wurde? Oder
zu warten auf einen Arzttermin, auf ein Paket oder einen Brief? Und wie
ist das erst, wenn wir auf etwas warten, ja warten müssen, was uns und
für uns wirklich wichtig ist? Dazu gehört zum Beispiel das Warten auf
eine Entscheidung, die uns betrifft. Oder das Lebenszeichen eines von
uns geliebten Menschen. Schreibt er nicht, weil es ihm gut geht? Oder
schreibt er nicht, weil oder obwohl es ihm schlecht geht? Oder
interessieren wir ihn weniger, als wir das denken? Oder wie ist das,
wenn wir nach einer Untersuchung beim Arzt auf das Ergebnis der
Untersuchung warten müssen? Und es von diesem Ergebnis abhängt, ob wir
vielleicht operiert werden müssen? Oder ob in uns eine schwere Krankheit
steckt, von der wir bisher nichts gewusst haben? Jeder von uns kann
viele Beispiele nennen, wo er auf etwas warten musste oder wo man ihn
auch hat ganz einfach warten lassen.
Warten, warten auf etwas, das fällt uns schwer. Wir reden deshalb auch
schnell vom Warten-müssen, oft sogar vom Warten-aushalten-müssen. Das
alles ist so, weil das Warten, das Warten-können etwas mit Geduld, mit
unserer Geduld, zu tun hat. Und Geduld haben müssen: Das ist meist ein
Kraftakt. Bei mir ist das zumindest so. Ungeduldig sein: Das kommt bei
mir in der Regel von ganz alleine. Aber vielleicht geht es einigen unter
Ihnen auch so. Auf alle Fälle fällt es uns in unserer schnelllebigen
Zeit zunehmend schwerer, Geduld haben zu müssen. Und es kommt ja auch
hinzu, dass wir – wenn wir ehrlich sind – das Warten an vielen
Stellen einfach verlernt haben.
Und das ist schade. Denn wenn wir auf etwas warten, sind Ungeduld und
manchmal auch die Angst vor dem, was wir erwarten, nur eine Seite. Es
mag uns komisch vorkommen: Aber Warten, das Warten-können, manchmal
sogar das Warten-müssen, hat auch seine guten Seiten. Das geht damit
los, dass durch das Warten-können keine Lebenszeit verschenkt wird. Denn
nur einer, der nicht warten kann, der die zwei Wochen, die er warten
muss, am liebsten überspringen möchte, der verschenkt Lebenszeit. Nicht
der Wartende. Und auch nicht der Geduldige.
Vor allem aber hat das Warten, das Warten-können immer auch etwas mit
Hoffnung zu tun. Denn es wartet nur der, der sich etwas erhofft. Wer
dagegen ohne Hoffnung und damit hoffnungslos ist, der erwartet nichts
mehr. Und der wartet auch auf nichts mehr. Wozu auch. Solange aber
Hoffnung da ist, solange Hoffnung besteht: Solange ist auch etwas da,
worauf es sich zu hoffen und zu warten lohnt. Hoffnung haben und hoffen
dürfen sind ein großes Geschenk. Und das gilt nun nicht nur für uns
untereinander, sondern auch für unser Verhältnis, für unsere Beziehung
zu Gott.
Und davon – vom Warten und Hoffen und der Beziehung zwischen Gott
und uns: Davon handelt nun auch unser Predigttext. Er steht im
37. Psalm, den wir uns vorhin zugesprochen haben: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf
ihn, er wird's wohlmachen. Er wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie
das Licht und dein Recht wie den Mittag. Sei stille dem HERRN und warte
auf ihn. Entrüste dich nicht, dass du nicht Unrecht tust.
Welch eine Verheißung und welch ein Zuspruch für uns: Bei ihm, bei Gott
werden wir Gerechtigkeit erfahren für alles, was wir Gutes getan haben.
Im Predigttext heißt es dazu in der Lutherübersetzung: Er wird deine
Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag.
Und nicht nur das: Er, Gott der Herr, wird es wohlmachen. Oder wie es in
verschiedenen modernen Übersetzungen heißt: Gott, der Herr, er wird
eingreifen, er wird es vollbringen, er wird handeln und er wird es
richtig machen. Wie gesagt: Welch eine Verheißung über das Handeln von
Gott und welch ein großer Zuspruch für uns. Denn es geht nicht um
irgendein Handeln Gottes, sondern es geht um sein Handeln an uns und für
uns.
Aber der Predigttext ist auch ein hoher Anspruch an uns. Ein hoher
Anspruch an unser Denken. An unser Fühlen. Und nicht zuletzt auch ein
hoher Anspruch an das, was wir tun. Im Predigttext wird uns dazu gesagt: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn.
Sei still vor dem HERRN und warte auf ihn.
Ja, das ist ein Anspruch an uns. Denn, liebe Gemeinde, wir müssen es
schon wollen, dass Gott etwas für uns tut. Wir müssen bereit sein, dass
auch Gott auf unseren Wegen durch das Leben dabei ist. Doch halt: Müssen
tun wir gar nichts. Denn das „Befiehl dem HERRN deine Wege“ ist eine
Empfehlung an uns. Ein Angebot. Etwas, in das auch unsere Erfahrung mit
Gott mit einfließt. Und bei dem das wunderbare „Er hat seinen Engeln
befohlen, dass sie dich behüten auf deinen Wegen“ für uns nicht nur eine
fromme Formel ist. Das heißt doch aber: Gottes Wirken setzt unser
Vertrauen auf sein Tun voraus. Es braucht unser Hoffen auf das, was
Gott, der Herr, für uns tun will.
Und – nicht zu vergessen: Es braucht dazu auch unsere Geduld, unser
Warten-wollen und Warten-können auf das, was Gott tut. Unser
Predigttext sagt uns dazu: Sei still vor dem Herrn.
Werde still, um besser warten zu können auf das, was wir von Gott
erhoffen. Werde aber auch still vor dem Herrn, um das hören zu können,
was Gott von uns will. Was uns also zum Beispiel unser Gewissen sagt.
All das gehört zusammen und das erfahren wir im Gebet. Unser still
werden vor Gott. Unser Vertrauen zu Gott. Und nicht zuletzt: Unser
Warten und unser Hoffen auf Gott. Wir haben es schon gehört.
Das Befiehl dem HERRN deine Wege ist auch für Jesus wichtig gewesen bei dem, was er uns gelehrt hat. Und Jesus hat das Befiehl dem HERRN deine Wege im Vaterunser auf den Punkt gebracht, indem er uns dort beten gelehrt hat: Vater unser, dein Wille geschehe.
Das ist eine Bitte, die wahrscheinlich vielen oder einigen von uns
schwer fällt. Zumindest dann, wenn wir einmal in Ruhe darüber
nachdenken, um was wir da eigentlich Gott bitten. Dein Wille geschehe:
Wer das für sich annehmen kann, der befiehlt tatsächlich seine Wege in
die Hände des HERRN, der hofft auf ihn und er wartet auf ihn.
Und dazu will ich uns Mut machen. Denn bei ihm, bei Gott, werden wir
Gerechtigkeit erfahren. Und er wird uns auf den richtigen Weg führen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Über das Vertrauen • Psalm 37, 5
Predigt am 13.10.2019 • 17. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Predigt am 20.10.2019 • 18. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Reinsberg
Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen.
Wer von uns, liebe Gemeinde, möchte nicht Jemanden haben, dem er
vertrauen kann. Dem er sich anvertrauen kann, weil er ihm vertraut.
Einen Vertrauten oder auch viele Vertraute haben, sind ein Gewinn für
mein Leben. Und das viel mehr als alles Gut und Geld dieser Welt. Jede
Beziehung von uns zu einem anderen braucht dieses Vertrauen. Ein
Vertrauen, das immer gegenseitig ist – ja, immer gegenseitig sein
muss. Beispiele sind hier ein Freund oder eine Freundin, eine Ehe oder
Familie. Aber auch Arbeitskollegen oder Menschen, von denen wir abhängig
sind oder die uns anvertraut sind.
Der Volksmund sagt: Mit Liebe geht alles, ohne Liebe geht nichts. Das
gilt ganz ähnlich auch für das Vertrauen in einer Beziehung: Denn mit
Vertrauen geht fast alles, ohne Vertrauen geht fast nichts. Alles, was
mit Vertrauen begonnen wird, hat die Chance, gut zu werden. Und alles,
was mit Vertrauen beendet wird, ist gut geworden oder wenigstens gut
gelaufen. Ja, Vertrauen ist ein hohes Gut. Und glücklich kann sich jeder
von uns schätzen, der auf seinem Lebensweg Vertraute und Vertrautes an
seiner Seite hat. Sie haben richtig gehört: Auch das uns Vertraute hat
etwas mit Vertrauen zu tun, weil hier Vertrauen wachsen konnte: Im uns
vertrauten Heim, auf den uns vertrauten Wegen, in der uns vertrauten
Gemeinde, in der uns vertrauten Stadt, bei allem, was uns Heimat
geworden ist.
Wer von uns wünscht sich nicht eine solche Heimat, eine Heimstadt und
nun auch hier wieder vor allem Menschen. Menschen, die uns vertraut sind
und denen wir vertrauen können. Wir haben es schon gehört.
Eines ist nun wichtig: Vertrauen zu jemand zu haben oder Vertrauen von
jemand zu bekommen, heißt Ja zu ihm zu sagen. Vertrauen kann deshalb nur
wachsen oder Bestand haben, wenn wir den Anderen an uns heranlassen.
Und dazu gehört auch Mut. Ich muss mir manchmal etwas trauen, wenn mir
das Vertrauen wichtig ist.
Das klingt nun alles sehr schön und es ist ja auch schön: Das mit dem
Vertrauen. Doch wie ernst wir das zu nehmen haben, merken wir in unserem
Alltag spätestens dann, wenn unser Vertrauen enttäuscht wird. Wenn uns
jemand, dem wir vertraut haben, betrügt oder unser Vertrauen
missbraucht. Wenn ich zum Beispiel merke, dass mir mein Ehepartner Liebe
und Zuneigung vorgaugelt, obwohl er hinter meinem Rücken längst eine
andere Frau oder einen anderen Mann liebt. Das tut weh, denn mein
Vertrauen zu meinem Partner hat viel mit meiner Hoffnung auf ihn, viel
mit meinem Glauben an ihn und vor allem viel mit meiner Liebe zu ihm zu
tun.
Und noch etwas anderes müssen wir schmerzlich erfahren – und das
nicht nur in einer kaputten Ehe: Vertrauen zu haben und Vertrauen zu
empfangen, sind keine Selbstverständlichkeit.
Liebe Gemeinde, zum Beginn der Predigt hatte ich uns gesagt: Wer von uns
möchte nicht jemanden haben, dem er vertrauen kann. Dem er sich
anvertraut, weil er ihm vertraut. Das ist nun nicht nur wichtig zwischen
uns Menschen, sondern das gilt genauso – wie wir alle
wissen – für unsere Beziehung zu Gott. Das Gottvertrauen ist
deshalb in der Bibel, in der gesamten Kirchengeschichte und natürlich
auch bei uns ein großes Thema.
Die Anzahl der Bibelstellen dazu ist groß. Ich habe daraus eine der
bekanntesten Bibelstellen als Predigttext gewählt – nämlich einen
Vers aus dem 37. Psalm: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen.
Dieser Text ist zwar nur sehr kurz, aber er enthält drei zentrale
Botschaften, die für unseren Glauben wichtig sind und vor allem eine
Glaubenshilfe für uns Zweifler sein können und sein wollen.
Zum Ersten: Befiehl dem HERRN deine Wege. Dieser Satz will uns sagen: Du kannst deinen Lebensweg in Gottes Hand legen. Das ist ein wunderbares Angebot an uns.
Zum Zweiten: Hoffe auf ihn, den Herrn.
So hat es Luther übersetzt. In fast allen modernen Übersetzungen steht
dazu: Vertraue ihm, den Herrn. Damit ist uns gesagt, warum wir unseren
Lebensweg in Gottes Hand legen können: Wir können ihn in Gottes Hand
legen, weil wir Gott vertrauen und uns ihm anvertrauen können. Luthers
Übersetzung - Hoffe auf ihn, sagt uns nichts anderes: Denn nur, wer Gott
vertraut, hofft auch auf ihn.
Und nun zum Dritten Teil des Predigttextes: Hier wird uns gesagt, was
aus unserem Hoffen folgen kann: Nämlich ein Handeln Gottes. Er, der Herr, wird's wohlmachen.
So hat es Luther übersetzt. Wir haben es gerade gehört. In modernen
Übersetzungen heißt es verständlicher: Gott wird es vollbringen, Gott
wird handeln, Gott wird es richtig machen. Wie und wann Gott handelt,
wissen wir nicht. Gott ist nicht unser Personal, bei dem wir etwas
bestellen und dann abholen können. Gott ist für uns nicht verfügbar,
sonst wäre er nicht Gott. Aber Gott ist da. Er ist immer da. Für uns.
Für jeden von uns. Wir sind deshalb nie allein, auch nie alleingelassen.
Ihm zu vertrauen heißt an ihn zu glauben und auf ihn zu hoffen.
Der große Vertrauensbeweis von Gott an uns war und ist Jesus, sein
einziger Sohn. Er ist nicht nur für uns in den Tod gegangen. Er hat uns
auch gelehrt, dass wir Gott ansprechen, zu ihm beten, ihn um etwas
bitten und ihm danken dürfen. Das alles setzt viel Vertrauen voraus. Zum
Beispiel dürfen wir im Vaterunser Gott als unseren Vater ansprechen.
Also als eine so große Vertrauensperson wie unsere Eltern.
Und wir dürfen Gott ganz konkret um etwas bitten. Jesus nennt uns im
Vaterunser das tägliche Brot, die Vergebung unserer Sünden, die Erlösung
von dem Bösen und die Fähigkeit, einem anderen zu verzeihen und einer
Versuchung zu widerstehen.
Liebe Gemeinde, im Psalm, den wir vorhin gemeinsam gesprochen haben,
wird uns gesagt: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich
doch kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten
mich.
Ich wünsche uns, dass uns Gott etwas Vertrautes bleibt oder etwas Vertrautes wird.
Ich wünsche uns, wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie wir das wollten,
dass wir Gott als Vertrauensperson weiter suchen oder wieder suchen. Ich
habe dazu den schönen Satz gefunden: „Wir können Gott mit dem Verstand
suchen, aber finden können wir ihn nur mit dem Herzen.“
Und ich wünsche uns letztendlich das Vertrauen, von dem unser Predigttext spricht: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Unsere Vergänglichkeit • Psalm 29, 5–8
Predigt am 23.11.2014 • Ewigkeitssonntag • Kirche Neukirchen
Liebe Gemeinde, heute ist Ewigkeitssonntag. Im Volksmund wird der
Ewigkeitssonntag auch Totensonntag genannt. Totensonntag deshalb, weil
wir heute in besonderer Weise derer gedenken, die in diesem Jahr oder
auch schon vor längerer Zeit verstorben sind. Deren Leben auf dieser
Erde ein Ende gefunden hat. Jeder, von dem wir uns verabschieden
mussten, hinterlässt eine Lücke. Sei es in der Familie, bei Freunden
oder Verwandten, bei Nachbarn, bei Bekannten oder bei seinen
Arbeitskollegen. Vieles, was uns zeitlebens durch den inzwischen
Verstorbenen selbstverständlich war, gibt es nun nicht mehr. Wir
vermissen seinen Rat und seine Tat, sein Mitgefühl oder manchmal auch
seinen Eigensinn. Der Verstorbene, seine Anwesenheit, sie fehlen uns.
Sie werden uns oft noch lange fehlen. Und das manchmal ein ganzes Leben
lang.
Am meisten fehlt der Verstorbene dort, wo er seine Liebe zeigen konnte.
Wo er geliebt wurde und wo er vor allem auch heute noch geliebt wird.
Die Trauer und der Schmerz sind dann besonders groß. Und es ist gerade
dann am schwersten vorstellbar, dass aus der Trauer auch wieder Trost
erwachsen wird. Der große deutsche Philosoph Immanuel Kant hat dazu
einmal gesagt: Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot,
der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird. Soweit Immanuel Kant.
Das Erinnern ist wichtig – für die Verstorbenen und auch für uns
selbst. Aber, liebe Gemeinde, Trost finden wir nicht allein durch das
Erinnern. Sondern Trost finden wir auch und vor allem durch unseren
Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn. Denn durch ihn hat der Tod
nicht das letzte Wort. Darauf werde ich noch zurückkommen.
Am Ewigkeitssonntag erinnern wir uns nun nicht nur an die Verstorbenen.
Sondern wir werden beim Gedenken an die Verstorbenen auch daran
erinnert, dass wir – wir selbst – einmal sterben müssen. Dass
auch für uns der Tag kommt, an dem für uns hier auf Erden alles vorbei
sein wird. Im Alltag wird das von uns gern verdrängt. Aber das ist
nichts Neues, Das war schon vor über 2.600 Jahren so, als der
Predigttext verfasst wurde. Aber hören Sie es selbst: Psalm 39,
Verse 5 bis 8: Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit
mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. Siehe,
meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts
vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben.
Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche
Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird. Nun, Herr,
wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.
Der Predigttext ist ein einziger Hilferuf.
Denn das: Herr, lehre mich doch, heißt doch nichts anderes als: Hilf mir
doch, Herr, zu verstehen. Hilf mir doch zu verstehen, dass mein Leben
ein Ende haben muss auf dieser Welt. Dass mein Leben, unser aller Leben
eine zeitliche Grenze hat, die wir nicht überspringen können. Dass das
in Gottes Schöpfung so angelegt ist. Und wir sind ein Teil von Gottes
Schöpfung. Genauso wie alles, was uns umgibt. Die gesamte Erde, ja das
gesamte Weltall.
Unser Leben liegt in Gottes Hand. Denn: Wir sind kein Zufall, sondern
wir sind von Gott gewollt. Jeder von uns. Natürlich ist unsere
Lebenszeit im Vergleich zu Gottes Zeit fast nichts. Oder wie es im
Predigttext heißt, unsere Tage sind bei Gott nur eine Handbreit. Das
heißt aber doch nicht, dass uns keine oder kaum Zeit zum Leben gegeben
ist. Warum die Lebensspanne für jeden Menschen anders ist. Warum jemand
schon nach 37 Jahren sterben muss, ein anderer erst nach
87 Jahren: Ich weiß es nicht. Eine andere Frage ist natürlich: Wie
gehen wir mit unserer Lebens-Zeit um.
Ja, liebe Gemeinde, so bitten wir: Birg uns, oder anders
gesagt schenke uns Geborgenheit bei Dir, großer und ewiger Gott. Lass
uns dir nahe sein, hier und heute im Leben. Bleibe bei uns, wenn wir
einmal sterben müssen, also am Ende unseres Lebens hier auf dieser Welt
und darüber hinaus bis an das Ende aller Zeit. Wir bitten Gott darum und
hoffen darauf, dass unsere Bitte in Erfüllung geht. Oder wie es am
Schluss des Predigttextes heißt: Ich hoffe auf dich, Herr.
Dem großen und ewigen Gott nahe zu sein, und das über den Tod hinaus.
Ist das nicht nur eine Träumerei, ein Wunschtraum? Ein Wunschtraum, der
uns trösten soll, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben? Oder
ein Wunschtraum, der uns unsere Angst vor dem eigenen Sterben nehmen
soll? Das alles ist kein Wunschtraum. Denn dieser große und ewige Gott
hat vor 2.000 Jahren ein menschliches Gesicht bekommen – in
Jesus von Nazareth. Kein großer Herrscher, doch was für ein Mensch. Er
will keine neue Religion gründen, sondern sagt den Leuten, wie sie leben
sollen und spricht vom Reich Gottes. Er predigt Gewaltlosigkeit und die
Liebe. Gott und unsere Nächsten sollen wir lieben, wie uns selbst. Für
ihn sind alle Menschen gleich – auch Mann und Frau, angesehene
Bürger und Sklaven. Er hat so viel Zulauf, dass er den Mächtigen
gefährlich wird. Sie lassen ihn festnehmen, foltern und ermorden –
am Kreuz, wie Verbrecher und Sklaven. Als er drei Tage später von den
Toten aufersteht, ist das Entsetzen groß. Denn es wird langsam klar, wer
hier eigentlich umgebracht wurde. Seine Jünger erkannten in ihm nach
seiner Auferstehung den Sohn Gottes. Diese Überzeugung dafür war so
groß, dass daraus über die Jahrhunderte eine Weltreligion wurde. Heute
bekennen sich dazu 2,3 Milliarden Menschen auf der Welt.
Ich sagte uns vorhin: Trost finden wir auch und vor allem durch unseren
Glauben an Jesus Christus. Glauben meint hier das Vertrauen darauf, dass
es Jesus und damit Gott gut meint. Gut mit uns, gut mit den Sterbenden
und gut mit den Verstorbenen. Denn wer sich in seine Hand begibt, der
ist nicht allein gelassen – auch über den Tod hinaus. Ich wünsche
uns dieses Vertrauen für unsere Verstorbenen und auch für uns selbst,
wenn einmal unsere letzte Stunde kommt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Sehnsucht nach Gott • Psalm 42, 1–6
Predigt am 23.09.2012 • 16. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der gewählte Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 42. Psalm, in den Versen 1–6: Eine Unterweisung der Söhne Korach,
vorzusingen. Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine
Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem
lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?
Tränen waren mein Brot bei Tag und bei Nacht; denn man sagt zu mir den
ganzen Tag: Wo ist nun dein Gott?“ Das Herz geht mir über, wenn ich
daran denke: Wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher Schar, mit Jubel
und Dank in feiernder Menge. Meine Seele, warum bist du betrübt und bist
so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
In diesem Predigttext bringt der Beter seine Verzweiflung über das
eigene Leben und die vermeintliche Abwesenheit von Gott zum Ausdruck. Er
spricht von seiner Sehnsucht nach Gottes Gegenwart und Hilfe. In seiner
Not erinnert er sich jedoch auch an die Zeit, in der Gott ihm nahe war.
Das hält seine Hoffnung und seinen Glauben aufrecht. Das zentrale Thema
ist also die Hoffnung, genauer die Sehnsucht, die Sehnsucht nach Gott.
Sehnsucht, liebe Gemeinde, Sehnsucht ist ein großes Thema. Wonach sehnen
wir uns? Wonach sehne ich mich? Habe ich überhaupt noch Sehnsucht nach
etwas? Habe ich heimliche Sehnsüchte? Will ich noch etwas Neues erleben?
Oder ist mir eigentlich alles egal. Sage ich, was solls? Wonach ich
mich sehne, das geht so wieso nicht in Erfüllung. Oder: Mein Leben ist
so, dass mir auch keine Wünsche mehr helfen. Dass es nichts gibt, wonach
es sich zu sehnen lohnt. Bloß stimmt das? Stirbt nicht die Liebe und
die Hoffnung auf ein bisschen Liebe zuletzt? Auch wenn alles andere
schon egal ist? Oder anders gesagt: Bleibt in uns nicht diese Sehnsucht
nach Liebe? Die Sehnsucht danach, dass wir ernst genommen werden oder
wenigstens wahrgenommen werden? Ja, so ist es. Alles beginnt mit der
Sehnsucht, schrieb einmal die jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs.
Alle Menschen sehnen sich nach Geborgenheit, Wärme und Zuneigung, nach
Anerkennung, Zärtlichkeit und Liebe, nach einem Heim und nach Heimat,
aber auch nach Freiheit und Freizügigkeit und nicht zuletzt nach einem
Partner, von dem sie sich angenommen fühlen. Es spricht für den
Menschen, es spricht für uns, dass wir keine Sehnsucht nach dem Bösen
haben. Niemand von uns wünscht sich – wenn er einigermaßen bei
Verstand ist – etwas Böses für sich, obwohl wir oft selbst etwas
Böses tun oder denken. Eine erfüllte Sehnsucht kann etwas Wunderbares
sein. Es kann sogar etwas sein, das für uns, für unser Leben einen
besonderen Wert hat. Leider machen wir aber auch die schmerzliche
Erfahrung, dass sich unsere Sehnsucht nur zum Teil oder gar nicht
erfüllt. Jeder von uns weiß, dass unsere Sehnsucht oft größer ist als
die Erfüllung einer Sehnsucht. Aber ganz egal, ob sich unsere Sehnsucht
erfüllt oder nicht: Immer verlangt die Sehnsucht nach mehr, nach immer
mehr.
Das betrifft nicht nur unseren Alltag und unsere großen oder kleinen
Wünsche, die ich schon angesprochen hatte. Sondern das betrifft auch
ganz grundsätzliche Dinge. Zum Beispiel unseren Glauben, unser banges
Fragen oder unsere Hilflosigkeit, wenn uns andere – wie den Beter
im 42. Psalm – fragen: Wo ist er eigentlich, Dein Gott? Warum
lässt er auf der Welt so viel Ungerechtigkeit zu? Oder wenn ich mich
selbst frage: Wer bin ich eigentlich? Warum bin ich gerade so, wie ich
bin? Wir sehnen uns nach einer Antwort auf alle diese Fragen. Und
letztendlich sind wir damit bei Gott, unserem Schöpfer, und bei Jesus
Christus, unserem Erlöser, angekommen.
Nur: Folgt daraus schon eine Sehnsucht nach Gott, wie sie uns der
heutige Predigttext beschreibt? Ist Gott für uns so wichtig, dass wir
nach ihm suchen, so wie ein durstiger Hirsch nach Wasser sucht? Zur
Erinnerung: Die Geschichte spielt im alten jüdischen Land. Und das
bestand zu einem großen Teil aus trockener Wüste. Haben wir eine so
tiefe Sehnsucht nach Gott wie ein durstiger Hirsch Sehnsucht nach
frischem Wasser? Oder ist es so, dass unsere Sehnsucht nach Gott im
Alltag einfach untergeht? Ein Alltag, der bestimmt wird von all den
Dingen, Personen und Ereignissen, die jeden unserer Tage ausfüllen. Und
ein Alltag, in dem das Wort Gott außerhalb von Gemeinde und Familie nur
noch selten vorkommt. Spüren wir im Alltag die Sehnsucht nach Gott
überhaupt noch? Es kann natürlich auch sein, dass die Sehnsucht nach
Gott einfach eines von vielen Gefühlen ist, mit denen wir leben, ohne
groß darüber nachzudenken.
Im Predigttext für den heutigen Sonntag – also im
42. Psalm – steht nun ein Satz, der genau in unsere Situation
passt. Dort sagt der Beter zu seiner Seele: Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter.
Genau das ist die Botschaft an uns. Und es ist eine gute Botschaft.
Denn damit wird uns Mut gemacht: Harre auf Gott. Das lohnt sich. Oder
wie es im Predigttext heißt: Ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter.
Gott als Retter, als Retter aus der Not. Dafür gibt es ganz viele
Beispiele. Ein Beispiel haben wir im heutigen Evangelium gehört. Dort
ist Lazarus gestorben. Seine Angehörigen warten sehnsüchtig auf Jesus.
Sie hoffen auf Hilfe und bangen, dass seine Hilfe vielleicht nicht
kommt. Ein Beispiel für die Sehnsucht nach Gott? Ja, liebe Gemeinde: Das
ist ein Beispiel für die Sehnsucht nach Gott. Denn Jesus von Nazareth
ist der menschgewordene Gott, der im Evangelium herbei gesehnt wird. Die
Gottessehnsucht steht dabei in einem interessanten Zusammenhang:
Nämlich der Not.
Viele von uns haben schon die Erfahrung gemacht: Unsere Sehnsucht nach
Gott ist umso größer, je größer unsere Angst ist, je weniger wir uns
selbst zu helfen wissen, oder je schlimmer die Not ist, die wir erleben.
Manchmal kann tatsächlich nur ein Stoßgebet helfen. Und eines sollten
wir in unserem Herzen bewegen: Je größer unsere Sehnsucht nach Gott ist
und je mehr wir Gott brauchen, umso näher ist uns Gott. Und ist der
Glaube an diesen, unseren Gott nicht auch ein Zeichen für Sehnsucht?
Für eine Sehnsucht, die nach Halt und Geborgenheit sucht.
Im Lied der Woche (Evangelisches Gesangbuch Nr. 364) heißt es dazu:
Was mein Gott will, gescheh allzeit, sein Will, der ist der Beste.
Zu helfen dem er ist bereit, der an ihn glaubet feste.
Er hilft aus Not, der treue Gott, er tröst die Welt ohn Maßen.
Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut, den will er nicht verlassen.
Gott ist mein Trost, mein Zuversicht, mein Hoffnung und mein Leben;
was mein Gott will, dass mir geschicht, will ich nicht widerstreben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Wir sind nicht allein • Psalm 90, 1-3
Predigt am 26.11.2023 • Ewigkeitssonntag • Petrikirche Freiberg
Moses betet zu Gott: Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!
Liebe Gemeinde, heute ist ein besonderer Sonntag. Das gilt auch für diesen Gottesdienst. Und die Predigt ist auch ein Versuch, dem gerecht zu werden. Schon die Tatsache, dass der heutige Sonntag drei Namen hat, ist etwas Besonderes. Wie Sie wissen, meine ich damit den Ewigkeitssonntag, den Totensonntag und den Letzten Sonntag im Kirchenjahr.
Sie fassen am besten zusammen, worum es heute geht: Nämlich um das Gedenken an die Verstorbenen, um unsere Betroffenheit und das Nachdenken darüber, dass auch unser Leben auf dieser Erde ein Ende haben wird. Und es geht – wenn wir ehrlich sind – auch um unsere oft bängliche Frage, ob und wie es nach dem Tod mit uns weitergeht. Und hier, liebe Gemeinde, wird es nun um unsere Hoffnung und um unseren Glauben gehen. Um unsere Hoffnung auf Jesus Christus und unseren Glauben an den großen ewigen Gott. Beides gehört zusammen: Glaube und Hoffnung. Gott und Jesus, sein eingeborener Sohn, selbst wahrer Mensch und wahrer Gott.
Und um schließlich auf die Namen für diesen Sonntag zurückzukommen: Nach dem Letzten Sonntag im Kirchenjahr geht es ja weiter, denn die Zeit bleibt nie stehen. Und es geht nicht nur irgendwie weiter, sondern es beginnt – alle Jahre wieder - eine neue Zeit. Eine neue Zeit mit viel Erwartung und Hoffnung auf einen Neubeginn. Eine Zeit, die wir Advent nennen. Aber so weit sind wir noch nicht. Denn heute geht es um die Verstorbenen und um unsere Vergänglichkeit.
Der Predigttext dazu steht in einem Gebet von Moses, dem Mann Gottes. Genauer in den beiden ersten Versen im Psalm 90, den wir vorhin gemeinsam gebetet haben. Ich lese den Predigttext in der Übersetzung von Martin Luther:
Moses betet zu Gott: Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!
Moses sagt also zu Gott, dass es ihn – Gott – von Ewigkeit zu Ewigkeit gibt. Das Wort ewig bedeutet unvergänglich, ohne Anfang und ohne Ende. Eigentlich ist es für uns schwer zu begreifen, dass etwas keinen Anfang hat und auch kein Ende, sondern dass etwas schon immer gewesen ist und für immer sein wird. Für den großen, ewigen Gott gibt es tatsächlich keinen Anfang und auch kein Ende. Wofür es aber einen Anfang gegeben hat und auch ein Ende geben wird, das ist Gottes Schöpfung. Also das gesamte Weltall, Himmel und Erde und nicht zuletzt auch wir selbst.
Also auch uns als Teil der Schöpfung gibt es auf dieser unserer Erde nicht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wir alle müssen sterben: Egal, ob wir jung oder alt sind, ob gesund oder krank, arm oder reich, gut oder böse. Und auch egal, ob wir mehr faul oder mehr fleißig waren in unserem Leben, erfolgreich oder ein wenig beachteter armer Schlucker. Alles hat seine Zeit. Auch unser aller Leben auf dieser Erde hat seine Zeit.
Wir modernen Menschen haben einigermaßen erfolgreich verdrängt, dass der Tod, unser Lebensende, zum Leben dazugehört. Dabei ist in unserem Leben nichts so sicher wie unser Tod. Der ist im wahrsten Sinne des Wortes todsicher. Und danach: Ist dann also alles vorbei? Bleibt nur ein lebloser Körper im Grab oder die Asche in einer Urne? Nein, es bleibt natürlich etwas und das ist auch wichtig: Zum Beispiel unsere Liebe zum Verstorbenen und das Erinnern daran, was uns der Verstorbene in seinem Leben bedeutet hat und nach seinem Sterben noch bedeutet.
Liebe Gemeinde: Durch unseren Glauben bleibt uns nun aber noch viel mehr, denn wir dürfen und können daran glauben und darauf vertrauen, dass wir von Gott gewollt sind. Und aus diesem Glauben und unserem Vertrauen kann immer wieder Hoffnung wachsen. Die Hoffnung darauf, dass wir nicht nur ein Produkt des Zufalls sind und auch nicht nur eine chemisch-biologische Fabrik. sondern dass es darüber hinaus etwas in uns gibt, was uns Menschen tatsächlich ausmacht. Was jeden Menschen einmalig macht. Was unserem Leben einen Sinn gibt. Was uns in die Lage versetzt, über diesen Sinn unseres Lebens nachzudenken. Was uns zur Liebe befähigt.
Letztendlich – und das ist nun entscheidend: Auch wenn es uns oft so vorkommt, sind wir nie allein: Im Leben nicht und auch nicht im Tod. Auch wenn wir sterben müssen: Der große, ewige Gott und Jesus sterben nicht mit uns. Deshalb wird auch für uns, wenn wir gestorben sind, noch nicht alles vorbei sein. Gottes Hand bleibt für uns ausgestreckt und behütet uns. Im Predigttext sagt er uns dazu: Kommt wieder, Menschenkinder! Dieses Angebot Gottes ist ein großes Geschenk an uns. Und es ist mit einer Erfahrung verbunden, die Menschen schon immer mit Gott gemacht haben und die auch im Predigttext steht. Nämlich, dass Gott unsere Zuflucht ist. Oder wie es in der „Hoffnung für alle Bibel“ übersetzt ist: Herr, solange es Menschen gibt, bist Du unsere Zuflucht.
Zuflucht, liebe Gemeinde, ist ein Ort, an dem wir Schutz und Hilfe erfahren: Wir die Sterblichen, die Sterbenden und die Gestorbenen: Wir alle finden Schutz und Hilfe bei Gott, denn er ist unsere Zuflucht. Es ist der gleiche Gott, der alles erschaffen hat und der vor über 2.000 Jahren in der Person des Jesus von Nazareth ein menschliches Gesicht bekommen hat. Von diesem Gott haben wir die Zusage: Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt, also bis weit über unseren Tod hinaus.
Das ist auch heute ein Trost. Denn wir sind und bleiben in Gottes Hand. Jeder von uns genauso wie alle Verstorbenen.
Deshalb bewahre der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottes Barmherzigkeit • Psalm 103, 2+3+13
Predigt am 10.04.2016 • Miserikordias • Kirche Bieberstein
Ostern, liebe Gemeinde: Zu Ostern ist Jesus von den Toten auferweckt
worden. Für uns ist die Auferstehung Jesu, ja das gesamte Ostergeschehen
etwas Wunderbares. Deshalb haben auch die Sonntage nach Ostern einen
besonderen Bezug zu Ostern. Es sind Sonntage der Freude und Dankbarkeit
und sie sind auch so benannt. So hat der heutige Sonntag den Namen
Miserikordias Domini. Das klingt sehr fremd, aber übersetzt heißt das:
Die Barmherzigkeit des Herrn. Von dieser Barmherzigkeit Gottes gegenüber
uns Menschen berichtet auch das Evangelium für diesen Sonntag. Wir
haben es gerade gehört.
Auch der Predigttext passt dazu. Ich habe dafür drei Verse aus
Psalm 103 ausgewählt. Luther hat diesen Psalm unter die Überschrift
gestellt: Das Hohelied der Barmherzigkeit Gottes. Es ist ein
wunderbarer Zuspruch für uns alle. Aber hören sie selbst: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss
nicht, was er dir Gutes getan hat: Der dir alle deine Sünde vergibt und
heilet alle deine Gebrechen, Wie sich ein Vater über seine Kinder
erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.
Liebe Gemeinde: Vergiss nicht, was dir Gott Gutes getan hat. Wenn uns
Gutes wiederfährt, sind wir gut beraten, wenn wir das Gute auch als
Gutes wahrnehmen. Wir sollen das Gute auch nicht gleich vergessen.
Genauer: Wir sollen nicht gleich wieder zur Tagesordnung übergehen. So
als ob überhaupt nichts gewesen wäre. Und leider ist es bei uns auch oft
so, dass wir das Schlechte, das uns wiederfährt viel stärker wahrnehmen
als das Gute. Und wir erleben das auch bei anderen. Auch die Medien zum
Beispiel die Nachrichten aus dem Fernsehen machen uns das vor.
Probleme, Schlechtes, Missratenes bin hin zur Katastrophe werden
ausführlich dargestellt. Das ist für sich genommen in Ordnung. Aber was
nicht in Ordnung ist: Wenn sich etwas zum Guten gewendet hat oder
irgendetwas einfach gut läuft, ist das in den Medien kaum ein Thema.
Spötter sagen denn auch: Eine gute Nachricht ist keine Nachricht.
Doch liegt das nicht auch an uns? Wollen nicht auch wir mehr über das
informiert werden, was in der großen, weiten Welt schlecht läuft? Oder
interessiert uns mehr, was in der Welt alles in Ordnung ist. Und für uns
selbst? Ich sagte uns schon, dass wir das Schlechte, das uns
wiederfährt viel stärker wahrnehmen als das Gute. Und nehmen wir das
Gute, das wir erfahren, für uns genauso wichtig wie etwas Schlechtes,
das wir erleben oder erleiden müssen? Im Predigttext ist uns gesagt:
Vergiss nicht, was dir Gott Gutes getan hat. Nicht nur im Großen und
Ganzen, sondern auch bei den vielen kleinen Dingen, die jeden Tag mit
uns oder durch uns passieren. Wir müssen uns schon fragen lassen: Nehmen
wir das wahr und dankbar an? Wollen wir das überhaupt wahrnehmen? Ist
es also unsere Alltagserfahrung, dass uns Gott etwas Gutes tut?
Um deutlich zu machen, wieviel mit und durch uns passiert, lohnt es sich
daran zu erinnern, wie viele Tage wir eigentlich schon leben. Ein Jahr
hat 365 Tage. Damit lebt ein 15jähriger bereits 5.500 Tage.
Nach 30 Jahren sind es 11.000 Tage und nach 60 Jahren
22.000 Tage. Und was passiert nicht schon alles an einem einzigen
Tag.
Wir erleben jeden Tag Gutes und Schlimmes. Wie erleben Dinge, die wir am
besten ganz schnell vergessen. Aber auch Dinge, an die wir uns am
liebsten immer erinnern möchten. Was ich in Zukunft erleben werde oder
noch erleben darf, weiß ich nicht – Gott sei es gedankt. Und da ist
es egal, ob ich erst 20 Jahre alt bin oder schon 70 Jahre.
Bei der Vergangenheit ist das etwas anderes: Je älter ich werde, umso
mehr habe ich schon erlebt. Ist damit das Thema der heutigen Predigt nur
etwas für alte Leute? Nein, das Thema kann und sollte alle unabhängig
von ihrem Alter interessieren. Denn eine junge Frau oder ein junger Mann
von 20 Jahren hat schon so viel erlebt, dass er tagelang darüber
erzählen könnte. Wenn er es denn wollte oder wenn er es denn müsste.
Wie dem auch sei. Jeder von uns hatte schon ganz viel Glück oder auch
viele Schutzengel in seinem Leben. Und ebenfalls leider ganz oft hatte
jeder von uns in seinem Leben Pech, hat sich selbst wehgetan oder andere
haben ihm wehgetan. Jeder von uns hat sich schon allein gelassen
gefühlt – von anderen, aber auch von Gott. Kurz gesagt hat jedes
Leben, also unser aller Leben seine guten und schlechten Seiten. Ob nun
bei allen Menschen gut und schlecht gleich verteilt sind. Oder ob die
einen mehr Glück haben als andere. Oder ob das den anderen oder mir nur
so vorkommt. Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, sind zwei Dinge:
Jeder von uns hat vieles von dem, was sein Leben ausmacht, selbst in der
Hand. Und: Wir haben oft allen Grund Gott dankbar zu sein. Ich will uns
dazu nur einige Beispiele nennen.
Ja, wir sollen und können Gott dankbar sein für all das, was uns täglich
gelingt, was uns täglich geschenkt wird, was wir täglich an Zuwendung
erfahren. Wir können und sollen Gott dankbar sein, dass es uns überhaupt
gibt. Dankbar dafür, dass unser Leben einen Sinn hat. Dankbar für jeden
neuen Tag. Dankbar für unser wohlbehütetes Leben. Dankbar für die
Menschen, die in Liebe oder mit Rücksichtnahme unser Leben begleiten.
Und nicht zuletzt dankbar dafür, dass sich Gott uns in Jesus Christus
offenbart hat und dass der Glaube an ihn unser Leben tragen hilft. Ich
weiß nicht, ob es ihnen auch so geht: Jeder Tag, an dem ich bisher Gott
für etwas danken konnte, ist ein guter Tag für mich gewesen.
Drei zentrale Aussagen, wofür wir Gott gar nicht genug danken können,
stehen auch in unserem Predigttext: Gott erbarmt sich unser, wie sich
ein Vater über seine Kinder erbarmt. Oder modern gesprochen: Gott
erbarmt sich unser, wie sich Eltern über ihre Kinder erbarmen. Und Gott
ist bereit, uns unsere Sünden zu vergeben und unsere Gebrechen zu
heilen. Was uns hier zugesprochen wird, ist viel: Heilung, Vergebung der
Sünden und Barmherzigkeit. Allein die Zusage Gottes, uns gegenüber
barmherzig zu sein, ist eine große Sache. Und eigentlich sollte uns das
tief beschämen. Denn: Müsste es für uns nicht selbstverständlich sein,
dass wir Gott dafür – wenigstens manchmal – dankbar sind? Und
sollten wir – zumal wir Christen – von Gottes Barmherzigkeit
nicht mehr an unseren Nächsten weiter geben? Und das nicht nur manchmal
und ganz egal, ob es unser Nachbar oder ein Fremder ist?
Unser Predigttext beginnt mit einem schönen Bild: Lobe den Herrn, meine Seele.
Mit Seele wird im Allgemeinen das umschrieben, was außer unserem Körper
einen Menschen ausmacht. Das Wort Seele umfasst mein Denken, mein
Fühlen, mein Empfinden, mein Wollen. Wenn ich also meine Seele
auffordere, Gott zu loben und Gott zu danken, fordere ich mich im Grunde
selbst dazu auf, das zu tun. Mein Gespräch mit meiner Seele ist eine
Art Selbstgespräch. Das mag lustig klingen: Ein Gespräch mit sich
selbst. Aber es ist eine ernste Sache. Und es ist etwas sehr intimes,
etwas sehr vertrauliches, etwas, das nur mir gehört. Und es ist deshalb
für mich etwas besonders Wertvolles. Das Mit-sich-selbst-sprechen ist
wie eine Selbstermutigung: Sich gut zureden, sich selbst Mut machen oder
auch mit sich schimpfen: Die Beispiele, ich dazu nenne, kennen sie
alle: Jetzt hast du aber Mist gebaut. Nun stell dich nicht so an. Da
müssen wir durch. Eigentlich könntest du dich mal bedanken usw.
Und wenn ich nun nicht nur mit mir selbst rede, sondern auch auf meine
innere Stimme, auf mein Gewissen höre: Dann gelingt es mir vielleicht,
was uns im Predigttext gesagt ist: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Ernst des Lebens • Psalm 119, 1–5
Predigt am 13.08.2023 • 10. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Glücklich zu preisen sind alle, deren Lebensweg untadelig ist, die den Weg gehen, den das Gesetz des HERRN zeigt. Glücklich sind, die auf alles achten, was er in seinem Wort bezeugt, die von ganzem Herzen nach ihm fragen, die kein Unrecht tun, sondern auf Gottes Wegen gehen. Du selbst, HERR, hast uns deine Ordnungen anbefohlen, damit wir sie mit ganzem Ernst beachten. Ach, dass ich doch beständig die Wege gehen möge, auf denen ich deine Bestimmungen einhalte. (Neue Genfer Übersetzung)
Liebe Gemeinde. Wie reagieren wir, wenn uns jemand sagt: Nun wird es ernst. Oder: Nun kann es aber ernst für uns werden. Oder wie reagiert der Andere, wenn ich zu ihm sage: Du, ich glaube, das müssen wir ernst nehmen – wenn uns zum Beispiel jemand droht oder etwas von uns will. Das Ernstnehmen gilt natürlich auch, wenn uns jemand etwas Gutes sagt, etwas Gutes für uns tut oder etwas Gutes für uns tun will.
Wenn Sie so wollen, ist Ernst umgangssprachlich alles, was für uns wichtig ist oder was uns betrifft – im Guten wie im Schlechten. Wenn wir zum Beispiel vor einer Entscheidung stehen oder vor eine Entscheidung gestellt werden, dann ist das für uns eine ernste Sache. Egal, ob wir selbst etwas entscheiden müssen oder ob jemand anderes eine Entscheidung fällt, die uns betrifft.
Ernst nehmen wir meist auch Veränderungen. Vor allem Veränderungen in unserem Leben. Und je größer solche Veränderungen sind oder werden, umso ernster nehmen wir das normalerweise. Hier hat oft das „ernst nehmen“ auch etwas mit unserem „vor etwas Angst haben“ zu tun. Denn es gibt schon Situationen, die gefährlich, bedrohlich und/oder besorgniserregend sind und wo wir zu Recht Angst haben. Und wir alle wissen aus Erfahrung: Je größer eine Gefahr ist, umso ernster nehmen wir sie. Das gilt für die uns allen bekannten Gefährdungen im großen Stil wie aktuell den Ukrainekrieg oder die Inflation.
Aber, liebe Gemeinde: Wenn wir über den Ernst in unserem Leben reden, dann hält vor allem der Alltag für jeden von uns etwas bereit: In der Schule, in der Familie oder im Freundeskreis, in der Firma oder in der Freizeit. Dazu gehören auch unsere Sorgen wegen einer Krankheit oder weil wir mit etwas in unserem Leben nicht zurechtkommen.
Das alles hat nun einen Grund: Das Leben, das Leben eines jeden Menschen, das ist wichtig, das ist bedeutsam, das ist bedeutungsvoll. Jedes Leben ist in diesem Sinne ernst. Es ist wertvoll und es ist ein hohes Gut. Dieses mein – ja einziges - Leben ist deshalb nicht nur ernst, es ist auch ernst zu nehmen: Von mir, aber auch von anderen.
Dazu gehört natürlich auch, dass ich den anderen ernst nehme – egal, ob derjenige ein guter Freund von mir ist oder ob ich ihn nicht so richtig leiden mag. Und hier kommen nun unser eigenes Denken, Wollen und Fühlen ins Spiel. Vor allem aber unser Tun und Lassen – gegenüber anderen, aber auch gegen uns selbst.
Für uns, die wir hier unter Jesu Kreuz versammelt sind, hat das Thema „Ernst“ noch eine ganz andere Dimension. Diese andere Dimension lässt sich in zwei Fragen zusammenfassen, die zusammen gehören: Zum Ersten: Nehmen wir Gott ernst? Hier werden Sie sich zu Recht fragen: Welch eine dumme Frage an uns. Aber deshalb nun zur zweiten Frage, die wie gesagt mit der ersten Frage zusammenhängt: Nehmen wir auch ernst, was uns Gott zu sagen hat - unserem Gewissen, unserem Wollen und Denken, unserem Tun und Lassen im Alten Testament durch die Propheten und im Neuen Testament durch Jesus, Gottes Sohn?
Alles, was uns dazu in der Bibel gesagt wird, das ist nicht nur sehr, sehr viel, sondern das ist vor allem wichtig für uns und für unser Leben. Das Wort Gottes ist deshalb von uns ernst zu nehmen. Und davon handelt nun auch der Predigttext. Gewählt habe ich dazu ein Beispiel aus dem Alten Testament, genauer aus dem Psalm 119. Er steht unter der Überschrift: „Das große Loblied auf Gottes Wort.“ Ich lese den Text nach der Neuen Genfer Übersetzung:
Glücklich zu preisen sind alle, deren Lebensweg untadelig ist, die den Weg gehen, den das Gesetz des HERRN zeigt. Glücklich sind, die auf alles achten, was er in seinem Wort bezeugt, die von ganzem Herzen nach ihm fragen, die kein Unrecht tun, sondern auf Gottes Wegen gehen. Du selbst, HERR, hast uns deine Ordnungen anbefohlen, damit wir sie mit ganzem Ernst beachten. Ach, dass ich doch beständig die Wege gehen möge, auf denen ich deine Bestimmungen einhalte!
Liebe Gemeinde: Ich hatte vorhin nicht ohne Grund das Thema Ernst und das Ernst-nehmen so ausführlich dargestellt. Unser Predigttext zeigt uns nun, dass alles zusammen gehört, alles zusammen wirkt - unser Leben, die Umstände, die unser Leben bestimmen, und Gottes Hilfe, mit unserem Leben fertig zu werden. Der Predigttext steht ja auch nicht ohne Grund unter der Überschrift: Das große Loblied auf Gottes Wort.
Der Predigttext selbst spricht für sich. Zunächst wird uns zusammengefasst gesagt: Wer auf Gottes Wort hört, wer danach lebt und handelt, der ist glücklich zu nennen. Das nach Gottes Wort leben und handeln ist natürlich leichter gesagt als getan. Das war damals nicht anders als heute. Deshalb wird im kurzen Predigttext von Gott ein ernstes, nicht leichtes, aber zielführendes Zeichen gesetzt. Ich zitiere: Du selbst, HERR, hast uns deine Ordnungen anbefohlen, damit wir sie mit ganzem Ernst beachten.
Auf die anbefohlenen Ordnungen komme ich noch. Hier bleibt zunächst festzuhalten: Gott will, dass wir seine Ordnungen nicht nur irgendwie zur Kenntnis nehmen, sondern sie mit ganzem Ernst beachten. Das wir also seine Ordnungen ernst nehmen, weil sie für uns und für unser Leben wichtig sind. Deshalb im Predigttext auch die Bitte, die auch ein Hilferuf ist: Ach, Herr, dass ich doch beständig die Wege gehen möge, auf denen ich deine Bestimmungen einhalte!
Zu den entscheidenden Bestimmungen, Ordnungen, Verboten und Geboten gehören, wie wir alle wissen, die 10 Gebote. Diese Gebote sind für uns etwas Wichtiges und damit etwas Ernstes und als Gottes Wort Ernstzunehmendes. Eine Richtschnur für unser Leben, für unseren Alltag, denn in den zehn Geboten und Verboten wird uns gesagt: Du sollst Gott ehren, den Feiertag heiligen, deine Eltern ehren, nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsch Zeugnis reden und nicht begehren deines Nächsten Frau, Haus und was ihm sonst alles gehört.
Und Jesus, Gottes Sohn, sagt uns zu den 10 Geboten: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz oder die Propheten außer Kraft zu setzen. Ich bin nicht gekommen, um außer Kraft zu setzen, sondern um zu erfüllen. Jesus, autorisiert damit faktisch die 10 Gebote und macht sie zu einem verbindlichen Kanon für die gesamte Christenheit. Und damit auch für uns.
Ich wünsche uns, dass es uns ernst ist mit dem, was uns Jesus, Gottes Sohn und unser Herr, zu sagen hat. Vertrauen wir den Wegen, auf die der Herr uns weist.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottes schützende Hand • Psalm 139, 1–6
Predigt am 18.08.2013 • 12. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Psalm 139 in den Versen 1–6: Herr, du erforschest mich und kennst mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken
von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine
Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr,
nicht schon wüsstest. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine
Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich
kann sie nicht begreifen.
Bei Martin Luther hat der gesamte Psalm die Überschrift: Gott der
Allwissende und Allgegenwärtige. In unserem Predigttext, also in den
Versen 1 bis 5 des Psalms, ist uns an Beispielen gesagt, was
das Allwissende und das Allgegenwärtige Gottes für uns heißt.
Gott sieht mich, Gott hört mich, Gott kennt mich.
Gott weiß, was ich sage. Gott weiß auch, was ich sagen will
Gott weiß, was ich tue. Gott weiß auch, was ich tun will.
Gott weiß, was ich denke. Gott versteht meine Gedanken.
Und: Gott erforscht mich, Das heißt, Gott beschäftigt sich mit mir.
Ausgerechnet mit mir.
Der Beter des Psalms sagt denn dazu auch im letzten Satz des Predigttextes: Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.
Ja, liebe Gemeinde, wer soll das begreifen: Gott, der die gesamte Welt
geschaffen hat und der der Vater unseres Herrn Jesus Christus ist.
Dieser unser Gott beschäftigt sich mit mir. Und das nicht zu
Begreifende, das gilt auch für den entscheidenden Satz des
Predigttextes: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Dieser Satz fasst all das von Gott Gesagte zusammen und verdichtet sie
zu einer für uns sehr frohen Botschaft: Gott ist uns nahe, denn von
allen Seiten umgibt er uns. Der allgegenwärtige Gott ist also auch bei
uns. Wir sind deshalb in unserem Leben nie so richtig allein gelassen.
Und Gott hält seine Hand über mir. Gottes Hand ist eine schützende Hand.
Sie bietet den Schutz, den wir zum Leben brauchen.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Das wünschen und erhoffen sich alle Menschen auf dieser Welt, die an
Gott glauben. Für sich und für andere Menschen. Und das ist seit
2.500 Jahren so, denn so alt ist dieser Spruch schon. Auch wir
wünschen uns das für unseren Partner, für unsere Familie, für unsere
Kinder und Enkel. Wir wünschen uns das für unsere Eltern, für unsere
Nachbarn, Freunde und Kollegen. Und natürlich wünschen wir uns das auch
für uns selbst. Wir wünschen uns das, weil wir uns nach Geborgenheit
sehnen. Wir wünschen uns das für uns selbst, weil wir oft einen Halt
brauchen und suchen, wenn wir unsicher oder ratlos sind. Wenn wir Angst
vor einer Krankheit oder vor dem Tod haben. Insgesamt sehnen wir uns
also nach einem geschützten Raum, in dem wir uns sicher fühlen können.
Nach einem Ort, an dem wir zu Hause sind, wo wir Heimat gefunden haben.
Hier ist natürlich zu fragen: Woran denken wir, wenn wir das Wort Heimat
hören? Ist das der Ort, in dem ich aufgewachsen bin? Wo meine Eltern
ihre schützende Hand über mich gehalten haben? Übrigens die gleiche
Hand, die auch strafen konnte. Und wo ich erst viel, viel später gemerkt
habe, dass ich damit von Dummheiten abgehalten werden sollte? Für viele
gehört zur Heimat auch die Schule, die sie besucht haben. Oder sind es
die Freundinnen und Freunde, mit denen ich damals alles das erlebt habe,
was mir oft zuerst einfällt, je älter ich werde? Oder ist Heimat der
Ort, in dem ich heute zu Hause bin? Unser schönes Freiberg und seine
Umgebung? Für einige unter uns ist es der Ort, wo sie auch gern wären.
Zum Beispiel dort, wo unsere Kinder wohnen. Oder wo sich jemand um mich
sorgt, wenn ich mit dem Leben nicht mehr allein fertig werde. Ich könnte
hier noch viele Beispiele nennen.
Ich glaube, Heimat ist dort, wo wir uns früher zu Hause gefühlt haben
und wo wir uns heute zu Hause fühlen. Es ist in jedem Fall ein
geschützter Raum, ein geschütztes Gebiet. Ein Raum oder ein Gebiet, in
dem uns das umgibt, was uns vertraut ist. Ein Raum, den ich gern mit
Menschen teile, die mir ans Herz gewachsen sind. Menschen, die mir nicht
nur vertraut sind, sondern denen ich auch vertraue. Denen ich mich
anvertraue. Wenn nun dieses mein Vertraut-sein, dieses Vertrauen-dürfen
von Menschen erwidert wird, die mir wichtig sind und die ich liebe:
Dann, ja dann, liebe Gemeinde, bin ich dort, wo ich ganz ich selbst sein
darf, wo ich zu Hause bin. Wo ich dankbar erlebe, was uns unser
Predigttext sagt.
Was ist nun aber mit denen, die keine Heimat haben, die sich nirgendwo
zu Hause fühlen können. Was ist mit denen, die ihre Heimat verlassen
haben oder die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Und das passiert auch
ganz in unserer Nähe: Menschen verlieren ihr Zuhause, ihren geschützten
Raum. Sei es, weil sie Schuld auf sich geladen haben oder weil sie
ihren geliebten Partner verloren haben. Was ist also mit denen, die sich
einsam und verlassen fühlen? Die niemand haben, an den sie sich
anlehnen können und der sie versteht? Wo keiner da ist, der ihnen Mut
macht, mit einer Krankheit oder einer anderen schlimmen Situation fertig
zu werden. Aber auch alle diese Menschen sind nicht wirklich allein.
Auch für sie gilt: Gott hält seine Hand über sie. Gerade das Vertrauen
darauf, dass wir von Gott nicht allein gelassen sind, ist eine gute
Grundlage. Es kann die Grundlage dafür sein, sich selbst wieder mehr
zuzutrauen. Es kann auch die Grundlage dafür sein, anderen Menschen
wieder mehr zu vertrauen und ihnen damit näher zu kommen.
Wie ist das eigentlich mit uns? Glauben wir an die Botschaft des
heutigen Predigttextes? Ein Text, der so viele gute Nachrichten für uns
bereithält? Vertrauen wir darauf, dass wir bei Gott eine Heimat finden
können? Dass wir von Gott nicht allein gelassen sind? Und das uns diese
Gottgeborgenheit bleibt – bis an das Ende aller Zeit? Auch wenn der
Tod unser Leben hier auf dieser Welt beendet hat? Zweifel müssen uns
hier nicht irre machen lassen. Denn der Zweifel gehört zum ehrlichen
Glauben dazu. Oder wie es im heutigen Predigttext sinngemäß heißt: Das
alles ist mir zu wunderbar und zu hoch. Ich kann das nicht begreifen.
Wir dürfen darauf hoffen, dass Gott seine schützende Hand über uns hält.
Das gilt auch und im Besonderen für die Menschen, die mit einer
Krankheit oder dem Tod ringen. Ich wünsche uns, dass wir Gottes
schützende Hand dankbar in unserem Leben erkennen und dass uns die
Hoffnung auf Gottes schützende Hand nicht verlässt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Alles hat seine Zeit • Prediger Salomo 3, 1–8
Predigt am 31.12.2015 • Silvester • Kirche Biberstein
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat
seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat
seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat
seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat
seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit,
Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen
hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine
Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine
Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine
Zeit, Friede hat seine Zeit.
Liebe Gemeinde, in der Überschrift zum Predigttext, den wir vorhin als
1. Lesung gehört haben, wird uns gesagt: Alles hat seine Zeit. Bloß
stimmt das? Ist es bei uns nicht vielmehr so, dass niemand mehr so
richtig Zeit hat? Sich niemand mehr von uns so richtig Zeit nimmt? Sich
niemand mehr von uns so richtig Zeit nehmen kann? Auch für das, was uns
wichtig ist? Empfinden wir nicht auch manchmal, dass das Leben um uns
herum irgendwie immer schneller wird? Zumindest werden das die meisten
der Älteren unter uns sagen. Aber auch für alle anderen, also die Jungen
bis zu den Junggebliebenen ist unsere Zeit im ganz wörtlichen Sinne
schnelllebig.
Dazu, zum Thema Zeit, will ich uns eine Geschichte erzählen, die in
Israel spielt. Dort, irgendwo im Land, unterhält sich ein Rabbi mit
einem alten Bekannten, den er eigentlich ganz gut kennt. Rabbi wird ein
jüdischer Gelehrter genannt, der ein hohes Ansehen genießt. Eben so ein
Rabbi fragt seinen alten Bekannten:
Warum besuchst du deine kranke Mutter nicht mehr im Altenheim?
Und der Bekannte antwortet ihm: Ich habe keine Zeit.
Warum spielst du nicht öfter mit den Kindern?
Und hier kommt, wie auch bei den noch folgenden Fragen des Rabbi immer die gleiche Antwort: Ich habe keine Zeit.
Warum gehst du nicht mehr zu den Feiern bei Freunden, warum lädst du selbst keine Freunde mehr ein?
Ich habe keine Zeit.
Wann sitzt du einfach im Garten ganz für dich und denkst nach über Gott?
Ich habe keine Zeit.
Was machst du denn in der ganzen Zeit, die du verbrauchst, ohne diese wichtigen Dinge zu tun?
Ich muss hart arbeiten und für meine Familie sorgen.
Wann machst du denn mal Pause und machst das, was dir Freude macht?
Dafür habe ich auch keine Zeit.
Schließlich fragt ihn der Rabbi: Hast du denn überhaupt noch Freude in Deinem Leben? Oder nur Pflichten?
Ja, Nein, ach, ich weiß nicht. Ich weiß nicht, wie ich alles immer schaffen soll.
Und der Bekannte weinte.
Da nahm der Rabbi seine Hand mit seinen beiden Händen, hielt sie fest
und sprach: Der Prediger Salomo hat dafür eine Antwort. Und genau diese
Antwort ist im Predigttext enthalten. Wir haben es vorhin gehört.
Silvester ist ein guter Anlass, um über den armen Mann in Israel, der
nie Zeit hatte, nach zu denken. Genauso wie über die Antwort im
Predigttext, wonach alles seine Zeit hat. Denn auch das vergangene Jahr
hatte seine Zeit. Vielleicht sollte ich besser sagen: Alles hat seine
Zeit gedauert. Auf jeden Fall ist diese Zeit in wenigen Stunden
abgelaufen. Alles was wir 2015 erlebt haben, kommt nie wieder. Kein
einziger Tag. Und auch keine einzige Stunde unseres Lebens. Natürlich
gibt es Wiederholungen. Natürlich bleibt uns die Erinnerung an das, was
war. An das, was wir erlebt haben. Und natürlich bleibt auch das, was
wir geschaffen haben. Oder das, was wir in das neue Jahr mitnehmen
werden. Zum Beispiel unsere Freuden und Ängste, unsere Wünsche und
Sorgen, unsere Guthaben und Schulden.
Und genauso wird das kommende Jahr seine Zeit haben. Alles was wir
erleben, wird seine Zeit dauern und wird seine Zeit brauchen. Wir gehen
oft mit guten Vorsätzen in das neue Jahr. In einem Jahr wird man sehen,
was daraus geworden ist. Zum Beispiel aus dem, wofür ich überhaupt keine
Zeit mehr verwenden oder verschwenden wollte. Und was wird aus dem
Projekt geworden sein, auf das ich mich nun schon seit Jahren freue.
Werde ich mir nun endlich 2016 dafür Zeit nehmen? Oder dafür Zeit nehmen
können?
Ja, liebe Gemeinde, die Zeit. Die läuft und läuft. Oder wie es Wilhelm
Busch gesagt hat: „1,2,3, im Sauseschritt. So läuft die Zeit, wir laufen
mit.“ Da hilft es auch nichts, dass der Mensch die Zeit in lauter
Abschnitte geteilt hat: In Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen,
Monate, Jahre. Und zwischendurch Einschnitte wie alle Arten von
Gedenktagen, Geburtstage, Jahrestage. Etwas Besonderes ist hier
Silvester. Hier werden die letzten Sekunden des Jahres bis 24 Uhr
genau beobachtet. Hier darf nichts verpasst werden. Nach 24 Uhr
allerdings sind die Uhren mit ihren Sekundenzeigern im Fernsehen wieder
verschwunden, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Denn wer will schon
lange zuschauen, wie die Zeit vergeht. Und das ist auch gut so: Denn das
ist ja unsere Zeit.
Und diese unsere Zeit ist etwas Wertvolles. Sie ist für mich wertvoll,
weil sich in dieser meiner Zeit mein Leben abspielt. Im Predigttext ist
an vielen Beispielen aufgeführt, was mein Leben ausmacht: Zum Beispiel
geboren werden und sterben, weinen und lachen, schweigen und reden,
töten und Frieden halten, lieben und hassen. Der Predigttext ist nun
schon 2.300 Jahre alt. Und trotzdem hat sich daran seitdem nichts
geändert. Es hat sich nichts an den Dingen geändert, die für mein Leben
wichtig sind. Auch wenn es damals noch keine Smartphones und Fernseher
gab. Und im Übrigen: Auch damals wird man schon gedacht haben, dass die
Zeit immer schneller vergeht.
Meine Lebenszeit ist für mich auch wertvoll, einfach weil sie begrenzt
ist. Jeder von uns hat nur einen begrenzten Zeit-Topf. Alles, was bei
uns sein muss oder sein soll, alles was wir tun oder auch nicht tun,
kann nur aus dem einen vorhandenen Zeit-Topf genommen werden. Und dabei
ist es vollkommen gleichgültig, ob eine Zeit für mich schön und wichtig
oder langweilig ist, ob mir die Zeit von jemanden gestohlen wird, ob mir
die Zeit lang wird oder ob die Zeit mir wie im Fluge vergeht.
Und unsere Zeit, liebe Gemeinde, unsere Lebenszeit ist auch deshalb
etwas besonders Wertvolles, weil sie uns wie unser Leben von Gott
geschenkt ist. Und wenn uns Gott in diesem Zusammenhang im Predigttext
sagt, das alles seine Zeit hat: Dann ist das Mahnung und Beruhigung
gleichermaßen. Es ein Appell an uns, sich unserer nur begrenzten Zeit
hier auf dieser Welt bewusst zu bleiben. Es ist in Aufruf zur
Gelassenheit, denn Zeit ist für uns da. Und es enthält letztendlich die
Zusage aus Psalm 31, dass unsere Zeit in Gottes Händen liegt. Ich
wünsche uns für das neue Jahr diese Erfahrung und das Vertrauen darauf,
dass unsere Zeit tatsächlich in Gottes Händen liegt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottes Einladung • Jesaja 2, 2–4
Predigt am 14.08.2011 • 8. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Jesaja im 2. Kapitel: Am Ende der Tage wird es geschehen: Der
Berg, da des Herrn Haus ist, steht fest. Und dieser Berg ist höher als
alle anderen Berge und überragt alle Hügel. Und viele Völker werden
hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen, dass
er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion
kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Der Herr spricht
Recht im Streit der Völker und weist viele Völker zurecht. Da werden sie
ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn
es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben. Und sie werden
hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Der Prophet Jesaja, der das alles aufgeschrieben hat, war ein frommer
Jude. Er stammte aus einer vornehmen Familie. Er war verheiratet und
hatte mindestens zwei Söhne. Dieser Jesaja wird nun etwa im
Jahr 740 vor Christus von Gott zum Propheten berufen und wird
40 Jahre, das heißt bis zum Jahr 700 vor Christus als Prophet
auftreten. Damals erlebte das jüdische Volk eine Zeit des Krieges. In
dieser schlimmen Zeit verkündet Jesaja, was ihm Gott aufgetragen hat.
Das große Thema ist dabei immer wieder der Heilsplan Gottes für sein
Volk Juda und die Stadt Jerusalem. So auch in unserem Predigttext.
Dieser Text enthält bei aller Kürze Wunderbares, Mutmachendes und auch
sehr Nachdenkenswertes. Zusammengefasst sind es drei Teile: Teil 1
beschreibt Gottes Einladung in sein Haus, Teil 2 die Reaktion der
Völker auf diese Gottes Einladung und Teil 3 zeigt schließlich
Gottes Handeln in der Welt.
Gott sagt uns durch seinen Propheten Jesaja, dass er – Gott –
ein Haus hat, dass dieses Haus höher ist als alle Berge. Dass sein Haus
jetzt und am Ende aller Zeiten fest steht, dass sein Haus offen ist für
alle Völker und dass die Völker in sein Haus kommen werden. Das muss man
sich einmal vorstellen: Im Alten Testament, in einem Kapitel, wo es im
Besonderen um das jüdische Volk und seine Zukunft geht: In diesem
Kapitel sagt Gott, dass sein Haus für alle Völker und nicht nur für das
jüdische Volk offen ist. Und das 700 Jahre vor der Geburt von Jesus
Christus. Hier wird nicht mehr und nicht weniger gesagt, als dass
Gottes Einladung für alle Völker und alle Menschen gilt und das von
Anfang an bis an das Ende der Zeit. Es ist – ganz konkret –
Gottes Einladung an uns heute. Und zwar an jeden von uns.
Und diese Einladung ist keine Einladung irgendwohin, sondern eine
Einladung in Gottes Haus. Im Predigttext steht nun auch, wie ich mir
Gottes Haus vorzustellen habe: Gottes Haus ist nicht nur groß und steht
am höchsten, Gottes Haus steht auch fest, das heißt Gottes Haus ist
sicher. Genauer: Wir sind sicher in Gottes Haus. Und Sicherheit suchen
wir doch alle. Es kann uns alles gar nicht sicher genug sein. Der Euro,
das Fahrradschloss, die Energiegewinnung usw. Und viel wichtiger sind ja
noch ganz andere Sicherheitsfragen: Kann ich sicher sein, dass mein
Leben, so wie ich es lebe, im Alltag sicher bleibt und seinen Sinn
behält? Kann ich sicher sein, dass in einer Notsituation jemand da ist,
der sich um mich kümmert? Kann ich letztendlich sicher sein, dass ich
auch im Tod nicht allein gelassen bin, dass auch dort Gott mir armen
Sünder gnädig ist?
Ja, Gott sagt uns im heutigen Predigttext zu, dass wir uns in seinem
Haus nicht nur sicher fühlen können, sondern dass wir in seinem Haus
tatsächlich in Sicherheit sind. Und Gott meint es mit unserer Sicherheit
sehr ernst. So ernst, dass sein Sohn für unsere Sünden am Kreuz sterben
musste. Und wir wissen auch seit und durch Jesus Christus, das Gottes
Haus ein Symbol für Gottes Nähe zu uns ist. Gottes Nähe zu uns: Das ist
unsere Sicherheit.
Das kann natürlich nur funktionieren, wenn auch wir Gott ernst nehmen.
Wir kommen damit zum Teil 2 des Predigttextes. Das heißt zu der
Frage, wie die Völker auf Gottes Einladung reagieren. Sind wir denn
bereit, Gottes Einladung anzunehmen in sein Haus zu kommen? Sind wir
bereit, der uns von Gott zugesagten Sicherheit zu vertrauen? Oder viel
einfacher: Sind wir bereit unser Herz und unseren Verstand für das
öffnen, was uns Gott sagen will? Und das nicht nur sonntags von 9 bis
11 Uhr.
Im heutigen Predigttext wird uns dazu im Übrigen Erstaunliches erzählt.
Nach der Weissagung des Propheten Jesaja werden die Völker auf Gottes
Einladung hören. Sie werden dieser Einladung folgen und sich auf den Weg
zum Hause Gottes machen. Und wir, liebe Gemeinde? Natürlich sind wir
hier im Hause Gottes versammelt. Es ist einfach schön, dass wir unsere
Petrikirche und unsere Gemeinde haben. Es ist ein großes Geschenk, dass
wir hier gemeinsam beten und singen können und das wir – wenn ein
Pfarrer da ist – auch gemeinsam das Abendmahl feiern dürfen. Aber:
Gibt es die Nähe Gottes nur im Gottesdienst? Brauchen wir die Nähe
Gottes nicht auch im Alltag? Und sollte nicht die Nähe Gottes unser
tägliches Tun bestimmen? Wenigstens manchmal und ein kleines bisschen?
Und damit bin ich bei einem weiteren Teil des heutigen Predigttextes:
Gottes Handeln in der Welt. Oder wie es wörtlich in der
Lutherübersetzung heißt: Gott wird zurecht weisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. –
Schwerter zu Pflugscharen. Das ist ein großes Thema. Wenn wir es ganz
wörtlich nehmen: Eine Pflugschar macht Leben möglich, weil dadurch der
Boden bereitet wird, damit etwas wachsen kann. Wohingegen ein Schwert
schlägt, wird Leben beschädigt, im schlimmsten Fall wird Leben zerstört.
Schwerter zu Pflugscharen zu machen, das ist kein Selbstläufer. Es ist
eine Aufforderung von Gott an uns, die vor 2700 Jahren der Prophet
Jesaja geweissagt hat und die uns Jesus vor 2000 Jahren vorgelebt
hat. Trotzdem ist die Aufforderung Gottes an uns auch heute aktuell wie
eh und je. Sie ist aktuell, seit es den Menschen gibt. Denn seitdem
ziehen sich Kriege wie eine Blutspur durch die gesamte
Menschheitsgeschichte. In einem politischen Vortrag wäre nun viel über
Kriegsursachen wie Interessenkonflikte oder Glaubensfragen oder
Verbrecher wie Hitler zu sagen.
Aber kennen sie einen aus unserer Gemeinde oder aus der Stadt Freiberg,
der einen Krieg will? So gesehen könnten wir das Thema eigentlich locker
sehen. Nur, liebe Gemeinde, stimmt das? Sind wir tatsächlich alle für
Frieden? Und zwar auch dort, wo wir das Geschehen beeinflussen können?
Denn: Frieden fängt bei uns an. Bei jedem von uns. Bleiben wir
friedlich, wenn wir uns geärgert haben? Wenn uns ein Hausnachbar nicht
leiden kann oder überhaupt keine Rücksicht nimmt? Wenn andere mir
vorgezogen werden? Wenn ich mich zu Unrecht schlecht behandelt fühle?
Wenn eine Leistung von mir nicht anerkannt wird? Wenn ich merke, dass
ich angelogen werde? Die Beispiele ließen sich fortführen. Sie kennen
das alle. Oder: Schlagen Sie zurück, wenn Sie geschlagen werden? Oder
halten Sie auch noch die andere Backe hin? Jesus hatte schon Recht:
Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. So
schwer das für uns auch ist.
Im Grunde geht es darum, wie wir bei uns selbst den Schritt im
übertragenen Sinne vom Schwert zur Pflugschar schaffen. Es sind viele
kleine Schritte, die immer wieder und ganz oft zu gehen sind. Wagen Sie
einen kleinen Schritt, wenn Sie sich einen großen Schritt nicht
zutrauen. Denken Sie daran: Kein Schritt kommt von allein und jeder
Schritt beginnt im Kopf. Und es gibt so viele – auch kleine –
Möglichkeiten, die wir ganz bewusst und oft einsetzen können. Ein
freundliches Wort, ein Lächeln, eine verständnisvolle Geste, eine kleine
Aufmerksamkeit oder ganz einfach ein Verzeihen können schon viel
bewirken. Lassen Sie uns auch in der Gemeinde immer wieder aufeinander
zugehen. Frieden fängt bei uns selbst an. Bei jedem von uns.
Ich wünsche uns diesen Frieden mit uns selbst, den Frieden mit unserem
Nachbarn und den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Er
bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Gottes Auftrag • Jesaja 6, 1–3
Predigt am 19.06.2011 • Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, den Predigttext für den heutigen Sonntag haben Sie schon
in der 1. Lesung des Gottesdienstes gehört. Es ist ein langer und
auch nicht ganz einfacher Text. Das ganze Kapitel steht unter der
Überschrift: Die Berufung des Propheten Jesaja. In dem Jahr, als der König Usija starb, sah
ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum
füllte den Tempel. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs
Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre
Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum anderen und sprach:
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre
voll. Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das
Haus ward voll Rauch. Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe. Denn ich bin
unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich
habe den König, den Herr Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. Da flog
einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die
er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach:
Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir
genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. Und ich hörte die Stimme des
Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein?
Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich. Und er sprach: Geh hin und
sprich zu diesem Volk: Höret und verstehets nicht; sehet und merkets
nicht. Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und
ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mir
ihren Ohren noch verstehen mit ihren Herzen und sich nicht bekehren und
genesen. Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte
wüst werden, ohne Einwohner, und das Feld ganz wüst daliegt. Denn der
Herr wird die Menschen weit weg tun, so dass das Land sehr verlassen
sein wird. Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es
abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen
beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher
Stumpf sein.
Jesaja steht im Tempel und sieht Gott, den Herrn, umgeben von seinen
himmlischen Heerscharen. Und diese Heerscharen oder Cherubine preisen
Gott mit einem dreifachen Heilig, Heilig, Heilig. Jesaja erschrickt. Er
wird sich bewusst, dass er hier etwas für einen Menschen Unfassbares
sieht. Und er wird sich bewusst, dass er ein Sünder ist. Oder bildlich
gesprochen, dass er unrein ist. Jedenfalls geschieht das nächste
Unerwartete: Seine Sünde wird ihm von Gott vergeben. In der bildhaften
Sprache des Alten Testamentes ist von glühender Kohle die Rede, mit der
er berührt wird. Auf jeden Fall hört Jesaja Gott fragen, Wen soll ich
senden? Wer will mein Bote sein? Daraufhin sagt Jesaja: Hier bin ich.
Sende mich.
Und Gott, der Herr, beruft Jesaja nicht nur zu seinem Propheten, sondern
sagt ihm auch sehr deutlich, was Jesaja dem Volke Israel verkünden
soll. Zum Beispiel soll er sagen: Hören sollt ihr. Hören, aber nicht
verstehen. Sehen sollt ihr. Sehen, aber nicht erkennen. Mache die Herzen
hart, sagt Gott zu ihm, damit sie nicht zur Einsicht kommen. Jesaja
soll also die Verstockung des Volkes Israel deutlich machen und er soll
diese Verstockung sogar verstärken. Da ist es ganz logisch, dass Jesaja
fragt, wie lange er das machen soll. Und hier sagt Gott etwas furchtbar
Hartes. Jesaja soll das so lange verkünden, bis das ganze Land verwüstet
ist und bis die Menschen aus dem Land vertrieben sind. Und das Ganze
soll so lange gehen, bis im wortwörtlichen Sinne alles vernichtet ist.
Alles, bis auf einen kleinen Rest. Und dieser Rest wird ein heiliger
Samen sein. Ja, ein Wohlfühltext ist das nicht gerade. Wir stehen
deshalb vor der Frage, worin die Heilsbotschaft in diesem Text liegt.
Und natürlich was uns dieser Text heute sagen soll.
Jesaja ist ein frommer Jude und wird von Gott zum Propheten berufen. Er
stammt aus einer vornehmen Familie. Als Jesaja 20 Jahre als Prophet
gewirkt hatte, fallen die Assyrer in Israel ein, verwüsten das Land.
Ein großer Teil des jüdischen Volkes wird entweder getötet oder in die
Verbannung geschickt, muss also das gelobte Land verlassen. Erst sehr
viel später dürfen die verbliebenen Juden wieder aus der Verbannung in
ihr Land zurückkehren.
Vor diesem geschichtlichen Rahmen wird nun auch deutlich, was Gott dem
Propheten Jesaja aufgetragen hat. Zur Erinnerung: Das war etwa
20 Jahre vor dem Überfall der Assyrer. Im Text wird also
20 Jahre vorher beschrieben, was Israel erwartet. Dabei ist
wichtig, dass Jesaja bei seiner Berufung einen doppelten Auftrag erhält.
Er soll erstens die Verstockung des Volkes Israel aufzeigen, ja sogar
auch herbeiführen. Darauf werde das Gericht Gottes folgen. Nun aber auch
ein Zweites: Mit dem verbleibenden Rest des Volkes Israel will Gott
seine Heilsgeschichte fortführen. Damit wird Jesaja auch ein Verkünder
des kommenden Heils.
Und trotzdem: Den Auftrag, den der Prophet Jesaja von Gott erhält,
diesen Auftrag muss man sich einmal vorstellen: Mache, das ihre Augen
nicht sehen, was sie sehen müssten. Mache, dass ihre Ohren nicht hören,
was sie hören müssten. Mache, dass ihre Herzen nicht fühlen, was sie
fühlen müssten. Und zwar solange, bis das Land verwüstet ist und die
Menschen aus ihrem Land vertrieben sind. Und wir fragen uns einigermaßen
hilflos: Soll es das gewesen sein?
Zum Glück bleibt die Geschichte der Berufung Jesajas zum Propheten an
dieser Stelle nicht stehen. Denn: Ein Baustumpf wird – bildlich
gesprochen – stehen bleiben und dieser Baumstumpf wird ein heiliger
Samen sein. Anders gesagt: Alles wird zu Bruch gehen bis auf einen
kleinen Rest und dieser sogenannte Rest wird ein heiliger Samen sein.
Das heißt, daraus soll und wird etwas Neues, etwas Besseres entstehen.
Denn der Anfang ist nicht nur ein Samen, sondern ein heiliger Samen. So
wird es Jesaja sein, der – wenn auch noch nicht im heutigen
Predigttext – auf Künftiges hinweist, was für uns Christen von
existentieller Bedeutung geworden ist. Denn wie heißt es in dem
wunderbaren Weihnachtslied aus dem Jahr 1587: Es ist ein Ros entsprungen
aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse –
gemeint ist Jesaja – kam die Art.
Bevor wir uns jetzt innerlich ganz entspannt zurücklehnen, muss ich doch
noch einmal auf unseren Predigttext zurückkommen. Was war eigentlich
passiert, dass Gott dem Jesaja einen solchen Auftrag erteilt? Das
jüdische Volk, immerhin das von Gott auserwählte Volk, hat durch die
10 Gebote genau gewusst, was Gottes Wille zum Heile der Menschen
war, aber: Hat das jüdische Volk vielleicht das mit dem auserwählten
Volk gern angenommen und es sich dabei vielleicht auch ganz wohlgehen
lassen? Und ist das Volk Israel mit den Geboten Gottes vielleicht so
umgegangen, dass Gott zornig geworden ist? Und zwar Gott, der im ganz
wörtlichen Sinne all – mächtige Gott. Gott, der Himmel und Erde
erschaffen hat und erhält.
Und wir? Leben wir eigentlich so, als ob es Gott gibt? Sind uns seine
Gebote Maßstab und Richtschnur? Oder tanzen wir auch am liebsten um das
Goldene Kalb, um nur ein Beispiel zu nennen? Denken nicht vielleicht
auch wir vor allem an unser materielles Wohlergehen und an unseren
eigenen Vorteil? Oder sind nicht vielleicht auch wir uns selbst genug?
Wie heißt es im Predigttext: Sehen, aber nicht erkennen. Hören, aber
nicht verstehen. Und wie ist das bei uns? Erkennen wir nichts, obwohl
wir sehen? Oder wollen wir nichts erkennen, obwohl wir sehen können.
Verstehen wir nichts, obwohl wir hören? Oder wollen wir nichts
verstehen, obwohl wir hören können?
In unserem Predigttext gibt es nun noch eine Stelle, die nach Jesu
Geburt, nach Ostern und nach Pfingsten wichtig geworden ist. Ich meine
den Lobpreis Gottes durch die himmlischen Heerscharen. Hier wird Gott,
der Herr, nicht mit einem Heilig, sondern mit einem dreifachen Heilig,
Heilig, Heilig gepriesen. Dieser Lobpreis wurde später als die
Dreifaltigkeit Gottes gedeutet. Und damit kommt der Name des heutigen
Sonntags ins Spiel: Nämlich „Trinitatis“. Trinitatis ist der Genitiv des
lateinischen Wortes trinitas, das mit Dreieinigkeit oder mit
Dreifaltigkeit übersetzt wird. Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit meint
die Wesenseinheit von Gott, der der Vater, der Allmächtige und Schöpfer
des Himmels und der Erde ist, mit dem Gott, der sich vor
2000 Jahren in Jesus Christus als der liebende Gott offenbart hat,
und mit dem Gott, der als Heiliger Geist alles durchdringt.
Diese Dreifaltigkeit, in der uns Gott begegnet, finden wir auch in den
drei Teilen unseres Glaubensbekenntnisses. Trinitatis, also die
Dreifaltigkeit beschäftigt die Theologen schon sehr lange und die
Literatur dazu füllt wahrscheinlich ganze Bibliotheken. Das muss und
soll uns aber nicht erschrecken. Denn wichtiger für eine glaubende
Gemeinde ist die Frage, was der Heilige Geist, Gott unser Vater und
Jesus Christus, unser Herr, in uns, für uns, durch uns bewirken. Das
kann ein liebevoller Blick sein oder der Nächste, dem ich mich
anvertraue. Das kann der Nachbar sein, der meine Hilfe braucht, oder
Jemand, den ich anzunehmen bereit bin, auch wenn er ganz anders ist als
ich. Die Beispiele ließen sich fortführen. Jeder liebevoller Blick, jede
helfende Hand ist ein heiliger Samen, aus dem Neues, Besseres wachsen
kann – bei uns, bei unserem Nächsten, in unserer Welt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Es begab sich aber zu der Zeit • Jesaja 7, 14
Predigt am 24.12.2017 • Heiligabend • Petrikirche Freiberg
Darum wird euch der Herr selbst wird ein
Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn
gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Liebe Gemeinde, „Es begab sich aber zu der Zeit“. So beginnt eine der
schönsten Geschichten der Weltliteratur. Sie steht in der Bibel und die
beiden ersten Teile davon haben wir vorhin gehört. Beschrieben wird uns
dabei kein Märchen mit einem „Es war einmal“, sondern die Geburt eines
Knaben, der Weltgeschichte schreiben sollte. Heute, 2.000 Jahre
später, glauben auf der Welt etwa 2,3 Milliarden Menschen daran,
dass dieser Knabe Jesus von Nazareth Gottes Sohn war. Und auch die
vielen Menschen, die daran nicht glauben können oder daran nicht glauben
wollen: Auch viele dieser Menschen werden Jesus – wenn sie denn je
etwas von ihm gehört haben – zumindest für einen ganz besonderen
Menschen halten.
Heute und in den nächsten Tagen feiern wir die Geburt des Jesus von
Nazareth im jüdischen Lande, wie es Martin Luther übersetzt hat.
Gesprochen wurde dort im Volk Israel über diese Geburt schon lange
vorher. Genauer schon über 700 Jahre. Dass muss man sich einmal
vorstellen: In einem Volk wird über 700 Jahre auf etwas gewartet,
worauf die meisten hoffen. Es war der jüdische Prophet Jesaja, der
damals – 700 Jahre vor Jesu Geburt – das Geschehen
voraussagte, das wir heute als Weihnachten feiern. Im Predigttext für
die heutige Christvesper sagt dazu der Prophet Jesaja zum damaligen
König der Juden denn auch: Der Herr selbst
wird ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird
einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Mit „der Herr, der ein Zeichen gibt“ ist nun nicht der König des kleinen
jüdischen Landes gemeint, den Jesaja anspricht, sondern der große,
ewige Gott. Der Gott, der alles erschaffen hat und der alles erhält:
Uns, die Erde, das gesamte Weltall. Oder modern gesprochen: das gesamte
Universum mit seinen Milliarden von Sternen. Gott also kündigt uns durch
den Propheten Jesaja die Geburt eines Sohnes an. Und das soll nicht
irgendein, sondern ein ganz besonderer Sohn sein. Ein Sohn, der Immanuel
genannt werden wird. Immanuel bedeutet ins Deutsche übersetzt: Gott mit
uns. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass Gott, der große,
ewige Gott durch und mit diesem neugeborenen Kind zu uns kommen soll.
Ja, liebe Gemeinde. Das ist genau das, was für die Christenheit mit der
Geburt des Jesus von Nazareth vor 2.000 Jahren wahr geworden ist:
Es wurde ein Kind geboren, durch das und mit dem Gott in die Welt
gekommen ist. Mit der Geburt von Jesus hat Gott selbst ein Zeichen
gesetzt, wie es uns in der alten Verheißung des Propheten Jesaja gesagt
ist. Wir haben es gerade gehört. Gott ist mit uns. Das, was damals
geschah, ist ein Wunder. Ein Wunder, dass wir mit unserem Verstand nicht
fassen können. Diesem Wunder kommen wir nur durch unseren Glauben näher
und das ist auch für gestandene Christen oft schon schwer genug und
gelingt auch nicht immer.
Aber Weihnachten ist nicht nur ein Wunder, dass wir uns mit unserem
Verstand nicht erklären können. Sondern Weihnachten ist auch etwas
wunder-bares und etwas wunder-schönes. Wie die Liebe. Und Weihnachten
ist ein Fest der Liebe. Für Christen und Nichtchristen gleichermaßen.
Von Weihnachten geht etwas Positives, etwas Schönes aus. Denn woher soll
sonst das große Bedürfnis herkommen, anderen etwas zu schenken, aber
auch sich selbst etwas Gutes zu tun. Und Schenken heißt hier ja nicht
nur viele gekaufte Geschenke zu verteilen, sondern es wird anderen auch
Liebe, Aufmerksamkeit und manchmal sogar Zeit geschenkt. Zu kaum einem
anderen Anlass werden so viele Päckchen verschickt und Briefe, Karten
und Emails geschrieben. Weihnachten wird gefeiert. Und: Weihnachten ist
ein Fest der Familie, wo auch die zusammenkommen, die sich sonst das
ganze Jahr nicht sehen. Andererseits: Wer von uns allein lebt. Wer sich
einsam fühlt oder tatsächlich einsam ist, wenn er einen geliebten
Menschen verloren hat, dem wird das gerade zu Weihnachten ganz besonders
bewusst.
Bei all dem Schönen, was wir heute Abend oder an den Feiertagen
hoffentlich noch erleben werden: Ich wünsche uns sehr, dass wir nicht
vergessen oder verdrängen, warum eigentlich gerade Weihnachten ein so
frohes und freudiges Fest ist. Öffnen wir unsere Herzen für das, was in
der Weihnachtsgeschichte den Hirten von den Engeln gesagt wird: Fürchtet
euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke
widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist
Christus, der Herr. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind
in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gott verschlingt den Tod auf ewig • Jesaja 25, 6–8
Predigt am 22.04.2019 • Ostermontag • Kirche Obergruna
Liebe Gemeinde, wir feiern Ostern, denn der Herr ist auferstanden. Er
ist wahrhaftig auferstanden. Auch wenn wir uns das alles nicht
vorstellen können: Die Auferstehung von Jesus vor fast 2.000
Jahren, das war kein Einfall, kein Wunschdenken oder die Hoffnung von
irgendwelchen Spinnern. Sondern: Die vielen, die Jesus nach seiner
Auferstehung erlebt haben, waren fest davon überzeugt, was sie gesehen
haben. So fest, dass die meisten von ihnen dafür in den Tod gegangen
sind. Das heißt, sie wurden hingerichtet, weil sie am Glauben an den
Auferstandenen trotz Todesdrohung festgehalten haben.
Die Zahl der Christen und damit die Zahl der Gemeinden wuchs damals
schnell. Und sie breiteten sich mit der Zeit im gesamten Römischen
Weltreich aus. Welche Kraft muss damals von dem Glauben an Jesus und
seine Auferstehung ausgegangen sein. Heute ist das Christentum auf der
ganzen Welt verbreitet. Und obwohl wir uns das bei uns hier auch in
Obergruna gar nicht mehr vorstellen können: Die Zahl der Christen auf
der Welt ist sehr groß. Aktuell glauben 2,3 Milliarden Menschen an
Gott und an Jesus Christus. 2,3 Milliarden Menschen: Das ist das
30fache der Einwohnerzahl von ganz Deutschland.
Doch zurück zu dem, was damals zu Ostern und kurz danach geschah: Ein
sehr ehrliches Beispiel dazu haben wir vorhin als Evangelium für diesen
Sonntag gehört (Die Emmausjünger, Lukas 24, 13–35). Der
auferstandene Jesus wird zunächst nicht einmal von Zwei seiner
bisherigen Anhänger erkannt, obwohl Jesus von sich und seiner Mission
erzählt. Erst als er dann mit ihnen abends am Tisch saß, das Brot nahm,
dankte und brachs und es ihnen gab, dann erkannten sie ihn. Wir haben es
vorhin gehört.
Der Predigttext für den heutigen Ostermontag führt uns nun in eine ganz
andere Welt. Er steht im Alten Testament – genauer beim Propheten
Jesaja im 25. Kapitel. Wir haben ihn vorhin als erste Lesung
gehört. Jesaja hat hier über 700 Jahre vor Jesus eine Hoffnung
beschrieben, die viel mit dem Ostergeschehen, also der Auferstehung
Jesus von den Toten, zu tun hat. Denn Gott hat mit der Auferweckung
Jesus von den Toten gezeigt, dass bei ihm der Tod über das Leben nicht
das letzte Wort und nicht die letzte Macht hat. Der Predigttext ist
insgesamt so voller Hoffnung und Freude – auch für uns – dass
er zu Ostern passt. Ich lese den Text noch einmal in einer modernen
Übersetzung:
Gott, der HERR Zebaoth wird auf diesem Berg
für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen und mit
erlesenen Weinen, Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit
der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Nationen
zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR
wird die Tränen von allen Gesichtern abwischen.
Ja, liebe Gemeinde: In diesem Text stehen gleich mehrere gute und uns
helfende Nachrichten für uns. Zwar sind die schon 2.700 Jahre alt,
aber heute noch genauso gültig wie damals: Der Tod – auch unserer
eigener Tod – hat nicht das letzte Wort bei Gott. Wir wissen zwar
alle nicht, wie es nach unserem Tod mit uns weitergehen wird, aber an
eines dürfen wir glauben: Wir bleiben fest in Gottes Hand.
Hinterbliebene können ihre Verstorbenen im Gedächtnis behalten, aber die
Hand eines Verstorbenen können sie nicht mehr halten, weil deren Leben
hier auf dieser unserer Erde vorbei ist.
Aber wie wir es gerade gehört haben: Gott kann das. Uns an unserer Hand
halten. Überall, bei jedem und zu jeder Zeit – auch über den Tod
hinaus. Hier will ich uns an eines erinnern: Der Gott, zu dem wir im
Gebet „Vater unser im Himmel“ sagen dürfen: Das ist der große, ewige
Gott, der das riesige und schon Milliarden Jahre alte Weltall geschaffen
hat und der es seitdem erhält. Mit allem, was darin ist, und mit allem
was sich laufend ändert. Und auch wir gehören dazu. Wir sind ein Teil
von Gottes Schöpfung. Diesem Gott können wir schon einiges zutrauen.
Viele von uns werden jetzt sagen: Was nützt mir das alles. Wenn ich
einen mir lieben Menschen verliere, dann bin ich weiter nichts als
traurig. Das stimmt und das ist auch nicht schön zu reden. Aber ist es
nicht so, dass auch bei uns nach einiger Zeit aus der Trauer wieder
Trost wachsen kann? Im Predigttext wird uns dazu eine jahrtausendalte
und Hoffnung machende Erfahrung gesagt, die auch heute und für uns gilt:
Gott der HERR wird die Tränen von allen Gesichtern abwischen.
Das heißt, Gott will uns Mut machen für unseren weiteren
Lebensweg – auch wenn wir Schlimmes erlebt haben. Und er will uns
auch Mut machen, dass wir anderen helfen, damit ihre Tränen abgewischt
werden können.
Denn diese Hoffnung gibt nicht nur für uns, sondern diese Hoffnung gilt
für alle Menschen auf der Welt. Wir nehmen zwar zur Kenntnis und wissen
auch ganz gut, was um uns herum passiert. Aber eigene Not und eigener
Schmerz sind uns – auch uns Christen – näher als das Leid
anderer. Vor allem, wenn diese Anderen in fernen Ländern leben, wo sie
unter Armut, Hunger und Angst vor einem Krieg oder in einem Krieg leben
müssen. Im Predigttext ist uns dazu ein bemerkenswerter und
bedenkenswerter Satz gesagt: Gott wird die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Nationen bedeckt sind.
Mit diesem Wegnehmen der Hüllen von den Nationen und Völkern will uns
Gott unsere Augen öffnen für das Leid anderer Völker, denen es nicht so
gut geht wie uns. Gott will, dass wir nicht wegsehen. Und er braucht
unsere Hilfe, damit die Tränen von allen Gesichtern abgewaschen werden können, wie wir es im Predigttext gehört haben.
Und nun – zum Schluss – will ich uns allen noch eines sagen:
Gott traut uns diese unsere Hilfe zu. Und Ostern, liebe Gemeinde, ist ein guter Anlass, darüber einmal nachzudenken.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Macht hoch die Tür • Jesaja 35, 3–7
Predigt am 09.12.2012 • 2. Advent • St. Johannis Freiberg
Stärkt die müden Hände und macht fest die
wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch
nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt,
kommt und wird euch helfen. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen
springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn
es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.
Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es
dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale
gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
Liebe Gemeinde, Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, damit sind wir wieder mitten im
Advent. Advent feiern wir nicht nur an einem Tag, sondern wir feiern
Advent über mehrere Wochen und das „alle Jahre wieder“. Advent ist, wie
Sie alle wissen, eine schöne, eine intensive Zeit. Zu Beginn der
Adventszeit wurden die Schwibb-Bögen wieder vom Boden geholt. Lichter
werden angezündet. Im Advent bereiten wir uns auf Weihnachten vor. Und
hier gibt es viel zu tun und vieles zu bedenken. Das gilt zumindest für
alle diejenigen, die Freunde und Familie haben. Es gibt aber auch viele,
die allein leben müssen. Und gerade im Advent kann das dann eine sehr
einsame Zeit sein.
Warum ist das so im Advent? Auch wer an keinen Gott glaubt, merkt, dass
das eine Zeit der Erwartung, eine Zeit der freudigen Unruhe ist. Auch
für uns, die wir an Gott glauben, ist Advent eine Zeit der Erwartung und
der freudigen Unruhe. Denn auch wir haben natürlich Weihnachten
vorzubereiten und die Schwibb-Bögen vom Boden zu holen. Aber wir wissen,
dass Advent viel mehr ist: Denn im Advent bereiten wir uns auf die
Ankunft unseres Herrn vor, der Mensch wurde und deshalb auch als Baby
geboren ward. Und zwar an dem Tag, an dem wir Weihnachten feiern.
Eigentlich ist damals etwas Unfassbares passiert. Denn es ist Gott
selbst, der damals geboren wurde. Ich habe dazu ein Gebet gefunden, in
dem es sinngemäß heißt: Großer Gott, umfassend und unfassbar bist Du,
der Du das Weltall geschaffen hast. Aus Deinen Händen kommt die ganze
Schöpfung. Du bist Mensch geworden, um Deine Geschöpfe zu lieben, zu
erlösen und zu befreien. In Jesus Christus, Deinem Sohn, hast Du Dich
uns zuerkennen gegeben, bist sichtbares Leben geworden. Du willst uns
zum Leben führen durch Deinen Heiligen Geist. Großer Gott, wer kann Dich
erfassen, wer kann Dich begreifen?
Wir können es nicht, aber wir können das Geschehen für uns
annehmen – einigermaßen fassungslos, aber dankbar. Und die Zeit, in
der wir die Menschwerdung Gottes erwarten, eben das ist Advent. Advent
ist deshalb nicht nur eine Zeit der Erwartung. Advent ist auch eine Zeit
der Hoffnung. Advent ist eine Zeit der Besinnung, Advent ist eine Zeit
der Buße. Und Advent ist nicht zuletzt eine Zeit, die uns Mut machen
soll. Mut zum Leben und Mut zum Glauben. Und genau an dieser Stelle
setzt der Predigttext für den heutigen 2. Advent ein, den wir
vorhin als 1. Lesung gehört haben. Es ist ein Text aus dem Alten
Testament und steht bei Jesaja im 35. Kapitel. Hier spricht der
Prophet Jesaja von dem einen Gott, dessen Kommen er erwartet. Jesaja
verbindet mit dem Kommen Gottes alle seine Hoffnungen und macht den
Menschen deshalb Mut. Jesaja beschreibt, wie er sich das Kommen Gottes
vorstellt. Er ist davon überzeugt: Wenn Gott einmal da ist, dann wird
alles gut.
Wie heißt es bei Jesaja? Stärkt die müden Hände und macht fest die
wankenden Knie. Sagt den verzagten Herzen: Seid getrost. Fürchtet Euch
nicht. Seht, da ist Euer Gott. Eine wunderbare Verheißung: Gott kommt,
Gott können wir sehen. Und weil Gott kommen wird und weil wir ihn sehen
werden, brauchen wir uns nicht zu fürchten und finden Trost. Das galt
nicht nur vor 2500 Jahren, als Jesaja gelebt hat, dass gilt auch
heute. Wie oft haben wir Angst. Wie oft brauchen wir Trost. Wie oft sind
wir unglücklich. Wie oft fühlen wir uns allein gelassen. Dann sollten
wir aufsehen, wieder Mut fassen und uns daran erinnern, dass Gott in
Jesus Christus bereits bei uns ist.
Interessant ist nun: Wir sollen das nicht nur glauben, sondern wir
sollen uns dafür auch stark machen. Wir sollen also aktiv sein oder
aktiv werden. Fragen wir uns doch einmal: Was macht uns Mut? Was macht
uns stark? Was setzt in uns Kräfte frei? Und vor allen Dingen: Wofür
machen wir uns Mut? Und wofür machen wir uns stark? Natürlich sollen wir
das Alles für uns tun. Aber sollen wir das nur für uns tun? Oder ist
mit dem Starkmachen nur unsere körperliche Fitness gemeint? Zum Beispiel
durch Joggen, Waldlauf und gesundes Essen? Natürlich ist das damit
gemeint. Aber eben nicht nur.
Geistige Fitness und der Versuch, unsere Seele im Gleichgewicht zu
halten, gehören ebenso dazu. Oder anders gesagt. Unser Nachdenken über
das Leben und auch über den Glauben sind genauso wichtig wie unser
Bemühen, gesund zu leben. Und Advent ist dazu eine besonders gute Zeit.
Eine Zeit, in der die Lichter, Engel und Kerzen jedes Jahr etwas von der
Sehnsucht ausdrücken, die wir Christenmenschen das Kommen unseres Herrn
nennen. Und genau deshalb ist der Text des Jesaja für uns wichtig, denn
dort heißt es: Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache;
Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen. Gott kommt also als
Rachegott, der die Feinde vernichtet. So hat man sich das Kommen Gottes
vorgestellt. Seht da ist Euer Gott und der wird Euch rächen.
Na, endlich ist er da, der Mächtige. Der wird es allen zeigen, wie stark
er ist. All denen, die dachten, mit mir könnten sie es machen. Die, die
mich beleidigt und verlacht haben.
Seit Jesus wissen wir es besser: Der Gott, der da kommt, ist gerade kein
Gott der Rache, kein Gott der Vergeltung. Also kein Gott, der uns durch
Rache und Vergeltung rettet. Sondern: Gott ist in Jesus von Nazareth in
die Welt gekommen – und das ganz anders als erwartet. Ein Gott
ohne Gewalt, ein Gott der Liebe. Geboren in einem Stall, bei einfachen
Leuten groß geworden. Ein bis drei Jahre zieht er als Wanderprediger mit
einer kleinen treuen Jüngerschar durch die Lande. Er heilt Kranke,
setzt sich mit Armen, mit von der Gesellschaft Verstoßenen an einen
Tisch. Sein Liebesgebot gegenüber jedermann, seine Verheißung, dass das
Gottesreich nahe herbei gekommen sei. All das weckt eine große Hoffnung
beim Volk im Lande und versetzt die Herrschenden in Unruhe. Als er
schließlich grausam gefoltert wird und am Kreuz stirbt, ist die
Enttäuschung groß. Das soll der mächtige Verheißene sein, der alles zum
Guten wenden kann? Und dann das große Wunder und Erschrecken –
seine Auferstehung. Gott selbst war Mensch geworden. Jesus Christus war
und ist tatsächlich der Mächtige, der Verheißene, der Retter.
Jesaja hatte uns gesagt: Wenn Gott kommt, wird alles gut und dafür viele
Beispiele genannt. Seit Jesu Auferstehung kommt Gott nicht zu uns,
sondern er ist bei uns. Wenn wir uns das immer wieder einmal bewusst
machen und nach Jesu Liebesgebot wenigstens manchmal versuchen zu leben:
Dann wird nicht alles gut, aber vieles würde besser. Advent ist eine
gute Zeit, um damit anzufangen. Unser Predigttext will uns dazu Mut
machen. Mut zum Leben und Mut zum Glauben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Gottes Auserwählter • Jesaja 42, 1–4
Predigt am 12.01.2014 • 1. Sonntag nach Epiphanias • Petrikirche Freiberg
Siehe, das ist mein Knecht. Ich halte ihn.
Er ist mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe
ihm meinen Geist gegeben. Er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er
wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören
auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den
glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht
hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf
Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
Liebe Gemeinde, hinter uns liegt eine große Zeit: Advent, Weihnachten,
der Jahreswechsel und schließlich am vergangenen Wochenende der Sonntag
Epiphanias. Es war eine Zeit, die in vieler Hinsicht besonders schön,
oft aber auch anstrengend war. Und jeder von uns hat das alles etwas
anders erlebt. Einige in ihrer Familie, einige mit ihrer Großfamilie,
einige mit Freunden. Leider gibt es unter uns auch einige, die ihre
Einsamkeit in der Advents- und Weihnachtszeit besonders gespürt haben.
Heute zum 1. Sonntag nach Epiphanias sind wir schon längst wieder
im ganz normalen Alltag angekommen. Und das ist auch ganz gut so. Für
uns Christen allerdings sollte der 1. Sonntag nach Epiphanias nicht
nur ein Sonntag, sondern schon ein Feiertag sein. Denn: Heute feiert
die Christenheit nichts Geringeres als die Taufe Jesu. Wir haben es
soeben im Evangelium für diesen Sonntag gehört. Auch der Gottesdienst
wird heute nach der Festtagsliturgie gefeiert. Ich denke mir: Etwas
Festtagsstimmung in uns hat die Erinnerung an die Taufe Jesu schon
verdient.
Denn mit seiner Taufe beginnt das Wirken Jesu in der Welt und sein
Wirken für die Menschen dieser Welt. Auch für uns. Bei diesem Wirken
spricht die christliche Tradition von Anfang an von Jesus als dem
Gottesknecht. Im 12. Kapitel des Matthäus-Evangeliums lesen wir
dazu: Jesus heilte viele Kranke, aber er verbot ihnen, in der
Öffentlichkeit von ihm und von seinen Fähigkeiten zu reden. Auf diese
Weise sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden
ist. Und was der Prophet Jesaja dazu gesagt hat, das zitiert Matthäus
fast wörtlich. Und das ist auch der Predigttext für den heutigen
Sonntag: Er steht bei Jesaja im 42. Kapitel in den Versen 1
bis 4. Wir haben ihn vorhin als 1. Lesung gehört.
Die wunderbare Verheißung des Propheten Jesaja findet sich auch in den
biblischen Zeugnissen von Jesu Taufe wieder, die uns ja an diesem
Sonntag besonders interessiert. So spricht Gott in den Evangelien nach
Markus, Matthäus und Lukas zu Jesus bei seiner Taufe: Du bist mein
lieber Sohn. An dir habe ich Wohlgefallen. Bei Luther steht denn auch
unser Predigttext unter der Überschrift: Der Knecht Gottes, das Licht
der Welt. Und weil es diese Verbindung zwischen Jesus und dem
Gottesknecht gibt, wird nun auch für uns wichtig, was uns Jesaja zum
Gottesknecht prophezeit hat.
Gottesknecht. Der Predigttext sagt uns klar: Was einem Gottesknecht von
Gott mitgegeben wurde. Gott hat ihn auserwählt. Gott erhält ihn. Gott
vertraut ihm und Gott schenkt ihm seinen Geist. Und ein Gottesknecht
wird nicht schreien oder rufen. Auch wie ein Gottesknecht handelt und
wie er mit anderen umgeht, wird uns gesagt. Er zertritt nichts. Er
löscht nichts aus. Auch er selbst wird nicht verlöschen und nicht
zerbrechen Und schließlich wird uns gesagt, was ein Gottesknecht für
Ziele hat. Er soll, er will und er wird das Recht zu allen
bringen – auch zu den Heiden. Und das mit Gottes Vollmacht auf
allen Kontinenten. Oder wie es im Predigttext heißt: Die Inseln –
gemeint sind damit die Kontinente – warten auf die Weisung des
Gottesknechtes.
Zwei Dinge haben mich besonders angesprochen: Das geknickte Rohr wird er nicht
zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Und: Er
wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören
auf den Gassen.
Ja, liebe Gemeinde: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den
glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Was hier verheißen wird,
steht so ganz im Widerspruch zu dem, was die Menschen damals erlebt
haben. Ganz egal, ob sie selbst als Sklaven leben mussten oder der
Gewalt eines Fürsten ausgesetzt waren. Einer Gewalt, die immer
behauptet, im Namen des Rechts zu handeln. Auch der Predigttext ist ja
entstanden, als große Teile des jüdischen Volkes in die Verbannung
verschleppt waren. Was auf der Welt in den 2000 Jahren passiert
ist, seit Jesus auf der Welt war, darüber will ich gar nicht nachdenken.
Worüber wir aber nachdenken sollten: Wenden wir, wende ich Gewalt an um
das durchzusetzen, was ich für richtig halte? Dass Gewalt schon damit
beginnen kann, dass ich versuche meinen Willen durchzusetzen? Dass ich
unbedingt Recht behalten will: Ganz unabhängig davon, ob ich im Recht
bin oder nicht. Vor ihnen steht hier ein Erfahrungsträger. Denn meiner
Frau und mir, uns wurde bei unserer Trauung folgender Rat mit auf den
gemeinsamen Weg gegeben: Jeder von uns sollte froh sein, wenn er einmal
nicht Recht hat. Ich gebe zu: Das ist leichter gesagt als getan.
Nach unserem Predigttext besteht die Größe des Gottesknechtes gerade
darin, dass er das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden
Docht nicht auslöschen wird. Dass er also barmherzig sein wird. Der Gott
im Alten Testament ist also nicht nur ein strafender Gott und er ist
seit Jesus Christus auch kein nur lieber Gott – so schön und bequem
das für uns wäre. Was aber Gott schon immer war und auch immer sein
wird: Was er also auch heute und das für jeden von uns ist: Gott ist ein
barmherziger Gott. Das hat uns Jesaja verheißen und das hat uns Jesus
gelehrt und vorgelebt. Jesus, von dem wir seit seiner Auferstehung
wissen: Er war nicht nur der von Jesaja verheißene Gottesknecht. Sondern
Gott selbst wurde in ihm Fleisch und wohnte unter uns. Und sein Wirken
war durchdrungen von Liebe und einer daraus folgenden Barmherzigkeit.
Einer Barmherzigkeit, die im Speziellen ein geknicktes Rohr nicht
zerbricht, und einen glimmenden Docht nicht auslöscht. So wie es Jesaja
verheißen hat. Der Beginn des Wirkens von Jesus in diesem Sinne beginnt
mit seiner Taufe im Jordan durch Johannes, den Täufer. Also dem Thema
dieses Sonntags. Vielleicht ist das für uns ein guter Anlass, über
unsere Barmherzigkeit wieder einmal nachzudenken.
In unserem Predigttext ist uns nun auch gesagt, wie er – der Gottesknecht – auftreten wird: Er wird nicht schreien und seine Stimme wird man auch nicht hören auf den Gassen.
Er wird also eher leise sprechen und auf keinen Fall aufdringlich sein.
Ganz anders als die tägliche Werbung, die uns oft genug nicht nur
informieren, sondern etwas aufdrängen will. Und auch anders die vielen
Heilsbringer, die alles versprechen, wo alles gut wird und vor allem
auch bequem klingt. Wer wirklich etwas zu sagen hat oder wer wirklich
wichtig ist, der wird natürlich gehört – auch wenn er leise
spricht.
Die Frage ist nur: Wer ist heutzutage noch wichtig genug, dass ihm
zugehört wird? Sind es nur die Fußball-, Schlager- und Fernsehstars? Ist
uns zum Beispiel Gott wichtig genug, um ihn zuzuhören? Ich wünsche uns,
dass wir zuhören können, wenn uns Gott etwas zu sagen hat. Ich wünsche
uns, dass wir dann überhaupt zuhören wollen. Und ich wünsche uns im
Besonderen, dass wir nicht die Geduld und das Vertrauen verlieren. Die
Geduld zu warten, bis Gottes Stimme für uns hörbar wird. Und das
Vertrauen darauf, dass wir gehört werden. wenn wir Gott anrufen. Beides:
Zuhören und gehört werden, sind ein Zeichen für Nähe. Die Jahreslosung
sagt uns dazu: Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Fürchte dich nicht • Jesaja 43, 1
Predigt am 29.07.2016 • Trauer-Gottesdienst für Dr. Volker Thriemer • Freiberg
Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde, Gott, der Herr spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Dieser Predigttext steht beim Propheten Jesaja im 43. Kapitel.
Es ist der Konfirmationsspruch des Verstorbenen und er wurde von der
Familie ausgewählt. Das ist ein starkes Signal: Sich am Ende seines
eigenen Lebens oder am Ende des Lebens eines ihm lieben Menschen von
Gott, den Herrn über Himmel und Erde, sagen zu lassen: Fürchte dich
nicht, denn ich habe dich erlöst.
Das kann nur ein sehr gläubiger Mensch für sich annehmen. Oder jemand,
der in seiner Grenzsituation fühlt, dass es etwas gibt über das Leiden
und Sterben hinaus. Dieses zarte Pflänzchen Hoffnung ist für unseren
Verstand genauso wenig greifbar wie die Liebe. In diese Liebe sind der
Leidende und Sterbende, aber auch die mit eingebunden, die bei einem
ihnen lieben Menschen mit leiden und nach seinem Tod um ihn trauern.
Denn woran sollten wir uns denn sonst klammern, wenn das Unvermeidliche
eintritt, wenn also der Tod ein Leben hier auf dieser Erde beendet?
Wir modernen Menschen haben einigermaßen erfolgreich verdrängt, dass der
Tod, unser Lebensende, zum Leben dazugehört. Dass in unser aller Leben
nichts so totsicher ist wie unser Tod. Und danach: Ist dann also alles
vorbei? Bleibt uns von Volker Thriemer nur sein lebloser Körper oder die
Asche in der Urne, die wir hier sehen und die dann auf dem Friedhof in
das Grab gesenkt wird? Nein es bleibt uns viel mehr. Da ist zunächst die
Liebe zum Verstorbenen und das Erinnern daran, was uns der Verstorbene
in seinem Leben bedeutet hat und nach seinem Sterben noch bedeutet. Was
auch bleibt, ist das von mir vorhin genannte zarte Pflänzchen Hoffnung
und der Glaube. Es ist die Hoffnung darauf und der Glaube daran, dass
wir nicht nur eine chemisch-biologische Fabrik sind, sondern dass es
darüber hinaus etwas in uns gibt, was uns Menschen tatsächlich ausmacht.
Was jeden Menschen einmalig macht. Was unserem Leben einen Sinn gibt.
Was uns in die Lage versetzt, über den Sinn unseres Lebens nachzudenken.
Was uns zur Liebe befähigt.
Ein Mensch, der das alles erhofft und daran glaubt: Der hofft auch
darauf und glaubt daran, dass es Gott gibt. Es ist der gleiche Gott, der
alles geschaffen hat und der vor 2.000 Jahren in der Person des
Jesus von Nazareth ein menschliches Gesicht bekommen hat. Von diesem
Gott haben wir die Zusage: Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende
der Welt, also weit über unseren Tod hinaus. Das ist auch heute ein
Trost. Denn wir sind und bleiben in Gottes Hand. Jeder von uns. Auch der
verstorbene Volker Thriemer, zu dem gesagt ist: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Die Tochter hat es liebevoll auf den Punkt gebracht, als sie sagte: Gott habe ihn, meinen Papa, selig.
Amen.
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen • Jesaja 43, 1
Predigt am 08.07.2018 • 6. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht beim Propheten Jesaja im
43. Kapitel. Er ist auch der Spruch für diesen Sonntag und soll uns
in der ganzen kommenden Woche begleiten: So spricht Gott, der Herr, der dich
geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe
dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.
In diesem kurzen Text geht es um nicht mehr oder weniger als um unser
Leben. Und darum, was dieses unser Leben mit Gott zu tun hat. Ich werde
darauf noch zurückkommen.
Liebe Gemeinde, wir leben unser Leben. Egal, ob es uns gut geht oder
nicht so gut geht. Auch dann, wenn es uns nur so vorkommt, dass es uns
nicht gut geht. Egal, ob wir mit unserem Leben zufrieden oder
unzufrieden sind. Egal, ob wir mit uns selbst zufrieden oder unzufrieden
sind. Auch egal, ob wir glücklich oder unglücklich sind. Unglücklich,
weil wir zum Beispiel allein sind oder von anderen allein gelassen
werden. Unglücklich oder zornig, wenn uns andere betrügen, belügen,
beleidigen, verletzen. Oder wenn wir erleben müssen, dass es Anderen
besser geht als uns. Wenn andere tüchtiger sind als wir oder einfach nur
mehr Glück haben. Wenn wir uns also benachteiligt fühlen oder
tatsächlich benachteiligt sind.
Wie gesagt, auch dann leben wir unser Leben. Selbst wenn es uns einmal
richtig schlecht geht oder wir etwas für uns Schlimmes aushalten müssen.
Unser Leben wollen wir deshalb nicht gleich hergeben. Und das ist gut
so. Denn wir haben ja nur dieses eine Leben. Und egal, wie es läuft: Es
ist und bleibt unser Leben. So wie es ist. Wir haben kein anderes. Und:
Es ist ein Leben, dass uns geschenkt wurde. Und das uns jeden Tag –
Gott sei es gedankt – neu geschenkt wird.
Was muss nicht alles passieren, damit wir leben können. Was muss nicht
alles passieren, damit wir – jeder von uns – so werden kann,
wie er nun einmal ist. Mit allem, was wir an uns gut oder weniger gut
finden. Aber auch mit allem, was andere an uns gut oder nicht so gut
finden. Was haben wir davon geerbt? Was davon ist das Ergebnis von
Erziehung, Bildung und Erfahrung? Welchen Einfluss haben die vielen
anderen äußeren Einflüsse und äußeren Umstände? Schon bevor wir geboren
werden, müssen sich zwei Menschen kennengelernt und liebgewonnen haben.
Und sie müssen sich ein Kind gewünscht haben, das dann auch geboren
wurde. Es ist schon ein komisches Gefühl, dass es mich gar nicht gäbe,
wenn diese zwei Menschen nicht mein jetziger Vater und meine jetzige
Mutter wären.
Sie merken schon: Es ist nicht selbstverständlich, dass wir geboren
werden, dass es uns überhaupt gibt. Und es ist erst recht nicht
selbstverständlich, dass wir so geboren werden und so geworden sind, wie
wir nun einmal sind. Hier heißt es innehalten: Denn jeder von uns ist
anders. Anders als alle anderen, die wir kennen oder mit denen wir zu
tun haben. Interessant ist nun, dass das für alle Menschen gilt. Oder
anders gesagt: Es gibt auf der ganzen Welt keine zwei Menschen, die
vollkommen gleich sind.
Das heißt doch aber: Jeder Mensch ist einzigartig. Und das gilt auch für
uns. Für jeden von uns. Ja, liebe Gemeinde, jeder von uns ist
einzigartig. Anders als alle anderen. Aber alle Menschen, so
unterschiedlich sie sind – auch jeder von uns, wird von Gott
geliebt und kann Gott nahe sein. Im Predigttaxt heißt es dazu: Gott, der Herr, hat dich geschaffen.
Daran sollten wir uns manchmal erinnern – auch im Alltag.
Vielleicht fällt es uns dann leichter, uns so anzunehmen, wie wir nun
einmal sind. Mit allem, was wir gut an uns finden, aber auch mit dem,
was wir an uns nicht so gut finden.
Zu alledem, was unser Leben ausmacht und was ich versucht habe, uns an
Beispielen darzustellen, sagt uns Gott weiterhin im Predigttext: Ich
habe dich bei deinem Namen gerufen. Welch eine wunderbare Verheißung:
Gott hat mich bei meinem Namen gerufen. Gott ist also nicht nur der
Schöpfer von Himmel und Erde oder der Schöpfer der ganzen Menschheit.
Sondern Gott ist auch der Schöpfer von mir. Von mir als Einzelperson.
Wer mich bei meinem Namen ruft, der kennt mich und zwischen dem und mir
besteht irgendwie eine Verbindung. Eigentlich ist es nicht vorstellbar,
dass es der große, ewige Gott ist, der mich angerufen hat. Und den wir
um etwas bitten dürfen.
Aber ist es nicht gerade Jesus, der uns Mut macht daran zu glauben?
Jesus, der für jeden Menschen da war und für jeden Menschen da ist?
Unser Jesus, zu dem sich der große, ewige Gottes bekannt hat? Ja, es ist
Jesus, der uns Gott nahe gebracht hat. Der selbst Gottes Sohn war. Und
von dem wir wissen, dass wir den großen, ewigen Gott als unseren Vater
im Himmel anrufen dürfen. So wie er es uns auch im Vaterunser zu beten
gelehrt hat.
Und wenn uns Gott nun im Predigttext nicht nur sagt: Ich
habe dich bei deinem Namen gerufen. Sondern insgesamt: Fürchte dich
nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen
gerufen. Du bist mein. Dann ist das genau das, was wir für unser
Leben brauchen. Und zwar ganz egal, ob es uns gut geht oder nicht. Ob
wir mit unserem Leben zufrieden oder unzufrieden sind. Ob wir glücklich
oder unglücklich sind. Es ist eine Verheißung, die uns Trost spendet und
die uns Mut macht. Es ist eine Verheißung, mit der und womit wir unser
Leben meistern können – an guten, aber auch an schlimmen Tagen. Denn Gott sagt uns: Fürchte dich nicht, habe keine Angst. Und er sagt uns auch, warum wir keine Angst zu haben brauchen: Ich – also Gott – habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Und nun vor allem: Du bist mein.
Denn das alles heißt, dass wir unter Gottes Schutz stehen. So wie es
uns auch im 91. Psalm zugesprochen wird: Er hat seinen Engeln
befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.
Es ist kein Zufall, dass der Predigttext gerade an diesem Sonntag
vorgesehen ist. Denn heute ist der sogenannte Taufsonntag. Das heißt,
ein Sonntag, der uns an die Taufe erinnern soll. Deshalb ist auch die
Taufaufforderung von Jesus an seine Jünger das Evangelium für diesen
Sonntag: Gehet hin und taufet alle Völker auf den Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes. Was eine Taufe ist und warum wir
getauft worden sind, das wissen wir alle. Ich will deshalb dazu nur
sagen: Mit der und durch die Taufe werden wir in eine Gemeinschaft mit
Gott und in seine Gemeinde aufgenommen. Und das mit einem Segen, der ein
Leben lang hält. Bewahren wir uns diesen Schatz. Denn es ist keine
Selbstverständlichkeit, dass Gott so zu uns hält, wie wir es heute im
Predigttext gehört haben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Gottesknecht • Jesaja 50, 4–9
Predigt am 01.04.2012 • Palmarum • Petrikirche Freiberg
Palmarum, liebe Gemeinde, ist ein ganz besonderer Sonntag. Einerseits
ist Palmarum ein freudiger Tag. Denn Jesus ist damals in die Hauptstadt
Jerusalem eingezogen und wurde von vielen Menschen bejubelt. Alle vier
Evangelisten berichten uns, dass ihm Palmenzweige auf den Weg gestreut
wurden. Dazu muss gesagt werden, dass Palmen damals als heilige Bäume
galten. Und Palmenzweige wurden dann auf den Weg gestreut, wenn ein
siegreicher König in die Hauptstadt einzog. Jesus selbst ritt bei seinen
Einzug in Jerusalem auf einem Esel. Das war kein Zufall. Dieser Ritt
auf dem Esel war zwar auch das Sinnbild für einen König. Genauer war das
aber das Sinnbild für einen demütigen und gewaltlosen Friedenskönig.
Und zu alledem rief die Menge – wir haben es gerade im Evangelium
gehört: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.
Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Ich sagte vorhin, dass
Palmarum einerseits ein freudiger Tag sei. Einerseits. Denn andererseits
beginnt damit die Woche, in der Jesus noch einmal auf dem Weg durch
Jerusalem ist. Doch dieses Mal werden Jesus keine Palmenzweige auf den
Weg gestreut, sondern er muss ein Kreuz – genauer: Sein
Kreuz – tragen. Jesus wird verhöhnt, gedemütigt, gefoltert und an
das Kreuz geschlagen. Und am Kreuz ist Jesus dann unter großen Schmerzen
gestorben. Und er war dabei sehr einsam. Seine Jünger hatten ihn
verlassen oder verleugnet. Und es war auch keine Menge mehr da, die da
jubelnd „Hosianna!“ gerufen hätte. Palmarum oder Palmsonntag: Dieser
Sonntag hat zwei Gesichter. Im Lateinischen besteht der Name des
heutigen Sonntags denn auch aus zwei Worten und heißt wörtlich
übersetzt: Palmen- und Passions-Sonntag.
Es passiert viel in der Woche, die mit dem heutigen Sonntag beginnt. Und
im Zentrum von allem steht Jesus. Mit Jesus passiert viel in dieser
Woche – um es einmal etwas hilflos vor dem Geschehenen zu
formulieren. Aber entscheidend ist etwas ganz anderes. Entscheidend ist
doch, dass Jesus nicht etwas mit sich geschehen lässt. Jesus ist
Derjenige, der handelt. Sein Reden, sein Tun und sein Erleiden bestimmen
alles. Und Jesus geht dabei seinen Weg unbeirrt in seiner Bereitschaft,
Gottes Willen zu erfüllen. Natürlich bittet er Gott inbrünstig, dass
der Kelch an ihm vorübergehen möge. Aber letztendlich bleibt doch das,
was Jesus uns zu beten gelehrt hat: Vater im Himmel, Dein Wille
geschehe – im Himmel und auf Erden. Und hier sind wir nun schon
mittendrin im Predigttext für den heutigen Sonntag, den wir vorhin als
Alttestamentliche Lesung gehört haben. Es ist eine Weissagung des
Propheten Jesaja, die 500 Jahre vor dem Leiden und Sterben unseres
Herrn Jesus Christus aufgeschrieben wurde. Ich lese ihn nochmals
auszugsweise in der Übersetzung der Guten Nachricht: Der Herr hat meine Zunge in seinen Dienst
genommen. Er zeigt mir immer wieder was ich sagen soll, um die Müden zu
ermutigen. Er hat mir das Ohr geöffnet und mich bereitgemacht, auf ihn
zu hören. Jeden Morgen lässt er mich aufwachen mit dem Verlangen, ihn zu
hören. Begierig horche ich auf das, was er mir zu sagen hat. Ich bin
vor keinem Auftrag zurückgescheut. Ich habe meinen Rücken hingehalten,
wenn sie mich schlugen. Ich habe mich von ihnen beschimpfen lassen und
mein Gesicht nicht bedeckt, wenn sie mich anspuckten. Aber der Herr, der
mächtige Gott, steht auf meiner Seite. Deshalb mache ich mein Gesicht
hart wie einen Kieselstein und halte das alles aus. Ich weiß, dass ich
nicht unterliegen werde, denn der Herr, der mächtige Gott, tritt für
mich ein.
Was wir soeben gehört haben, ist ein sogenanntes Gottesknechtslied. Es
gibt vier solcher Gottesknechtslieder im Alten Testament, die alle im
Buch Jesaja stehen. Das 1. Lied handelt von der Einsetzung dieses
Gottesknechtes. Dort spricht Gott: Seht das ist mein Erwählter. Das ist
mein Knecht, an dem ich Wohlgefallen habe. Er soll den Völkern die
Wahrheit verkünden. Unser Predigttext wird nun das sogenannte 3.
Gottesknechtslied genannt. Und hier kommt – wie wir soeben gehört
haben – dieser Gottesknecht selbst zu Wort. Er beschreibt uns sein
Scheitern beim Verkünden der Wahrheit, die ihm Gott aufgetragen hat. Er
wird von den Menschen nicht nur nicht angenommen, sondern er wird
geschmäht und misshandelt. Aber dadurch wird sein Vertrauen zu Gott
nicht erschüttert. Er hält daran fest, dass Gott ihm hilft und
letztendlich auch rettet. Dieser Gottesknecht klagt also nicht und er
beklagt sich auch nicht. Sondern er steht seine schlimme Situation
tapfer durch und nimmt sie in einem Akt unbedingten Vertrauens zu Gott
für sich an.
Dass dieser Bericht aus dem Alten Testament gerade heute der verordnete
Predigttext ist, hat seinen guten Grund: Auch Jesus verhält sich im
Leiden wie ein Gottesknecht. Hier gibt es viele Parallelen zwischen
Beiden. Und diese Parallelen und Gemeinsamkeiten sind zu Recht oft und
gern beschrieben worden. Aber – und das ist ein entscheidender
Unterschied: Als Jesus getauft wird, sagt Gott nicht wie in den
Gottesknechtsliedern: Das ist mein Knecht, an dem ich Wohlgefallen habe.
Sondern Gott sagt zu Jesus Taufe: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe.
Das Leiden des Gottesknechtes vor 2500 Jahren und das Leiden
unseres Herrn Jesus Christus vor 2000 Jahren sprechen uns an. Wir
fühlen mit den Leidenden und sind auch traurig. Das ist gut so, denn wir
sollen uns angesprochen fühlen und erkennen, dass die Geschichte mit
uns zu tun hat. Und im Predigttext wird uns auch gesagt, wie wir uns
verhalten sollen. Oder ehrlicher formuliert: Wie wir uns verhalten
sollten. Uns wird gesagt, dass wir auf Gott – auf Gottes
Wort – hören sollen. Uns wird gesagt, dass wir von Gott reden
sollen. Und wir sollen am besten von Gott so reden, dass das für unsere
Mitmenschen eine Hilfe ist. Uns wird gesagt, dass wir unser Leben, so
wie es ist, für uns selbst annehmen sollen. Und zwar annehmen in dem
Vertrauen, dass wir auch in schlimmen Situationen von Gott nicht allein
gelassen sind.
Sind wir bereit, auf Gottes Wort zu hören? Sind wir bereit, gegenüber
unseren Freunden, in unserer Familie, gegenüber unseren Arbeitskollegen
oder Nachbarn von und über Gott zu reden? Sind wir bereit, unsere
konkrete Lebenssituation für uns anzunehmen? Und sind wir bereit, Gott
auch dann zu vertrauen, wenn unser Leben nicht so verläuft, wie wir uns
das für uns selbst wünschen? Das sind Fragen, die sich uns aus der schon
sehr alten Geschichte vom Gottesknecht stellen. Das Nachdenken über
diese Fragen ist nicht deshalb wichtig, weil sie sich aus dem heutigen
Predigttext ergeben. Sondern das Nachdenken über das alles ist wichtig,
weil es darin um uns geht. Es geht um nichts Geringeres als um ein
Nachdenken über unser Leben und um ein Nachdenken über unser Verhältnis
zu Gott. Die Antworten darauf kann sich jeder nur selbst geben.
In unserem Predigttext sagt der Gottesknecht: Gott,
der Herr, hat mir das Ohr geöffnet und mich bereitgemacht, auf ihn zu
hören. Jeden Morgen lässt er mich aufwachen mit dem Verlangen, ihn zu
hören. Begierig horche ich auf das, was er mir zu sagen hat.
Ja, liebe Gemeinde, mit dem Hören, mit dem Hören auf Gott: Damit fängt
alles an. Und das ist deshalb genau das, was wir wieder mehr lernen
müssen. Nicht, um irgendjemand einen Gefallen zu tun. Sondern, weil es
für uns selbst gut ist.
Ich wünsche uns nicht nur, aber ganz besonders für die kommende Karwoche, ein solch offenes Ohr für Gottes Wort.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Brich dem Hungrigen dein Brot • Jesaja 58, 7+8
Predigt am 17.09.2017 • Erntedank • Stadtkirche Siebenlehn
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Erntedankgottesdienst
steht beim Propheten Jesaja im 58. Kapitel. Wir haben ihn vorhin
als 1. Lesung gehört. Dort sagt Gott, der Herr: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im
Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so
kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird
dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird
schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen,
und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
Was dieser Predigttext mit Erntedank zu tun hat, darüber wird noch zu
sprechen sein. Bleiben wir zunächst einmal beim Erntedank, also bei dem
Thema für diesen Sonntag und für diesen Gottesdienst. Woran denken wir,
wenn wir das Wort Erntedank hören? Wahrscheinlich denken wir zuerst an
das, wofür wir danken sollen: Nämlich an die Ernte im ganz wörtlichen
Sinne. Dabei ist das Abernten der Felder für uns etwas, das uns fremd
geworden ist. Dass mit uns – auch in einer kleinen Stadt wie
Siebenlehn – nur noch wenig zu tun hat. Wie zum Beispiel die
Mähdrescher, die auf großen Feldern einsam ihre Runden drehen. Oder die
Maschinen, die aus Stroh große Strohballen binden. Betroffen sind wir
eigentlich nur dann, wenn vor uns auf der B101 ein landwirtschaftliches
Gefährt mit Tempo 30 vor uns hertuckert. Und wir langsam ärgerlich
werden, weil wir den Traktor mit seinen zwei großen Hängern ewig nicht
überholen können.
Ganz anders sieht es nun bei denen unter uns aus, die mit dem Ernten
selbst zu tun haben. Also den Beschäftigten in der Landwirtschaft. Oder
den Glücklichen unter uns, die einen Garten haben. Wenn es in ihrem
Garten etwas zu ernten gibt: von den Bäumen, von den Sträuchern, von den
Beeten. Dann kommt Freude auf, auch wenn es Arbeit macht. Nun ist das
Ernten in Feld und Garten kein Selbstzweck. sondern es geht um die
Früchte: Im Großen wie im Kleinen. Wie das im Kleinen ist, das sagt uns
eine englische Gartenweisheit: Aus den Träumen des Sommers wird im
Herbst Marmelade gemacht. Und im Großen geht es um die Grundlage unserer
gesamten Ernährung.
Was die Ernährung betrifft: Bei uns gibt es alles im Überfluss. Und zwar
so sehr, dass wir alles haben können – auch wenn sich manche von
uns davon vieles nicht leisten können. Ich stehe jedenfalls manchmal
etwas hilflos vor den 20 Sorten Käse oder den 8 Sorten Brot im
Supermarkt. Und wehe, es gibt einmal nicht genau die Sorte, die ich
kaufen wollte. Das alles ist so selbstverständlich geworden, dass kaum
noch darüber nachgedacht wird und sich im Alltag bei uns nur manchmal so
etwas wie Dankbarkeit einstellt. Da ist es gut, dass wir einmal im Jahr
Erntedank-Gottesdienst feiern. Eigentlich ist das ein
Ernte-Dankgottesdienst. Ein Gottesdienst, in dem wir Dank sagen für die
Ernte. Und ein Gottesdienst, in dem wir Dank sagen dafür, dass wir alle
genug zum Essen haben.
Aber ist das alles? Kann das alles sein? Das Danken für die Ernte? Das
Danken dafür, dass wir alle genug zum Essen haben? Haben wir nicht auch
zu danken dafür, dass bei uns zum Beispiel sauberes Trinkwasser –
auch in Siebenlehn – eine Selbstverständlichkeit ist? Und, liebe
Gemeinde: Wie leben wir eigentlich damit, dass wir bei uns mehr und
besseres Essen und Trinkwasser haben als viele Menschen auf dieser
unserer Welt. Aber auch wenn bei uns natürlich niemand hungern muss: Es
gibt auch bei uns große Unterschiede zwischen arm und reich.
Und hier sind wir schon mitten im Predigttext. Der Prophet Jesaja sagt uns dort: Brich
dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins
Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht
deinem Fleisch und Blut! Wir sollen also Hungernde an unseren
Tisch einladen und ihnen zu essen geben. Wir sollen Obdachlose in
unserem Haus aufnehmen. Und wir sollen denen, die in Lumpen herumlaufen,
etwas Ordentliches zum Anziehen geben. Sie werden nun zu Recht sagen:
Bei uns in Siebenlehn gibt es niemanden, der in Lumpen herumläuft oder
der auf der Straße wohnen muss. Und es gibt erst Recht keinen, der
hungert. Können wir uns deshalb innerlich einigermaßen zufrieden
zurücklehnen bei diesem Predigttext, weil uns das Thema gar nicht
betrifft?
Hier will ich Folgendes anmerken: Als der Predigttext vor etwa
2500 Jahren aufgeschrieben wurde, da gab es viele Menschen, die in
unmittelbarer Nachbarschaft tatsächlich Hunger und kein Dach über den
Kopf hatten. Und die so arm waren, dass sie in Lumpen herum laufen
mussten. Menschen, die ganz einfach Hilfe gebraucht haben. Und dazu ruft
der Predigttext auf. Und wenn ich das auf unsere Wohlstandsgesellschaft
beziehe: Gibt es niemand in meiner Nachbarschaft, der Hilfe braucht?
Der vielleicht gerade meine Hilfe braucht? Nicht Hilfe, weil er hungert,
sondern Hilfe bei seinen Problemen. Zum Beispiel weil er einsam ist.
Weil er mit Irgendetwas in seinem Leben nicht zurechtkommt. Weil er
Sehnsucht nach mir hat oder sich mit mir wieder vertragen möchte. Wie
heißt es im Predigttext: Brich dem Hungrigen dein Brot. Soll heißen: Gib
ihm etwas von Dir ab, was er braucht. Etwas von deiner Zeit, von deiner
Zuwendung, von deiner Barmherzigkeit.
Liebe Gemeinde, wenn wir nun nicht nur uns oder Siebenlehn oder
Deutschland, Europa und die anderen weiterentwickelten Länder
betrachten, dann hat unser Predigttext eine Aktualität, die weh tut:
Weltweit leiden zur Zeit fast 850 Millionen Menschen an Hunger. Das
heißt, sie haben so wenig für sich und ihre Kinder zu essen, dass sie
abends hungrig ins Bett gehen – wenn sie denn infolge ihrer Armut
ein Bett haben. Es gibt Menschen auf der Welt, die nicht nur abends
hungrig ins Bett gehen, sondern an ihrem Hunger sterben. Im letzten Jahr
sind 9 Millionen Menschen verhungert. Und was fast noch schlimmer
ist: 3 Millionen davon waren Kinder unter 5 Jahren. Und das in
einem Jahr. Zum Vergleich: Ganz Sachsen hat 4 Millionen Einwohner.
Der Predigttextsagt sagt uns dazu: Brich dem Hungrigen dein Brot.
Das heißt: Gib den Hungrigen von deinem Brot etwas ab. Geben wir also
etwas von dem ab, wofür wir uns gerade am Erntedanksonntag bedanken:
nämlich von unserem täglichen Brot. Denn Gott will, dass nicht nur wir,
sondern alle Menschen satt werden auf dieser Welt. Jesus hat uns im
Vaterunser nicht ohne Grund zu beten gelehrt: Unser täglich Brot gib uns
heute. Und nicht: Mein tägliches Brot gib mir heute. So wichtig das
auch ist.
Der heutige Erntedanksonntag ist ein guter Anlass, einmal in aller Ruhe
über das „Unser täglich Brot gib uns heute“ und das fehlende Brot bei
den Hungrigen dieser Welt nachzudenken. Die größte Hilfsorganisation der
evangelischen Kirche heißt nicht ohne Grund: „Brot für die Welt“. Jede
Spende hilft den Hungrigen in der Welt. Aber so eine Spende tut auch uns
gut. Der Predigttext sagt dazu den Menschen seit 2500 Jahren, dass
sie dafür von Gott reich belohnt werden sollen. In einer modernen
Übersetzung des Predigttextes wird uns deshalb von Gott durch den
Propheten Jesaja gesagt: Wenn ihr euer Brot mit den Hungrigen teilt, dann wird mein Licht eure Dunkelheit vertreiben wie die Morgensonne.
Und das heißt, liebe Gemeinde: Gott ist nicht nur bei uns, wenn wir
seine Nähe suchen, wenn wir ihn brauchen. Gott ist auch bei uns, wenn
wir etwas Gutes tun.
Und der Friede dieses unseres Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Advent ist nicht nur ein Erinnerungsjubiläum • Jesaja 63, 15-17
Predigt am 05.12.2021 • 2. Advent • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für diesen Sonntag steht im Alten Testament, genauer im Buch Jesaja. Zum besseren Verständnis kurz etwas zum geschichtlichen Hintergrund: Das Geschehen ist schon sehr alt, nämlich 500 bis 600 Jahre vor Christi Geburt. Es ist die Zeit des babylonischen Exils, in der die Elite des jüdischen Volkes verbannt war, oder kurz danach.
Im Predigttext spricht der Prophet zu Gott: So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit, die mir versagt bleibt. Du, HERR, bist doch unser Vater. Du bist unser Erlöser, das ist von alters her dein Name. Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten. Kehr zurück um deiner Knechte willen.
Ein schwerer und sehr ernster Text. Die Juden als Gottes Volk warten auf ein Zeichen von Gott. Sie rufen nach ihm und hoffen auf sein Kommen. Gott, den sie seit alters her nicht nur als ihren Herrn, sondern auch als ihren Erlöser ansehen. In ihrer Geschichte haben die Juden als Gottes Volk viele gute Erfahrungen mit Gott gemacht. Das jüdische Volk hat sich auf Gott verlassen und konnte sich auch immer auf Gott verlassen.
Und nun mussten sie erleben, dass ihr Volk besiegt, ihr Tempel in Jerusalem zerstört und ein Teil des Volkes verbannt wurde. Sie klagen darüber, weil sie den Eindruck haben, dass sich Gott verhüllt – also weniger sichtbar ist als sonst. Und ihre Klage an Gott richten sie auch an sich selbst. Denn nicht nur Gott hat sich ihrer Wahrnehmung nach verhüllt: Auch sie haben sich durch ihr Handeln von Gott abgewendet. Obwohl sie doch an ihn glauben, haben sie Gott nicht mehr ernst genommen. Und nun soll er kommen, damit alles zum Guten gewendet wird.
Ja, liebe Gemeinde, das ist eine Erwartungshaltung, ein Advent, von dem auch wir etwas lernen können. Haben wir nicht auch manchmal den Eindruck, dass Gott für uns weniger sichtbar ist? Oder dass wir uns von Gott abwenden und im Alltag nicht mehr ernst nehmen? Und er auch deshalb weniger für uns sichtbar wird.? Advent ist nicht nur die Erinnerung daran, dass Jesus zu Weihnachten zu uns auf diese unsere Welt kommen wird. Der Advent will uns auch bewusst machen und in besonderer Weise daran erinnern, dass in Jesus Gott für uns sichtbar geworden ist. Und das nicht nur als süßes Baby, auf das wir uns zu Recht freuen. Advent ist eine gute Zeit, um Jesus wieder näher zu kommen und um im Herzen zu bewegen, was uns Jesus alles gelehrt und vorgelebt hat – bis in seinen Tod hinein.
Und wenn wir über Jesus nachdenken, stellt sich auch die Frage: Was würde Jesus
heute tun und was würde er uns heute sagen. Uns, die wir uns immer noch mit dem Corona-Virus plagen. Uns, die wir mit der Angst vor Ansteckung und mit Einschränkungen im Alltag leben müssen. Uns, denen die Spaltung der Gesellschaft wehtut. Würde uns Jesus nur sagen, haltet Abstand, tragt die Maske und seid vorsichtig. Oder würde er uns außerdem sagen, haltet fest am Gebet und nutzt alle Möglichkeiten, um Euch selbst und auch die anderen zu schützen. Vielleicht würde er uns aber auch sagen: Seid dankbar für die Möglichkeiten, die die Medizin in Eurer Zeit für Euch bereithält. Angefangen von moderner Operationstechnik und Hygiene bis hin zur Herz-Lungen-Maschine oder von der Schmerztablette bis hin zu Impfstoffen – ohne die es keine Rettung gäbe.
Noch einmal zurück zum Predigttext. Dort fragt der Prophet In seiner Not: Gott, wo ist Deine große, herzliche Barmherzigkeit? Der Prophet konnte damals nicht wissen, dass Jesus, Gottes Sohn, auf unsere Erde kommen würde. Und für Jesus, Gottes Sohn, ist Barmherzigkeit wie die Nächstenliebe ein großes Thema. Er ist selbst barmherzig gewesen - besonders gegenüber den Schwachen, Kranken, Einsamen und Suchenden. Uns hat er auf den Weg mitgegeben: Seid barmherzig, wie auch Euer Vater im Himmel barmherzig ist. Weil also Gott barmherzig ist, sollen auch wir barmherzig sein – gegenüber uns selbst und gegenüber anderen.
Liebe Gemeinde: Worin heute unsere Barmherzigkeit bestehen kann, darüber lohnt es sich, wieder einmal, nachzudenken. Dieses Nachdenken hilft uns allen – Corona-Leugner und Impfgegner eingeschlossen,
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Verleih uns Frieden gnädiglich • Jeremia 8, 4–6
Predigt am 17.11.2013 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • Petrikirche Freiberg
Gott, der Herr, spricht durch den Propheten
Jeremia: Wer hinfällt, steht der nicht wieder auf? Wer vom Weg abkommt,
kehrt der nicht wieder zurück? Warum wendet dieses Volk sich ab und
beharrt auf der Abkehr? Warum hält es am Irrtum fest, weigert sich
umzukehren? Ich horche hin und höre: Schlechtes reden sie, keiner bereut
sein böses Tun und sagt: Was habe ich getan? Jeder wendet sich ab und
läuft weg, schnell wie ein Ross, das im Kampf dahinstürmt.
Liebe Gemeinde, eines der Lieder im Gesangbuch beginnt mit dem schönen
Satz von Martin Luther: Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu
unsern Zeiten. Was heißt das: Verleih uns Frieden gnädiglich. Ist das
mehr ein gefühltes „Verleih mir Frieden gnädiglich? Oder ist das der
Frieden zwischen mir und meinen Nächsten, zwischen mir und meinen
Nachbarn, zwischen mir und meinen Kollegen? Alles das trifft zu. Doch
heute am Volkstrauertag wird diese Bitte nach Frieden in einen noch viel
größeren Zusammenhang gestellt. Denn heute wird – nicht nur in
Deutschland – der Opfer aus den beiden Weltkriegen des vorigen
Jahrhunderts und der Opfer von Gewaltherrschaften gedacht.
Ich denke zum Beispiel im 2. Weltkrieg an die 5,6 Millionen
sowjetischen Kriegsgefangenen in deutschen Lagern, von denen
3,3 Millionen starben. Die meisten haben die Nazis einfach
verhungern lassen. Und wer das überlebt hatte, wurde unter Stalin schwer
bestraft, denn jeder, der sich gefangen nehmen ließ, war ein Verräter.
Ich denke an die 3,2 Millionen deutschen Soldaten in sowjetischen
Lagern, von denen auch nur 1,3 Millionen überlebt haben. Und ich
denke an den Völkermord an 6 Millionen europäischen Juden.
Insgesamt haben im 2. Weltkrieg über 54 Millionen Menschen ihr
Leben verloren, davon waren mehr als die Hälfte Zivilisten.
Wenn ich von einer Million Toten höre oder von 10 Millionen Toten,
weiß ich, dass das schrecklich ist. Aber ist das fassbar? Vor Augen ist
mir ein Friedhof in der Normandie in Nordfrankreich. Dort sind etwa
3.000 Soldaten begraben. Das sind 100 Reihen von Gräbern mit
30 Gräbern in einer Reihe. Wären alle Toten des 2. Weltkrieges
auf Friedhöfen dieser Größe, also auf Friedhöfen mit je
3.000 Gräbern, begraben worden, wäre dazu die unfassbare Zahl von
21.000 Friedhöfen nötig gewesen. Wir wissen nun natürlich alle: Was
zählt, ist jeder einzelne Tote, so wie jeder einzelne Mensch wichtig
ist. Deshalb ist jeder einzelne Grabstein wichtig. Und dort konnten wir
auf dem Soldatenfriedhof in der Normandie zum Beispiel lesen: Rudi Senf,
geboren 1918, gefallen 1944. Oder Erich Matscher, geboren 1923,
gefallen 1944. Zwei junge Männer, die nur 21 bzw. 26 Jahre alt
geworden sind. Sie wurden um ihr Leben betrogen. Und wie gesagt: Zwei
Beispiele von 54 Millionen Und was ist mit denen, die um sie
getrauert haben: Mütter, Frauen, Kinder, Eltern? Was ist mit denen, die
verkrüppelt wurden oder alles Hab und Gut verloren haben?
Ja, liebe Gemeinde, Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsern
Zeiten. Ein Tag wie heute macht uns deutlich: Diese Bitte an Gott ist
kein Wohlfühlzusatz für eine Wohlstandsgesellschaft. Sondern sie ist von
elementarer Bedeutung für alle Menschen, seit es den Menschen gibt bis
auf den heutigen Tag. Wir wissen: Krieg ist das Gegenteil von Frieden.
Jenseits aller politischen Analysen darf und muss unter dem Kreuz Jesu
Christi eines sehr deutlich gesagt werden: Nicht nur, aber auch ein
Krieg und seine Vorbereitung beginnt mit einer Abkehr von Gott.
Abkehr von Gott: Genau davon handelt auch der Predigttext für den
heutigen Sonntag, der beim Propheten Jeremia im 8. Kapitel steht
und den wir vorhin als 1. Lesung gehört haben. Der Text des
Propheten Jeremia schildert in sehr drastischer Weise, wie Gott sein
Volk damals sah. Natürlich ist das lange her und auch in eine konkrete
Situation hinein gesprochen. Und trotzdem ist das ganz aktuell. Denn das
im Predigttext Geschilderte sieht Gott auch bei uns, in der unserer
heutigen Gesellschaft. Viele haben sich im praktischen Leben von Gott
abgewendet und finden das ganz normal. Gründe dafür gibt es viele.
Einige davon will ich nennen: Viele denken, dass sie keinen Gott mehr
brauchen, weil sie angeblich alles selber können. Viele sehen den
Menschen als Herrscher über die Welt und als Herrscher in der Welt. Sei
es über die Natur oder über andere Menschen. Und viele sehen sich selbst
als Zentrum dessen, was sie umgibt.
Alles das muss nicht, aber es kann Ursache für einen Krieg sein. Und
Gott fragt uns ja auch ganz direkt im Predigttext: Warum wendet ihr euch
ab von mir und lauft weg? Warum redet ihr so Schlechtes? Warum bereut
ihr nicht, was ihr getan habt? Warum kehrt ihr nicht um und kommt zu
mir? Ihr kehrt doch auch sonst zurück, wenn ihr vom Weg abgekommen seid.
Liebe Gemeinde, wir Christen glauben an Gott, den Vater, an Jesus
Christus, seinen Sohn, und an Gott, den Heiligen Geist. Was uns fehlt,
das wissen wir ganz genau. Wir wissen, wie uns Gott zu unserem Besten
haben will. Er hat es uns in seinen Geboten gesagt, gegen die wir immer
wieder verstoßen: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du
sollst nicht begehren, was einem anderen gehört, um einige Beispiele zu
nennen. Und wir verstoßen vor allem gegen Jesu Liebes- und
Friedensgebot, obwohl es dazu im Grunde genommen keine vernünftige
Alternative gibt.
Weil wir uns immer wieder von Gott abkehren, können wir eigentlich alle
nur beschämt den Blick senken. Dabei sollen wir uns aber auch nicht
schlechter machen als wir sind. Wir alle haben Tage, wo wir auf Gott
hören Wo wir gut drauf sind. Wo wir anderen vertrauen und ihnen etwas
zutrauen. Wo wir bereit sind, das für uns anzunehmen, was uns gesagt
wird – auch wenn es für uns nicht gerade schmeichelhaft ist. Oder
Tage, an denen wir Liebe schenken. Wir haben Tage, wo wir ängstlich
darauf hören, wie es bei Gott ankommt, was wir gerade tun oder auch
nicht tun. Und dann haben wir natürlich auch Tage, Stunden oder
Augenblicke, wo ich mit einem „Ach, was soll's“ mein Gewissen beiseite
schiebe. Wo ich also etwas tue, was ich nicht darf und es trotzdem tue:
Wider besseres Wissen und wider das Gewissen. Wo ich mich also ganz
bewusst von Gott abwende. Und was ist dann? Dann, wenn sich das Gewissen
wieder regt? Kann ich denn einfach umkehren? Ja, ich kann, ich darf
umkehren. Nach unserem Predigttext soll ich es sogar tun – ich muss
es nur wollen
Ich wünsche uns, dass wir den Glauben an Jesus Christus als Hilfe
begreifen. Als eine Hilfe, damit das Böse in uns nicht die Überhand
gewinnt. Als eine Hilfe, uns immer wieder Gott zuzuwenden – auch
wenn wir schuldig geworden sind. Und eine Hilfe, um Frieden in uns zu
finden und zum Friedenstiften bereit zu werden.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Heil und Unheil • Jeremia 17, 14
Predigt am 23.10.2022 • 19. Sonntag nach Trinitatis • St. Johanniskirche Freiberg
Heile mich, Herr, so bin ich geheilt; hilf du mir, so ist mir geholfen.
Liebe Gemeinde, in der Welt, in unserem Land, aber auch bei vielen von uns sieht es ganz aktuell nicht so gut aus. Nicht so gut, wie wir uns das wünschen. Und auch nicht so gut, wie wir es eigentlich gewohnt sind. Viele – auch unter uns - machen sich deshalb Sorgen oder haben Angst. Eine der Hauptursachen dafür ist der schreckliche Krieg in der Ukraine mit allen seinen Folgen. Ich nenne hier nur drei Problemfelder: Tod, Zerstörung, Flucht und Vertreibung in der Ukraine. Drohung mit einem Atomkrieg bis weit über die Ukraine hinaus. Zunehmender Hunger in den armen Ländern.
Und hier bei uns? Auch wir müssen mit den Folgen dieses Krieges leben. Aber Hunger, Tod und Zerstörung, Flucht und Vertreibung wird es bei uns nicht geben. Berechtigte Sorgen und Ängste gibt es bei uns aber sehr wohl. Ich nenne hier nur die Energie- und Wirtschaftskrise oder die Inflation, die alles teurer macht und noch teurer machen wird. Und ich nenne hier auch die wirklich Armen bei uns, die Angst vor der Zukunft haben. Oder die großen und kleinen Geschäfte und Firmen, die noch nicht wissen, ob sie die Krisen überleben werden. Auch das Coronavirus hat sich ja wieder stark zurückgemeldet. Und natürlich nicht zu vergessen ist die wachsende Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung bei uns.
Ich habe nun ein Wort, einen Begriff gesucht, mit dem sich das alles in der Welt und bei uns beschreiben oder zusammenfassen lässt. Fündig geworden bin ich im Deutschen Wörterbuch mit dem Wort UNHEIL. Mit Unheil wird ein verhängnisvolles, schlimmes Geschehen beschrieben, das einem oder vielen Menschen Leid und Schaden zufügt. Oft wird sogar von einem großen, schrecklichen Unheil gesprochen. Das kann in unserem privaten Bereich zum Beispiel ein Unfall oder eine schlimme Krankheit sein, der Tod eines mir lieben Menschen, das Alleinsein-müssen, das Verlassen-werden oder aber auch das Betrogen-werden, der Verlust des Arbeitsplatzes. Und im Weltgeschehen ist natürlich– wie wir soeben gehört haben - jeder Krieg ein schreckliches Unheil.
Natürlich versucht jeder, der es kann, gegen so ein Unheil anzukämpfen oder wo das nicht geht, diesem Unheil zu entkommen. „Er sucht also sein Heil in der Flucht“ - wie es seit über 300 Jahren sprichwörtlich heißt. Ja, liebe Gemeinde: Sein Heil in der Flucht vor einem Unheil suchen, gegen das ich nichts machen kann. Hier taucht - zunächst am Horizont ganz klein - das Wort HEIL auf. Es klingt wie ein zartes Pflänzchen im Vergleich zum Wort UNHEIL. Aber welch ein Irrtum. Denn das Heil ist nicht nur das Gegenteil von Unheil, so wie Glück das Gegenteil von Unglück ist. Nein, das Heil kann stärker als ein Unheil sein und das ist es oft auch. Heil werden, Heil sein: Das ist eine ganz große Sache – nicht nur im Weltgeschehen, sondern auch für uns, für jeden von uns. Ich habe nicht ohne Grund so viel über das Unheil gesprochen, das wir in der Welt sehen, bei uns selbst erleben und wovor wir Angst haben.
Das Wort Heil ist immer der Ausdruck für etwas Gutes. So heißt heil sein zum Beispiel unbeschadet, unversehrt oder ganz einfach gesund sein. Wer gesund ist, der wurde geheilt oder ist geheilt. Und wer gesund werden will, der wird - wenn er Glück hat - geheilt. Eine Heilung ist immer der Weg vom Unheil zum Heil. Und das nicht nur am Leib, sondern auch an Geist und Seele. Auch das Wohlergehen, das Gewinnen, ein Erfolg, etwas geschafft oder eine Aufgabe erfüllt zu haben gehören zu unserem Heil dazu. Unsere Vorfahren vor fast 1.000 Jahren hatten im übrigen Durchblick: Damals war Heil sogar das Wort für Glück.
Ich sagte uns vorhin: Heil werden, Heil sein: Das ist eine ganz große Sache. Das gilt auch für unseren Glauben, denn viele Aussagen hängen direkt mit dem Begriff Heil zusammen. Ich nenne hier nur: Das Heil, heilig, Heiland oder Heiliger Geist. Schon im Alten Testament sagt der Prophet Jesaja: Gott ist mein Heil.
Oder der Prophet Jeremia im 17. Kapitel:
Heile mich, Herr, so bin ich geheilt; hilf du mir, so ist mir geholfen
Dieser Text ist der Spruch für diese Woche und gleichzeitig unser Predigttext. Jeremia hat das 600 Jahre vor Christus aufgeschrieben. Es ist eine Bitte an Gott, ein Gebet in höchster Not. Jeremia ist verzweifelt, denn es ist einsam um ihn geworden. Seine Botschaft von Gott an das jüdische Volk wird nicht verstanden und er selbst wird verspottet, verfolgt und bedroht, obwohl sich seine prophetischen Worte erfüllen. Jeremia versteht die Menschen nicht mehr. Und er versteht auch nicht mehr Gott. Was nun aber entscheidend ist: Auch wenn Jeremia Gott nicht mehr versteht, er vertraut Gott. Deshalb bittet er ihn im Gebet, das wir gerade gehört haben:
Heile mich, Herr, so bin ich geheilt; hilf du mir, so ist mir geholfen;
Jeremia vertraut darauf, dass das Heil von Gott kommt. 600 Jahre später ist Gottes Heil auf die Welt gekommen. Oder wie es uns Lukas in seiner Weihnachtsgeschichte gesagt hat: Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Ein Heiland ist der, der das Heil bringt. Und Jesus, Gottes Sohn, hat das Heil gebracht. Er hat sich den Menschen zugewendet, sie von Leiden und Krankheit befreit, Ihnen Ihre Sünden vergeben und sie damit letztendlich an Körper, Seele und Geist geheilt.
In seinem Gebet bittet Jeremia nun nicht nur um Heilung, sondern er bittet auch um Hilfe. Denn er betet: Herr, hilf du mir, so ist mir geholfen. Mit dieser Bitte sagt Jeremia: Wenn mir Gott hilft, dann hilft mir das, dann ist das gut für mich. Diese Bitte Jeremias ist auch unsere Bitte an Gott. Gerade wenn wir wie Jeremia in Not sind. Wenn wir Angst haben vor dem, was alles noch auf uns zukommen kann. Ja, sogar wenn wir einmal nicht mehr wissen sollten, wie es auf der Welt und mit uns weitergehen soll. Immer dürfen wir den großen, ewigen Gott anrufen: Bitte hilf uns. Und wenn wir in dieses Stoßgebet unser Herz legen, dann schwingt unsere Hoffnung mit, das uns tatsächlich geholfen wird - durch Jesus Christus, unseren Herrn. Oder wie es Luther im Predigttext übersetzt hat: Herr, hilf du mir, so ist mir geholfen.
Liebe Gemeinde, in dem nur kurzem Predigttext können wir von Jeremia auch etwas lernen, was wir in unserem Alltag oft vergessen, dass die Bitte um Heilung und die Bitte um Hilfe sich zusammen fügen, ja zusammen gehören. Deshalb sollen wir Gott bitten: Heile uns an Körper, Seele und Geist und hilf uns auch danach zu leben. Hilf uns also, dass bei uns Egoismus und fehlende Barmherzigkeit nicht das letzte Wort haben. Hilf uns gegen unser Wegsehen, unsere Gleichgültigkeit gegenüber der Not auf dieser Welt, aber auch ganz in unserer Nähe. Bitte lass uns letztendlich HEIL und Hilfe nicht nur für uns suchen, sondern auch für andere. Und bitte, gib uns die Kraft und den Mut, gegen das UNHEIL etwas zu tun – für uns, aber auch für andere.
Und der Friede Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gott ist nah und fern • Jeremia 23, 16–24
Predigt am 03.06.2018 • 1. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Mensch hat sich nicht geändert. Egal, ob es die
Menschen im Zeitalter des Alten Testamentes waren. Oder zu Jesu Zeiten.
Ob im Mittelalter, vor 100 Jahren oder wir heutzutage. Wir haben
uns nicht geändert. Wie sind immer noch egoistisch, auf den eigenen
Vorteil bedacht. Können hartherzig sein gegenüber denen, die unsere
Hilfe brauchen. Was sich aber schon immer geändert hat und was sich auch
dauernd weiter verändert: Das sind unsere Lebensumstände und die daraus
folgenden Lebensgewohnheiten.
Nehmen wir nur einmal die materiellen Dinge, die den Menschen früher
umgeben haben und die uns heute umgeben. Was hier schon allein im Alltag
in den letzten 100 Jahren anders geworden ist, lässt sich kaum
aufzählen: Waschmittel, Spülmittel, Arzneimittel, elektrische Geräte wie
Geschirrspülmaschine, Waschmaschine und Wäschetrockner, Kühlschrank und
Tiefkühlschrank, Elektroherd und Mikrowelle. Oder die Entwicklung der
Elektronik: Vor 100 Jahren wusste noch niemand, dass es einmal
Fernseher, Computer oder Handys geben würde. Oder das Internet mit
Google, Facebook und Amazon.
Wir alle haben dabei das Gefühl, dass die Veränderungen immer schneller
kommen. Und so angenehm und bequem die vielen nützlichen Dinge sind: Sie
machen uns manchmal Angst, weil wir nicht mehr alles verstehen. Und
weil wir uns oft fragen: Wie soll das alles weiter gehen? Und das
betrifft ja noch viel mehr die Ereignisse in der großen, weiten Welt:
Täglich werden wir zum Beispiel im Fernsehen darüber informiert, was in
der Welt so alles passiert – vor allem auch an schrecklichen
Dingen: Die Überfälle und Terroristenanschläge, die Kriege und Krisen,
die Hungersnöte und Naturkatastrophen. Viele Menschen auch bei uns haben
Angst. Angst vor den vielen Veränderungen, die auf sie zukommen
könnten. Angst vor allem, was fremd ist. Und nicht zuletzt Angst vor der
eigenen Zukunft. Sie wünschen sich mehr Sicherheit. Sie suchen für sich
einen Halt, einen sicheren Hafen.
Wir als Christen haben – Gott sei es gedankt – mit und durch
unseren Glauben so einen sicheren Hafen. Nur sollten wir uns das
manchmal mehr bewusst machen. Denn wer sich bei Gott oder durch Gott
behütet fühlt: Der kann auch mehr Sicherheit finden und etwas gegen
seine Angst. Leider wollen zum Beispiel in Freiberg 80 Prozent der
Einwohner von Gott nichts mehr wissen oder können auch gar nichts mehr
von Gott wissen. Auch deshalb haben selbst ernannte Propheten und
Populisten so viel Zulauf. Also alle Diejenigen, die den Menschen
erzählen und versprechen, was diese hören wollen. Und von Egoismus oder
Hartherzigkeit ist da kaum die Rede. Man sollte nun denken, dass das
nichts mit Gott zu tun hat. Aber weit gefehlt, liebe Gemeinde. Das alles
hat mit Gott sogar sehr viel zu tun.
Und damit bin ich beim Predigttext für diesen Sonntag, der beim
Propheten Jeremia im 23. Kapitel steht. Auch dort – vor
2.600 Jahren im alten Israel – erzählen selbst ernannte
Propheten und angebliche Heilsbringer den Menschen, was diese von ihnen
hören wollten. Auch die Menschen damals hatten natürlich die gleichen
nicht nur guten Eigenschaften wie wir. Und sie lebten in einer Welt, wo
sich viel veränderte. Die Juden mussten damals sogar auf etwas sehr
Schlimmes – nämlich einen Krieg – gefasst sein. Und davor
hatten zu Recht viele Angst. Aber hören sie selbst. Ich lese den Text in
der Einheitsübersetzung:
So spricht Gott, der HERR: Hört nicht auf
die Worte der Propheten, die euch prophezeien! Sie betören euch nur; sie
verkünden Visionen, die aus dem eigenen Herzen stammen, nicht aus dem
Mund des HERRN. Immerzu sagen sie denen, die mich verachten: Der HERR
hat geredet: Das Heil ist euch sicher. Und jedem, der der Verstocktheit
seines Herzens folgt, versprechen sie: Kein Unheil kommt über euch.
Ich habe diese Propheten nicht ausgesandt, dennoch laufen sie; ich habe
nicht zu ihnen gesprochen, dennoch weissagen sie. Hätten sie an meiner
Ratsversammlung teilgenommen, so könnten sie meinem Volk meine Worte
verkünden und es zur Umkehr bewegen von seinem schlechten Weg und von
der Bosheit seiner Taten.
Bin ich nur ein Gott aus der Nähe und nicht auch ein Gott aus der Ferne?
Fülle ich nicht Himmel und Erde aus? So spricht der Herr.
Das Besondere an diesem Text ist, dass nur Gott spricht. Gott wird also
nicht angerufen. Er wird nicht um Hilfe gebeten und wir hören auch kein
Lob und keinen Dank. Was Gott aus dem Munde des Propheten Jeremia den
Menschen damals sagen lässt und was er auch uns heute noch sagen will,
ist eine ganze Menge. Zunächst unterscheidet Gott zwischen falschen und
richtigen Propheten. Über die falschen Propheten sagt Gott im
Predigttext: Sie belügen euch und halten euch zum Narren. Sie verkünden
Visionen, die aus dem eigenen Herzen stammen, aber nicht von mir. So sei
das Heil euch trotzdem sicher: Auch wenn ihr andere belügt oder ihnen
Böses antut. Wenn ihr unbarmherzig oder egoistisch seid. Selbst dann,
wenn ihr Gott den Herrn verachtet.
Gott sagt ganz klar: Ich habe diese Propheten nicht ausgesandt und ich
habe auch nicht zu ihnen gesprochen. Zu wem ich gesprochen habe und wer
meine Worte verkündet, das ist ein richtiger Prophet. Ihr werdet es
daran merken, dass er euch zur Umkehr bewegen will. Zur Umkehr, wenn ihr
einen falschen Weg eingeschlagen habt. Und zur Umkehr, wenn ihr anderen
oder auch euch selbst Böses angetan habt. Jeremia, auf den dieser
Predigttext zurückgeht, ist ein solcher richtiger Prophet. Hier sei
angemerkt, dass die Juden langfristig nicht die falschen, sondern die
richtigen Propheten in hohen Ehren gehalten haben. Das gilt im Übrigen
auch für Jesus. Auch Jesus haben einige Juden für einen richtigen
Propheten gehalten. Und das war das Höchste, was in ihren Augen ein
Mensch sein konnte.
Dass Jesus Gottes Sohn und damit selbst Gott war, das konnten sie nicht
glauben. Hat er ihnen doch auch im heutigen Predigttext schon
600 Jahre vor Jesu Geburt gesagt: Fülle ich – Gott –
nicht Himmel und Erde aus?
Ja, Gott ist nicht nur Herr über Leben und Tod. Gott ist auch der Herr
über Himmel und Erde. Gott füllt tatsächlich Himmel und Erde aus –
wie es im Predigttext heißt. Oder modern gesagt: Gott ist der Herr über
das gesamte und unvorstellbar große Weltall. Gott hat das alles
erschaffen und erhält es. So gesehen kann der so große und ewige
Gott – bildlich gesprochen – uns nur unendlich fern sein. Und
doch ist Gott – wie im Predigttext angesprochen – auch ein
Gott der Nähe.
Diese Hoffnung, über die uns im Alten Testament so viel berichtet wird,
hat sich durch Jesus, durch Jesus Christus, erfüllt. Durch Jesus –
der selbst wahrer Gott und wahrer Mensch war: Durch Jesus ist uns Gott
im ganz wörtlichen Sinne nahe, sehr nahe gekommen. Und dieser Gott ist
auch heute ganz nahe bei uns – wenn wir es denn wollen. Nahe bei
uns bis in unsere Herzen und nahe unserem Gewissen. Ich wünsche uns,
dass wir darauf vertrauen und dass wir das wollen. Von den falschen
Propheten und Populisten unserer Zeit werden wir uns dann weniger
verführen lassen.
Und der Friede dieses unseres Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Der gute Hirte • Hesekiel 34, 1–2+10–16+31
Predigt am 08.05.2011 • Miserikordias Domini • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht bei Hesekiel im 34. Kapitel: Und des Herrn Wort geschah zu mir: Du
Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu
ihnen: So spricht Gott, der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich
selbst weiden. Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? So spricht Gott
der Herr: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren
Händen fordern; ich will ein Ende machen damit, dass sie Hirten sind,
und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe
erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen. Denn
so spricht Gott der Herr: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst
annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von
seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie
erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es
trüb und finster war. Ich will sie aus allen Völkern herausführen und
aus allen Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie
weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und an allen Plätzen des
Landes. Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen
Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen
lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. Ich selbst will
meine Schafe weiden, und will sie lagern lassen, spricht Gott der Herr.
Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und
das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und
stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. Ja, ihr sollt
meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein,
spricht Gott der Herr.
Heute ist ein besonderer Sonntag. Es ist ein Sonntag, wo das Christ-Sein
so richtig Freude machen kann. Und es ist ein Sonntag, wo sich von
Herzen kommende Dankbarkeit leicht einstellt oder wenigstens einstellen
kann. Warum das so ist, dafür lassen sich drei Gründe nennen:
Zum Ersten wird dieser Sonntag bestimmt vom Bild des guten Hirten. Die
Kernaussage haben wir gerade im Johannesevangelium gehört. Ich bin der
gute Hirte, sagt dort Jesus zu uns. Liebe Gemeinde, Jesus ist unser
guter Hirte. Das sollten wir ganz fest, ganz tief in unsere Herzen und
mit unserem Verstand aufnehmen. Mehr braucht es eigentlich nicht: Den
Glauben an Jesus Christus und das Vertrauen darauf, dass Jesus unser
guter Hirte ist. Aber auch die Epistel hat, wie sie hören konnten, den
guten Hirten zum Thema. Dieser Text aus dem Alten Testament beschreibt
unter anderem, wie sich Gott einen guten Hirten vorstellt. Darauf werde
ich später noch zurückkommen, denn diese Epistel ist gleichzeitig der
Predigttext für diesen Sonntag.
Der zweite Grund zur Freude ist der Name des heutigen Sonntags:
Miserikordias Domini. Das ist lateinisch und klingt irgendwie sperrig.
Aber übersetzt heißt Miserikordias Domini: Barmherzigkeit des Herrn. Das
sagt uns, warum Jesus unser guter Hirte ist und was wir unter dem
Begriff „Der gute Hirte“ zu verstehen haben. Nämlich einer, der zu dem
ihm Anvertrauten barmherzig ist. Und barmherzig sein ist ein
Sammelbegriff für mitfühlend, gütig, nachsichtig und mildtätig.
Und zum Dritten: Wir leben am zweiten Sonntag nach Ostern mitten in der
österlichen Zeit. Denn vor zwei Wochen ist unser Herr Jesus Christus von
den Toten auferweckt worden. Die Frauen und danach die Jünger fanden
dort, wo sie den toten Jesus begraben hatten, nur noch ein leeres Grab.
Wer sein Christ-Sein oder sein Christ-Sein-wollen ernst nimmt, ist damit
an der Stelle, wo am ehesten Zweifel entstehen. Das geht nicht nur uns
so. Das ist auch vor uns allen so gegangen, die sich auf diesen Jesus
von Nazareth eingelassen haben.
Es ist die österliche Zeit, in der mit der Auferstehung von Jesus
Christus alles begonnen hat und zu der auch unser heutiger Sonntag
gehört. Wir haben es schon gehört: Es ist der Sonntag, der vom Bild des
guten Hirten bestimmt wird. Dieses Bild ist im Übrigen schon sehr alt
und stammt nicht erst aus der Zeit, in der Jesus gelebt hat. In der
Epistel, die ja gleichzeitig der Predigttext für den heutigen Sonntag
ist, wird das Hirtenbild 600 Jahre vor Christus durch den Prophet
Hesekiel beschrieben. Die 1. Lesung soll hier nicht wiederholt,
sondern nur noch einmal zusammengefasst dargestellt werden.
Der Text beginnt zunächst mit einer Aufforderung Gottes an den Propheten
Hesekiel: Sprich zu den Hirten Israels und sage ihnen: So spricht Gott
der Herr. Und da fallen klare Worte: Wehe den Hirten Israels, die sich
selbst weiden. Sollen sie nicht ihre Herde weiden? Und dann wird alles
aufgezählt, was die Hirten unterlassen haben. Und dann die
atemberaubende Wende, als Gott spricht: Ich will mich meiner Herde
selbst annehmen und sie suchen. So wie der Hirte seine Schafe sucht, die
sich von seiner Herde verirrt haben. Ich will das Verlorene suchen, das
Verirrte zurückbringen, das Verwundete verbinden, das Schwache stärken
und das Starke behüten. Und das Ganze mündet in die Zusage Gottes: Ja,
ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide. Und ich will euer
Gott sein. Ja, so spricht Gott, der Herr. Und 600 Jahre später, als
sich Gott in Jesus Christus offenbart, wird das alles greifbare,
hörbare und sichtbare Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die auch heute
für uns gilt und die heute für uns wirkt: Jesus, der gute Hirte.
Noch ein Wort zu den Hirten und ihre Herde, die ihnen anvertraut war.
Das war damals, das heißt zu Jesus Zeiten und 600 Jahre davor,
keine ökologisch alternative und romantische Sache. Nein, die Schafe
waren damals eine notwendige Lebensgrundlage. Und das Hirtendasein war
harte Arbeit bei Tag und bei Nacht. Hier sei an die Weihnachtsgeschichte
erinnert. Dort wendet sich der Engel an die Hirten, um den Menschen die
Geburt des Erlösers zu verkünden. Ich zitiere: Und es waren Hirten in
derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts
ihre Herde, wie es Martin Luther so wunderbar übersetzt hat. Das heißt
die Hirten und ihre Herde waren damals ein für jeden verständliches
Symbol aus der Mitte der Gesellschaft.
Was heißt das nun alles für uns heute: Jesus Christus als der Hirte und
wir seine Herde, seine Schafe. Der gute Hirte wendet sich vor allem den
Schwachen, den Verirrten, den Verlorenen und den Sündern zu. Aber ist
damit zum Beispiel das Sündigen, das Verletzen der Gebote eine Sache,
die ich so ernst nicht nehmen muss? Kann ich mich einfach von der Herde
entfernen und auch sonst tun und lassen, was ich will? Denn wenn ich so
richtig gesündigt habe: Dann gibt es ja immer noch Gott, der mich aus
meinem Loch, vor allem aus dem selbstverschuldeten Loch, schon wieder
herausholen wird. Ist Gott als der gute Hirte also so eine Art
Hängematte, in der oder durch die alles gar nicht so schlimm ist, was
ich an Schlechtem denke und tue? Die Versuchung ist manchmal groß, die
Hände einfach in den Schoss zu legen und Gott einmal machen zu lassen.
Aber: So ist das nicht gemeint. Was wir selbst tun können, das sollen
und das müssen wir schon selbst tun. Egal, ob wir uns im übertragenen
Sinne in einer Herde befinden oder uns von einer Herde entfernt haben.
Es geht noch weiter: Wir sind für unser Denken und Tun auch selbst
verantwortlich und diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen. Nicht
ohne Grund hat uns Gott die große Freiheit gegeben, uns selbst für das
Gute oder das Böse zu entscheiden.
Im ganz wörtlichen Sinne sind wir eben doch keine Schafe – auch
wenn wir uns manchmal so benehmen. Beim Thema Gott als unser guter Hirte
bleiben auch Fragen, die jeder von uns nur sich selbst beantworten
kann. Will ich überhaupt wissen, was mein rechter Weg ist? Will ich
wissen, wo mein rechter Weg ist, wenn ich von ihm abgekommen bin? Will
ich tatsächlich auf den rechten Weg zurückfinden? Und welche Rolle soll
dabei Gott spielen? Will ich, dass Gott mein Hirte ist? Ich wünsche uns
allen, dass uns dabei das Gebet, das heißt das Gespräch zwischen Gott
und uns, hilft. Dass es uns hilft zu erkennen und zu fühlen: Gott, Jesus
Christus, ist tatsächlich mein guter Hirte und Helfer in allen
Lebenslagen – egal, ob es mir gerade gut oder schlecht geht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Drei Weise aus dem Morgenland • Matthäus 2, 1–12
Predigt am 06.01.2015 • Epiphanias • Kirche Bieberstein
Liebe Gemeinde, das Evangelium aus dem 2. Kapitel des
Matthäusevangeliums ist gleichzeitig der Predigttext für diesen Sonntag: Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa
zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland
nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir
haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn
anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz
Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohepriester und
Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus
geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn
so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5, 1): „Und
du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den
Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk
Israel weiden soll.“ Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und
erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte
sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem
Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich
komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin.
Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor
ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den
Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden
das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es
an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und
Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes
zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Heute am Epiphaniastag gedenken wir also der drei Weisen, die sich
damals auf den Weg zum frischgeborenen Jesus machten. Martin Luther
übersetzt das heutige Evangelium mit „Weise aus dem Morgenland“. Es
waren also keine irgendwie geartete Spinner, sondern besonders gebildete
und auch reiche Leute, die sich auf eine monatelange beschwerliche
Reise machten. Wahrscheinlich stammten sie aus Persien. Was wird sie
bewogen haben? Die Bestätigung einer – ihrer – Theorie? Sie
folgen einem Stern oder Sternbild. Womöglich haben sie ein Sternbild
beobachtet, in dem ein Besonderer des Volkes Israel geboren werden soll.
Wir wissen es nicht. Aus ihren Aussagen – „wir sind gekommen, ihn
anzubeten“ – können wir schließen, dass sie einen bedeutenden
Menschen oder König erwarten. Deshalb suchen sie ihn natürlich zuerst im
Königspalast des Herodes.
Doch hier geraten sie in das machtpolitische Ränkespiel eines
despotischen Herrschers. Ängstlich ist er um seine Macht besorgt. Er
schreckt später auch nicht vor Kindermord zurück. Heuchlerisch spielt er
den reichen Fremden Freundschaft vor. So sagt er im Vers 8: „Zieht
hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so
sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete.“ Doch durch Gottes Leiten erkennen sie die wahren Beweggründe dieses Herrschers. Oder wie es im Evangelium heißt: „Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht weder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.“ Erwartet haben sie einen politischen Herrscher und gefunden haben sie das Kind von Bethlehem in einem armseligen Stall.
Unsere Erwartungen sind auch oft so anders als Gottes Denken und Leiten.
Alle Jahre wieder hören wir diese Geschichte. Aber haben wir wirklich
schon einmal ihre Bedeutung durchdacht? Oder halten wir das Ganze nicht
doch für ein Weihnachtsmärchen? Die Weisen aus dem Morgenland haben sich
jedenfalls auf diese unglaubliche Geschichte eingelassen. Wertvolle
Geschenke bringen sie dem Kind in der Krippe, obwohl sie dieses Kind in
einem Stall und nicht im Königsschloss vorfinden.
Stellen Sie sich das einmal in Bieberstein oder Reinsberg vor: Eine arme
Ausländerin kommt in den Ort. Sie muss notdürftig untergebracht werden,
weil sie ein Kind erwartet. Im Ort heißt es sogar, dass ihr Mann
wahrscheinlich nicht einmal der Vater des Kindes ist. Und einige Tage
später kommen mehrere reiche Leute in großen, dicken Autos. Sie bringen
wertvolle Geschenke mit und knien vor dem Baby und seiner armseligen
Mutternieder. Aber genauso steht es im Predigttext, ich zitiere: Und sie gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an. Dabei wollen wir nicht vergessen, dass es zuerst die Hirten waren, die das Neugeborene angebetet haben. Also Menschen wie wir.
Eigentlich ist damals zu Weihnachten etwas Unfassbares passiert. Denn es
ist Gott selbst, der damals Mensch wurde und deshalb auch als Baby
geboren ward. Ich habe dazu ein Gebet gefunden, in dem es sinngemäß
heißt: Großer Gott, umfassend und unfassbar bist Du, der Du das Weltall
geschaffen hast. Aus Deinen Händen kommt die ganze Schöpfung. Du bist
Mensch geworden, um Deine Geschöpfe zu lieben, zu erlösen und zu
befreien. In Jesus Christus, Deinem Sohn, hast Du Dich uns zu erkennen
gegeben, bist sichtbares Leben geworden. Großer Gott, wer kann Dich
erfassen, wer kann Dich begreifen?
Liebe Gemeinde, wir können das nicht erfassen und auch nicht begreifen,
aber wir können das Geschehen für uns annehmen – einigermaßen
fassungslos, aber dankbar. Weihnachten ist eben nicht nur ein schönes
Familienfest. Sondern vor über 2.000 Jahren ist etwas passiert, was
für jeden von uns wichtig ist und wichtig bleibt. Denn damals hat Gott
ein menschliches Gesicht bekommen. Epiphanias, oder wie es auf Deutsch
heißt: Das Fest der Erscheinung des Herrn ist deshalb auch für uns ein
Grund zum Feiern.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Matthäus 3, 13–17 • An dem ich Wohlgefallen habe.
Predigt am 12.01.2020 • 1. Sonntag nach Epiphanias • Petrikirche Freiberg
Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den
Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes
wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft
werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm:
Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu
erfüllen. Da ließ er's ihm zu. Und als Jesus getauft war, stieg er
alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel
auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über
sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein
lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Liebe Gemeinde, geht es Ihnen auch so wie mir, dass Sie anderen gefallen
wollen? Möchten Sie, möchten wir, dass uns jemand gut findet? Gut mit
dem, was wir können? Gut mit dem, so wie wir aussehen? Wie wir uns
benehmen? Für was wir uns interessieren? Ich denke mir: Wir wollen alle,
das uns andere sympathisch finden. Freundlich, interessiert usw. Vieles
wäre hier – wie wir alle wissen – noch aufzuzählen. Wir
wollen auf andere ganz einfach einen guten Eindruck machen und das ist
auch gut so. Nur: Gilt das für alle anderen? Wollen wir wirklich auf
alle einen guten Eindruck machen? Natürlich wollen wir – wenn wir
ehrlich sind – das nicht. Wir wollen das nur bei Menschen, die auch
uns gefallen und die uns wichtig sind. Oder Menschen, die für uns
wichtig sind. Und deren Meinung über uns deshalb für uns wichtig ist.
Manchmal sogar wichtig sein muss. Sei es im Beruf, in der Familie oder
bei Freunden.
Sie merken schon: Das Gefallen wollen, das Gefallen müssen und das
Gefallen können sind immer eine zweiseitige Sache. Nämlich zwischen dem
Anderen und mir. Wir müssen uns gegenseitig gefallen. Wir müssen uns
sympathisch sein und voreinander Respekt haben. Zwischen uns muss die
Chemie stimmen. Und umso enger und besser eine Beziehung ist, umso mehr
kommt Liebe mit im Spiel. Und aus dem gegenseitigen Gefallen kann dann
ein Wohlgefallen werden, das neben einem besonderen Gefallen auch das
Annehmen enthält. Das schöne altdeutsche Wort Wohlgefallen steht deshalb
für etwas besonders Schönes und Wertvolles: Nämlich für innere Freude
und Befriedigung, die man in Bezug auf jemand anderes hat. Eltern denken
und sprechen so zum Beispiel über ihre Kinder.
Im Neuen Testament spricht Gott so zu Jesus. Jesus gefällt also Gott in
besonderem Maße. Jesus ist ihm wichtig. Er ist sein Sohn. Er ist sogar
sein einziger Sohn. Und damit sind wir schon lange beim Kern unseres
Predigttextes, den wir vorhin als Evangelium, also als die gute
Nachricht für diesen Sonntag gehört haben. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Oder wie es noch deutlicher im Markus- und Lukasevangelium steht: Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
In fast allen modernen Übersetzungen sagt Gott zu Jesus sogar: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Ja, liebe Gemeinde, hier geht es um eine einmalige göttliche Beziehung.
Wenn wir diesen einen Satz Wort für Wort durchgehen, wird darin eine
Beziehung zwischen Gott und Jesus beschrieben, die fortwährend und ewig,
liebevoll und innig und voller Wohlgefallen ist. Ich habe dazu einen
schönen Satz gelesen: „Es gab nur einen, an dem Gott, der Vater, sein
ganzes Wohlgefallen gefunden hat: Das war sein eigener geliebter Sohn,
der seinen ganzen Willen getan hat.“ Ich will hinzufügen: Und das bis in
den Tod.
Dabei blitzt im Predigttext etwas von Gott auf, das auch für uns
vollkommen unfassbar und unvorstellbar ist. Und das über dem
Wohlbefinden oft vergessen wird. Ich will uns deshalb daran erinnern: Es
ist der große, ewige Gott, der zu Jesus spricht. Gott, der Schöpfer des
Himmels und der Erde. Gott, der modern gesprochen, das gesamte riesige
Universum geschaffen hat und es auch heute noch erhält – uns
eingeschlossen. Und als Gott mit seinem Sohn spricht, sind immerhin
schon fast 14 Milliarden Jahre seit dem Beginn seiner Schöpfung
vergangen und Menschen gibt auf der Erde nach neuesten Schätzungen auch
schon 300.000 Jahre.
Doch zurück zu unserem Predigttext und damit zum äußeren Ablauf der Taufe von Jesus. Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den
Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Und als Jesus
getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser.
Die Taufe damals war eine Erwachsenentaufe und der Täufling tauchte ins
Wasser. Jesus wurde im Jordan von Johannes dem Täufer getauft. Dieser
Johannes war etwas Besonderes. War die übliche Taufe bei den Juden
damals vor allem eine rituelle Waschung, wird bei Johannes daraus eine
Busstaufe zur Vergebung der Sünden. Johannes verlangte deshalb vor der
Taufe vom Täufling Buße und Umkehr. Und das nicht nur durch Reden,
sondern auch durch Taten. Er selbst lebte wie ein Asket und war ein
Prophet, der in naher Zukunft das Kommen des Himmelreiches und damit den
Messias erwartete. Im Predigttext heißt es denn auch: Zuerst wehrte sich Johannes der Täufer und
sprach zu Jesus: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und
du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt
zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da war
Johannes einverstanden und taufte ihn.
Liebe Gemeinde, am 1. Sonntag nach Epiphanias, also am heutigen
Sonntag erinnern wir uns an diese Taufe von Jesus durch Johannes den
Täufer.
Nach der Taufe spricht Gott selbst Jesus an. Wir haben es soeben gehört.
Jesus empfängt dabei den Geist des Vaters und trägt deshalb das, was
sein Vater will, in sich. Es ist kein Zufall, dass mit dieser Taufe das
Wirken von Jesus beginnt. Und es ist auch kein Zufall, dass der
auferstandene Jesus Christus am Schluss seines Wirkens damals seinen
Jüngern und damit bis heute der gesamten Christenheit einen Taufbefehl
mit auf den Weg gibt: Gehet hin und lehret
alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen
habe.
Und dabei sind wir nicht allein gelassen, denn Jesus sagt uns zum Schluss seines Taufbefehls auch: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Jesus ist damit bei jeder Taufe dabei – auch in unserer Gemeinde.
Und durch die Taufe wird jeder in seine Gemeinde und in die Gemeinschaft
aller aufgenommen, die an Jesus Christus glauben. Jesus, zu dem sich
Gott bekannt hat. Jesus, an dem Gott Wohlgefallen hat. Jesus, der Gottes
Sohn ist. Die Taufe ist deshalb etwas, das alle Christen miteinander
verbindet. Bei uns in der Gemeinde genauso wie in den christlichen
Kirchen auf der ganzen Welt.
Die Taufe, liebe Gemeinde, der Glaube an Jesus und die Gemeinschaft
aller Christen sind ein Grund zur Dankbarkeit. Sie sind aber auch eine
Herausforderung – nicht nur, aber auch für uns.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Selig sein und selig machen • Matthäus 5, 2–10
Predigt am 15.11.2015 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • St. Johannis Freiberg
Jesus tat seinen Mund auf, lehrte sie und
sprach: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das
Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet
werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich
besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie
werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind;
denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie
werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen
verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Liebe Gemeinde, Gottes frohe Botschaft hat Jesus zu uns gebracht.
Wichtig für uns ist nun, dass Jesus nicht wie ein Prophet im Alten
Testament nur ein Überbringer von Gottes Botschaft ist. Sondern in Jesus
ist Gott selbst zu uns gekommen. Oder anders gesagt: Mit Jesus hat Gott
für uns ein menschliches Gesicht bekommen. Unser Jesus wird deshalb
auch Gottes Sohn genannt. Ein wichtiger Teil der frohen Botschaft und
der Predigttext sind die Seligpreisungen aus dem 5. Kapitel des
Matthäusevangeliums.
Diese Seligpreisungen sind keine Verbote, wie die 10 Gebote, in
denen uns zum Beispiel gesagt ist: Du sollst nicht töten, Du sollst
nicht stehlen, Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht falsch über
deinen Nachbarn reden. In den Seligpreisungen wird uns vielmehr von
Jesus erzählt, wie wir uns verhalten sollen, um selbst selig zu sein
oder selbst selig zu werden. Wir haben es gerade gehört: Selig ist der
Friedfertige. Selig ist der Barmherzige. Selig ist der Sanftmütige.
Selig ist der die Gerechtigkeit suchende. Selig ist, wer Leid ertragen
muss. Und selig ist nicht zuletzt der, der ein reines Herz hat.
Aber was heißt das: Selig zu sein. Wer selig ist, ist zunächst einmal
glücklich. Und um das geht es hier: Ein tiefes Glücksgefühl. Selig sind
die, die Glück oder ein Glücksgefühl erfahren – jetzt oder in ihrer
Zukunft. Auf drei Seligpreisungen will ich näher eingehen.
Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Friedfertig ist zunächst einer, der Frieden will. Das lässt sich an
vielen Beispielen zeigen. Wer friedfertig ist, der strahlt Ruhe aus, der
gibt uns das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Wer friedfertig
ist, will Frieden stiften – zum Beispiel bei sich streitenden
Nachbarn. Wer friedfertig ist, will helfen und sich für Schwache
einsetzen. Wer friedfertig ist, der kann und will wachrütteln, wenn es
um Frieden geht. Wer friedfertig ist, der kann um des lieben Friedens
willen auch einmal auf etwas verzichten. Und schließlich: Wer
friedfertig ist, will nicht immer Recht haben. Nicht einmal dann, wenn
er eigentlich Recht hat und ihm sein nachgeben als Schwäche ausgelegt
werden kann.
Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Leidtragend ist, wer unter den Ungerechtigkeiten dieser Welt leidet.
Leidtragend ist, wer menschliche Bosheit aushalten muss. Leidtragend
ist, wer sich ungerecht behandelt fühlt oder nicht ernst genommen wird.
Leidtragend ist, wer an sich selbst zweifelt und mit seinem Leben nicht
zurechtkommt. Leidtragend ist, wer eine Trennung, zum Beispiel eine
Ehescheidung aushalten muss. Leidtragend ist, wer an einer schlimmen
Krankheit oder Schmerzen leidet. Und Leidtragend ist nicht zuletzt der,
der um einen verstorbenen, geliebten Menschen trauert. Uns ist in den
Seligpreisungen gesagt, dass alle Leidtragenden getröstet werden sollen.
Es ist Gott, der uns trösten will. Denn Gott hat durch Jesus Christus
Ja zu uns gesagt. Er ist uns deshalb dann am Nächsten, wenn es uns nicht
gut geht. Wenn wir uns eigentlich Gottverlassen vorkommen.
Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Reinen Herzens sein, meint Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Offenheit.
Wer ein reines Herz hat, der vertraut einer guten Sache. Und, liebe
Gemeinde: Wer ein reines Herz hat, der glaubt an das Gute im Menschen.
Zum Beispiel an das Gute in seinem Partner oder an das Gute in einem ihm
Fremden. Und wir sollten schon genau hinhören: Vielleicht hofft jemand
auf das Gute in uns. Vielleicht vertraut sogar jemand dem Guten in uns.
Reinen Herzens sein und Nächstenliebe gehören zusammen. Das ist das, was
uns Jesus vorgelebt und gelehrt hat. Und das ist das, was uns sonst
noch in den Seligpreisungen auch gesagt ist: Barmherzigkeit,
Sanftmütigkeit, Gerechtigkeitssuche.
Ich nenne hier als Beispiel das Evangelium für diesen Sonntag, in dem
uns Jesus mahnt: Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan. Ganz aktuell denke ich hier an die
Asylbewerber, die jetzt hier in Freiberg in einer Sporthalle und in
einem Zelt an der Chemnitzer Straße viele Wochen darauf warten müssen,
wie es mit ihnen weitergehen soll. Die meisten von ihnen kommen aus
Kriegsgebieten und haben fast alles verloren. Sie sind oft aus Angst
geflohen. Was tun nun wir, liebe Gemeinde, damit diese Menschen bei uns
keine Angst haben müssen? Was tun wir, um Ihnen die lange Wartezeit
erträglich zu machen?
Ich wünsche uns, dass wir auch im Alltag an die denken und etwas für die
tun, denen es nicht so gut geht wie uns. Trauen wir dem Guten in uns
ruhig etwas zu. Jesus traut dem Guten in uns jedenfalls viel zu. Deshalb
sagt er uns in den Seligpreisungen: Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Matthäus 5, 14–16 • Sind wir ein Licht?
Predigt am 19.07.2020 • 6. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die
Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch
nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen
Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren
Vater im Himmel preisen.
Liebe Gemeinde, woran denken wir, wenn wir das Wort Licht hören? Licht
oder Helligkeit oder Dinge, von denen ein Licht ausgeht. Egal, ob das
Licht von der Sonne ausgeht oder von einer Schlafzimmerlampe, von einem
Autoscheinwerfer oder einer Taschenlampe usw. Licht brauchen wir zum
Leben, denn ohne Licht würden wir nichts sehen. Ohne Licht gäbe es
überhaupt kein Leben hier auf dieser unserer Welt. Aber genauso brauchen
wir zum Leben die Dunkelheit oder die Dämmerung. Zum Beispiel zum
Abschalten oder zum Schlafen. Wir wollen auch nicht immer gesehen
werden – also nicht immer nur im Licht stehen.
Nun hat die Abwesenheit von Licht, die Finsternis noch eine ganz andere
Bedeutung für uns. Denn wenn wir einmal in unserem Leben nicht mehr
weiter wissen, wenn es uns um uns herum vollkommen dunkel vorkommt, dann
verlieren wir leicht die Orientierung. Oder es stellt sich Angst
ein – manchmal sogar eine große Angst. Dann sind wir froh, wenn wir
im ganz sprichwörtlichen Sinne wieder Licht am Ende des Tunnels sehen.
Denn dann gibt es für uns wieder Hoffnung.
Es versteht sich, dass das Thema Licht auch in der Bibel eine große
Rolle spielt. Das beginnt schon mit der Schöpfung. Ganz am Anfang schuf
Gott Himmel und Erde und die Erde war wüst und leer und dunkel. Deshalb
sprach Gott: Es werde Licht. Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das
Licht gut war. Das Licht steht insgesamt in der Bibel als etwas Gutes.
Als etwas, das uns den Weg weist. Als etwas, dass uns weiter hilft. Als
etwas, dass uns Vorbild ist. Das gilt sowohl für das Licht zwischen uns
Menschen, das wir einander aussenden. Das gilt aber genauso für das
Licht, das für uns von Gott ausgeht.
Zum Beispiel in den Psalmen werden uns dazu Lebenserfahrungen mit Gott
und die damit verbundene Hoffnung ausgedrückt. So heißt es in
drei Psalmen: Dein Wort, Herr, ist meines Fußes Leuchte und ein
Licht auf meinem Wege. Oder: Sende Dein Licht und Deine Wahrheit, dass
sie mich leiten. Oder: Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Diese
Hoffnungen werden durch Jesus, Gottes Sohn, erfüllt. Im
Johannesevangelium sagt er uns denn auch: Ich bin das Licht der Welt.
Wenn Jesus unser Licht ist. Wenn wir – genauer gesagt – bereit
sind, Jesus als unser Licht anzunehmen, dann haben wir es gut. Denn
Jesus ist ein Licht, das uns den Weg – unseren Weg – zeigt. Es
ist damit auch ein Licht, dass uns nicht in der Finsternis herumlaufen
lässt.
Aber wie ist das mit einem, der sich zwar anleuchten lässt, vor dem es
hell ist. Dem das aber genug ist. Der das Licht, das Jesus ausstrahlt,
nicht weitergibt, nicht weitergeben kann oder nicht weitergeben
will – sei es aus Ängstlichkeit oder Egoismus oder nur aus
Gedankenlosigkeit oder Bequemlichkeit: Hinter dem ist ein Schatten.
Hinter dem bleibt es dunkel. Dunkel für andere Menschen. Jesus kennt uns
und weiss natürlich, dass sein Licht, das er in die Welt gebracht hat,
an Andere weitergegeben werden muss. Und dazu braucht er uns. Damit sind
wir schon lange mitten drin im Predigttext aus dem Matthäusevangelium,
denn dort sagt uns Jesus sehr direkt: Ihr seid das Licht der Welt.
Wir sollen also, liebe Gemeinde, das Licht der Welt sein. Wir sollen
bereit sein für seine Botschaft. Ich denke mir, dass das bei uns
zutrifft. Aber das reicht nicht. Auch wenn uns das nicht leicht fällt:
Versuchen wir etwas weiter zu geben von dem Licht, das nicht nur uns,
sondern auch anderen den Weg weisen kann. Jesus sagt uns dazu im
Predigttext sehr genau, was das in der Praxis und in unserem Alltag
heisst: Gute Werke tun, also zum Beispiel barmherzig und hilfsbereit
sein. Und diese unsere guten Werke auch sehen lassen. Oder wie es im
Predigttext formuliert ist: So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Matthäus 5, 17–19 • Lieben wir Vorschriften?
Predigt am 16.08.2020 • 10. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Bieberstein
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen
bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen
aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis
Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe
noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. Wer nun eines
von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird
der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird
groß heißen im Himmelreich.
Liebe Gemeinde,
lieben wir Vorschriften? Lieben wir es, wenn uns jemand sagt, ja
vorschreibt, was und wie wir etwas machen sollen oder tun müssen? –
zu Hause, in der Firma, aber auch dort, wo ich freiwillig hingehe und
eigentlich gern mitmache? Und ich frage uns: Lieben wir den, der uns
etwas vorschreibt oder vorschreiben will?
Ich denke mir: Das kommt darauf an. Denn wenn mir jemand nahe steht.
Wenn es jemand ist, den ich sehr achte und dessen Meinung mir wichtig
ist: Dann nehme ich seinen Rat gern an und lasse mir von ihm auch einmal
etwas sagen. Und wenn es sein muss, sogar etwas vorschreiben. Ganz
anders sieht es aus, wenn mir jemand ein ungutes Gefühl vermittelt. Wenn
ich mich nicht ernst genommen fühle, bevormundet vorkomme oder denke,
dass ich benachteiligt werde.
Das alles gilt nun auch für Gesetze, Verordnungen und Vorschriften, nach
den ich mich richten soll. Hier heißt es nun inne halten. Wie wäre es
denn, wenn keiner da wäre, der uns etwas sagen darf? Und wenn es keine
Vorschriften und Gesetze gäbe? Gesetze und Vorschriften, Gebote und
Verbote für bestimmte Personengruppen, für bestimmte Situationen oder
für eine ganze Gesellschaft, ein ganzes Volk. Das wäre, liebe Gemeinde,
schlimm, um es einmal freundlich zu formulieren. Das wäre sogar eine
Katastrophe. Kein Gemeinwesen ist ohne Vorschriften lebensfähig –
nicht einmal der Ortsteil Bieberstein. Recht und Gesetz setzen den
Rahmen für unser aller Zusammenleben und sind deshalb unverzichtbar.
Nehmen wir als praktisches Beispiel die Straßenverkehrsordnung, die ja
jede Menge Gebote und Verbote enthält. Hier sieht jeder ein, dass Gebote
und Verbote notwendig sind, auch wenn uns einiges schwerfällt oder wir
nicht immer alles einsehen. Über einzelne Regeln kann und soll
gestritten werden. Das Entscheidende ist nun, dass diese Regeln für alle
gelten, egal ob jemand mit einem Porsche oder mit einem alten Opel
unterwegs ist. Es gilt für alle, dass der von rechts Kommende bei
gleichberechtigten Straßen Vorfahrt hat. Oder dass wir bei Rot an einer
Kreuzung anhalten. Gut, dass sich alle an die Vorschriften halten,
genauer sich daran halten müssen – zu unser aller Schutz.
Von Geboten und Verboten handelt nun auch unser Predigttext. Nach
biblischer Überlieferung hat Gott die 10 Gebote im
13. Jahrhundert vor Christi dem Propheten Mose auf dem Berg Sinai
übergeben. Sie sind uns – wie wir wissen – im Alten Testament
überliefert. Die zehn Gebote hatte Gott dem Volk Israel nicht nur
zugesprochen. Er hat ihnen auch befohlen, sich daran zu halten, denn
Israel war Gottes auserwähltes Volk. Den Juden sind die Gebote seitdem
heilig und werden es auch immer bleiben. Das gilt im Besonderen für das
erste Gebot, in dem steht: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine
anderen Götter haben neben mir.
Als nun Jesus, der Sohn Gottes, auf die Welt gekommen war, predigte er:
Das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen. Tut Buße und glaubt an das
Evangelium. Das Evangelium, liebe Gemeinde, war und ist die gute
Nachricht, die frohe Botschaft von Jesus. Nämlich alles das, was er war,
was er erzählt, getan, gelitten und vorgelebt hat. Und die nun schon
alten 10 Gebote der Juden? Hatten die sich mit dem Kommen von Jesus
erledigt? Wahrscheinlich wird das damals der eine oder andere gedacht
haben. Und hier greift Jesus ein und sagt im Predigttext dazu mit großer
Bestimmtheit:
Denkt nicht, ich sei gekommen, um das
Gesetz oder die Propheten außer Kraft zu setzen. Ich bin nicht gekommen,
um außer Kraft zu setzen, sondern um zu erfüllen.
Jesus als Gottes Sohn autorisiert hier praktisch die 10 Gebote und
macht sie zu einem verbindlichen Kanon für die gesamte
Christenheit – übrigens ohne sie dem jüdischen Glauben wegzunehmen.
Dabei gibt es von Jesus keine einzige Änderung. Und er sagt deshalb
auch uns im Predigttext:
Solange Himmel und Erde nicht vergehen,
wird auch kein einziger Buchstabe und nicht ein einziges Strichlein vom
Gesetz vergehen; alles muss sich erfüllen.
Die zehn Gebote, liebe Gemeinde, sind für uns etwas Wichtiges. Nicht nur
als für uns ehrfurchtsvolles Wort Gottes, für das es sich wunderbar
eintreten lässt. Sondern als Richtschnur für unser Leben, ja sogar für
unseren Alltag. Denn in den zehn Geboten und Verboten wird uns gesagt:
Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben
mir. Du sollst den Namen Gottes nicht unnütz gebrauchen, den Feiertag
heiligen und deine Eltern ehren. Du sollst nicht töten, nicht
ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsch Zeugnis reden und nicht begehren
deines Nächsten Frau, Haus und was ihm sonst alles gehört.
Wie ernst es Jesus mit dem alles ist, sagt er uns am Schluss des Predigttextes:
Wer eines dieser Gebote für ungültig
erklärt, der gilt im Himmelreich als der Geringste. Wer aber nach den
Geboten handelt, der gilt viel im Himmelreich.
Ich hatte uns am Anfang der Predigt gefragt: Lieben wir es, wenn uns
jemand sagt, ja vorschreibt, was und wie wir etwas machen sollen oder
tun müssen? Hier: Beim Predigttext, der die Stellung Jesu zu den zehn
Geboten beschreibt, trifft das zu.
Denn es ist Jesus, der uns hier etwas sagt. Und er sagt uns nun nicht
nur, dass die Gebote etwas Gutes und Notwendiges für uns sind, sondern
er sagt uns auch, dass wir versuchen sollen, tatsächlich danach zu
leben. Denn das hilft anderen, aber auch uns selbst. Und das ist mehr,
viel mehr, als es eine Straßenverkehrsordnung vermag.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Von der Feindesliebe • Matthäus 5, 43–48
Predigt am 05.11.2017 • 21. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Evangelium für den heutigen
Sonntag, das wir vorhin gehört haben. Ich lese den Predigttext noch
einmal in einer modernen Übersetzung: Jesus spricht: Ihr wisst, dass es heißt: Du
sollst deine Mitmenschen lieben, und du sollst deine Feinde hassen. Ich
aber sage euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch
verfolgen. Damit erweist ihr euch als Söhne eures Vaters im Himmel. Denn
er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt es regnen
für Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nur die liebt, die euch Liebe
erweisen, was für einen Lohn habt ihr dafür zu erwarten? Tun das nicht
sogar Leute wie die Zolleinnehmer? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern
freundlich seid, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht sogar die
Heiden, die Gott nicht kennen? Ihr aber sollt vollkommen sein, wie euer
Vater im Himmel vollkommen ist.
Martin Luther hat das Ganze unter die Überschrift gestellt: Von der
Feindesliebe. Und hier wird uns ganz schön etwas ins Stammbuch
geschrieben. Denn das, worauf uns Jesus immer wieder hinweist und was
uns genauso oft immer wieder schwer fällt. Und wofür wir uns innerlich
immer wieder mal ein kleines bisschen auf die Schulter klopfen könnten,
wenn wir es wieder einmal geschafft haben. Nämlich Jesu Gebot: Liebe
Gott und deinen Nächsten. Und das soll nun gar nichts Besonderes mehr
sein. Nichts, was uns Christen besonders auszeichnen würde.
Jesus legt hier den Finger in eine böse Wunde, denn er fragt uns dazu im
Predigttext: Wenn ihr die liebt, die auch euch lieben und wenn ihr nur
zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr damit Besonderes? Tun das
nicht sogar die Heiden? Oder auch diejenigen, die von der Gesellschaft
verachtet werden – wie zum Beispiel die Zöllner zu Jesu Zeiten?
Eigentlich wissen wir das: Gott hat alle Menschen zur Liebe befähigt.
Zum Beispiel auch uns genauso wie die Menschen, die von Gott nichts
wissen wollen. Oder Menschen, die mit Gott überhaupt nichts mehr
anfangen können. Die im Gegensatz zu uns nie eine Christenlehre, einen
Konfirmationsunterricht in der Gemeinde oder einen Religionsunterricht
in der Schule besucht haben. Und die – außer vielleicht zu
Weihnachten – auch keinen Gottesdienst mehr kennen. Und das gilt
natürlich auch für Diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben und
für uns nicht gerade leuchtende Vorbilder sind. Wie gesagt: Wir wissen,
dass Gott alle Menschen genauso zur Liebe befähigt hat wie uns.
Und noch etwas anderes erfahren wir aus dem Predigttext: Gott lässt
seine Sonne über die Bösen und Guten gleichermaßen aufgehen und er lässt
es regnen sowohl für Gerechte und als auch für Ungerechte. Was hier wie
eine Binsenweisheit klingt: Es lohnt sich schon einmal darüber
nachzudenken, was uns Jesus sagen will mit seinem einfachen und
verständlichen Beispiel von Sonne und Regen.
Liebe Gemeinde, Gott ist für alle Menschen da und Gott befähigt alle
Menschen zur Liebe. Auch uns. Auch unsere Freunde. Aber auch unsere
Feinde. Wie das aussehen kann mit der Liebe zu jedermann – also
auch mit der Liebe zu Feinden: Das hat uns Jesus vorgelebt. Und am
liebsten wäre es ihm, wenn wir das auch könnten. Wenn wir es wenigstens
versuchen würden mit der Feindesliebe. Auf jeden Fall sagt er uns im
Predigttext: Liebt nicht nur eure Freunde, sondern liebt auch eure Feinde.
Da ist die Messlatte sehr hoch gelegt: Ich soll meine Feinde lieben. Ich
soll also einen Menschen lieben, der mir Böses angetan hat oder mir
noch Böses antun will. Ich soll einen Menschen lieben, der mich belügt
und betrügt und mir mit Absicht schaden will – mit dem, was er über
mich erzählt oder mit dem, was er gegen mich unternimmt. Privat oder im
Beruf. Ich soll also einen anfangen zu lieben, der für mich nicht nur
ein Konkurrent, sondern ein Feind geworden ist – warum auch immer.
Manchmal macht es uns Jesus nicht leicht mit dem, was er von uns will.
Und ich frage mich ernsthaft: Kann es Jesus tatsächlich wollen, dass ich
meine Feinde zum Beispiel gleich liebe. Und ich frage uns: Wollen wir
das überhaupt schaffen? Und: Muss das sein? Ja, liebe Gemeinde, es muss
sein. Denn Jesus will, dass der Hass in der Welt nicht das letzte Wort
hat. Bei uns nicht und auch bei unseren Feinden nicht. Und weil es Jesus
gut mit uns meint, will er, dass das Böse in der Welt nicht alles
bestimmt. Und dafür werden wir gebraucht. Im Wochenspruch heißt es dazu:
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit
Gutem. Das gilt für uns und für unsere Feinde gleichermaßen. Es gilt für
beide Seiten, die sich feindlich gegenüberstehen. Denn wenn einer mein
Feind ist, so bin ich fast immer genauso sein Feind.
Bleibt immer noch die Frage: Können wir es schaffen, diese Feindesliebe.
Diese Forderung will uns ja nicht niederdrücken, wenn wir nicht im
Stande sind, unseren Nächsten zu lieben, geschweige denn unseren Feind.
Und Jesus gibt uns dieses Gebot auch nicht, um uns unsere Unfähigkeit
vor Augen zu führen. Denn wer kann schon einen Feind lieben wie seine
Lieben im ganz wörtlichen Sinne, zum Beispiel seinen Partner oder seine
Kinder. Das können wir nicht, denn wir sind nicht vollkommen, wir sind
nicht ohne Sünde und in uns gibt es Böses. Am Schluss des Predigttextes
sagt uns denn Jesus auch: Wer seine Feinde liebt wie seine Nächsten, der
ist vollkommen. So vollkommen wie es Gott, unser Vater im Himmel ist.
Jesus formuliert uns damit mit der Feindesliebe ein Ziel. Ein Ziel, dass
wir – gerade wir Christen – vor Augen haben sollen. Und vor
allem: Zu diesem Ziel sollen wir uns auf den Weg machen. Und dieser Weg
muss uns wichtig sein. Zum Glück können wir für diesen Weg alles
gebrauchen, was uns Jesus gelehrt hat: Über uns. Über die, die uns nahe
stehen. Über die, die unsere Feinde sind oder die wir für unsere Feinde
halten. Uns verbindet mit jedem Feind viel mehr als uns von ihm trennt.
Auf unserem Weg muss uns auch klar werden: Unsere Feinde sind Kinder und
Geschöpfe Gottes wie wir. Und wie wir vorhin schon gehört haben: Sie
sind in den Augen Gottes uns gleichgestellt und Gott hat sie wie uns zur
Liebe befähigt. Vielleicht ist das Gebot der Feindesliebe auch eine
Ermahnung an uns, dass nicht zu vergessen.
Für den Alltag wünsche ich uns, dass wir uns auf den Weg machen –
auch wenn es nur kleine Schritte sind. Die meisten Feinde um uns herum
sind ja gar keine richtigen Feinde: Oft reicht es, dass wir uns
zerstritten oder übereinander geärgert haben – um nur ein Beispiel
zu nennen. Wichtig ist am Anfang eines: Warten wir nicht nur, das der
Andere einen Schritt auf uns zugeht. Sondern bauen wir ihm eine Brücke,
über die wir uns näher kommen können. Dem Anderen eine Brücke bauen:
Dass ist das, wozu uns Jesus Mut machen will. Nicht nur bei den kleinen
Ärgernissen im Alltag, wie in einem Nachbarschaftsstreit, sondern auch
dort, wo uns Jemand etwas Böses angetan hat.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Verzeihen • Matthäus 6, 12
Predigt am 29.05.2016 • 1. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Liebe Gemeinde. Das gefällt uns, wenn wir Gutes über uns hören. Etwas,
das für uns erfreulich ist. Etwas, das uns aufbaut. Etwas, das uns hilft
und uns Mut macht. Und das gilt natürlich auch, wenn uns nicht nur
etwas Freundliches gesagt wird, sondern wenn ein Anderer etwas Gutes für
uns tut. Dabei ist es eigentlich gleichgültig, ob das nur eine kleine
Aufmerksamkeit ist oder eine wirkliche Hilfeleistung bei etwas, das wir
allein nicht schaffen würden. Und im umgekehrten Fall ist das nicht
anders: Wenn also wir jemanden etwas Freundliches sagen oder etwas für
ihn Gutes tun, dann wird er so reagieren wie wir selbst. Er wird sich
freuen oder er wird froh sein, dass ihm so etwas Gutes widerfährt. Denn
wer von uns erlebt im Alltag nicht gern Freundlichkeit, Höflichkeit,
Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft. Oder Zuwendung und Freundschaft. Oder
echte Hilfe. Auch ein kleines, liebevolles Geschenk gehört hierher. Sie
kennen die Beispiele alle, die sie selbst schon erlebt haben oder die
sie sich für sich wünschen.
Gutes Tun und gutes Reden sind gut und bleiben gut. Deshalb wünsche ich
das uns allen: Gutes von anderen empfangen und selbst Gutes für andere
tun. So weit, so gut. Und das im ganz wörtlichen Sinne. Aber: Unser
Leben hat nun leider nicht nur diese Sonnenseiten, wo wir einander gut
und miteinander lieb sind. Sondern unser Leben hat leider genauso seine
Schattenseiten durch das, was uns von anderen angetan wird. Durch das,
was wir anderen antun. Und leider auch durch das, was wir uns selbst
antun. Und das alles passiert ja nicht irgendwo oder irgendwann. Sondern
das alles passiert jeden Tag. Auch bei uns.
Wenn wir – ganz allgemein gesprochen – etwas Böses, etwas
Schlechtes tun, denken oder reden: Dann laden wir Schuld auf uns. Und
das wissen wir alle ganz genau. Wer also seinem Mitmenschen Böses antut,
der macht sich schuldig. Er wird schuldig vor seinem Mitmenschen und er
wird schuldig vor Gott. Schuld ist etwas, was tatsächlich da ist, wenn
etwas Böses passiert. Das kann bei uns mit einer Lüge anfangen. Oder
damit, dass wir einen anderen betrügen oder Schlechtes über ihn reden,
das ihm schadet. Oder damit, dass wir uns einen Vorteil mit unsauberen
Mitteln und auf Kosten anderer verschaffen. Oder damit, dass wir
unverantwortlich handeln. Oder damit, dass wir treulos gegenüber denen
werden, die uns vertrauen und die sich auf uns verlassen. Vieles könnte
hier noch aufgezählt werden.
Schuld wird nicht aus der Welt geschafft durch Schönreden oder
folgenloses Vergessen, durch Davonrennen oder Verdrängen. Und auch nicht
durch das Motto: „Ach, Schwamm drüber.“ Schuld ist wie eine Sackgasse,
aus der wir nicht herauskommen, wenn wir nichts dagegen tun. Schuld
zwischen Menschen kann Vergeltung hervorrufen und zu Gewalt, zu
zunehmender Gewalt führen: Zwischen zwei Menschen aber auch zwischen
ganzen Völkern und Staaten. Die vielen Kriege der Menschheitsgeschichte
sind dafür ein schlimmes Beispiel.
Was sich Menschen im Großen und Kleinen antun, können wir tagtäglich im
Fernsehen sehen. Und jeder von uns kennt auch aus seinem eigenen Alltag
genügend Beispiele. Beispiele, an denen wir selbst beteiligt waren. Oder
Beispiele, bei denen wir betroffen zusehen mussten. Oder Beispiele, die
wir uns anhören mussten. Weil das Böse um uns und in uns ist, machen
wir uns oft das Leben schwer oder das Leben wird uns schwer gemacht.
Dabei wollen wir es gut haben. Und wir wollen meist auch gut sein.
Viele, ich würde sagen fast alle wollen weg vom Bösen. Was dafür zu tun
ist, das sagt uns unser Glaube und es steht auch an vielen Stellen in
der Bibel. Das Kürzeste und Prägnanteste dazu habe ich bei Matthäus im
6. Kapitel gefunden und deshalb auch als Predigttext gewählt. Es
ist nur ein Satz, den wir alle aus dem Vaterunser kennen: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Das im Vaterunser zu beten, das zu denken und das überhaupt zu wollen: Das hat uns Jesus gelehrt.
In der Bitte des Vaterunser wird eine Brücke geschlagen, wie trotz des
Bösen wieder Gutes wachsen kann. Wir bitten Gott um Vergebung unserer
Sünden und damit für die Vergebung unserer Schuld. Und wir vergeben
unseren Mitmenschen, die uns Böses angetan haben. Beides: Die Vergebung
der Schuld von Gott und die Vergebung von Schuld zwischen uns Menschen
sind die Voraussetzung dafür, dass wir uns von unserer Schuld wieder
befreien können. Für unser Leben brauchen wir das Verzeihen, das
Vergeben von Schuld. Für Jesus und damit für uns ist das Vergeben von
Schuld so wichtig wie die Barmherzigkeit und so wichtig wie die Liebe.
Alle drei Begriffe hängen eng zusammen. Denn wie sollte es ohne Liebe
oder ohne Barmherzigkeit eine Vergebung geben, die mehr ist als ein
Lippenbekenntnis. Der Apostel Paulus sagt uns denn auch
1. Korintherbrief, Kapitel 13 – dem Hohelied der Liebe: Die
Liebe ist langmütig und freundlich und sie trägt das Böse nicht nach.
Soweit Paulus.
Wenn sich zwei Menschen lieben, sind sie also nicht nachtragend. Das
heißt doch aber: Sie sind bereit, das Böse zu vergeben und das kleine,
aber für jede Beziehung entscheidende Wort „Verzeihung“ zu akzeptieren.
In der Praxis sieht das dann so aus: Wer dem Anderen wehgetan hat,
entschuldigt sich. Und der Andere ist bereit, die Entschuldigung
anzunehmen. Wie gesagt, wenn sich ein Paar liebt, ist das so einfach und
selbstverständlich, wie es klingt. Leider ist es aber in vielen
Beziehungen so, dass sie zwar mit viel Liebe begonnen haben, aber diese
Liebe mit den Jahren immer weniger wurde. Das kann viele Gründe haben.
Ein wesentlicher Grund ist aber auch immer, dass das gegenseitige
Verstehen und die Bereitschaft, dem anderen etwas zu verzeihen, kleiner
geworden sind. Und oft ist es leider so: Wo es kein Verzeihen, kein
Vergeben mehr gibt, ist eine Beziehung am Ende. Glaubt man den
Statistiken, ist dieser Anteil hoch. Und das nicht nur bei Ehen, die
auseinander brechen.
Wir haben es schon gehört: Das Verzeihen und das Vergeben öffnen die Tür
wieder zum Guten, zum Besseren. Nur das Vergeben unserer Sünden von
Gott und unser Verzeihen gegenüber unseren Mitmenschen machen es
möglich, dass das Gute – zum Beispiel eine Beziehung zwischen zwei
Menschen – wieder eine Chance bekommt und auch das Gute in uns
wieder wachsen kann. Und das Gute, das kommt immer wieder, wie die
Liebe – wenn wir es denn wollen. Vergeben wir also unseren
Schuldigern. Versuchen wir denen zu vergeben, die uns wehgetan haben.
Und versuchen wir denen zu vergeben, die uns ungerecht behandelt haben.
Und wenn wir selbst schuldig geworden sind, müssen wir das uns
zuallererst einmal eingestehen. Denn damit fängt alles an. Um dann
unsere Schuld abzutragen, braucht es meist Mut. Egal ob das eine Bitte
um Verzeihung ist oder das Angebot, dem anderen zu helfen. Vergessen wir
dabei nicht, dass wir Gott um Vergebung unserer Schuld bitten dürfen.
Und das wir mit der Hoffnung leben, dass uns unsere Schuld von Gott
tatsächlich vergeben wird – durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen
Jeder, der meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn das Haus war auf Fels gebaut. Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute. Als ein Wolkenbruch kam und die, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.
Liebe Gemeinde, heute fragen wir uns: Wie soll das weitergehen und wo wird das enden? Jetzt, wo die Welt aus den Fugen geraten ist. Und dieses Mal nicht irgendwo auf der Welt, sondern in Europa, in der Ukraine. Ein friedliebendes Land, das bei seiner Gründung dafür sogar die auf seinem Boden befindlichen Atomwaffen abgegeben hat. Im Gegenzug wurde der Ukraine volle Selbstständigkeit und Souveränität per Vertrag zugesichert. Diesen Vertrag hat auch Russland unterschrieben, aber 2014 mit der Annexion der Krim zum ersten Mal gebrochen.
Aktuell ist es inzwischen über 5 Wochen her, dass die Ukraine von über 100.000 russischen Soldaten mit modernstem Kriegsgerät überfallen wurde. Die Brutalität dessen, was in der Ukraine an Schrecklichem passiert, übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Die Zahl der Toten und Verwundeten, der Flüchtenden und schon Geflohenen ist genauso furchtbar groß wie die Zahl der Menschen, deren Zuhause zerbombt wurde und die alles Hab und Gut verloren haben.
Und die Folgen des Krieges bekommen auch andere Länder zu spüren. Angefangen von den armen Ländern der Erde. Armut bedeutet dort nicht nur eine zeitweilige Abnahme der Nudel- und Klopapierberge wie bei uns. Nein, dort werden eigentlich schon fast verbannte Hungersnöte wieder sehr real. Aber auch bei uns gibt es berechtigte Angst und Unsicherheit, Ratlosigkeit und Verärgerung. Angefangen von der noch nicht erledigten Corona Pandemie, steigender Inflation, stark gestiegener Kraftstoff- und Heizungskosten bis hin zu den noch nicht einzuschätzenden Folgen, wenn der Krieg in der Ukraine so weitergeht. Uns bewegen wie seit langem nicht mehr bange Fragen: Was erwartet uns noch? Wie soll das alles weiter gehen? Woran können wir uns festhalten? Was ist denn jetzt noch sicher? Worauf können wir uns noch verlassen?
Worauf wir uns, liebe Gemeinde, verlassen können, das ist Gottes Wort und das, was er uns durch Jesus sagt. Der Glaube daran ist für uns Halt und Richtschnur, Schutz und Hoffnung bis über unseren Tod hinaus. Darauf können wir bauen und darauf können wir aufbauen – in guten wie in schlechten Zeiten. Und nicht nur, aber auch wenn wir Angst haben vor dem, was uns vielleicht noch erwarten könnte.
Nun reicht es nicht, dass uns Jesus etwas sagt. Wir müssen es auch hören. Genauer: Wir müssen es auch hören wollen und in uns aufnehmen. Worauf es weiterhin ankommt und warum das so ist: Das sagt uns Jesus im Predigttext aus dem Matthäus-Evangelium im 7. Kapitel. Ich lese den Text in der Einheitsübersetzung:
Jeder, der meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn das Haus war auf Fels gebaut. Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute. Als ein Wolkenbruch kam und die, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.
Dieser Predigttext ist von einer Klarheit und Gewissheit, dass er auch von uns Nichttheologen sofort verstanden wird. Hören und Tun gehören für Jesus zusammen wie ein stabiles Fundament zu einem Haus. Und ob ein Fundament für ein Haus oder das Haus selbst genügend stabil sind, zeigt sich dann, wenn das Haus und/oder sein Fundament sozusagen von außen angegriffen werden. Das von Jesus gewählte Beispiel für so einen Angriff ist genial. Wird ein Haus in einem Krieg wie jetzt in der Ukraine zerstört, ist es egal, ob das Haus auf Sand oder auf Beton oder auf einem Felsen steht. Aber wenn – wie im Predigttext beschrieben - ein Wolkenbruch kommt und die Wassermassen heranfluten oder Stürme toben und an dem Haus rütteln: Ja, dann machten Sand oder Felsen zu Jesu Zeiten den feinen Unterschied aus.
Liebe Gemeinde, unser Predigttext steht interessanterweise am Schluss der Bergpredigt. In der Bergpredigt sagt uns Jesus, was ihm wichtig ist. Genauer: Was ihm für uns wichtig ist. Welches Handeln von uns Jesus wichtig ist. Ich nenne hier die Seligpreisungen und das Vaterunser, was er uns von der Feindesliebe erzählt oder vom Töten, Ehebrechen, Schätze sammeln und so weiter. Und am Schluss dann wie gesagt unser Predigttext mit seiner Aufforderung, nicht nur auf ihn zu hören, sondern auch danach zu handeln. Denn für Jesus gehören – nicht nur in seiner Bergpredigt - der Glaube, das Hören oder Lesen und das Handeln zusammen.
Jesus nennt das Hören und das danach handeln klug. Hören und nicht danach handeln dagegen dumm oder töricht. Jesus spricht im Predigttext also nicht von richtig oder falsch. Und auch nicht bei den Männern, die ihr Haus mit oder ohne festes Fundament bauen, von faul oder fleißig. Das sollte uns schon zu denken geben, dass es Jesus klug nennt, wenn wir nach seinen Worten handeln. Denn dann müsste es ja für uns einen Vorteil haben oder für uns gut sein. Und das ist es ja auch: Wenn ich jemanden etwas Gutes tue, dann tut es nicht nur ihm, sondern auch mir gut. Oder wenn ich jemanden helfe, dann ist ihm, aber auch mir geholfen.
Ich denke mir, über eines sind wir uns einig: Je schlechter es jemand geht, umso leichter fällt es uns ihm zu helfen. Oder positiv gesagt: umso lieber helfen wir. Ich habe vorhin nicht ohne Grund so viel über den schrecklichen Krieg in der Ukraine erzählt. Wieviel Not und Elend und wieviel Leid er den Menschen bringt. Wenn wir unseren Glauben an Jesus ernst nehmen. Wenn wir auf das hören, was uns Jesus zum Beispiel in seiner Bergpredigt sagt: Dann ist uns heute für unser Handeln etwas von Jesus mit auf den Weg gegeben: Helfen wir dort, wo es Not tut und wir helfen können. Oder wie wir es in der Bergpredigt lesen können: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Matthäus 11, 28–29 • Jesu Einladung
Predigt am 21.06.2020 • 2. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Siebenlehn
Liebe Gemeinde,
der Predigttext ist ein Teil des Evangeliums für diesen Sonntag, das wir vorhin gehört haben. Jesus sagt uns dort: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig
und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und
lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet
ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Jesus macht uns hier ein Angebot: Kommt her zu mir.
Das ist keine Forderung. Es ist nicht einmal eine Aufforderung an uns
im Sinne von: Nun kommt aber mal her zu mir. Es ist eine Einladung, die
hier Jesus ausspricht.
Wenn wir jemanden zu uns einladen, dann ist das eine freundliche Geste.
Es ist eine Geste gegenüber denjenigen, die uns vertraut sind und denen
wir vertrauen. Es ist aber auch eine Geste gegenüber Menschen, an denen
wir interessiert sind oder die uns wichtig sind. Schließlich lernen wir
jemanden viel besser kennen, wenn wir ihn zu uns einladen. Eine
Einladung ist letztendlich eine Geste gegenüber denjenigen, deren Nähe
wir suchen, denen wir nahe sein wollen. Eine Einladung ist deshalb im
Leben etwas Wichtiges: Wer jemand zu sich einlädt oder sich von Jemanden
einladen lässt, der ist bereit, sich ihm zu öffnen.
Das alles steckt nun auch in Jesu Einladung an uns. Denn, liebe
Gemeinde: Wir sind diejenigen, die Jesus einlädt. Im Predigttext sagt
Jesus nun nicht nur: Kommt her zu mir, sondern: Kommt alle her zu mir.
Das heisst, eingeladen sind nicht nur die, die Jesus nahe stehen und
die an Jesus als Gottes Sohn glauben. Sondern auch die, die mit Jesus
nichts zu tun haben wollen, die vielleicht vorher noch nie etwas von ihm
gehört haben. Jesus lädt alle Menschen ein: Egal, ob jemand arm oder
reich ist, krank oder gesund, stark oder schwach, alt oder jung. Auch
die Glücklichen und Erfolgreichen gehören genauso dazu wie die Traurigen
oder Trauernden, die einen lieben Menschen verloren haben. Zu allen
sagt Jesus: Kommt her zu mir.
Nun heisst es Im Predigttext weiter: Kommt zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid,
wie es Martin Luther übersetzt hat. Moderne Übersetzungen machen
deutlich, was mit dem „Mühselig und beladen sein“ bei Luther gemeint
ist. In der Einheitsübersetzung können wir zum Beispiel lesen: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und eine schwere Last zu tragen habt.
Einige werden sich jetzt fragen: Ruft denn Jesus hier gar nicht alle,
sondern nur die, die sich plagen und eine schwere Last tragen müssen?
Hier wollen wir inne halten. Denn was heisst das: Sich plagen und eine
schwere Last tragen? Zunächst gehört beides zusammen und betrifft –
wie wir alle wissen – ganz vieles in unserem Alltag und in unserem
Leben. Eine Plage kann ein Leid, eine Mühsal, eine Angst, eine Not,
eine Qual sein. Und das sich plagen oder sich plagen lassen müssen,
steht auch für behindert sein oder behindert werden; für beunruhigt sein
oder beunruhigt werden; für belästigt werden und beeinträchtigt sein.
Im Grunde genommen gehört dazu alles, was unser Leben schwer oder
schwerer macht. Und was wahrscheinlich noch viel wichtiger ist: Nämlich
alles das, was und womit wir selbst unser Leben schwer machen. Wo also
unser eigenes Verhalten dazu führt, dass uns unser Leben zur Last wird.
Und wo durch unser Verhalten anderen ihr Leben zur Last wird. Und davon
ist niemand ausgenommen. Das erleben wir alle. Das erleiden wir durch
andere und durch uns selbst. Und das erleiden genauso die anderen durch
eigenes Verhalten und durch das, was wir ihnen antun. Jeus sagt also zu
Recht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.
Jesu Einladung, liebe Gemeinde, ist nun kein Selbstzweck, sondern hat
ein Ziel. Und dieses Ziel ist etwas Gutes, etwas Gutes für uns. Etwas,
dass uns und anderen hilft, mit den Widrigkeiten des Lebens besser
fertig zu werden. Und uns befähigt, anderen ihr Leben nicht schwerer zu
machen. Jesus sagt uns dazu im Predigttext den wunderbaren Satz: Ich will euch erquicken.
Oder modern gesprochen: Ich, Jesus, Gottes Sohn, will Eure Last
mittragen. Wir sind also nicht allein gelassen, wenn uns etwas bedrückt,
wenn es uns nicht gut geht, wenn etwas für uns nicht gut läuft, wenn
wir Angst oder Sorgen haben oder in Not sind. Das gilt aber auch, wenn
uns unsere Bosheit und fehlende Barmherzigkeit, unser Egoismus, unsere
Rücksichtslosigkeit und Gewissenlosigkeit wieder einmal bewusst werden
und wir merken, was wir damit anrichten oder angerichtet haben –
bei uns und bei anderen. Auch das ist eine Last für uns, für unser
Gewissen, und ein Grund für unsere Sorgen und Nöte.
Wenn uns Jesus diese unsere Lasten – oft sind es auch
Altlasten – mit tragen hilft, dann ist uns geholfen. Doch worin
besteht nun Jesu Hilfe? Im Predigttext sagt er uns dazu: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
Wir sollen also von Jesus etwas lernen. Und was wir von ihm lernen
sollen, das sagt er uns sehr direkt: Wir sollen von ihm lernen, gütig zu
sein, sanftmütig, von Herzen demütig.
Ich muss uns nicht sagen, dass das schwer ist und wie schwer uns das
fällt. Klar, dass wir das in vielen Fällen oft nicht schaffen oder
denken, dass wir es nicht schaffen. Und wenn wir ehrlich sind: Auch gar
nicht schaffen wollen. Aber der Lohn ist groß, wenn wir bereit sind von
Jesus zu lernen. Denn dadurch und obwohl es uns so schwer fällt, können
und werden wir Ruhe für unsere Seele und für unser Gewissen finden. Es
lohnt sich deshalb für uns schon, einmal darüber nachzudenken.
Vielleicht fällt uns das leichter, wenn wir darüber nachdenken, was das
Gegenteil von dem ist, was wir bei Jesus lernen sollen: Wenn wir also
wieder einmal bösartig, egoistisch, gewissenlos, aufbrausend oder
rechthaberisch sind oder es waren oder es sein wollen. Ich wünsche uns
deshalb, dass wir Jesu Einladung an uns annehmen können und annehmen
wollen. Denn damit fängt alles an, wenn Jesus zu uns sagt: Kommt her zu mir, alle.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Erinnern • Matthäus 13, 24–30
Predigt am 31.12.2014 • Silvester • Kirche Bieberstein
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Matthäusevangelium im 13. Kapitel: Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor
und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf
seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte
Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Saat wuchs und
Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte zu
dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen
Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat
ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir
hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein! Damit ihr nicht zugleich den
Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides
miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den
Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel,
damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.
Heute ist Silvester, der letzte Tag im Jahr. Dieser letzte Tag ist wie
kein zweiter Tag im Jahr ein Tag des Erinnerns. Was geht uns da nicht
alles durch den Kopf. Was wir für Sorgen hatten. Wie denn die
Familienfeier gewesen ist, auf die wir uns vorher so lange vorbereitet
hatten. Und natürlich werden wir auch von anderen gefragt, was in diesem
Jahr alles passiert ist – in der Familie, im Ort, in der Welt. Wir
alle haben ja viel erlebt im zu Ende gehenden Jahr 2014. Dabei merken
wir – und das nicht nur im vorgerückten Alter: Wir können uns an
vieles nicht mehr so richtig erinnern. Oft auch dann nicht, wenn wir
selbst bei etwas dabei waren. Oder wenn es uns selbst betroffen hat. Und
das – unser – Vergessen bezieht sich natürlich auch auf das,
was anderen, hier im Ort oder in der großen, weiten Welt passiert ist.
Und oft haben wir auch nur eine gefühlte Erinnerung: Wir sind dann davon
überzeugt, wie etwas gewesen ist, zum Beispiel welche Farbe ein Mantel
hatte, der ich mir dann doch nicht gekauft habe. Und trotzdem kann dann
diese unsere gefühlte Erinnerung von dem abweichen, was wir tatsächlich
erlebt haben.
Weil das alles so ist: Sollten wir nicht besser aufhören, uns an etwas
erinnern zu wollen? Zum Beispiel heute zu Silvester. Nein, liebe
Gemeinde. Wer fast alles vergisst, weil er krank ist. Oder wer alles
vergessen will, weil er zu seinem Leben nicht mehr steht, der ist arm
dran. Auch wenn wir uns nicht mehr alles genau gemerkt oder etwas ganz
vergessen haben: Das, was uns als Erinnerung bleibt, das ist ein Schatz
in uns und für uns. Unsere Erinnerungen kann uns niemand nehmen. Sie
gehören wie weniges tatsächlich uns. Das ist unser Eigentum. Das ist
das, was wir zum Beispiel vom alten Jahr in das neue Jahr mitnehmen
können. Und da ist es natürlich nicht nur wichtig, warum und wie sehr
wir uns etwas gemerkt haben. Sondern: Was habe ich mir denn gemerkt vom
vergehenden Jahr. Woran erinnere ich mich heute zu Silvester. Am Ende
eines Jahres. Am Ende dieses Jahres 2014.
Was so alles in der Welt im Jahr 2014 passiert ist, darüber werden wir
auf allen Fernsehkanälen und in allen Zeitungen informiert. Vom
Fußballweltmeister Deutschland bis hin zu den schrecklichen Dingen
weltweit. Aber woran denken wir sozusagen bei einem ganz persönlichen
Jahresrückblick? Wahrscheinlich sind es zunächst die Höhepunkte im Beruf
oder in der Familie im guten wie im schlechten Sinne. Zum Beispiel eine
Hochzeit oder eine schlimme Krankheit oder gar ein Todesfall. Wir
denken an das, wobei wir Glück oder Pech hatten, wo uns einer geholfen
hat. Oder auch, wo uns jemand übel mitgespielt hat. Wir denken an unsere
großen und kleinen Niederlagen, an unsere Erfolge. Und wir erinnern uns
auch gern an Situationen, in denen wir selbst etwas Gutes getan haben.
Wo wir anderen helfen konnten.
Wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind: Bei keinem von uns ist alles
schlecht oder alles gut gewesen. Sondern wir haben beides erlebt: Gutes
und Schlechtes. Und oft lag beides dicht beieinander. Das gilt für
vieles, was wir erlebt haben. Und das gilt auch für vieles, was wir
selbst getan haben. Oft ist uns das nur fast gut gelungen – auch
wenn wir uns bemüht haben. Und zum Glück ist fast nichts nur schlecht
gewesen. Dieses Zusammengehören von guten und schlechten Erlebnissen,
von guten und weniger guten Ergebnissen, von guten und schlechten
Erfahrungen: Davon handelt auch der Predigttext, das Gleichnis vom
Unkraut unter dem Weizen.
Jesus erzählt oft vom Himmelreich. Und das tut er so, dass ihn alle
verstehen können. Damals vor 2.000 Jahren und auch wir heute. Jesus
erreicht das nicht durch viel Theorie oder Wissenschaft, sondern durch
Gleichnisse. Gleichnisse, in die er einbaut, was alle kennen. Eben
heute: Unkraut im Weizen. Dazu ein Bauer, seine Knechte und ein Feind
des Bauern. Und was ist passiert? Der Bauer säht guten Weizen auf sein
Feld. Als die Saat aufgeht, wächst zwischen den Weizenpflanzen auch jede
Menge Unkraut. Wer von Ihnen einen Garten hat oder in der
Landwirtschaft beschäftigt ist, weiß, wie ärgerlich das ist. Die Knechte
des Bauern sehen natürlich auch das Unkraut und wollen von ihm wissen,
woher das Unkraut kommt und ob sie das Unkraut gleich heraus reißen
sollen, damit es nicht erst groß wird. Und der Bauer? Das Unkraut sei
kein Zufall, sondern wurde von seinem Feind heimlich auf den Acker
gesät. Und: Nein, das Unkraut wird jetzt nicht herausgerissen, damit die
kleinen Weizenpflanzen nicht beschädigt werden. Und am Schluss sagt der
Bauer seinen Knechten, ich zitiere: Lasst
beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich
zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in
Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine
Scheune.
In der Erzählung Jesu „vom Unkraut im Weizen“ geht es nicht um zwei
Pflanzenarten, sondern es geht um das Gute und um das Böse. Das
Gute – dafür steht als Sinnbild der Weizen, und das Böse oder
Schlechte – dafür steht als Sinnbild das Unkraut. Das war vor
2.000 Jahren noch anschaulicher als heute. Denn Getreide war damals
das Grundnahrungsmittel schlechthin. Und beim damaligen Stand der
Landwirtschaft und der damaligen Saatgutqualität werden die Felder
anders ausgesehen haben als heute. Der Unkrautanteil dürfte jedenfalls
hoch gewesen sein. Entscheidend ist nun, dass das Gute und das Schlechte
auf dem Feld gemeinsam vorkommen. Und zwar nicht so, dass auf einem
Teil des Feldes das Unkraut wächst und auf dem anderen Teil des Feldes
der Weizen. Nein, beide sind schön gleichverteilt über das ganze Feld.
Und das, genau das gilt auch für das Gute und das Schlechte in der Welt,
das Gute und das Böse in uns. In unser aller Leben gehören Gutes und
Schlechtes zusammen. Es gehört zusammen bei dem, was wir erleben. Es
gehört zusammen bei dem, was wir denken oder tun. Bei uns, in uns zeigt
sich dieses Beisammensein darin, dass wir manchmal sowohl richtig böse
als auch richtig gut sein können. Meistens wirkt in uns beides. Denn
beide Seiten sind immer da – in uns. Wir sind so angelegt. Besser
gesagt: Gott hat uns die unfassbar große Freiheit gegeben, dass wir uns
selbst für das Gute oder das Böse entscheiden können. In unseren
Gedanken, Worten und Werken. In jeder Situation. Zu jeder Zeit. Immer
wieder – unser ganzes Leben lang. Denn wie heißt es im Predigttext:
Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte.
Der Bauer im Gleichnis ist Gott selbst und wir sind diejenigen, denen
das Gleichnis gesagt wird: Erst wenn unsere Zeit hier auf Erden zu Ende
ist, wird das Gute vom Bösen getrennt. Und dann wird sich zeigen, ob wir
uns in unserem Leben mehr für das Gute oder mehr und öfter für das Böse
entschieden haben. Das Ende des alten Jahres ist ein guter Zeitpunkt,
um Bilanz zu ziehen, wie das 2014 gewesen ist. In der Predigt wurde
nicht ohne Grund so viel über das Erinnern gesprochen – gerade zu
Silvester. Denn die Erinnerung an das Jahr 2014 brauchen wir, wenn wir
im neuen Jahr etwas besser machen wollen.
Auch wenn Gutes und Schlechtes in unserem Alltag miteinander verbunden
sind: Wir sollen am Guten festhalten. Das heißt wir sollen uns nicht
davonstehlen, bloß weil wir glauben, nichts gegen das Böse tun zu
können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Dies ist mein lieber Sohn • Matthäus 17, 1–9
Predigt am 25.01.2015 • Letzter Sonntag nach Epiphanias • St. Johannis Freiberg
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich
Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein
auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein
Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das
Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit
ihm. Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein!
Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und
Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine
lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein
lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Als das
die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und
fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand
als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus
und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der
Menschensohn von den Toten auferstanden ist.
Liebe Gemeinde, im heutigen Predigttext passiert ungeheuer viel. Wir
haben es gerade im Evangelium gehört, das gleichzeitig der Predigttext
für diesen Sonntag ist. Ich will versuchen, das Geschehen nochmals mit
meinen Worten zu beschreiben: Jesus will drei ausgewählten Jüngern etwas
zeigen. Er steigt deshalb mit ihnen – den drei Jüngern – auf
einen hohen Berg. Oben angekommen, wird Jesus verklärt und außerdem
erscheinen Elia und Mose. Petrus – ein Handwerker und ein Mann der
Tat – will sofort für jeden eine Hütte bauen. Warum und wofür wird
uns nicht gesagt. Dafür berichtet der Predigttext, dass Gott aus einer
Wolke heraus sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Auf ihn sollt ihr hören.
Als das die Jünger hören, erschrecken sie sehr, lassen sich auf den
Boden fallen und bedecken ihr Gesicht. Jesus aber tritt zu ihnen, rührt
sie an und spricht: Steht auf und fürchtet euch nicht.
Jesus holt also seine Jünger wieder in die Wirklichkeit zurück. Denn
als sie aufsehen, erblicken sie nur Jesus und der sieht wieder ganz
normal aus. Das heißt so, wie sie ihn als ihren Herrn und Meister
kennen. Schließlich steigen sie mit Jesus wieder den Berg hinab zu den
anderen Jüngern.
Beim Abstieg, als Jesus mit seinen Jüngern noch allein war, sagt er
ihnen das Gleiche, was er nach fast jedem Wunder fordert, das mit seiner
Person zusammenhängt. Nämlich: Erzählt jetzt niemanden davon. Das ist
insofern erstaunlich, da das ja auch die anderen Jünger betrifft, die
nicht mit auf dem Berg waren. Und die deshalb im Predigttext weder von
der Verklärung Jesu noch von Gottes Wort erfahren. In den Kapiteln der
Bibel, die auf den heutigen Predigttext folgen, scheinen die drei Jünger
im Übrigen zum Alltag übergegangen zu sein. Ob das nur eine Folge von
Jesu Redeverbot war oder die drei Jünger die Tragweite des Erlebten
vielleicht doch nicht ganz erfasst hatten. Ich weiß es nicht. Soviel zum
Ende der Geschichte. Also dem Abstieg vom Berg nach dem großen Erlebnis
und das Zurückkehren in die Mühen der Ebene.
Begonnen hat das Ganze mit einem Aufstieg. Hier mit dem Aufstieg auf
einen Berg. Das ist wie bei uns: Wenn wir etwas Großes vorhaben, wenn
wir etwas Großes erwarten. Etwas, das über unseren Alltag weit
hinausreicht. Dann beginnt auch bei uns etwas wie das Bergsteigen –
mühsam, aber in froher Hoffnung. Weihnachten ist dafür ein gutes
Beispiel. Und zwar nicht nur Weihnachten als Geburtstag unseres Herrn
Jesus Christus, sondern genauso Weihnachten als Familienfeier. Was wird
hier nicht alles geleistet für das Fest. Wer ein schönes Fest feiern
will, muss vorher dafür etwas tun. Genauso wie ein Bergsteiger, der zum
Gipfel will. Der Berg als Ort und Symbol des Aufstiegs: Hier geht es
nicht nur um das äußere Aufsteigen, bei dem mit zunehmender Höhe auch
die sichtbare Weite und Schönheit der Natur und Gottes Schöpfung
deutlich wird. Es geht auch um ein inneres Aufsteigen. Das heißt das
Zurücklassen des Alltags und die Erfahrung einer inneren Höhe, die wie
eine Befreiung wirken kann.
Und auf dem Gipfel dann der Höhepunkt: Über uns nur der Himmel und rings
um uns die Bergwelt oder eine Welt, die uns scheinbar zu Füßen liegt.
Im Predigttext erleben nun die Gipfelstürmer als Gipfelerfahrung etwas
ganz anders Großartiges: Jesus wird verklärt, wie es Martin Luther
übersetzt hat. Die damaligen nachösterlichen Gemeinden haben Jesus als
Sohn Gottes erkannt und anerkannt. Die Evangelisten machen das an vielen
Beispielen deutlich. Die Verklärung von Jesus im heutigen Predigttext
ist ein solches Beispiel. Und zwar eines, das frühzeitig eine besondere
Bedeutung für die Gemeinden hatte. Das erklärt auch, warum die
Geschichte in den Evangelien von Matthäus, Marcus und Lukas überliefert
ist. In der Theologie ist die Verklärung von Jesus Christus ein
Offenbarungsereignis, das nach dem Zeugnis der Evangelien drei Apostel
mit Jesus Christus erlebten, als sie ihn in besonderer, verklärter Form
sahen.
Das alles ist sicher interessant, aber viel wichtiger für uns ist das,
was dabei gesagt wurde. Das ist die eigentliche frohe Botschaft –
nicht nur für diesen Sonntag. Denn Gott, der Vater und Schöpfer des
Himmels und der Erde sagt über Jesus zwei Sätze. Erstens: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Diese für unseren christlichen Glauben entscheidende Aussage ist die
wörtliche Wiederholung dessen, was Gott schon zu Jesu Taufe gesagt
hatte. Eine Aussage, die diesen Jesus von Nazareth zu Gottes Sohn macht
und die in der Auferstehung von Jesus Christus ihre Erfüllung findet.
Und zweitens sagt Gott: Auf ihn, das heißt auf diesen Jesus von Nazareth – sollt ihr hören.
Ja, liebe Gemeinde, wir sollen auf das hören, was uns Jesus zu sagen
hat: In der Bibel und in unserem Gewissen. Sie wissen schon: Die Frage
aller Fragen: Was würde Jesus dazu sagen. Zu dem, was wir tun. Zu dem,
was wir nicht tun, obwohl wir es tun müssten. Zu dem, was wir sagen und
was wir denken. Mit dem Hören auf Jesus: Damit fängt vieles an. Und das
ist deshalb genau das, was wir wieder mehr und neu lernen müssen. Nicht,
um irgendjemand einen Gefallen zu tun. Sondern, weil es für uns selbst
gut ist.
Wir haben es schon gehört: Jesus selbst kommt in unserem Predigttext
auch noch zu Wort. Und zwar unmittelbar nach der Aufforderung Gottes,
auf Jesus zu hören. Jesus sagt zu seinen drei Jüngern: Steht auf und fürchtet euch nicht.
Das ist natürlich ein Wort Jesu an seine Jünger in einer konkreten
Situation. Denn diese Jünger lagen einigermaßen verstört am Boden,
nachdem sie Gottes Stimme gehört hatten. Sie waren furchtbar erschrocken
und hatten ganz einfach große Angst. Aber Jesus findet auch mich –
heute – in meiner konkreten Situation. Wenn ich am Boden liege,
weil sich zum Beispiel eine Hoffnung zerschlagen hat. Wenn ich ratlos
bin oder Angst habe, weil ich zum Beispiel nicht weiß, was mich
erwartet.
Steh auf und fürchte dich nicht. Das ist Lebenshilfe für jedermann. Beim
„Steh auf“ geht es nicht nur um das Aufstehen am frühen Morgen. Oder
wenn wir es uns gerade gemütlich gemacht haben, obwohl die Pflicht ruft.
Nein, das Wort „Steh auf“ ist eine Aufforderung an uns zum aufrechten
Gang. Es ist die Aufforderung an uns, sich ein Herz zu fassen, dort, wo
es notwendig ist. „Steh auf“ ist das richtige Wort zum Mut fassen, vor
allem zum wieder Mut fassen. Aufstehen heißt aber auch, sich auf den Weg
machen.
Auch das Richtige und Entscheidende zum Mut fassen, zum Weitergehen, zum
nicht einfach Wegducken, das hat Jesus damals seinen drei Jüngern
gesagt und das sagt er uns auch heute: Habt keine Angst. Oder wie es im
Predigttext heißt: Fürchtet euch nicht. Darauf sollen wir hören, wir
haben es gehört. Und darauf können wir vertrauen, denn wir haben seine
Zusage: Ich bin bei euch, bis an der Welt Ende.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Wie wir vergeben unseren Schuldigern • Matthäus 18, 21–35
Predigt am 28.10.2018 • 22. Sonntag nach Trinitatis) • Petrikirche Freiberg
Predigt am 04.11.2018 • 23. Sonntag nach Trinitatis) • Stadtkirche Siebenlehn
Liebe Gemeinde, wie halten Sie es, wie halten wir es mit dem Thema
Vergebung. Vergebung, das klingt gut und das ist auch gut. Denn wo und
wenn es keine Vergebung gibt, sieht es immer schlecht aus. Und das
wissen wir auch. Nur: Handeln wir auch danach? Sind wir also bereit,
anderen zu vergeben? Und zwar so sehr, wie wir das von anderen uns
gegenüber erwarten? Ja, erwarten. Eigentlich innerlich sogar einfordern.
Und das umso mehr, je mehr das jemand tun müsste uns gegenüber. Und da
ist es im Übrigen oft ganz egal, ob es tatsächlich einen Grund zum
Vergeben, zum Verzeihen gibt oder ob wir uns das nur einbilden. Bevor
Sie jetzt innerlich abwinken, stelle sich doch jeder von uns einmal die
Frage: Wann habe ich das letzte Mal jemand um Verzeihung gebeten, wenn
ich ihm wehgetan oder einfach nur beschwindelt habe?
Noch einmal: Wie halten wir es mit der Vergebung? Ist im Alltag für
uns – für unser Leben – Vergebung überhaupt noch wichtig?
Brauchen wir das – die Vergebung, das Verzeihen? Oder ist das nicht
ein alter Zopf, der nicht mehr so richtig in unsere moderne und
schnelllebige Zeit passt? Vergebung, liebe Gemeinde, ist kein alter
Zopf – auch wenn wir das im Alltag oft genug aus den Augen
verlieren. Solange es Liebe und Hass, Egoismus und Barmherzigkeit gibt:
Solange wird es Vergebung geben. Noch viel mehr: Solange es Liebe und
Hass, Egoismus und Barmherzigkeit gibt, solange sind wir auf Vergebung
angewiesen. Vergebung, die wir selbst brauchen, genauso wie die
Vergebung, die wir anderen schenken.
Und damit sind wir schon mitten drin im Predigttext, den wir vorhin als
Evangelium für diesen Sonntag gehört haben und den Martin Luther unter
die Überschrift „Von der Vergebung“ gestellt hat. Jesus erzählt dort
eine Geschichte, ein Gleichnis, in dem es um Menschen geht, die Schulden
gemacht haben. Und was dann daraus folgt, ist – wie ich
finde – eine besonders spannende Geschichte. Dabei fängt alles ganz
harmlos an. Ich zitiere: Da wandte sich
Petrus an Jesus und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder
vergeben, wenn er immer wieder gegen mich sündigt? Siebenmal? Nein, gab
Jesus ihm zur Antwort, nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.
Die Jünger werden Jesus damals genauso erstaunt angesehen haben, wie wir
uns heute wundern. Wir sollen jemanden, der uns etwas schuldig ist,
nicht nur einmal vergeben, wie wir denken würden. Sondern oft, sehr oft,
das heißt, immer wieder. Und das nicht nur siebenmal, wie Petrus
vermutet, sondern 77mal. Um das besser zu verstehen, erzählt Jesus
seinen Jüngern und auch uns heute sein Gleichnis von der Vergebung. Ich
lese den Text, den wir vorhin gehört haben, noch einmal in einer
modernen Übersetzung: Im Himmelreich ist es wie mit einem König,
der mit den Dienern, die seine Güter verwalteten, abrechnen wollte.
Gleich zu Beginn brachte man einen vor ihn, der ihm zehntausend Talente
schuldete. Und weil er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit
Frau und Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen und mit dem Erlös
die Schuld zu begleichen. Der Mann warf sich vor ihm nieder und bat auf
den Knien: Hab Geduld mit mir! Ich will dir alles zurückzahlen. Da
hatte der Herr Mitleid mit seinem Diener; er ließ ihn frei, und auch die
Schuld erließ er ihm.
Ja, so ist unser Jesus: Jemand hat Schuld auf sich geladen, die er aus
eigener Kraft nicht mehr aus der Welt schaffen kann. Er bittet deshalb
um Vergebung und ihm wird vergeben. Und so soll es – wenn es nach
Jesu Willen geht – auch bei uns sein: Wer Schuld auf sich geladen
hat, soll diese Schuld eingestehen und um Vergebung oder um Verzeihung
bitten. Und diese Bitte soll angenommen und auch erfüllt werden. Wem
dieser Text zu weltfremd oder zu wohlfühlend ist, der sei an Menschen
erinnert, die einander in Liebe zugetan sind. Aber die Geschichte geht
ja noch weiter. Und hier werden wir gleich hören, dass Jesus nicht nur
die Liebe und das Vergeben zwischen uns Menschen kennt. Nein, Jesus weiß
auch um die Abgründe, die sich in uns Menschen auftun können.
Im Predigttext wird uns dazu gesagt: Doch
kaum hatte der Mann das Zimmer seines Herrn verlassen, da traf er einen
anderen Diener, der ihm hundert Denare schuldete. Er packte ihn an der
Kehle, würgte ihn und sagte: Bezahle, was du mir schuldig bist! Da warf
sich der Mann vor ihm nieder und flehte ihn an: Hab Geduld mit mir! Ich
will es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht darauf eingehen, sondern
ließ ihn auf der Stelle ins Gefängnis werfen, wo er so lange bleiben
sollte, bis er ihm die Schuld zurückgezahlt hätte.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Einem Diener des
Herrn werden alle seine Schulden erlassen und er wird auch nicht mit
seiner Familie verkauft. Was zu Jesu Zeit praktisch hieß: Verkauf der
ganzen Familie in die Fremde in eine lebenslange Sklaverei, aus der es
kein Entrinnen mehr gab. Und wenige Augenblicke, nachdem er der
Sklaverei entronnen war und nicht einmal seine Schulden bezahlen musste:
Da kennt er selbst keine Gnade: Er ist nicht einmal bereit, eine kurze
Zeit zu warten, in der ihm der 2. Diener sein Geld zurückgeben
will. Stattdessen lässt er ihn sofort ins Gefängnis stecken, bis er
seine Schuld bezahlt hätte. Wir haben es soeben gehört. Und das
Schlimmste dabei: Ein Gefängnis war damals kein Ort, wo sich Geld
sammeln ließ, um seine Schulden abzuzahlen. Das heißt nicht mehr und
nicht weniger: Lebenslange Haft, ohne seine Familie wieder sehen zu
können. Das alles ist so grausam und auch fast nicht vorstellbar. Und
doch gibt es das, solange es den Menschen gibt. Jesus weiß, was ein
Mensch einem anderen Menschen antun kann.
Zum Glück – oder besser: Gott sei es gedankt: Bei Jesus hat das
Böse, ein böser und nicht zur Vergebung bereiter Mensch nie das letzte
Wort. Und so ist es auch im heutigen Predigttext. Denn dort erzählt uns
Jesus weiter: Als die anderen Diener das
alles sahen, waren sie entsetzt. Sie gingen zu ihrem Herrn und
berichteten ihm alles. Da ließ sein Herr ihn kommen und sagte zu ihm: Du
böser Mensch! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich
angefleht hast. Hättest du da mit jenem anderen Diener nicht auch
Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und voller
Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm alles
zurückgezahlt hätte, was er ihm schuldig war.
Und zum Schluss sagt uns Jesus nach seinem Gleichnis: So
wird auch mein Vater im Himmel jeden von euch behandeln, wenn ihr
einander – Euren Brüdern und Schwestern – nicht von Herzen
vergebt. Jesus geht also noch einen großen Schritt weiter: Wir
sollen allen, die uns gegenüber Schuld auf sich geladen haben, von
Herzen vergeben.
Jesus weiß natürlich, wie schwer uns das Vergeben von Schuld fällt. Und
dass es uns noch schwerer fällt, eine Schuld von Herzen zu vergeben. Und
das immer wieder. 77mal hat er als Beispiel seinen Jüngern gesagt. Weil
das alles so ist, hat uns Jesus im Vaterunser zur Vergebung zwei Bitten
zu beten gelehrt: Bitte, Vater im Himmel, vergib uns unsere Schuld.
Und: Bitte hilf uns, dass auch wir unseren Schuldigern vergeben können.
Ja, Jesus, Du wahrer Mensch und wahrer Gott: Hilf uns. Und bleib mit
deiner Gnade auch dann bei uns, wenn wir wieder einmal nicht vergeben
können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Von den Arbeitern im Weinberg • Matthäus 20, 1–16
Predigt am 12.02.2017 • Septuagesimae • Petrikirche Freiberg
Denn das Himmelreich gleicht einem
Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen
Weinberg. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen
Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er
ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müßig stehen
und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch
geben, was Recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die
sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde
aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht
ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand
angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als
es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter:
Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis
zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und
jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die Ersten kamen, meinten
sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen
Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den
Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet,
doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die
Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen:
Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig
geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich
will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht
Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum
scheel, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die
Ersten die Letzten sein.
Liebe Gemeinde, woran denken wir, wenn uns die Frage umtreibt, ob etwas
gerecht oder ungerecht ist. Sei es im Beruf, in der Schule oder bei der
Rente, Sei es beim Wunsch, einen Partner oder ein Kind zu bekommen. Sei
es bei der Wohnung oder beim lieben Geld. Um nur einige wenige Beispiele
zu nennen. Im persönlichen Bereich geht es eigentlich meist um die
Frage: Ist es gerecht oder ungerecht, dass es mir besser oder schlechter
als jemand Anderem geht. Und zwar vor allem dann, wenn ich mich zu
Recht oder vielleicht auch zu Unrecht mit dem Anderen vergleiche. Wie
ist das bei uns: Finden wir es ungerecht, wenn es uns besser geht als
Anderen? Oder finden wir es nur ungerecht, wenn es uns schlechter geht
als Anderen.
Ganz anders sieht es aus, wenn wir uns ansehen, was in der großen,
weiten Welt passiert und wie ungerecht es dabei zugeht. Das Fernsehen
bringt uns ja Tag für Tag die Bilder dazu in unser Wohnzimmer. Und
trotzdem: Manche interessiert das herzlich wenig. Es sei denn, sie sind
davon selbst betroffen. Aber stellen sie sich vor, von uns würde
verlangt, dass wir für 1 Euro arbeiten sollen. 1 Euro! Und das
nicht für eine Stunde, sondern 1 Euro für einen ganzen Arbeitstag.
Und das unter Arbeitsbedingungen, die schon wegen des Arbeitsschutzes
bei uns verboten wären. Und solche Billiglöhne und miserablen
Arbeitsbedingungen gibt es nicht nur in sehr armen Ländern. Hier ist zum
Beispiel China zu nennen, dem es inzwischen wirtschaftlich gar nicht so
schlecht geht. Und trotzdem kann ich bei uns einen Pullover aus China
für – sagen wir – 15 Euro kaufen. Und das bei einem
Produkt, das vorher durch die halbe Welt transportiert wurde. Natürlich
finden wir das ungerecht. Aber sind wir bereit, deshalb den Pullover bei
Karstadt nicht mitzunehmen?
In der Welt gibt nun noch viel größere Ungerechtigkeiten. Die haben mit
uns nichts zu tun. Ich nenne sie hier trotzdem, weil die Folgen auch vor
unserer Haustür nicht haltmachen. Und weil ich uns Mut machen will,
weiterhin mit unserer Spende etwas gegen die Not in der Welt zu tun.
Vieles hat sich inzwischen verbessert – auch durch unsere Spenden.
Und trotzdem sind aktuell 50 Millionen Menschen von Hunger oder
schlimmer Mangelernährung bedroht. Und 65 Millionen Menschen sind
weltweit auf der Flucht. Sie fliehen vor Krieg und Terror, aus Angst
oder wegen der Lebensbedingungen, die sie für sich und ihre Kinder
aushalten müssen.
Ich kenne niemand, der die Not auf dieser Welt als gerecht bezeichnen
würde. Nur wie ist das, wenn diese Menschen plötzlich vor unserer
Haustür stehen? Es ist gut, das viele – auch in unserer
Gemeinde – das Elend nicht nur ungerecht finden. Sie tun auch etwas
für die Menschen, die vor Krieg und Terror, aus Angst oder wegen der
Lebensbedingungen aus ihrem Heimatland geflohen sind und die bei uns für
sich eine neue Heimat finden wollen. Wir sind damit nach unserer großen
Reise durch die Welt wieder bei uns angekommen. Wir haben es schon
gehört: Große Unterschiede sind für uns Unrecht. Das ist gut so.
Andererseits stören uns Unterschiede – auch wenn sie klein
sind – zu Anderen, zum Beispiel zu Nachbarn, Bekannten oder
Kollegen. Und wir empfinden sie oft auch ungerecht. Ob das überhaupt
stimmt oder oft die Unterschiede vielleicht doch berechtigt sind, ist
dabei eine ganz andere Frage.
Und damit sind wir schon mitten im Predigttext, den wir vorhin als
Evangelium für diesen Sonntag gehört haben: Nämlich der bekannten
Geschichte Von den Arbeitern im Weinberg, die uns Jesus als Gleichnis
erzählt hat.
Ein Hausherr braucht Arbeiter für seinen Weinberg. Er geht deshalb früh
zum Marktplatz. Dort warten schon die Tagelöhner darauf, dass ihnen
jemand Arbeit für diesen Tag gibt. Das Tagesgeld ist schnell vereinbart.
Jeder, der bis zum Abend im Weinberg arbeitet, soll einen
Silbergroschen erhalten. Damit kann in etwa eine Familie einen Tag lang
ernährt werden. Nun das Überraschende: Der Weinbergbesitzer geht 3, 6
und 9 Stunden später wieder zum Markt und stellt weitere Arbeiter
ein. Über ihren Lohn wird uns nichts erzählt. Und am Abend folgt die
zweite Überraschung: Die zuletzt Eingestellten bekommen ihren Lohn
zuerst. Ich frage uns: Ist das gerecht?
Und es kommt noch schlimmer: Denn nicht nur die schon früh eingestellten
Arbeiter erhalten ihren einen Silbergroschen, der vereinbart war,
sondern alle Arbeiter. D. h. alle diejenigen, die 3, 6 und sogar
9 Stunden weniger gearbeitet haben. Ich muss uns hier nicht fragen,
ob das gerecht ist. Natürlich ist das ungerecht von dem
Weinbergbesitzer. Es ist verständlich, dass die Arbeiter am meisten
unzufrieden sind, die am längsten gearbeitet haben. Heute würden sie
wahrscheinlich sagen: Gleiches Geld für die gleiche Arbeit und erst
recht für die gleiche Arbeitszeit. Und dass die Arbeit im Weinberg ein
Gleichnis dafür ist, was uns im Himmelreich erwartet, macht die Sache
nicht einfacher. Das sollen wir als gerecht empfinden?
Hier heißt es nun innehalten: Denn es ist Jesus, der uns dieses
Gleichnis erzählt. Deshalb müssen wir uns schon fragen: Warum erzählt
uns Jesus das? Und was will er uns damit sagen? Eigentlich ist das kurz
erzählt: Gottes Gerechtigkeit entspricht nicht immer dem, was wir unter
Gerechtigkeit verstehen. Gott nimmt niemanden etwas weg. Denn die am
längsten gearbeitet haben, erhalten genau das, was ihnen für ihre Arbeit
versprochen war. Und das ist gerecht. Aber Gott gibt im Himmelreich
jedem das, was er braucht. Zur Erinnerung: Der gezahlte Silbergroschen
ist genau der Betrag, den zum Leben notwendig war.
Diese Gleichbehandlung aller hat etwas mit Gottes Güte, etwas mit seiner
Barmherzigkeit zu tun. Wer – wie im Gleichnis – in seinen
Weinberg kommt, erhält den gleichen Lohn wie die Besten. Egal, wann er
kommt. Vorausgesetzt, er kommt überhaupt in Gottes Weinberg. D. h.
er ist bereit, sich von Gott in seinen Weinberg mitnehmen zu lassen. Es
ist nicht wichtig, ob wir zum Beispiel sehr früh oder erst viel später
zum Glauben an unseren Gott gekommen sind. Wichtig ist nur, dass wir
Gott vertrauen, dass wir seine Nähe suchen, dass wir an ihn glauben.
Dass wir – um beim Gleichnis zu bleiben – Gott in seinen
Weinberg folgen und Arbeiter in Gottes Weinberg werden. Und wenn uns am
Schluss des Predigttextes gesagt wird, dass die Letzten die Ersten sein
werden, dann hat auch das etwas mit Gottes Güte und mit Gottes
Barmherzigkeit zu tun. Diese Güte und Barmherzigkeit gehen weit über das
hinaus, was wir nach unseren Maßstäben von Gerechtigkeit und Belohnung
erwarten.
Unser Jesus, Gottes Sohn, war und ist für alle da. Aber er hat sich
nicht ohne Grund besonders den Zuspätgekommenen und den Sündern
zugewendet. Jesus und damit Gottes Güte und Gerechtigkeit sind für alle
da – auch für uns, die wir immer wieder sündig werden und den
Weinberg Gottes immer wieder verlassen wollen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Die ungleichen Brüder • Matthäus 21, 28–32
Predigt am 27.08.2017 • 11. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei
Matthäus im 21. Kapitel. Ich lese den Text in der
Einheitsübersetzung: Jesus fragt die Pharisäer: Was meint ihr?
Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh
und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr! ging aber nicht.
Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser
antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn und er ging doch.
Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie
antworteten: Der zweite. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, das sage ich
euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn
Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und
ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm
geglaubt. Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm
nicht geglaubt.
Was wir gerade gehört haben, ist das Gleichnis von den ungleichen Söhnen, wie es Luther genannt hat.
Ein Vater bittet seine beiden Söhne um Hilfe. Der eine Sohn sagt –
wie eigentlich zu erwarten: Selbstverständlich helfe ich dir. Und der
andere, der zweite Sohn? Der zweite Sohn lehnt die Bitte seines Vaters
ab und das auch noch ganz grob mit einem „Ich will nicht!“ Er sagt also
nicht: Bitte später, ich habe jetzt gerade keine Zeit. Oder: Das tut mir
leid. Das, was du von mir verlangst, das kann ich nicht. Das ist mir
viel zu schwer. Oder: Muss denn die Arbeit, die ich übernehmen soll,
wirklich sein? Oder: Das, was heute an Arbeit im Weinberg anfällt,
schafft doch mein Bruder viel besser. Der braucht mich doch gar nicht
dazu usw. Die Zahl der Ausreden ist groß, wenn ich eine Arbeit nicht
übernehmen will. Auch dann, wenn ich Zeit hätte oder eine Aufgabe gut
lösen könnte.
Aber was sagt der zweite Sohn in Jesu Geschichte? Von dem hören wir nur
ein direktes Ich-will-nicht. Und das ohne Begründung. Auch nicht mit
wenigstens den Versuch einer Ausrede. Sie werden nun sagen: Was passiert
denn heute, wenn es in der Familie etwas zu tun gibt? Was sagen denn
heute zum Beispiel die jugendlichen Herrschaften manchmal zu ihren
Eltern, wenn sie im Haushalt eine Aufgabe übernehmen sollen? Ob das zu
Jesu Zeiten ganz anders gewesen ist: Ich weiß es nicht. Was wir aber
wissen: Damals war der Vater der Chef in seiner Familie und er wurde
sogar mit Herr angeredet. Dass also damals der zweite Sohn sein
Ich-will-nicht nicht Irgendeinem, sondern ausgerechnet seinem Vater ins
Gesicht sagt, das ist schon stark. Wie muss sich der Vater gefühlt
haben, wenn er von seinem eigenen Sohn so vor den Kopf gestoßen wird.
Aber zum Glück hatte der Vater in Jesu Gleichnis ja noch seinen ersten
Sohn. Wir haben es schon gehört. Und der hatte ihn ja richtig glücklich
gemacht. Denn auf die Frage seines Vaters antwortete er mit einem
schlichten Ja, selbstverständlich, Herr. Wie wird da das Vaterherz
aufgegangen und er als Herr der Familie stolz auf diesen seinen ersten
Sohn gewesen sein
Aber die Geschichte ist weiter gegangen. Und eines steht dabei fest: Der
Vater wird noch einmal in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Denn nun
wird alles anders. Der freundliche Ja-Sager denkt nämlich gar nicht
daran, im Weinberg zu arbeiten, wie er es seinem Vater versprochen hat.
Ganz anders nun sein Bruder. Der Grobian, der es abgelehnt hatte, für
seinen Vater im Weinberg zu arbeiten. Von dem sagt uns der Predigttext
nun: Später bereute er – der Grobian – seine Antwort und ging
doch in den Weinberg. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass
Jesus – wie meist in seinen Gleichnissen – mit dem Herrn oder
Vater Gott meint. An uns richten sich deshalb die Fragen, die sich für
uns aus dem Gleichnis ergeben.
Fragen wir uns doch einmal: Halten wir im Alltag, was wir Gott zum
Beispiel in einem Gebet gesagt oder sogar zugesagt haben? Nehmen wir als
Beispiel das Vaterunser. Im Vaterunser bitten wir Gott um die Vergebung
unserer Schuld. Wer sich im Gebet oder in der Beichte Schuld
eingesteht, der macht das Gleiche wie der zweite Sohn in unserem
Gleichnis, der Reue zeigt. Und das ist gut so. Aber wichtig ist nun,
dass dieser Sohn nicht nur Reue zeigt, sondern daraus auch für sein
Handeln die richtigen Schlüsse zieht. Denn er geht zum Arbeiten in den
Weinberg. Oder allgemeiner gesagt: Er erfüllt den Willen Gottes. Und wie
ist das bei uns? Sind wir – nachdem wir Reue gezeigt haben –
bereit, Gottes Willen zu tun? Geht es uns also trotz unserer Reue wie
dem ersten Sohn, der seinem Herrn und Vater etwas verspricht, was er
dann nicht einhält? Oder handeln wir wie der zweite Sohn.
Im Vaterunser ist jedenfalls die Bitte nach der Vergebung unserer Schuld
mit einem Versprechen verbunden. Denn wir sagen Gott zu, dass auch wir
unseren Schuldigern vergeben. Also denen, die uns beschwindelt,
betrogen, verletzt haben. Oder denen, die uns ungerecht behandelt oder
nicht ernst genommen haben. Schaffen wir das, unseren Schuldigern zu
vergeben? Hier frage sich jeder von uns: Wie ist das bei mir? Kann und
will ich anderen vergeben? Bin ich bereit, einen Schritt auf den
zuzugehen, der mich zum Beispiel beleidigt hat? Ich wünsche uns das
jedenfalls. Denn das ist so ein Beispiel wie das Arbeiten in Gottes
Weinberg, das sich Gott von uns wünscht. Der eine Sohn im Gleichnis hat
das geschafft. Und wir sollten das auch versuchen.
Zum Schluss des Predigttextes fragt Jesus die Pharisäer: Wer von den
beiden Söhnen hat nun getan, was der Vater wollte? Der zweite,
antworteten sie. Die Pharisäer antworten also – wie zu
erwarten – richtig auf Jesu Frage. Immerhin waren sie
gottesfürchtige und gebildete Menschen. Umso erstaunlicher ist die
Reaktion von Jesus auf die richtige Antwort der Pharisäer, denn er sagt
ihnen mit einer ziemlichen Schärfe: Ich versichere euch: Die Zöllner und die Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.
Was auf den ersten Blick erstaunlich klingt, hat einen einfachen, aber
sehr wichtigen Grund. Und der macht Jesus so zornig. Die Pharisäer
wissen ganz genau, was zum Beispiel in unserem Gleichnis Gottes Wille
ist. Aber: Sie selbst handeln nicht danach. Jesus nennt ihnen im
Predigttext dazu ein treffendes Beispiel: Johannes
ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt
ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt.
Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht
geglaubt.
Selbst die Verachteten der Gesellschaft, die Huren und Zöllner glauben
das, was Johannes ihnen von Gott erzählt, wie sie den Weg der
Gerechtigkeit gehen und in Gottes Reich kommen können. Und die
Pharisäer? Die Pharisäer haben gesehen, wie andere zum Glauben gekommen
sind. Sie haben erlebt, dass dazu Buße und Reue notwendig sind –
wie es Johannes der Täufer gepredigt hat. Ihre Haltung haben sie trotz
besseren Wissens nicht geändert. Und dass sie das dazu notwendige Wissen
hatten, zeigt ja ihre richtige Antwort zum Gleichnis von den
verschiedenen Söhnen.
Und wie ist das bei uns, liebe Gemeinde? Wissen nicht auch wir oft, was
Gottes Wille ist, und handeln nicht danach? Sind wir nicht auch manchmal
wie die Pharisäer? Was Jesus zu den Pharisäern damals gesagt hat, das
haben wir gehört. Deshalb frage ich uns: Was würde denn Jesus zu uns
heute sagen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Wuchern • Matthäus 25, 14–30
Predigt am 02.08.2015 • 9. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Denn es ist wie mit einem Menschen, der
außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein
Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem
dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. Sogleich
ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen
und gewann weitere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner
empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfangen hatte, ging
hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. Nach
langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von
ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte
weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner
anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da
sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du
bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh
hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner
empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut;
siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm:
Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu
gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn
Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und
sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo
du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und
ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde.
Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu
ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich
nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann
hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich
gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum
nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. Denn
wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer
aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den
unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und
Zähneklappern.
Liebe Gemeinde, das Evangelium, das wir so eben gehört haben, ist
zugleich der Predigttext für diesen Sonntag. Es ist eine lange
Geschichte. Es ist eine Geschichte, die auf dem ersten Blick vom Geld
handelt und die uns zeigt, wie man mit Geld umgehen kann. Das Ganze
endet mit dem Motto: Hast was, biste was. Haste nichts, biste nichts.
Oder wie es viel schöner formuliert am Schluss des Predigttextes heißt: Denn wer da hat, dem wird gegeben werden,
und er wird die Fülle haben; wer aber nichts hat, dem wird auch, was er
hat, genommen werden.
Das Ganze hat eine Vorgeschichte, die uns im Evangelium erzählt wurde.
Da geht ein reicher Mann außer Landes und übergibt seine Knechten sein
Vermögen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, aber: Er will dadurch vor
allem erreichen, dass sein Geld mehr wird, dass also die Geldmenge
zunimmt – auch wenn er selbst nicht zu Hause ist. Deshalb bekommt
der Knecht das meiste Geld, dem er das am ehesten zutraut. Und so ist es
auch. Als der Herr wiederkommt, haben zwei seiner drei Knechte
ihre Geldmenge verdoppelt. Und nicht dadurch, dass sie damit Geräte und
Acker gekauft hätten, um zum Beispiel mehr ernten zu können. Nein, sie
haben das Geld zu den Wucherern und Wechslern gebracht, Handel getrieben
und jedenfalls damit viel Geld verdient. Ihr Herr lobt sie denn auch:
Ihr seid tüchtige und treue Knechte. Und sie bekommen dafür Geld
geschenkt, viel Geld.
Das gilt nun alles nicht für den 3. Knecht, von dem uns im
Evangelium erzählt wird. Der sieht vor allem, dass ihm das Geld
anvertraut wurde. Er nimmt deshalb das Geld und verwahrt es an einem
sicheren Ort. Er war ängstlich und wollte mit fremdem Geld keine
Geschäfte machen, denn dabei kann ja auch viel Geld verloren werden.
Dafür kann er als der Herr wiederkommt, ihm das anvertraute Geld mit
Heller und Pfennig zurückgeben. Aber einen Dank erhält der Knecht nicht.
Er wird vielmehr vom Herrn als fauler und böser Knecht beschimpft und
von Haus und Hof verjagt. Im Predigttext sagt dazu der Herr: Den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
Sehr christlich klingt das alles nicht, oder? Und auf den ersten Blick
gefällt mir auch die ganze Geschichte nicht, die Jesus damals erzählt
hat. Aber, liebe Gemeinde: Das ändert sich sofort mit der Frage: Warum
erzählt uns Jesus eigentlich diese Geschichte? Eine Geschichte, die nur
vom Geld zu handeln scheint? Und das von unserem Jesus, der sich für die
Menschen und nie für das Geld interessiert hat. Und weil das so ist,
weil sich Jesus für uns und nicht für unser Geld interessiert: Deshalb
ist die ganze Geschichte nur ein Gleichnis. Ein Gleichnis, bei dem das
viele Geld nur deutlich machen soll: Hier geht es um etwas wirklich
Wertvolles. Und das Ganze bekommt auch sofort einen Sinn, weil der Herr
im Gleichnis Gott ist. Im Leben ist es wie im Gleichnis: Wir bekommen
von Gott viel geschenkt. Gott vertraut uns viel an. Unser Leben, unsere
Lieben, Nachbarn und Freunde. Eigentlich sind uns alle anvertraut. Und
uns ist auch alles, was uns umgibt, anvertraut. Und es sind die Gaben
und Begabungen, die uns geschenkt wurden oder die wir uns erarbeiten
konnten. Erzählfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Mitgefühl,
Organisationstalent, Fröhlichkeit, handwerkliche Fähigkeiten,
Kontaktfreudigkeit. Ganz viel wäre hier zu nennen. Und natürlich sind
solche Eigenschaften bei jedem von uns mehr oder weniger vorhanden.
Jeder von uns kann etwas anderes gut oder schlecht.
Vieles und Wertvolles hat Gott in unsere Hände gelegt. Und damit sollen
wir wie im Gleichnis im wahrsten Sinne des Wortes wuchern. Das, was in
unsere Hände gelegt ist, soll und muss sich entfalten. Es soll
zunehmen – für uns und für andere. Damit erscheint nun auch der
Predigttext in einem ganz anderen Licht. Ich zitiere: Nach
langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von
ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte
weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner
anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da
sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du
bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh
hinein zu deines Herrn Freude!
Interessant ist nun, was uns Jesus in seinem Gleichnis über den 3.
Knecht erzählt. Denn der 3. Knecht ist einer, der eigentlich nichts aus
dem ihm Anvertrautem gemacht hat. Er hat alles nur verwahrt und am
Schluss unversehrt zurückgegeben. Aber er hat mit dem ihm Anvertrauten
nicht gearbeitet und nicht gewuchert. So edel das bei Geld sein mag, bei
den Talenten, die uns Gott anvertraut hat, ist das ganz anders: Was ich
vergrabe, kann ich nicht anwenden. Was nicht anwendet wird, verkümmert
und hilft niemand – mir nicht und anderen nicht. Die Frage ist,
warum das der 3. Knecht macht. Wahrscheinlich ist er etwas ängstlich und
er will seinen Bestand waren. Das reicht ihm.
Übertragen wir das einmal auf uns und unsere Gemeinde. Das Bewahren
des – in unserer Gemeinde ist uns wichtig. Und das ist gut so. Aber
ich frage uns: Sind wir eine Gemeinde, die sich an ihrem Zusammenhalt
freut, aber für andere eher verschlossen ist? Wuchern wir eigentlich mit
den Pfund, auf das wir besonders bauen dürfen und das unserem Leben
einen Halt gibt? Haben wir doch in Jesus Christus einen Gott, der die
Menschen liebt und der sich den Menschen zuwendet. Das heißt, reden wir
darüber oder schweigen wir darüber außerhalb der Gemeinde? Sind wir zu
schüchtern oder zu ängstlich, auf andere zuzugehen? Sind also wie der 3.
Knecht? Ich sage ganz bewusst wir: Denn das betrifft mich auch.
Und unsere Kirche als Ganzes. Wohin passt sie in unserem Gleichnis?
Wuchert sie sie mit ihren Pfunden oder wuchert sie nicht mit ihren
Pfunden? Und wenn sie mit ihren Pfunden wuchert, sind es dann die
richtigen Pfunde? Eine Kirche, die nur verwaltet, was sie hat. Eine
Kirche, die nicht weitergibt, was sie hat. Eine Kirche, die sich selbst
genügt. Eine solche Kirche hat keine Zukunft. Zukunft im Sinne unseres
Gleichnisses hat eine Kirche, die mit ihren Pfunden wuchert. Die also
das Evangelium wieder hörbarer in die Welt hinausträgt. Und Freiberg
gehört zu dieser Welt. Und unsere Gemeinde gehört zur Kirche. Und die
Gemeinde, das sind wir. Auch wir sind also wieder gefragt, wenn es um
die Zukunft unserer Kirche und um unseren Glauben an Jesus Christus
geht.
Wir sollen die Lehre von Jesus Christus tief in unserem Herzen tragen.
Im Evangelium für den heutigen Sonntag ist uns gesagt, dass wir davon
auch etwas an unsere Mitmenschen abgeben sollen. An die Menschen
innerhalb unserer Gemeinde und an die Menschen außerhalb unserer
Gemeinde.
Und denken wir daran: Anvertraut ist uns nicht nur unser Glaube.
Anvertraut ist uns viel mehr. Wir haben es schon gehört. Alles, was wir
haben. Alles, was wir können. Alles das hat uns Gott geschenkt. Ich
wünsche uns, dass wir das nicht nur immer für uns selbst verwenden,
sondern auch für andere. Dabei kann gerade das, was wir tief in unserem
Herzen tragen, dafür besonders wertvoll sein. Denn mit Liebe geben,
hilft nicht nur anderen, sondern auch uns selbst.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder • Matthäus 25, 31–35
Predigt am 18.11.2018 • Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres • Petrikirche Freiberg
Wenn aber der Menschensohn kommen wird in
seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf
den Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm
versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt
die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner
Rechten stellen und die Böcke zur Linken. Da wird dann der König sagen
zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters,
ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich
bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig
gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen
und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich
gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im
Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die
Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen
und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken
gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich
aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich
krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König
wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr
getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir
getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir,
ihr Verfluchten, in das Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen
Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen
gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken
gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht
aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet.
Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.
Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich
hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder
im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten
und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von
diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden
hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige
Leben.
Liebe Gemeinde, das Evangelium für diesen Sonntag, das wir vorhin gehört
haben, ist auch der Predigttext. Es ist ein Text, der es in sich hat,
denn dort sagt uns Jesus: Was ihr anderen
angetan habt, dass habt ihr auch mir – Jesus – angetan. Und:
Was ihr für andere nicht getan habt, dass ihr auch nicht für mich getan.
Das klingt streng, und das ist auch streng. Aber: Bei dem „Ihr habt
etwas getan oder nicht getan“ muss ja in der Menge nicht gerade ich
derjenige sein, der gemeint ist. Das stimmt nicht, denn mit dem „Ihr“ im
Predigttext meint Jesus nicht nur ganz allgemein eine Menschenmenge,
sondern jeden einzelnen Menschen in dieser Menge. Damit ist tatsächlich
jeder von uns gemeint. Jeder einzelne von uns. Und damit sagt uns Jesus:
Was Du anderen angetan hast, dass hast Du auch mir angetan. Und was Du
für andere nicht getan hast, warum auch immer, das hast Du auch für mich
nicht getan.
Und das gilt ja nun nicht nur für die nahe oder ferne Vergangenheit,
sondern das gilt auch hier und heute. Damit sind Jesu Worte mit einem
mal ganz nahe bei uns, ganz nahe bei mir. Auch ganz aktuell. Darauf
komme ich noch. Es geht im Kern für mich darum, was ich anderen antue
oder nicht. Aber: Was ich jetzt anderen antue oder antun will, will ich
das auch Jesus antun? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich werde hier
unruhig. Denn Jesus will ich nun wirklich nichts Böses, selbst wenn ich
das denn könnte. Und was die Anderen um mich herum betrifft: Hier regt
sich mein schlechtes Gewissen. Denn was hätte ich nicht alles tun
können, ja alles tun müssen.
Interessant ist nun auch folgendes: Jesus benennt den Personenkreis, den
unser Tun oder Nicht-Tun betrifft, im Predigttext nicht nur ganz
allgemein. Er hat vielmehr alle diejenigen im Blick, die in besonderer
Weise Hilfe brauchen. Jesus sagt uns dazu wörtlich im Predigttext: Wahrlich,
ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten
Brüdern, das habt ihr mir getan. Und was ihr nicht getan habt einem von
diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.
Die Geringsten sind zu Jesu Zeiten die Ärmsten, die Vergessenen, die
unheilbar Kranken, die von der Gesellschaft Ausgestoßenen. Dazu gehörten
auch die Sklaven und natürlich Fremdlinge, die von irgendwo herkamen
und im Römischen Weltreich eine neue Heimat und Heimstatt suchten. Und
diesen Personenkreis nennt Jesus seine Brüder. Ein Bruder ist nicht
irgendein entfernter Bekannter oder Verwandter, sondern jemand, der uns
nahe steht. Dessen Wohl und Wehe mir besonders wichtig ist. Das ist bei
Jesus nicht anders.
Wir sagen es oft und hoffen darauf, dass Jesus bei uns ist – zum
Beispiel auch hier und jetzt in unserem Gottesdienst. Ja, liebe
Gemeinde, Jesus ist dabei. Er ist auch im Predigttext dabei. Er ist
sogar Mitfühlender und Betroffener: Denn wenn einem Hilfebedürftigen
diese Hilfe verweigert wird, dann leidet Jesus mit. Und das sagt er uns
auch im Predigttext, den wir vorhin gehört haben: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan oder
nicht habt einem von meinen geringsten Brüdern, das habt ihr auch mir
getan oder nicht getan. Und weil das Jesus wichtig ist und er ja
auch selbst ein Betroffener ist, bestärkt er diese seine Aussage wie
auch an anderen Stellen der Bibel mit einem „Wahrlich, ich sage euch.“
Wichtig ist nun natürlich: Um welches Tun oder Nicht-Tun geht es Jesus
eigentlich? Und damit kommen wir zu weiteren wichtigen Teil des
Predigttextes, den wir – wie gesagt – vorhin schon als das
Evangelium für diesen Sonntag gehört haben. Jesus sagt dort zu den
Gerechten, die das getan haben, was ihnen Jesus in seiner Botschaft über
Nächstenliebe und Barmherzigkeit gelehrt und vorgelebt hat.
Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu
essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken
gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich
bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und
ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir
gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann
haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder
durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als
Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich
gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind
zu dir gekommen? Und dann kommt von Jesus der Satz, den wir schon
mehrmals gehört haben: Was ihr getan habt einem von diesen meinen
geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen. Aber es gab damals natürlich
auch Menschen, denen das Leid anderer ziemlich egal war. Menschen, die
an der elementaren Not anderer vorübergegangen sind. Jesus nennt sie die
Ungerechten. Denn zu Jesu Zeiten waren Hunger, Durst, Krankheiten,
keine Kleider haben, und das Fremd-sein oder Ausgestoßen-sein Fragen,
die über Leben und Tod entschieden haben – nicht nur, aber vor
allem bei den Ärmsten. Und weil das alles so war, spricht Jesus in
seinem letzten Gleichnis vor seinem Leiden und Sterben von einem
Weltgericht. Dann wird er, Jesus Christus,
der Menschensohn, kommen und über die Gerechten und Ungerechten richten.
Und dann werden sie hingehen: Die Ungerechten zur ewigen Strafe, aber
die Gerechten in das ewige Leben – wie es zum Schluss des Predigttextes heißt.
Bleibt die Frage: Betrifft uns denn das? Schließlich muss bei uns –
also im heutigen Deutschland – niemand verhungern oder verdursten.
Niemand nackt herumlaufen, weil er nichts anzuziehen hat. Und es muss
auch niemand befürchten, dass er bei einer Krankheit nicht ärztlich
versorgt wird. Und trotzdem, liebe Gemeinde, gilt das im Gleichnis
Gesagte ganz genauso für unsere Zeit. Denn auch heute gibt es Menschen,
denen das Leid und die Not anderer ziemlich egal sind. Natürlich ist
uns, die wir hier im Gottesdienst versammelt sind wie den meisten
Menschen die Not oder das Leid anderer nicht egal. Trotzdem sollten wir
uns schon manchmal fragen: Wie sieht das aus mit meiner Barmherzigkeit?
Wie halte ich es mit denen, die Jesus die geringsten seiner Brüder
genannt hat? Bin ich jemand, zu dem Jesus sagen würde: Ich, Jesus, habe
Dich gebraucht und Du hattest Zeit für mich. Oder würde er bei einer
anderen Gelegenheit zu mir sagen müssen: Ich, Jesus, habe Dich gerufen,
aber Du hast mich nicht gehört.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Im Garten Gethsemane • Matthäus 26, 36–46
Predigt am 12.03.2017 • Reminiscere • St. Johannis Freiberg
Predigt am 26.03.2017 • Lätare • Kirche Dittmannsdorf
Predigt am 12.03.2018 • Reminiscere • Kirche Obergruna
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht bei Matthäus im 26. Kapitel.
Dort wird uns die Geschichte von Jesus und von drei seiner Jünger im
Garten Gethsemane erzählt: Jesus kam mit seinen Jüngern zu einem
Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu ihnen: Setzt euch hierher,
solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die
zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. Da sprach
Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und
wachet mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein
Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe
dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du
willst! Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach
zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und
betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber
das Fleisch ist schwach. Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und
sprach: Mein Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe,
ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er ging zurück und
fand die drei Jünger abermals schlafend, und ihre Augen waren voller
Schlaf. Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal
und redete abermals dieselben Worte. Dann kam er zu den Jüngern und
sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die
Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder
überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen Siehe, er ist da, der
mich verrät.
Alles, was damals in Gethsemane passierte, ist traurig. Das alles ist so
traurig, dass es sich kaum beschreiben lässt. Da ist es gut, dass uns
im Predigttext das Geschehen präzise und verständlich erzählt wird. Wir
haben es soeben gehört. Und auch die Zahl der beteiligten Personen ist
nicht sehr groß: Auf der einen Seite Jesus und auf der anderen Seite
drei seiner Jünger. Und auf den ersten Blick passiert eigentlich auch
nicht viel, sollte man meinen: Jesus betet dreimal für sich zu seinem
Vater und die Jünger schlafen jedes Mal einige Meter davon entfernt ein.
Jesus, der immer alle Situationen beherrscht hat. Jesus, der selbst ohne
Sünde war und der für andere immer ein offenes Herz hatte. Jesus, der
seinen Jüngern und den Menschen, mit denen er zusammen kam, Liebe
gepredigt und vorgelebt hat: Dieser unser Jesus hat Angst im Garten
Gethsemane. Er hat sogar Todesangst, denn er weiß, was ihn erwartet:
Verrat, Folter und Tod. Deshalb sagt er ja auch zu seinen Jüngern: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.
Und deshalb zieht er sich dreimal zurück, um zu beten. Und das sind
nicht nur kurze Stoßgebete, sondern drei Gebete, die jeweils eine Stunde
dauern. Gebete in großer Not: Mein Vater ist es nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorüber gehe,
wie es im Predigttext heißt. Jesus, der damals wahrscheinlich ein
junger Mann von nicht einmal 30 Jahren war, fleht seinen Vater im
Himmel an, dass er Verrat, Folter und Tod nicht erleiden muss. Und was
die Sache noch schlimmer macht: Jesus ist in seiner Todesangst sehr
einsam und verlassen gewesen – auch und gerade von seinen Jüngern.
Aber dazu komme ich noch.
Hier heißt es innehalten: Wieso muss Jesus als Gottes Sohn eigentlich
vor alledem Angst haben? Wieso soll es ihn stören, wenn er allein
gelassen wird? Und wer soll ihm so richtig wehtun können? Schließlich
ist er selbst wahrer Gott. Das stimmt, aber Jesus ist eben nicht nur
Gottes Sohn und wahrer Gott. Jesus, Jesus von Nazareth ist auch ein
wahrer Mensch gewesen. Wenn Jesus auch ohne Sünde war: Freude und Leid,
Schmerzen und Angst im ganz wörtlichen Sinne hat Jesus als wahrer Mensch
tatsächlich erleben und aushalten müssen. Im Predigttext wird uns das
besonders deutlich gemacht: Jesu elementare Angst vor dem eigenen Tod
und die Einsamkeit, weil er sich von seinen Jüngern alleingelassen
fühlen muss.
Ja, die Jünger! Drei Jüngern hat Jesus besonders vertraut und sich ihnen
deshalb auch relativ früh offenbart: Das sind Petrus, Jacobus und
Johannes. Sie sind es auch, die Jesus im Predigttext abends mit sich in
den Garten Gethsemane nimmt und ihnen anvertraut: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.
Und er bittet sie, mit ihm zu wachen und zu beten. Ihn also nicht
allein zu lassen in seiner Not. Und wie das ausgegangen ist, haben wir
gehört: Selbst seine engsten Vertrauten schlafen ein, als sie Jesus
braucht – mehrmals und trotz der wiederholten Bitten von Jesus.
Liebe Gemeinde, wie hätten wir uns denn verhalten? Wäre es uns auch so
gegangen wie den Jüngern? Jemand bittet uns abends nach einem langen Tag
fest an ihn zu denken. Wir sollen ihm die Daumen drücken für etwas, was
ihm wichtig ist und was sich heute Abend entscheidet. Drei Stunden
später klingelt das Telefon und unser Bekannter meldet sich, um uns
mitzuteilen, wie die Sache ausgegangen ist. Ob wir die ganzen drei
Stunden bis dahin händeringend in Telefonnähe gesessen hätten, an
unseren Bekannten denkend oder für ihn betend? Wahrscheinlich fällt uns
das Denken an Jemanden und das Beten für ihn umso leichter, je mehr uns
eine Sache selbst betrifft. Das klingt nicht nur egoistisch. Das ist
egoistisch – leider.
Jesus weiß um unsere Schwachheit. Im Predigttext sagt er seinen Jüngern – und das sagt er auch uns heute: Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!
Wachet heißt hier Wach – bleiben oder rechtzeitig Wachwerden.
Nicht einschlafen oder etwas nicht verschlafen. Und Beten meint nicht
nur Fürbitte im wörtlichen Sinne, sondern auch das Denken an den
Betroffenen oder unser Mitfühlen. Und Jesus weiß auch, warum uns das oft
so schwer fällt und sagt uns deshalb dazu im Predigttext: Der Geist ist
willig; aber das Fleisch ist schwach. Und das gilt nicht nur für das
Wachbleiben und Mitfühlen, wenn uns jemand braucht. Sondern das gilt für
unser ganzes Sündenregister. Und das gilt immer besonders dann, wenn
wir im ganz wörtlichen Sinne wieder einmal schwach geworden sind.
Schwach bei etwas, was uns eigentlich nicht so richtig erlaubt ist und
was auch unser Vater im Himmel besser nicht sehen sollte.
Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Jesus hat alles erlebt und
erfühlt, was der Mensch anderen Menschen antun kann. Von Liebe und
Vertrauen bis zum Verrat und Mord. Jesus, Gottes Sohn, versteht uns
deshalb und er weiß um unsere Ängste und Nöte. Und weil er unsere
Schwachheit kennt und uns in Liebe zugetan ist, appelliert er an das
Gute in uns. Ich wünsche uns, dass wir das als Hilfe für uns in allen
Lebenslagen bis in unsere Todesangst hinein annehmen können.
Und wenn wir einmal gar nicht weiter wissen: Vielleicht hilft uns dann
das, was uns Jesus zu beten gelehrt hat und was er selbst in höchster
Not in unserem Predigttext gebetet hat: Vater im Himmel, dein Wille
geschehe.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Darum gehet hin • Matthäus 28, 16–20
Predigt am 28.07.2019 • 6. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf
den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen,
fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu,
redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und
auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie
halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch
alle Tage bis an der Welt Ende.
Liebe Gemeinde,
das Evangelium für diesen Sonntag, das wir vorhin gehört haben, soll
auch der Predigttext sein. Es ist im Matthäusevangelium das Letzte, was
der auferstandene Jesus Christus zu seinen Jüngern gesagt hat. Wenn Sie
so wollen, ist das sogar so etwas wie sein Vermächtnis. Auf alle Fälle
ist es ein Auftrag an seine Jünger: Sie sollen zu den Menschen gehen,
sie taufen und alles lehren, was er sie gelehrt hat. Bei Martin Luther
sollen sie – die Jünger – sogar lehren, was Jesus ihnen
befohlen hat. Luther wollte damit ausdrücken, wie ernst es Jesus damit
ist. Heute wird das Wort „befohlen“ in allen modernen Bibelübersetzungen
mit „Was ich Euch geboten habe“ übersetzt. Ganz analog zu den zehn
Geboten, die Jesus auch keine Befehle genannt hat.
Wichtig sind nun bei dem allen drei Dinge. Zum Ersten: Jesu Auftrag
betrifft nicht nur wenige Menschen, zu denen seine Botschaft gebracht
werden soll, sondern alle, alle Völker. Zum Zweiten: Jesus Auftrag gilt
immer, für alle Zeit. Und zum Dritten: Jesus ist immer dabei. Und zwar
alle Tage, bis an der Welt Ende. Wir sind also nicht allein gelassen.
Jesus, Gottes Sohn, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist:
Jesus ist und bleibt bei uns. So wie es uns in Psalm 139 so
wunderbar verheißen wurde: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst
deine Hand über mir.“
Liebe Gemeinde, Jesu Auftrag an seine Jünger beginnt mit einer scheinbar
einfachen Aussage: Denn Jesus sagt zu seinen Jüngern: Gehet hin. Das
klingt schlicht. Das ist aber nicht schlicht. Diese Aussage von Jesus
ist sogar von allergrößter Bedeutung. Gehet hin, macht euch auf den Weg.
Damit beginnt alles. Damit fängt alles an. Das ist sozusagen der
Startschuss, den Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gibt. Und dieser
Startschuss ist nicht nur richtig und wichtig. Er ist sogar notwendig.
Denn wenn seine Jünger nicht losziehen werden, wenn sie sich nicht auf
den Weg machen: Dann, ja dann, können sie auch anderen Menschen nicht
erzählen, was und wer Jesus war, ist und sein wird. Was er sie gelehrt
und ihnen vorgelebt hat. Das mit ihm Gottes Sohn auf die Welt gekommen
ist, der für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist und so weiter. Und sie
können anderen Menschen auch nicht erzählen, welchen Auftrag sie von
Jesus bekommen haben – bis hin zur Taufe im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes, durch den der Getaufte in Gottes
Gemeinde aufgenommen wird.
Stellen wir uns nun das unmögliche nur einmal vor: Die Jünger und andere
Berufene wie Paulus hätten sich tatsächlich nicht auf den Weg gemacht,
sondern wären als verschworene Gemeinschaft schön zusammen geblieben.
Sie hätten Gott und Jesus, seinen Sohn, gelobt und angebetet. Sie wären
glücklich und erfüllt von Gottes Liebe gewesen. Eine stabile Gemeinde,
die nichts mit den damals im Römischen Kaiserreich angebeteten Göttern
zu tun haben wollte. Sie merken schon: Ein Unding, eine Unmöglichkeit.
Denn die Jünger und andere Berufene waren damals ja deshalb eine stabile
Gemeinde und eine verschworene Gemeinschaft, weil sie fest an Jesu
glaubten und ihnen das Gebot von Jesus eine Herzensangelegenheit war.
Sie brannten darauf, das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus, an
andere weiter zu geben. Sie haben sich deshalb auf den Weg gemacht, sie
haben Jesu Botschaft verkündet, sie haben die Menschen getauft. Und
damit ist die Zahl der Christen immer größer geworden.
Sie werden nun zu recht sagen: Das alles ist schon lange, lange her. Und
sie werden sich auch fragen, was das denn mit uns heute zu tun hat.
Liebe Gemeinde, das hat etwas mit uns zu tun. Das hat mit uns sogar sehr
viel zu tun, denn Jesus Auftrag gilt für alle Zeit. Wir haben es vorhin
im Evangelium gehört. Und der Auftrag gilt auch für alle seine Jünger.
Und das sind nicht nur die Jünger um Jesus, sonders das sind alle
Menschen, die Jesu nachfolgen. Deshalb sagt in modernen Übersetzungen
Jesu auch zu seinen Jüngern: Macht alle Völker zu meinen Jüngern.
Und deshalb gehören auch wir, die wir an Jesu glauben, zu seinen
Jüngern. Jesus sagt also auch zu uns: Gehet hin, steht auf, macht euch
auf den Weg.
Deshalb ist für jeden von uns, der Jesus ernst nimmt, die Frage wichtig: Was heißt das für mich: Geh hin.
Ich denke mir, das kann sehr viel sein. Zum Beispiel: Steh auf, mach
dich auf den Weg. Kehre um, wenn du auf dem falschen Weg bist. Oder auch
das Nachdenken darüber, welchen Weg ich überhaupt gehen sollte oder
gehen müsste. Welchen Weg ich denn bereit wäre zu gehen: Und zwar zu
Jesus, zu meinen Nachbarn, aber auch zu mir selbst. Was kann, was
sollte, ja, was müsste ich dafür und dabei tun?
Gute Anregungen dazu gibt es viele. Ein Beispiel dafür ist das Lied,
dass wir zu Beginn des Gottesdienstes gesungen haben: „Komm, Herr, segne
uns, dass wir uns nicht trennen, sondern überall uns dir bekennen“.
Hier können wir nur beten: Ja, Jesus, segne uns und schenke uns die
heilsame Kraft deines Segens, damit wir uns nicht von dir trennen. Dass
wir uns auch von anderen nicht dazu verführen lassen, uns von dir zu
trennen. Dass wir nicht aus Bequemlichkeit den Glauben an dich in uns
einschlafen lassen. Dass wir uns also letztendlich in einem sehr
atheistischen Umfeld nicht vom Glauben an Jesus, Gottes Sohn, unseren
Herrn, abbringen lassen. sondern im Glauben bestärkt werden. Also uns
immer wieder auf den Weg zu Gott machen, wenn wir uns wieder einmal von
ihm abgewendet haben.
Mission hier und heute in Jesu Sinne heißt für uns Laien – wie
schon gesagt – selbst im Glauben fest zu bleiben oder fester zu
werden. Wichtig dabei: ehrlich und positiv mit unseren Selbstzweifeln
umzugehen. Weiter bedeutet Mission durch uns: Flagge zeigen. Wenn wir
ehrlich sind, müssen wir sogar sagen: Mehr Flagge zeigen, unseren
Glauben weniger verstecken. Lassen wir doch einfach manchmal
durchblicken, was unser Glaube eigentlich für ein Schatz für uns ist.
Welch eine große Lebenshilfe er sein kann – zumal immer dann, wenn
es ernst wird im Leben. Sich zu unserem Glauben gegenüber anderen zu
bekennen, ist manchmal schwer und fällt vielen von uns auch schwer. Was
dabei meist vergessen wird: Die beste Werbung für unseren Glauben sind
wir selbst. Zumindest dann, wenn wir anderen das Vorleben, was Jesus so
wichtig war: zum Beispiel Barmherzigkeit und Nächstenliebe.
Und noch etwas bewegt mich bei dem Thema Gehet hin:
Das sind die Alten, die Einsamen aus unseren Gemeinden, die im Alters-
oder Pflegeheim oder allein zu Hause sitzen und niemand haben, der sich
einmal eine Stunde Zeit für sie nimmt. Ich benenne das deshalb, weil
dazu im Besuchsdienst in unserer Gemeinde noch mehr von uns mitmachen
müssten. Ja, liebe Gemeinde, machen wir uns auf, gehen wir hin zu denen,
die uns brauchen.
Und nun das Beste zum heutigen Predigttext am Schluss – auch wenn
es „nur“ eine Information ist: Unser Pfarrer Dr. Stahl lädt ab
September zu einem Glaubenskurs für Erwachsene ein. Der 1. Kurs
dazu findet am 2. September nachmittags hier in unserer Gemeinde
statt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Wünschen wir uns einen Neuanfang? • Markus 1, 14–15
Predigt am 13.01.2019 • 1. Sonntag nach Epiphanias • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, wünschen wir uns manchmal einen Neuanfang? Bei uns, bei
anderen? Oder durch uns und mit uns? Oder lassen wir lieber alles
weiterlaufen: Auch dann, wenn etwas nicht gut läuft bei uns? Selbst
dann, wenn zum Beispiel durch unser Verschulden etwas nicht gut läuft:
Bei uns oder bei anderen? Oder suchen wir – wenigstens
manchmal – für uns einen Neuanfang? Eine neue Herausforderung oder
eine neue Aufgabe – auch dann, wenn es gar nicht unbedingt sein
müsste? Fragen, über Fragen.
Etwas Neues zu erfahren, zu erleben, zu sehen, zu fühlen: Das ist
eigentlich immer gut. Das hat aber bei uns nur dann eine Chance, wenn
unsere Neugierde oder Wissbegierde größer sind als unsere Trägheit oder
unsere Zufriedenheit. Zufrieden mit dem, was wir haben, mit dem, was wir
kennen oder mit dem, was wir wissen. Nun gibt es natürlich Neuanfänge
in unserem Leben, die sind notwendig oder da werden wir oft auch gar
nicht gefragt. Und die meisten Neuanfänge merken auch wir gar nicht oder
wir machen sie uns im Alltag nicht bewusst. Dabei kann in diesem
unseren Alltag, also alle Tage jeder dieser Tage für uns ein Neuanfang
sein. Was wir alle Jahre natürlich nie vergessen, das ist Silvester.
Hier wird das kommende Jahr tatsächlich als ein Neubeginn angesehen.
Viele nehmen sich deshalb zum Jahreswechsel für das neue Jahr etwas vor,
was bei mir oder durch mich im neuen Jahr anders oder besser werden
soll.
Etwas neu anfangen zu können, ja anfangen zu dürfen: Das hat nicht nur
viel Gutes, sondern das ist auch ein Geschenk. Selbst das
Neu-anfangen-müssen ist ein Geschenk. Es ist ein Geschenk, weil es für
uns eine Chance ist, um unser Leben zu ändern. Oder dort, wo es
notwendig ist, unser Leben wieder zurecht zu rücken. Der große deutsche
Dichter Hermann Hesse schrieb dazu vor über 70 Jahren nach einer
langen Krankheit: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt
und der uns hilft, zu leben.“ Wir, liebe Gemeinde, haben es als
Christen dabei gut. Ich denke hier zum Beispiel an Psalm 91, in dem
uns verheißen wurde: Er, Gott, hat seinen Engeln befohlen, dass sie
dich behüten auf allen deinen Wegen.
Das größte Zeichen aber für einen Neuanfang – einen Neuanfang für
uns – das hat der große, ewige Gott selbst gesetzt, als er uns
Jesus, seinen einzigen Sohn, geschenkt hat. Auch wenn wir das nicht
begreifen können: Mit seiner Geburt kommt Jesus, Gottes Sohn, als wahrer
Mensch zu uns. Wir feiern deshalb zu Recht diese Geburt alle Jahre
wieder zu Weihnachten als ein großes Freudenfest. Nun ist Jesus kein
Baby geblieben, sondern natürlich erwachsen geworden. Er beginnt den
Menschen damals zu erzählen und vorzuleben, was zu ihren Besten ist.
Auch wenn das nicht immer bequem war. Und hier nun beginnt unser
Predigttext aus dem Markusevangelium, er steht dort schon im ersten
Kapitel. Es sind nur zwei Sätze, die es aber in sich haben. Zwei Sätze,
die zum Kern von Jesu Botschaft gehören. Aber hören Sie selbst:
Nachdem man Johannes den Täufer ins
Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa und predigte
das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich
Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!
So steht es auch im Evangelium für diesen Sonntag, das wir vorhin gehört
haben. Martin Luther hat das Geschehen unter die Überschrift gestellt:
Der Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa. Und das war tatsächlich ein
Neubeginn. Und es ist erst recht ein Neubeginn – und zwar für
uns – wenn uns Jesus dabei im Predigttext sagt. Ja, wenn er uns
sogar dazu auffordert: Tut Buße. Oder wie es verständlicher zum Beispiel
in der Einheitsübersetzung genannt wird: Kehrt um! Wir sollen umkehren,
wenn oder weil wir schuldig geworden sind. Wenn wir also Schuld auf uns
geladen haben gegen über Gott, gegenüber anderen, aber auch gegenüber
uns selbst. Kehren wir also um. Versuchen wir uns zu bessern, wo und
wenn das notwendig ist. Auch dann, wenn uns das nur teilweise gelingt.
Eine Umkehr ist für uns immer ein Neubeginn. Ein Neubeginn, der uns
schwerfällt. Aber ein Neubeginn, der uns zu etwas Besserem, zu etwas
Gutem führen kann – selbst dann, wenn wir die Umkehr nicht auf
Dauer durchhalten. Doch wie kann ich das schaffen? Das mit der Buße,
also mit der Umkehr bei mir. Mit dem möglichen Neubeginn für mich, der
daraus folgen kann. Es fängt damit an, dass wir uns überhaupt erst
einmal unserer Schuld bewusst werden. Ich denke mir, dass hier auf unser
Gewissen Verlass ist. Die große Frage ist nur, wie gehe ich damit um:
Wische ich das einfach beiseite oder bekenne ich mich zu meiner Schuld.
Unser Glaube kann uns auch hier eine große Hilfe sein, denn wir wissen
ganz genau, dass wir vor Gott nichts verbergen können. Und wir haben die
begründete Hoffnung, dass wir auch dann nicht von Gott allein gelassen
werden, wenn wir einmal schuldig geworden sind.
Und weil das so ist, dürfen wir unsere Sünden vor Gott bringen. Dürfen
wir ihm unsere Sünden beichten. Und wir dürfen ihn um die Vergebung
unserer Sünden bitten, so wie es uns Jesus Christus im Vaterunser zu
beten gelehrt hat. Oder wie wir es dann gemeinsam im Beichtgebet
sprechen werden: „Ich bekenne vor Dir, mein Gott: Ich bin nicht so, wie
Du mich haben willst. Ich täusche andere. Ich denke schlecht von anderen
und rede über sie. Ich übersehe ihre Not und drücke mich, wo ich helfen
sollte. Darum bitte ich Dich: Gott, sei mir Sünder gnädig.“
Nun sagt uns Jesus im heutigen Predigttext nicht: Beichtet. Sondern er sagt zu uns: Tut Buße! Tut Buße, Kehrt um!
Für Martin Luther und unsere evangelische Kirche heißt das: Ändert Eure
innere Haltung. Oder anders gesagt: Wir sollen unsere innere Haltung zu
dem ändern, was wir Unrechtes getan, gedacht oder geredet haben. Wer
das in einer Beichte reinen Herzens, also mit einem reinen Gewissen,
nicht nur tun will, sondern tatsächlich tut. Wer dazu Gott um Vergebung
und um Hilfe bei seiner Besserung bittet: Der tut Buße. Und der glaubt auch an das Evangelium,
wie es Jesus im Predigttext von uns fordert. Denn wie sollte einer, der
sich Gott anvertraut. Einer, der vor Gott diese seine Sünden von Herzen
bereut und Gott um Vergebung für das Getane bittet: Wie sollte der
nicht an das Evangelium, an Gott glauben? Und daran, dass uns Gott
unsere Sünden vergibt – durch Jesus Christus, unseren Herrn?
Ich hatte uns am Anfang der Predigt gefragt: Wünschen wir uns manchmal
einen Neuanfang? Ja, liebe Gemeinde, ich wünsche uns das. Denn jedes
Eingeständnis von Schuld kann für uns ein Neubeginn sein – jeden
Tag.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Wollen wir Jesu nahe sein? • Markus 2, 1–12
Predigt am 18.08.2020 • 19. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Siebenlehn
Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.
Liebe Gemeinde, das Evangelium, das wir gerade gehört haben, ist auch der Predigttext. Es ist eine lange Geschichte, in der viel passiert und in der auch viele Personen vorkommen. Da sind zunächst Jesus und der Gelähmte. Dann die Menschenmenge im Haus und vor dem Haus und die 4 Männer, die einen Gelähmten zu Jesus bringen wollen. Und im Haus sind nicht zuletzt auch Schriftgelehrte.
Sie alle haben ein Ziel: Sie wollen zu Jesus. Sie wollen hören, was Jesus ihnen zu sagen hat. Sie wollen sehen, was Jesus für ein Mensch ist. Was das Besondere an ihm ist, das die Menschen so anzieht. Sie wollen wissen, was Jesus zum Reich Gottes sagt und ob er tatsächlich Kranke heilen kann. Und allen ist eines gemeinsam: Sie erhoffen sich Hilfe. Hilfe von Jesus. Hilfe für Geist, Leib und Seele im ganz wörtlichen Sinne. Das gilt auch für diejenigen unter ihnen, die zunächst erst einmal nur neugierig waren. Und die anwesenden Schrift-gelehrten? Die wollen vor allem prüfen, ob dieser Jesus von Nazareth, ein Zimmermannssohn, tatsächlich Gott lästert.
Interessant für uns ist nun auch, wie sich die Menschen verhalten, denn es waren viele gekommen. Viel mehr, als in dem Haus Platz für sie war. Deshalb standen sie dichtgedrängt und trotzdem mussten sich viele, die ja Jesus auch sehen und hören wollten, mit einem Platz vor dem Haus begnügen. Also warteten sie wahrscheinlich geduldig, bis auch sie in das Haus konnten. Von einem Drängeln oder sich Benachteiligt – fühlen wird uns jedenfalls im Predigttext nichts berichtet. Auch nicht, dass deswegen einige wieder weggegangen wären.
Und dann sind dann ja noch die 4 Männer, die mit einer Trage kommen, auf der ein Gelähmter liegt. Also einer, der sich selbst nicht bewegen kann und dem auch die Ärzte nicht helfen können. Weil sie aber fest daran glaubten, dass das Jesus kann, wollten sie unbedingt zu Jesus. Unser Predigttext sagt uns dazu – ich zitiere aus der Einheitsübersetzung: Weil sie ihn aber – den Gelähmten - wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen die Decke durch und ließen den Gelähmten auf seiner Liege durch die Öffnung hinab.
Und die Menschen, liebe Gemeinde, die auf Jesu Rede lauschten? Über deren Köpfen die Decke zerschlagen wurde? Die, obwohl sie dicht gedrängt um Jesus standen, von Jesus abrücken mussten? Von ihnen, die nun wirklich gestört wurden durch Lärm und Unruhe? Im Predigttext hören wir davon nichts. Was muss Jesus für einen großen Eindruck auf seine Zuhörer gemacht haben. Wie sehr muss er sie in seinen Bann gezogen haben mit seiner Persönlichkeit und seiner Botschaft, dass sie auch das Störende um sich herum nicht störte. Dabei erzählte Ihnen Jesus keine lockeren oder spannenden Wohlfühlgeschichten. Denn kurz vor unserem Predigttext können wir dazu im Markusevangelium lesen, dass Jesus das Evangelium Gottes predigte und den Menschen sagte: Tut Buße und glaubt an das Evangelium.
Und auch von Jesus, der ja mitten in seiner Rede unterbrochen wird, kommt zu der Ruhe-störung kein ärgerliches Wort. Vielmehr wendet er sich den 4 Männern und dem Gelähmten zu. Allerdings passiert nun kein Heilungswunder. Denn Jesus sagt zu dem Gelähmten, als er den Glauben der Männer sieht: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben! Das ist ein Satz, der Weltgeschichte schreiben sollte. Aber von einer Reaktion der Menschenmenge auf Jesu Sündenvergebung wird uns nichts berichtet. Kein Entsetzen, kein Jubel, wahrscheinlich eher Enttäuschung, Hatten doch viele gehofft, dass Jesus dem Gelähmten helfen wollte und auch helfen konnte. Also eine Heilung oder wenigstens eine Linderung der Leiden des Gelähmten.
Ganz anders nun die Schriftgelehrten, die erkennen, was hier eigentlich gerade passiert ist – mit dieser Sündenvergebung. Im Predigttext wird uns dazu gesagt: Sie, die Schriftgelehrten – dachten bei sich: Was redet der so? Er lästert Gott. Denn niemand kann Sünden vergeben außer Gott. Ja, liebe Gemeinde, die Schriftgelehrten hatten Recht: Sünden vergeben, das kann nur Gott. Jesus ist natürlich kein Gotteslästerer, wie die Schriftgelehrten denken. Und er fragt sie deshalb - ich zitiere wieder aus dem Predigttext: Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim? Und Jesus beantwortet seine Frage gleich selbst, indem er zu dem Gelähmten sagt: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und genau das macht der nun nicht mehr Gelähmte.
Jesus setzt damit ein Zeichen, dass er mit Gottes Vollmacht hier auf unserer Welt ist – in unserem Predigttext als Heilender und als Sündenvergeber. Der Unterschied zwischen beiden: Dass Jesus Sünden vergeben kann, das hat die Menschenmenge nicht berührt. Aber dass er einen Gelähmten so gut heilen kann, das hat die Menge nicht nur berührt, sondern sie gerieten außer sich, sie priesen Gott und sprachen: So etwas haben wir noch nie gesehen.
Liebe Gemeinde, aber wie ist das denn nun bei uns. Bei uns, die wir daran glauben, dass Jesus nicht nur der Zimmermannssohn aus Nazareth war, sondern Gottes Sohn ist. Und ich frage uns: Suchen wir die Nähe zu Jesus, so wie es uns von den - so verschiedenen – Menschen im Predigttext beschrieben wird? Zieht es uns also zu Jesus hin? Und wenn ja: Was heißt das für uns? Worauf hoffen wir dann? Und wenn es uns nicht zu Jesus hin zieht: Fragen wir uns dann manchmal, warum das so ist? Und sind wir denn überhaupt bereit, etwas von unserer Zeit abzugeben für Jesus und für das, was er uns auch heute zu sagen hat? Nicht nur hier im Gottesdienst, sondern auch manchmal in unserem Alltag?
Genau diese Fragen sollten wir heute mit nach Hause nehmen. Ich wünsche uns, dass uns dabei der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne bewahren möge in Jesus Christus, unseren Herrn. Amen
Sonntag ist Feiertag • Markus 2, 23–28
Predigt am 23.08.2015 • 12. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Und es begab sich, dass er am Sabbat durch
ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren
auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun
deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen:
Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte,
ihn und die bei ihm waren: Wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit
Abjatars, des Hohepriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen
darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er
sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und
nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr
auch über den Sabbat.
Sonntag, liebe Gemeinde: Sonntag ist nicht nur der Tag, mit dem eine
Woche beginnt. Sonntag ist ein Feiertag. Ein Tag, den viele ganz für
sich und ihre Lieben zur Verfügung haben oder wenigstens zur Verfügung
haben wollen. Und es ist für die Meisten von uns ganz einfach ein
schöner Tag. Natürlich sind auch hier die zu nennen, für die der Sonntag
nicht immer nur ein schöner Tag ist. Ich denke an diejenigen, die
einsam sind und diese Einsamkeit an einem Sonntag besonders spüren. Ich
denke an diejenigen, die den Sonntag vor allem zur Erholung brauchen, um
am Montag wieder fit zu sein. Oder an diejenigen, die sich jeden
Sonntag als Pendler auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle machen müssen.
Zum Beispiel von Freiberg nach Bayern. Und nicht zuletzt denke ich an
diejenigen, die ganz oft am Sonntag arbeiten müssen. Und trotzdem: Für
die meisten – auch von uns – kann der Sonntag ein schöner Tag
sein und ist es in der Regel auch.
Stellen wir uns deshalb einmal vor: Nicht heute, sondern morgen wäre
Sonntag. Und wir müssten uns überlegen, was wir dann am besten machen
könnten. Gehen wir ein Stück wandern, wenn denn das Wetter mitspielt?
Oder fahren wir mit dem Auto nach Frauenstein oder nach Lichtenwalde?
Oder besuchen wir eine Cousine, die neulich am Telefon so traurig klang?
Ja, es gibt am Sonntag viele Möglichkeiten, um etwas zu tun oder ganz
einfach faul zu sein. Und ja, es gibt gerade am Sonntag auch viele
Möglichkeiten, um uns und anderen etwas Gutes zu tun. Und eigentlich
könnten wir am Sonntagvormittag auch wieder einmal in die Kirche gehen,
vielleicht in die Petrikirche. Hier singen und beten wir gemeinsam und
hören auf Gottes Wort. Es kommt hinzu, dass wir uns hier ein bisschen
wie zu Hause fühlen dürfen. Denn vieles ist uns vertraut und viele
kennen sich.
Auch unser Predigttext handelt vom Sonntag. Der Sonntag wurde und wird
bei den Juden – auch zu Jesu Zeiten – Sabbat genannt. Beim
Evangelisten Markus ist unser Text unter die Überschrift gestellt: Vom
Ährenraufen am Sabbat. Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat
durch ein Kornfeld ging. Und seine Jünger fingen an, während sie gingen,
Ähren auszuraufen. Da sprachen die Pharisäer, die dabei waren, zu
Jesus: Sie doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt
ist.
Jesus läuft also mit seinen Jüngern auf einem Feldweg am Rande eines
Weizenfeldes. Möglicherweise wird er zum Beispiel in einem Gleichnis vom
Reiche Gottes erzählen. Wir wissen es nicht. Was wir aber nach dem
Bericht des Markus wissen: Die Jünger reißen einzelne Ähren ab, puhlen
die Körner heraus und lassen es sich schmecken. Jesus sagt jedenfalls
nichts dazu. Die Pharisäer, die ebenfalls mitlaufen, sind nicht so
zurückhaltend. Sie sind sogar aufgeregt: Sie doch, Jesus, rufen sie. Warum tun deine Jünger am Sabbat etwas, was nicht erlaubt ist.
Und das ist nun spannend: Die Pharisäer beschweren sich bei Jesus nicht
etwa, weil die Jünger das Korn vom Feld stehlen. Denn sie werden ja
nicht nur gekostet haben, sondern hungrig gewesen sein. Sondern die
Pharisäer beschweren sich, weil die Jünger das an einem Sabbat tun.
Ja, liebe Gemeinde, immer diese Pharisäer. Rechthaberich,
Besserwisserisch. Dabei sollte aber nicht vergessen werden: Pharisäer
und Schriftgelehrte waren keine religiösen Spinner, sondern
ernstzunehmende Leute. Sie haben den jüdischen Glauben verteidigt und
darüber auch sehr genau Bescheid gewusst. Und so auch beim Sabbat. Der
Sabbat ist den Juden bis heute ein heiliger Tag. Und wenn es im
3. Gebot heißt: Du sollst den Feiertag heiligen, dann ist damit
auch der Sabbat gemeint. Die Vorschriften dazu aus dem Alten Testament
sind umfangreich. Entscheidend ist nun, dass die Juden den Sabbat sehr
ernst genommen haben. So ist überliefert, dass im Krieg die Juden am
Sabbat nicht gekämpft und sich auch nicht verteidigt haben. Viele wurden
dadurch vom Gegner hingemetzelt. Und verboten war am Sabbat zum
Beispiel auch das Ernten, wozu schon das Abpflücken von Ähren zählte. So
gesehen, haben die Pharisäer schon Recht.
Aber Jesus, der bisher zu allem geschwiegen hatte, antwortet nun im Predigttext den Pharisäern: Habt
ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war? Als er und die
seinen hungerten? Sie gingen in das Haus des Hohepriesters und aßen die
Brote, die niemand essen durfte als die Priester.
Und das muss an einem Sabbat gewesen sein, denn Jesus spricht weiter zu den Pharisäern: Der
Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des
Sabbats willen. Deshalb ist der Menschensohn auch Herr über den Sabbat.
Jesus beurteilt oder verurteilt den Sabbat überhaupt nicht. Er wählt
vielmehr aus dem Alten Testament eine Geschichte von David, die den ihm
zuhörenden Pharisäern bekannt war. In dieser Geschichte waren David und
die Seinen wahrscheinlich nach einer langen Reise hungrig und hatten
nichts zu essen. Und sie nahmen und aßen deshalb die Brote, die ihnen
nicht gehörten, und das alles auch noch am Sabbat. Jesus sagt damit den
Pharisäern und er sagt es auch uns heute zwei Dinge: Gottes Verbote und
Gebote sind ohne wenn und aber einzuhalten. Aber: Gebote und Verbote
haben trotzdem nicht das letzte Wort, wenn sie keine Barmherzigkeit
zulassen oder im Widerspruch zu Jesu Liebesgebot stehen.
Jesu Liebesgebot: Er hat es uns gelehrt, er hat es uns vorgelebt, er ist
aus Liebe zu uns für uns am Kreuz gestorben. Jesu will, dass wir
einander lieben. Gott und den Nächsten wie uns selbst. Deshalb sollen
wir miteinander barmherzig umgehen. Denn damit fängt alles an. Und
deshalb sagt ja Jesus auch im Predigttext: Der Sabbat ist um des
Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
Heute würde Jesus das uns gegenüber wahrscheinlich so auszudrücken: Der
Sonntag ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für den Sonntag
oder Feiertag. Was uns hier Jesus sagt, das kann jeder verstehen und es
ist auch für jeden gedacht. Dazu gehört auch: Wenn jemand Hilfe braucht,
dann soll er sie von uns bekommen. Wenn jemand Hunger hat, sollen wir
ihm Nahrung geben – egal ob es gerade Werktag, Feiertag, Sabbat
oder Sonntag ist.
Ganz am Schluss des Predigttextes sagt uns Jesus: Der Menschensohn ist auch Herr über den Sabbat.
Der Menschensohn, das ist Jesus selbst, Gottes Sohn. Jesus ist also der
Herr über den Feiertag. Wenn Sie so wollen, hat Jesus den Sonn- oder
Feiertag damit zur Chefsache gemacht. Über dem Sonntag liegt damit ein
besonderer Segen. Wir sollen durch den Sonntag Distanz gewinnen zum
Alltag der Woche, der uns sechs lange Tage mit Beschlag belegt. Es liegt
nun an uns, diesen Segen für uns anzunehmen. Es liegt also an uns, die
Chancen und Besonderheiten des Sonntages als Feiertag für uns
anzunehmen. Denn nur dann ist der Feiertag tatsächlich für uns da. Das
können wir erleben, wenn wir am Sonntag einfach einmal Pause machen.
Wenn wir versuchen, aus dem Alltagstrott heraus zu treten. Wenn wir
wieder einmal anfangen, über unser Leben neu nach zu denken. Wenn wir
versuchen, wieder neuen Mut zu fassen. Oder wenn wir uns immer wieder
einmal unseres Glaubens vergewissern – wie wir heute hier im
Gottesdienst.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Von der Angst • Markus 4, 35–41
Predigt am 10.02.2019 • 4. Sonntag vor der Passionszeit • Petrikirche Freiberg
Und am Abend desselben Tages sprach er zu
ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen
und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote
bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen
schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war
hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und
sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?
Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig!
Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. Und er
sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen
Glauben? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer
ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!
Liebe Gemeinde, wer kennt das nicht: Angst und Furcht vor etwas oder
Entsetzen und Bestürzung über etwas. Angst steckt in Jedem von uns.
Angst gehört so selbstverständlich zu uns wie das Sich-freuen, wie das
Lachen oder das Weinen. Wenn wir Angst haben, wenn wir uns fürchten,
dann erwarten wir eine für uns unangenehme Situation. Das kann zum
Beispiel eine Prüfung sein, die auf uns zukommt. Wo wir beweisen müssen,
was in uns steckt. Und wo wir Angst haben, dass uns das nicht so gut
gelingt, wie das andere oder wir selbst von uns erwarten. Es gibt so
vieles, wovor wir Angst haben oder wovor wir schon Angst hatten. Und oft
ist uns das im Nachhinein auch peinlich oder unangenehm. Denn wer gibt
schon gern zu, dass er manchmal oder oft Angst hat.
Es gibt aber noch eine ganz andere Ursache für unsere Angst oder Furcht.
Ich meine eine Gefahr, die direkt und unmittelbar auf uns zukommt. Das
kann eine Krankheit bei einem uns lieben Menschen oder eine Krankheit
bei uns selbst sein. Oder unsere Angst vor dem Sterben, unsere
Todesangst. Jede Gefahr, die wir sehen oder fühlen oder auch nur
befürchten, kann oder wird uns in Angst und Schrecken versetzen. Auch
alles, was wir schon Schlimmes erlebt haben, kann in uns ein Gefühl der
Angst und manchmal eine innere Furcht zurücklassen. Eine Furcht davor,
dass sich das Erlebte wiederholen könnte.
Andererseits, liebe Gemeinde, brauchen wir unsere Angst und Furcht als
ein Schutzschild für uns. So ein Schutzschild ist wichtig und notwendig.
Meine Angst kann mich nämlich nicht nur vor mir selbst schützen,
sondern mir auch helfen, mit einer Gefahr richtig umzugehen. Denn wie
wäre das, wenn wir überhaupt keine Angst oder Furcht hätten. Ich denke
mir, dass wir dann sehenden Auges in das nächste Unglück rennen würden.
Wer dabei – zum Beispiel bei einem Unfall – kein Angstgefühl
entwickelt, der rennt wieder sehenden Auges in das nächste Unglück, bis
es sein letztes Unglück war. Hannah Arendt, eine sehr kluge und tapfere
Frau aus dem vorigen Jahrhundert sagt uns denn auch: Angst ist für das
Überleben unverzichtbar.
Angst und Furcht spielen auch in der Bibel eine große Rolle –
sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament. Im Predigttext für diesen
Sonntag, den wir vorhin schon als Evangelium gehört haben, sind Angst
und Furcht sogar ein zentrales Thema. Ich zitiere im Folgenden aus den
Text ausführlich in einer modernen Übersetzung. Zusammengefasst
vollbringt im Predigttext Jesus ein Wunder. Und sowohl vor dem Wunder
als auch nach diesem Wunder fürchten sich seine Jünger, also seine
engsten Weggefährten. Sie haben also Angst und diese Angst hängt eng mit
dem Wunder zusammen, das Jesus tut. Aber der Reihe nach: Vor unserem
Predigttext berichtet der Evangelist Markus, dass Jesus viele Kranke
heilt und über das Reich Gottes predigt. Und das versucht er auch durch
Gleichnisse den Menschen zu erklären. Bei all dem muss Jesus ungeheuer
fleißig und erfolgreich gewesen sein, denn die Menschen folgten ihm
überall hin.
Und hier beginnt nun unser Predigttext: Am Abend eines solchen Tages sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer fahren.
Hier will ich einfügen: Auch am anderen Ufer des Sees – es war der
See Genezareth – wollte Jesu wieder Menschen helfen, indem er sie
gesund machte und ihnen vom Reich Gottes erzählte. Die
Jünger jedenfalls schickten die Menge, die Jesus gefolgt war, nach
Hause, stiegen in das Boot, in dem Jesus bereits war, und fuhren mit ihm
ab. Und hier beginnt nun das Unglück: Denn als sie draußen auf dem See waren, brach plötzlich ein heftiger Sturm los; die Wellen schlugen ins Boot, und es begann sich mit Wasser zu füllen.
Hier ist anzumerken, dass zum Beispiel Petrus ein Fischer war, bevor er
Jesus gefolgt ist. Natürlich kannte sich Petrus mit so einem Boot aus
und erst recht kannte er den See Genezareth ganz genau. Wahrscheinlich
haben die Jünger auch deshalb ganz schnell erkannt, dass ihnen hier
Gefahr für Leib und Leben drohte. Sie hatten also zu Recht Angst, große
Angst. Und Jesus, der ja wieder einen sehr anstrengenden Tag hinter sich
hatte? Jesus schlief im hinteren Teil des
Bootes auf einem Kissen. Die Jünger weckten ihn deshalb und schrien:
Meister, macht es dir nichts aus, dass wir umkommen? Doch: Jesus machte das etwas aus. Deshalb
steht er auf, weist den Wind in seine Schranken und befiehlt dem See:
Schweig! Sei still! Da legte sich der Wind, und es trat eine große
Stille ein.
Die Jünger bitten Jesus in ihrer höchsten Not: Hilf! Das macht Sinn:
Denn sie vertrauen ihm und glauben an das, was er verkündet. Sie sind
ihm ja gefolgt und haben alles verlassen, was bis dahin für ihr Leben
wichtig war. Und trotzdem sagt Jesus zu seinen Jüngern, nachdem er den
Sturm geheilt hatte: Ich zitiere wieder aus dem Predigttext: Warum
habt ihr solche Angst? Habt ihr immer noch keinen Glauben? Und die
Jünger? Die wurden jetzt erst recht von Furcht gepackt und sagten
zueinander: Wer ist nur dieser Mann, dass ihm sogar Wind und Wellen
gehorchen?
Ja, liebe Gemeinde: Wer ist dieser Mann, dieser Jesus von Nazareth, für
seine Jünger damals und für uns heute? Bei den Jüngern ist die Sache
relativ klar: Für sie ist Jesus etwas ganz Besonderes. Einer, der Gott
nahe sein musste und der deshalb Kranke heilen und das Reich Gottes
erklären konnte. Aber eines wussten sie auch: Einen Sturm stillen,
Naturgewalten besiegen, das kann nur Gott. Und als solcher hatte sich
Jesus seinen Jüngern, als diese Geschichte passierte, noch nicht
offenbart. Deshalb ist ihre Ratlosigkeit, ja ihre die Angst vor dem, was
Jesus gekonnt und getan hat, noch größer als ihre gerade überstandene
Todesangst.
Und wie ist das bei uns? Wen rufen wir in höchster Not und bitten um
Hilfe, wenn keiner da ist, der uns sofort helfen kann, also zum Beispiel
ein Notarzt oder die Feuerwehr? Ja, auch wir beten zu Jesus oder zu
unserem Vater im Himmel und bitten: Hilf! Und das beten und bitten wir
auch, wenn professionelle Hilfe da ist, wenn zum Beispiel ein uns lieber
Mensch operiert wird. Wir bitten, beten und hoffen, dass alles gut
ausgehen möge: Die Operation und der Befund danach – durch die
Kunst der Ärzte und mit Gottes Hilfe. Denn anders als die Jünger im
Predigttext wissen wir aus der Bibel, dass Jesus für unsere Sünden
gestorben ist, dass sich Gott zu Jesus bekannt und ihn von den Toten
auferweckt hat, dass Jesus letztendlich Gottes Sohn ist.
Im Vertrauen auf Gottes Sohn dürfen wir darauf hoffen, dass auch wir mit
unseren Sorgen und Ängsten nicht allein gelassen sind. Und das nicht
nur in höchster Not, sondern auch mit unseren alltäglichen Sorgen und
Ängsten. Denn auch hier dürfen wir bitten und darauf hoffen: Bewahre uns
Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf all unsern Wegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Wunder ist Jesus • Markus 7, 31–37
Predigt am 11.09.2011 • 12. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für diesen Sonntag steht im Markusevangelium im 7. Kapitel: Und als er wieder fortging aus dem Gebiet
von Tyrus, kam er durch Sodon an das Galiläische Meer, mitten in das
Gebiet der zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub und
stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege. Und er nahm ihn
aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und
berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und
sprach zu ihm: Hefata, das heißt: Tu dich auf. Und sogleich taten sich
seine Ohren auf und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete
richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's
aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich
über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht
er hörend und die Sprachlosen redend.
Wie wir gerade gemeinsam gehört haben, geht es in diesem Text um die
Heilung eines Taubstummen durch Jesus. Der Sachverhalt ist schnell
erzählt: Ein Taubstummer wird zu Jesus gebracht mit der Bitte, den
Kranken zu heilen. Jesus heilt den Taubstummen, d. h. der Mann kann
fortan hören und sprechen. Jesus will nicht, dass darüber geredet wird.
Aber die Menschen haben um so mehr darüber geredet, je mehr es ihnen
Jesus verboten hatte. Denn diese Menschen wunderten sich über alle
Maßen – so übersetzt es Martin Luther. In der Einheitsübersetzung
können wir lesen, dass sie außer sich vor Staunen waren. Die Gute
Nachricht sagt kurz und knapp: Sie – die Menschen – waren
außer sich.
Wie dem auch sei: Für die Menschen, die die Heilung des Taubstummen
erlebt haben, war etwas passiert, was sie sich nicht erklären konnten.
Was auf sie wie ein Wunder wirkte, dass sie erregte und dass sie in
hohem Maße erschrecken musste. Denn ein Wunder war es ja in der Tat und
das nicht nur vor 2000 Jahren. Umso bemerkenswerter ist bei allem
Nicht-Verstehen und trotz des Erschreckens die ganz klare und eindeutige
Aussage derjenigen, die das Wunder selbst erlebt haben: Er –
Jesus – hat alles wohl gemacht. Er hat alles richtig gemacht und er
hat alles gut gemacht. Der Taubstumme kann jetzt tatsächlich hören und
sprechen. In dieser fast schlichten Aussage kommt kein könnte und auch
kein sollte vor. Und hier wird auch nicht um den heißen Brei
herumgeredet. Die Leute merkten ganz genau: Hier fand kein Theater
statt, hier wurde ihnen nichts vorgespielt oder vorgezaubert. Hier war
ganz einfach etwas Unfassbares passiert. Etwas, das sich nur mit dem
etwas hilflosen Wort „Wunder“ beschreiben ließ.
Ist ein Wunder in unserer Zeit und für uns eigentlich noch ein Thema?
Oder um die Definition aus dem Lexikon für ein Wunder zu verwenden: Ist
etwas für uns ein Thema, was unserem Verstand und den Gesetzlichkeiten
der Natur widerspricht? Ich denke eher nicht. Aber Achtung: Als Wunder
wird per Definition auch etwas bezeichnet, was unserem Verstand und den
Gesetzlichkeiten der Natur nur scheinbar widerspricht. Und damit sind
wir mitten drin im Thema: Alles was wir nicht wissen oder kennen, kann
ein Wunder sein. Gerade in unserer modernen Zeit haben wir eines lernen
müssen: Je weiter Wissenschaft und Technik voranschreiten, um so mehr
muss ein Nicht-Fachmann etwas als ein Wunder ansehen, weil er davon
immer weniger versteht. Und die Fachleute auf ihrem Gebiet sind auch
nicht besser dran.
Oder nehmen wir Gottes Schöpfung als Ganzes mit allem, was dazu gehört.
Je mehr wir darüber wissen: Umso wunderbarer wird das alles. Und umso
weniger wird das für unseren Verstand greifbar. Das alles entzieht sich
immer mehr unserem Vorstellungsvermögen. Ich denke im Großen an die
unendlichen Weiten des Weltalls mit 200 Milliarden Galaxien wie
unsere Milchstraße, von denen jede 200 Milliarden Sonnen enthält.
Oder im Kleinen an die Träger der Erbanlagen, die im Kern einer jeden
der 50 Millionen Zellen des Menschen enthalten sind und aus jeweils
3,7 Milliarden Teilen bestehen. Ich sagte es schon: Das ist nicht
mehr fassbar. Ich wünsche uns jedenfalls, dass wir das Staunen über
Gottes Schöpfung wieder lernen. Und ich wünsche uns auch, dass uns
bewusst bleibt, wie wenig selbstverständlich vieles ist, was uns umgibt.
Kommen wir zurück zu Jesus und zu seinem Tun vor 2000 Jahren. In
den Evangelien wird uns über viele Wunder berichtet. Aber was dabei oft
vergessen wird: Das Wunder sind nicht nur die Wunder, die vollbracht
werden. Das eigentliche Wunder ist Jesus. Und damit sind wir beim Kern
dessen, was unseren Glauben ausmacht: Dass nämlich in diesem Jesus von
Nazareth Gott für uns Mensch wurde. Das heißt – um auf unseren
Predigttext zurück zu kommen: Die Heilung des Taubstummen vor
2000 Jahren erfolgte nicht durch einen bei seinen Anhängern
beliebten und einen von Fremden bestaunten Wanderprediger, der auch
wundersame Heilungen zustande brachte. Nein: hier setzt Gott selbst ein
Zeichen.
Und dieses Zeichen ist direkt zu sehen und zu erkennen: Zu Jesus kann
ein Kranker einfach so gebracht werden – ohne Vorleistung, ohne
Voranmeldung und auch ohne eine Empfehlung. Die Heilung ist kostenlos,
es reicht eine Bitte an Jesus. Jesus fragt nicht danach, ob es sich bei
dem Kranken um ein vornehmes Mitglied der Gesellschaft, um eine
gescheiterte Existenz oder um jemand handelt, der – wie der
Taubstumme – von der Gesellschaft fast ausgeschlossen ist. Jesus
heilt nicht mit Distanz. Er sucht vielmehr die Nähe des Kranken und
berührt ihn. Jesus hat nur eine Bitte: Es soll über die Heilung nicht
gesprochen werden. Das heißt, Jesus gibt mit seiner Leistung nicht an,
sondern geht darüber schnell zur Tagesordnung über.
Hier ist natürlich auch zu fragen, warum Jesus diese Zeichen tut. Warum
Jesus also den Kranken heilt. Die Antwort ist einfach und uns auch
bekannt: Jesus liebt die Menschen nicht nur im Allgemeinen. Jesus liebt
den einzelnen Menschen und hilft ihm. Und Jesus zeigt natürlich durch
die Heilung, wozu er – Gottes Sohn – fähig ist. Ich sagte es
schon, die Heilung ist nur ein Zeichen. Und zwar ein Zeichen, dass auch
heute für uns von existenzieller Bedeutung ist. Warum ist das so? Und
was will uns das zeichenhafte Handeln Gottes heute sagen? Beispielhaft
sei genannt: Gott wendet sich uns zu. Gott hat Zeit und Interesse für
uns. Gott nimmt sich unserer Not an. Gott handelt an uns. Das heißt nun
nicht, dass Gott für uns so etwas wie eine Instanz ist, die nur auf
unsere Wunschliste wartet.
Im Predigttext reden die Leute darüber, was Jesus getan hat. Und wir?
Wie ist das mit uns? Reden wir über das, was Jesus getan hat? Oder
schweigen wir lieber aus Angst, dass wir uns vielleicht lächerlich
machen? Oder schweigen wir auch deshalb, weil wir selbst an die
Wunderheilung so richtig nicht glauben können? Hier will ich uns Mut
machen. Denn wer Himmel und Erde geschaffen hat und diese seine
Schöpfung täglich erhält – dem können wir getrost die Heilung eines
einzelnen Kranken zutrauen.
Das heißt und das haben wir schon gehört: Das eigentliche Wunder ist
nicht die Heilung des Taubstummen. Das eigentliche Wunder ist Derjenige,
der den Taubstummen geheilt hat. Es ist unser gemeinsamer Herr Jesus
Christus. Und über Jesus kann auch getrost gesprochen werden. Genauer
gesagt: Über Jesus kann und soll wieder mehr gesprochen werden –
auch von uns.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Von der Nachfolge • Markus 8, 36–38
Predigt am 15.02.2015 • Estomihi • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Evangelium für den heutigen
Sonntag, das wir vorhin gehört haben. Genauer in den Versen 36 bis 38
bei Markus im 8. Kapitel. Jesus sprach zu seinen Jüngern und dem
Volk: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und
nähme doch Schaden an seiner Seele? Denn was kann der Mensch geben,
womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte
schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird
sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der
Herrlichkeit seines Vaters.
Es wird also über zwei Dinge zu reden sein: Über die Verletzlichkeit der
Seele, wenn ich reich, sehr reich und mächtig werde oder werden will.
Ja, wenn ich sogar die ganze Welt gewinne, die ganze Welt mir gehört.
Und: Was passieren kann, wenn ich mich für meinen Glauben an Jesus
Christus schäme. Dabei gehört beides zusammen: Die Gefährdung meiner
Seele und meine Angst, mich vor anderen wegen meines Glaubens lächerlich
zu machen. Denn auch Jesus erzählt beides ohne Übergang in benachbarten
Versen des Predigttextes. Im Übrigen Verse, die Martin Luther unter die
Überschrift „Von der Nachfolge“ gestellt hat. Genauer geht es um die
Nachfolge Jesu. Oder verständlicher ausgedrückt geht es darum, dass wir
Jesus nachfolgen. Darauf werde ich noch zu zurückkommen.
Liebe Gemeinde, Jesus fragt uns: Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?
Was nützt es mir, wenn ich die ganze Welt gewinne und schade dabei
meiner Seele oder verliere sogar meine Seele und damit mein Leben. Nur,
was ist, was heißt nun eigentlich Seele. Ganz allgemein gesagt, ist die
Seele das, was den Menschen über seinen Körper hinaus ausmacht. Seele
ist Sitz und Ausgangspunkt des Denkens und aller Gefühle. Unsere Seele
ist der Ausgangspunkt für das, was wir wollen und damit auch für unser
Gewissen.
Ohne Seele gibt es kein menschenwürdiges Leben. Das Gegenstück ist eine
Maschine. Eine Maschine hat keine Seele. Und wenn ein Mensch als
seelenlos oder als seelenarm beschrieben wird, dann hat er keine oder
nur wenig innere Wärme. Er ist abweisend und wenig einfühlsam. Im
Extremfall ist er gewissenlos und brutal, ohne Erbarmen und
rücksichtslos, hartherzig oder herzlos usw. Das will niemand von uns
sein. Unsere Seele ist also ein hohes Gut. Deshalb sollten wir unsere
Seele hegen und pflegen. Wie hoch Jesus eine gesunde Menschenseele
schätzt, steht in unserem Predigttext. Dort ist Jesus eine gesunde Seele
wichtiger als der Gewinn der ganzen Welt. Das sollte uns zu denken
geben.
Es muss nicht immer um große Reichtümer oder viel Macht gehen. Auch
unsere kleinen und großen Erfolge, unser Fortschritte im Leben oder im
Beruf kommen nicht von allein, kommen nicht ohne unser Zutun. Natürlich
werden dazu Fleiß und Können, Intelligenz und Wissen, Kraft und Ausdauer
gebraucht. So weit, so gut. Leider sind aber oft auch Dinge im Spiel,
die unsere Seele krank machen. Und je länger das dauert, je mehr wir uns
von noch mehr Geld verführen lassen, umso schlimmer kann es werden. Ein
Freund von mir ist durch Fleiß und Leistung einmal beruflich in einem
Unternehmen sehr vorangekommen. Als ich ihm dazu gratulierte sagte er:
Ich weiß noch nicht, ob ich dafür später einmal ein kleines Stück meiner
Seele verkaufen muss. Wer sich dessen bewusst ist, der kann und wird
dagegen auch etwas tun.
Ich sagte vorhin, dass es im Predigttext um Nachfolge geht. Es folgt
derjenige Jesus nach, der im Leben seine Seele, sein Gewissen nicht
verliert. Ich soll also im Alltag so leben, so denken und handeln, dass
ich dadurch mein Gewissen nicht verliere. Das erfordert meine bewusste
Entscheidung: Etwas nur dann zu tun, wenn ich es mit meinem Gewissen
auch vereinbaren kann. Dafür muss ich mein Gewissen wach halten. Ein
Gebet, wie das Vaterunser, ist hier eine gute Hilfe, wenn ich wieder in
Versuchung geführt werde.
Jesus nachfolgen, heißt natürlich auch, sich zu Jesus zu bekennen. Es
ist gut, dass wir in jedem Gottesdienst ein Glaubensbekenntnis entweder
gemeinsam laut sprechen oder auch singen. Ich gebe damit eigentlich
etwas sehr Intimes von mir preis. Aber vielleicht hilft das meinem
Nachbarn im Gottesdienst, der wahrscheinlich wie ich selbst nicht nur
manchmal ins Zweifeln kommt. Und die Vergewisserung dessen, dass mein
Nachbar im Gottesdienst den gleichen Glauben hat wie ich: Das macht mir
Mut. Es macht mir Mut, dass ich mit meinem Glauben nicht allein bin. Es
macht mir Mut, heißt aber auch: Es macht mich mutig. Mutig oder mutiger
für meinen Glauben einzustehen. Im Gottesdienst, in unserer Gemeinde ist
das Bekenntnis zu Jesus Christus natürlich keine Mutprobe. Aber
außerhalb des Gottesdienstes, außerhalb unserer Gemeinde kann das schon
etwas ganz anderes sein. Denn die Mehrheit der Bevölkerung – in
Freiberg sind das 80 Prozent – hat mit Gott, mit Jesus
Christus nichts im Sinn. Sei es aus Unkenntnis, sei es aus Desinteresse.
Sei es, weil viele denken, das Christentum wird nicht mehr gebraucht
oder ein Gott ist überflüssig, wo doch der Mensch –
angeblich – inzwischen alles selbst in der Hand hat.
Hier kommt nun wieder der Predigttext ins Spiel. Dort sagt uns Jesus: Wer sich aber meiner und meiner Worte
schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird
sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der
Herrlichkeit seines Vaters.
Das heißt doch aber: Wir sollen uns auch vor Nichtchristen für unseren
Glauben nicht schämen. Wir sollen uns nicht wegducken, wenn das, woran
wir glauben, lächerlich gemacht oder nicht ernst genommen wird. Hier
sollen wir mit unserer Meinung dagegen halten. Wohlgemerkt: Es geht im
Predigttext nicht darum, jemanden für unseren Glauben zu gewinnen. Es
ist schon mit einem ehrlichen Bekenntnis zu Jesus Christus als
Gegenstück zum sich Schämen viel getan.
Ich wünsche uns, dass wir den Willen und den Mut zum Bekenntnis zu Jesus
Christus haben. Und ich wünsche uns, dass wir auch Mut fassen und den
Willen haben zu einem Handeln, das unserer Seele nicht schadet und das
unser Gewissen und unseren Nächsten nicht verletzt. Wem das von uns
gelingt, der hat das Thema Nachfolge von Jesus Christus heute
verstanden. Und für den wird sich Gott auch nicht schämen, wenn es denn
für uns selbst einmal darauf ankommt. Der Volksmund hat Recht: Ein gutes
Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Von der Ehescheidung • Markus 10, 2–9
Predigt am 18.10.2015 • 20. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Und Pharisäer traten zu ihm und fragten
ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten
ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose
geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu
schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures
Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von
Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum
wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an
seiner Frau hängen, und die zwei werden „ein“ Fleisch sein. So sind sie
nun nicht mehr zwei, sondern „ein“ Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt
hat, soll der Mensch nicht scheiden.
Liebe Gemeinde, das Evangelium für diesen Sonntag ist gleichzeitig der
Predigttext. Wir werden also über die Ehescheidung zu reden haben.
Genauer soll es um das Scheitern einer Beziehung gehen. Das ist nicht
ganz einfach, denn jeder von uns hat beim Thema Scheidung oder
Ehescheidung entsprechend seiner Lebenssituation eine eigene Sichtweise.
Einige wird das Thema nicht interessieren, weil sie gut allein oder in
einer festen Beziehung leben. Andere wiederum sehnen sich tief in ihrem
Herzen nach einem Partner. Und wieder andere haben eine schmerzhafte
Trennung oder Scheidung, manche sogar den Tod ihres geliebten Partners,
schon hinter sich. Andere dagegen haben ihren Partner zwar noch. Aber
der letzte Streit mit ihm ist noch nicht verdaut. Und ihre Angst, wie es
weitergehen soll, ist groß.
Gott will, dass eine Beziehung, eine Ehe Bestand hat und Gutes bewirkt.
Jesus sagt uns deshalb im Predigttext: Von Beginn der Schöpfung an hat
Gott die Menschen als Mann und als Frau geschaffen. Darum – wenn
sie eine Beziehung eingehen – wird ein Mann seinen Vater und seine
Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen. Und die zwei werden
„ein“ Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern „ein“
Fleisch. Das Bild von dem „einen“ Fleisch ist ein sehr anschauliches
Bild für eine innige Beziehung zwischen Mann und Frau. Beide Eheleute
oder heute auch Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
werden in ihrer Beziehung eins. Das heißt, nicht nur ihre Körper finden
zusammen, sondern alles, was sie als Menschen ausmacht. Und Gott will,
dass eine Ehe – eine Beziehung – Bestand hat, wir haben es
schon gehört. Deshalb folgt nun im Predigttext der entscheidende Satz: Was Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Oder wie es in der Liturgie einer evangelischen Trauung sinngemäß heißt:
Wollt ihr euch lieben und ehren in guten und in bösen Tagen, bis der
Tod euch scheidet, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe. Dieses feierliche
Eheversprechen „bis das der Tod euch scheidet“ rührt an tiefste
menschliche Sehnsüchte nach einer Liebe, die ewig dauern soll. Wer sich
dafür entscheidet, zukünftig mit einem Partner das Leben gemeinsam zu
meistern, bei dem ist Liebe und Zuneigung im Spiel. Wer sich darüber
hinaus durch ein Versprechen auf dem Standesamt an seinen Partner bindet
und dazu seine Ehe unter den Segen unseres Herrn stellt: Bei dem ist
Liebe und Zuneigung im Spiel. Und diese Liebe soll im besten Sinne eine
Beziehung begleiten – egal ob in einer Ehe oder in einer
außerehelichen Lebensgemeinschaft.
Leider enden heute trotzdem viele Ehen oder Lebenspartnerschaften mit
einer Scheidung. Ja, eine Scheidung ist heute eine gängige Praxis
geworden. Warum das so ist, soll uns noch beschäftigen. Zunächst einmal:
Wie sieht es in Deutschland aus mit den Trennungen und Scheidungen?
Dazu einige Fakten. Im letzten Jahr lag die Zahl der Ehescheidungen bei
44 Prozent bezogen auf die Zahl der Hochzeiten. Tendenz steigend.
Dagegen ist die durchschnittliche Ehedauer auf 15 Jahre
zurückgegangen. Bei Familien sind 70 Prozent der Eltern
verheiratet, 20 Prozent der Eltern lebt in einer außerehelichen
Gemeinschaft und 10 Prozent sind allein erziehend. Insgesamt geht
der Trend weg von der lebenslangen Ehe und hin zu nichtehelichen
Gemeinschaften. Außerdem nimmt die Zahl der Scheidungen zu. Und der
Anteil der kirchlichen Hochzeiten an der Gesamtzahl der Hochzeiten ist
stark rückläufig. Schauen Sie nur in unser Gemeindeblatt: Hier hatten
wir in unseren Gemeinden Petri und Johannis in den letzten
4 Monaten zusammen nur 4 kirchliche Trauungen.
Was eine Trennung bedeutet, wird am deutlichsten am Einzelschicksal.
Dazu ein Beispiel: Die Tochter eines unserer Bekannten ist 40 Jahre
alt und hat mit ihrem Mann vier Kinder im Alter von 7 bis
16 Jahren. Also geordnete Verhältnisse sollte man meinen. Doch nun
hat sich die junge Frau scheiden lassen. Was war passiert? Der Mann
hatte schon über viele Jahre eine Freundin, ohne das es seine Frau
gemerkt hat. Mit dieser Freundin lebt er auch jetzt zusammen. Und was
sich daraus entwickelt, das ist für alle Seiten nur Mist. Das
geschiedene Paar muss mit dem Scheitern ihrer Beziehung fertig werden.
Die betrogene Ehefrau ist zu Recht tief verletzt. Der Ehemann hängt
weiterhin an seinen Kindern und macht zum Beispiel jetzt eine Romreise
mit seinem Sohn. Für die Kinder ist die Trennung der Eltern insgesamt
ein Albtraum. Und der Freundin wird langsam ein Licht aufgehen, worauf
sich mit einem Vater eingelassen hat, der an seinen vier Kindern hängt.
Und dann gibt es ja noch die erweiterte Familie. Angefangen bei den
Großeltern. Ich sagte es schon: Eine Trennung ist für alle Seiten nur
Mist.
Jesus hatte schon Recht: Was Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Das galt zu seiner Zeit noch mehr als heute. Denn damals waren die
Frauen weitgehend rechtlos. So konnten sie von ihren Ehemännern ohne
Angabe von Gründen entlassen werden. Eine Wiederheirat des Mannes war
üblich und legitim. Die Frau konnte im Übrigen ihren Ehemann nicht aus
der Ehe entlassen. Sie musste vielmehr darauf hoffen, dass sich ein
anderer Mann für sie interessierte. Jesus spricht sich in sehr scharfer
Form gegen Männer mit verhärteten Herzen aus, die sich diese Situation
zunutze machten. Wir haben es im Evangelium gehört.
Die Ehe war bis ins Mittelalter eine Überlebensgemeinschaft, in die man
sich notfalls auch unter großem Leid hineinfügte. Und es ist auch gar
nicht so lange her, dass die Ehe im Wesentlichen eine Arbeits- und
Versorgungsgemeinschaft war, in der die Frauen finanziell von ihren
Ehemännern abhängig waren. Andererseits konnten – genauer
durften – die Ehefrauen auch nur innerhalb der Ehe ihrem Leben
einen Sinn geben. Bis in die neueste Zeit wurden Frauen mit der Heirat
aus dem Berufsleben gedrängt. So galt in der alten Bundesrepublik bis
zum Jahr 1951, dass eine verheiratete Frau nicht als Lehrerin arbeiten
durfte und deshalb nach einer Hochzeit aus dem Schuldienst entlassen
wurde.
Hier muss natürlich auch gesagt werden: Zu allen Zeiten und egal wie
eine Beziehung, wie eine Ehe entstanden ist: In der Mehrzahl aller Ehen
hat die Liebe eine Rolle gespielt, wahrscheinlich sogar eine zentrale
Rolle. In einem alten russischen Sprichwort heißt es nicht ohne Grund:
Der Frieden am Herd der heimischen Hütte vermag alle Unbill der Welt
aufzuwiegen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert – auch
wenn eine moderne Ehe auf anderen Säulen steht. Ich nenne nur freie
Partnerwahl, hohe Glückserwartung, gestiegener Anspruch an den Partner.
Und das alles in einem Umfeld, wo die Gesellschaft keine Ehe mehr
fordert, wo alles unverbindlicher geworden ist. Entscheidend ist nicht
mehr, ob ich in einer Ehe oder in einer nichtehelichen Beziehung lebe.
Entscheidend ist vielmehr, dass sie in Liebe geschlossen wird und dass
in einer Beziehung beide Partner sich in Liebe zugetan bleiben –
auch im Alltag.
Wo das gelingt, ist die Ehe, ist die Partnerschaft ein Geschenk. Es ist
ein Geschenk, für das es sich zu leben wohnt. Es ist ein Geschenk, das
kein Selbstläufer ist, sondern für das wir etwas tun müssen – jeden
Tag. Wir müssen etwas tun, damit uns die gegenseitige Zuneigung, der
gegenseitige Respekt, die gegenseitige Liebe nicht ganz leise und ganz
langsam abhandenkommen. Gott will, dass sich eine Beziehung auf Liebe
aufbaut und dass das im Laufe der Beziehung so bleibt. Dass das nicht
immer gelingt, ist leider wahr und für die Betroffenen oft schlimm.
Nicht ohne Grund heißt es im heutigen Predigttext: Was Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Kamel und das Nadelöhr • Markus 10, 17–27
Predigt am 15.10.2017 • 18. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Und als er hinausging auf den Weg, lief
einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was
soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu
ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott. Du
kennst die Gebote: Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du
sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst
niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Er
aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner
Jugend auf. Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm:
Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den
Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir
nach! Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn
er hatte viele Güter. Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen
Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die
Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete
wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, ins Reich
Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr
gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich
aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig
werden? Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist's unmöglich,
aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.
Liebe Gemeinde, im Predigttext, den wir vorhin als Evangelium gehört haben, sagt Jesus einen Satz, der häufig verwendet wird: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt.
Jesu Gleichnis vom Nadelöhr wird so oft benutzt, dass es ein Sprichwort
geworden ist. Ein Sprichwort, dass etwas beschreibt, was wirklich
unmöglich oder fast unmöglich zu erreichen ist. Denn man stelle sich
vor: ein ganzes Kamel soll durch einen winzig schmalen Spalt von einem
oder nur wenigen Millimetern gehen können. Genauso wenig – sagt
Jesus – soll ein Reicher ins Himmelsreich kommen.
Das ist anschaulich und klingt auch ganz gut. Zumindest für uns, die wir
alle miteinander nicht wirklich reich und erst recht nicht sehr reich
sind, reich an Geld und reich an Besitz. Ein Spötter würde sagen: Das
haben die Reichen nun davon, dass sie so reich sind. Hier auf Erden geht
es ihnen gut. Sie können sich alles leisten, wovon andere nur träumen
können. Aber ins Reich Gottes kommen die Reichen nur ganz schwer. Eben
so schwer, wie ein Kamel durch ein Nadelöhr geht.
Viele von uns werden nun denken: Das betrifft mich nicht. Ich bin nicht
so reich, dass ich schon deshalb nicht in Gottes Reich kommen kann. Aber
auch wenn das zutrifft: Bevor wir uns nun bequem zurücklehnen und
innerlich ganz ruhig werden, sollten wir uns schon fragen: Was will denn
Jesus uns mit dem Predigttext, mit seinem Gleichnis vom Nadelöhr sagen.
Wen meint Jesus, wenn er von einem Reichen spricht? Und: Geht es nur um
den Reichtum, den einer hat? Oder geht es vielleicht nicht vielmehr
darum, wie ein Reicher zu seinem Reichtum gekommen ist oder wie er mit
seinem Reichtum umgeht?
Was es mit dem Gleichnis auf sich hat, das erzählt uns der Evangelist
Markus im Predigttext: Ein reicher Mann kommt zu Jesus, kniet vor ihm
nieder und fragt Jesus: Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben
gewinne. Und auf Jesu Frage, wie er es denn mit Gottes Geboten halte,
antwortet der Fremde: Ich halte mich an sie seit meiner Jugend. Diese
Antwort muss Jesus überzeugt haben, denn er sieht den Fremden an und
gewinnt ihn lieb. Welch ein glücklicher Schluss, könnte man denken. Aber
die Geschichte geht weiter. Und zwar so, wie es eigentlich nicht zu
erwarten war.
Denn Jesus lobt den reichen Fremden nicht, obwohl der sich an Gottes
Gebote hält. Dabei war das zu Jesu Lebzeiten das Beste, was man in
Israel über einen Menschen sagen konnte: Gott fürchten und ehren und
Anderen nichts Böses tun. Also zum Beispiel nicht töten, nicht
ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsch Zeugnis reden, Vater und Mutter
ehren. Und ich denke mir, dass das auch heute nicht anders ist. Dass das
auch heute ein ehrbarer, anständiger und verlässlicher Mann wäre. Aber
Jesus ist das offenbar nicht genug. Auf jeden Fall will er den reichen
Mann prüfen und sagt deshalb zu ihm: Eines fehlt dir noch. Verkaufe
alles, was du hast, gib dein Geld den Armen und folge mir nach. Dann
wirst du einen Schatz im Himmel haben.
Der reiche Mann war tief betroffen, als er das hörte. Er verließ Jesus
traurig und ging wortlos davon, denn er hatte ein großes Vermögen, wie
es in einer modernen Übersetzung heißt. Der reiche Mann, der sich gerade
noch vor Jesus auf die Knie geworfen und um Rat gefragt hat. Und der
Jesus auch ganz viel zugetraut haben muss mit seiner Frage nach dem
Himmelreich Gottes: Dieser reiche Mann geht einfach weg – ohne Gruß
und ohne Jesus wenigstens einmal zu fragen: Müsste ich denn wirklich
alles hergeben? Und was heißt es, dass ich dir nachfolgen soll? Aber der
reiche Mann fragte überhaupt nichts, denn er wollte von seinem großen
Reichtum nichts abgeben – überhaupt nichts und auch an niemanden.
Vor diesem Hintergrund wird nun auch verständlich, wenn Jesus im
Predigttext zu seinen Jüngern sagt: Wie schwer ist es doch für Menschen,
die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen. Und obwohl seine
Jünger über diese seine Worte entsetzt sind, wird Jesus noch deutlicher
und spricht den berühmten Satz aus, den wir vorhin schon gehört haben: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.
Dabei ist nun entscheidend und das sagt uns auch der Predigttext: Es
geht hier gar nicht ganz allgemein um einen reichen Menschen. Denn Jesus
gewinnt den Menschen lieb, obwohl er um seinen Reichtum natürlich
wusste. Es geht vielmehr um einen Reichen, der von seinem Reichtum
nichts abgeben will. Der, genauer gesagt, von seinem Überfluss nichts
abgeben will. Auch wenn ihm das gar nichts ausmachen würde. Und auch
dann nicht, wenn damit Not gelindert werden kann. Das Reich Gottes ist
niemanden versperrt, nur weil er reich ist. Das Reich Gottes ist dem
versperrt, dessen Reichtum viel mit Egoismus, Geiz und Unbarmherzigkeit
zu tun hat. Den sein Reichtum zu Egoismus, zu Geiz und zu
Unbarmherzigkeit verführt.
Ich komme damit auf meine Frage zurück, was Jesus denn uns mit seinem
Gleichnis vom Nadelöhr sagen will. Zunächst einmal: Das Einhalten der
Gebote ist wichtig und bleibt wichtig. Aber Jesus sagt uns auch: Es
reicht beim Einhalten der Gebote nicht aus, anderen nichts Böses
anzutun. So wichtig das ist. Aber Jesus will eben nicht nur, dass wir
anderen nichts antun. Sondern er will, dass wir darüber hinaus auch
etwas für die Anderen, für unsere Nächsten tun. Und das nicht nur, weil
wir das müssen. Unser Jesus will, dass wir bereit werden, etwas von
unserem Überfluss an andere abzugeben, denen es schlechter geht als uns
oder die so viel ärmer sind als wir. Für die Millionen Hungernden auf
der Welt sind wir allemal reich genug, um etwas von uns abzugeben. Und
für die Einsamen in unserer Gemeinde hätten auch viele unter uns
genügend Zeit, um etwas davon an die Einsamen abzugeben, die sich in
ihrer Wohnung allein gelassen fühlen.
Im Predigttext fordert Jesus den reichen Mann auch auf, ihm
nachzufolgen. Dazu ist der reiche Mann nicht bereit. Er scheint nicht
einmal überhaupt darüber nachgedacht zu haben. Und er fragt Jesus auch
nicht: Was heißt es, dass ich alles, was ich habe, weggeben soll. Und
was heißt es, dass ich dir nachfolgen soll. Wir haben es schon gehört.
Genau das sind die Fragen, die aus dem Predigttext folgen. Und die
deshalb auch wir stellen sollen. Die wir genauer gesagt: uns, an uns
selbst stellen sollen. Was heißt für uns, was heißt es für mich, Jesu
nachzufolgen. Die Botschaft von Jesus an uns im heutigen Predigttext ist
deutlich: Wir sollen unseren Geiz, unseren Egoismus, unsere
Gleichgültigkeit nicht über das siegen lassen, was uns reich macht.
Unser Vertrauen auf Jesus ist dabei eine gute Hilfe. So wie wir es zum
Beispiel gleich singen werden: Vertraut den neuen Wegen, auf die der
Herr uns weist.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Herrschen und Dienen • Markus 10, 42–45
Predigt am 21.03.2021 • Judika • Petrikirche Freiberg
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Einheitsübersetzung)
Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext ist ein Teil des Evangeliums, das wir vorhin gehört haben. Er handelt vom Herrschen und vom Dienen. Ich frage uns deshalb: Herrschen wir lieber oder dienen wir lieber? Oder anders gesagt: Wollen wir lieber von anderen bedient werden oder ist es uns lieber, wenn wir anderen dienen? Will ich derjenige sein, anderen sagen darf, was ihnen erlaubt oder verboten ist? Was sie zu tun oder zu lassen haben? Oder lasse ich mir lieber von anderen vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.
Die Antwort darauf ist auf den ersten Blick eindeutig: Natürlich ist es für mich bequemer, wenn ich mich bedienen lasse. Und natürlich ist es schön, wenn ich der Bestimmer bin. Wenn ich es bin, der anderen sagen darf, wo es lang geht. Auf den zweiten Blick trifft aber auch zu, dass wir gern einer guten Sache dienen. Und manchmal sind wir auch dankbar, wenn uns jemand um einen Dienst bittet – zum Beispiel jemand, den wir verehren. Oder jemand, den wir lieben. Und wer für uns ein Vorbild ist, von dem lassen wir uns auch einmal etwas sagen. Ja, wir sind manchmal sogar bereit, uns beherrschen zu lassen. Zum Beispiel, wenn uns das Sicherheit gibt oder uns ganz einfach gut tut.
Für Jesus ist das Herrschen und das Dienen auch ein Thema. Im Predigttext ruft er dazu seine Jünger zusammen und spricht darüber zu ihnen. Was er ihnen im Einzelnen gesagt hat, dazu kommen wir noch. Zunächst lohnt es sich einmal, einen Blick auf die Jünger zu werfen. Sie sind eine eingeschworene Truppe. Sie haben alles hinter sich gelassen, um Jesus zu folgen. Zum Beispiel Verwandte und Freunde. Ihr vertrautes Umfeld und ihre Arbeit. So sehr hat sie Jesu Ausstrahlung und seine Botschaft vom Reich Gottes überzeugt, dass sie bereit waren ihm zu folgen. Und sie lassen sich auch von Jesus nicht nur etwas sagen, sondern sie wollen sogar hören und das befolgen, was ihnen Jesus sagt.
Weil Jesus für seine Jünger ein so großes Vorbild ist, kann eines nicht verwundern: Sie wollen Jesus nahe sein. Und hier zeigt sich etwas sehr Menschliches. Denn einige Jünger wollen Jesus etwas näher sein als die anderen. Sie wollen zum Beispiel neben ihm sitzen und sogar vielleicht ein kleines bisschen bevorzugt werden
Deshalb ruft Jesus seine Jünger zu sich und sagt: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein.
Die Herrscher zu seiner Zeit hat Jesus treffend charakterisiert, Und seinen Jüngern sagt er deshalb ganz klar: So sollt ihr nicht sein. Also keine Unterdrücker. Und auch niemand, der seine Macht missbraucht. Die Jünger werden sich das zu Herzen ge-nommen haben.
Und wir? Denn Jesus sagt das natürlich auch uns. Können wir uns nun innerlich entspannt zurücklehnen? Denn keiner von uns ist ja ein Herrscher, der andere unter-drückt oder seine Macht missbraucht – wenn er sie denn hätte. Wir können uns trotzdem nicht entspannt zurücklehnen. Denn Jesus sagt uns ja nun nicht nur, wie wir nicht sein sollen. Sondern auch, wie wir denn sein sollen. Genauer, wie wir uns verhalten sollen. Im Predigttext wird uns dazu gesagt: Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und auch wer bei euch der Erste sein will, soll der Knecht aller sein.
Wer unter uns also groß sein will, liebe Gemeinde, der soll unser Diener sein. Denn groß ist nach Jesus der, der anderen dient. Der für andere da ist. Der sich um sie kümmert. Der bereit ist, für andere ein dienstbarer Geist zu sein und im Alltag dort hilft, wo Hilfe gebraucht wird. Groß ist also nicht der, der sich für größer hält als andere. Oder der denkt, dass er etwas Besseres ist. Warum auch immer.
Jesus sagt uns damit etwas sehr Ernstes. Und etwas, was uns weh tut oder zumindest wehtun müsste. Denn auch wir halten uns oft im Vergleich zu anderen für die Größeren oder für die Besseren. Wenn Jesus vom Dienen und vom Herrschen zwischen uns spricht, geht es also auch um unsere innere Einstellung zu uns selbst und zu anderen Menschen. Dienen in unserem Alltag fängt deshalb damit an, dass wir nicht nur uns, sondern auch andere ernst nehmen.
Interessant ist nun, dass sich Jesus beim Thema Herrschen und Dienen auch selbst mit ins Spiel bringt. Im Predigttext sagt er uns dazu: Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Jesus ist in die Welt gekommen, um zu dienen. Das sagt er nicht nur im Predigttext. Der irdische Jesus war den Menschen zugewandt: Er ist zu ihnen gegangen. Er hat
Sie geheilt. Er hat ihnen vom Reich Gottes erzählt und ihnen gesagt, was für sie gut ist. Er war den Menschen so sehr zugewandt, dass er für sie in den Tod gegangen ist.
.
Es ist unser Glück, dass auch der auferstandene Jesus Christus uns zugewandt ist und bleibt. Und wir Jesus bitten dürfen, wie wir es dann singen werden: „Ach bleib mit Deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ.“ Und auch der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, ist im Sinne von Jesus Christus.
Amen
Das höchste Gebot • Markus 12, 28–34
Predigt am 25.08.2019 • 10. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Bieberstein
Und es trat zu ihm einer der
Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander
stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er
ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das
höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr
allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen,
von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft«
(5. Mose 6, 4–5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19, 18). Es ist
kein anderes Gebot größer als diese. Und der Schriftgelehrte sprach zu
ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein
anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt
und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist
mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Da Jesus sah, dass er
verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich
Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Liebe Gemeinde,
wie muss jemand sein, den wir lieben oder den wir lieben wollen: Oder
wie muss jemand sein, damit ich ihn überhaupt lieben kann. Wie soll er
aussehen, wieviel soll er mitbringen – nicht an Geld, sondern an
Zuneigung. Welchen Freund oder welche Freundin wünschte ich mir. In
wessen Nähe würde ich mich wohlfühlen. Wer wäre ein gern gesehener Gast
bei uns. Oder wer kann oder könnte ein Vorbild für mich sein. Ja, wie
sollten der oder die sein, mit denen wir täglich zusammen sind oder die
uns nahe stehen.
Hier gibt es viele Fragen und viele verschiedene Wünsche. Jeder von uns
hat hier seine eigenen Vorstellungen. Aber es gibt, wie wir alle wissen,
natürlich auch viele Gemeinsamkeiten. Denn wer von uns wünschte sich
nicht bei dem oder der Anderen ein gutes Herz, starke oder geschickte
Hände, schnelle Füße. Ehrlichkeit und Beständigkeit. Jemand, der offen
ist für das, was ihm von uns entgegen gebracht wird an Liebe, Zuneigung
oder Vertrauen. Und der selbst auch liebenswert und liebenswürdig ist.
Doch wie sieht das nun aus, wenn wir unsere private Komfortzone
verlassen. Was ich meine, das sind die Chefs, mit denen wir zu tun haben
oder zu tun hatten. Wie muss also einer sein, den wir als unseren Chef
zum Beispiel im Beruf anerkennen wollen und in der Regel auch anerkennen
müssen. Einer, der über uns bestimmen kann. Einer, von dem wir uns
sagen lassen müssen, wo es lang geht und was wir zu tun haben. Und wie
müsste denn nun ein ganz großer Chef, ein mächtiger Herrscher sein,
damit wir ihn anerkennen können. Ja, wie müsste der sein, damit wir ihn
sogar lieben können. Sie merken schon: Hier geht es nicht um einen hohen
Politiker oder einen besonders wichtigen Manager. Sondern hier geht um
mehr, um sehr viel mehr: Es geht um Gott.
Und damit komme ich zum Predigttext, den wir vorhin als Evangelium für
diesen Sonntag gehört haben. Ich lese den Text noch einmal auszugsweise
in einer modernen Übersetzung. Jesus wird in einem Streitgespräch mit
Schriftgelehrten gefragt: Welches ist das
wichtigste von allen Geboten? Und Jesus antwortete: Das wichtigste Gebot
ist: Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist der alleinige Herr, Und
diesen Herrn, deinen Gott, sollst Du lieben von ganzem Herzen, mit
ganzer Hingabe, mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft. Als
Zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Kein anderes Gebot ist größer, ist wichtiger als diese beiden Gebote.
Der Anfang der Antwort Jesu erstaunt, ja verunsichert zunächst. Denn
Jesus beginnt mit einem „Höre, Israel!“ Sollen wir denn dann auch hören,
zuhören und das für uns annehmen? Ja, liebe Gemeinde, wir sollen: Denn
wenn Jesus von Israel spricht, meint er natürlich nicht das Land,
sondern die Menschen, die darin leben. Und was wichtiger ist: Jesus,
lebte zwar als wahrer Mensch in Israel: Aber er war und ist auch Gottes
Sohn, der alle Menschen anspricht mit dem, was er gesagt hat –
damals wie heute.
Im Predigttext, in den Worten Jesu, geht es dreimal um die Liebe: Um
meine Liebe zu Gott, um meine Liebe zu meinem Nächsten und um meine
Liebe zu mir selbst. Ich frage uns: Wer interessiert uns hier am
meisten? Gott, mein Nachbar oder ich selbst? Wenn wir ehrlich sind: Vor
allem interessieren wir uns meist für uns selbst. Der Bezugspunkt zum
Beispiel zu unserem Nächsten liegt oft – manchmal zu oft – bei
uns und nicht bei ihm. Wir haben vorhin schon die vielen Fragen gehört,
die sich deshalb beim Thema Liebe, Vertrauen, Verstehen auftun können.
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Mit diesem einen Satz aus dem Predigttext schafft Jesus Klarheit. Er
stellt uns auf eine Stufe mit unseren Nächsten, Nachbarn, Kollegen,
Freunden usw. Deshalb sind die oben genannten Fragen, die wir an andere
haben, auch Fragen, die die anderen zu Recht auch uns stellen. Die
Aufforderung von Jesus, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben, ist
natürlich nichts für Egoisten, die zuerst immer nur an sich denken.
Doch zurück zum Predigttext. Zu dem Teil, in dem es um Gott geht, den
wir lieben sollen. Jesus sagt im Text über Gott: Der Herr, unser Gott,
ist der alleinige Herr. Das Alleine war damals nicht selbstverständlich:
Denn nur die Israeliten glaubten – auch schon Jahrhunderte vor
Jesus – an den einen und großen Gott. Rings um sie herum gab es die
ganze Zeit nur Götterwelten mit vielen Göttern. Einer der Obersten
dieser Götter war zum Beispiel in Griechenland Zeus. Welch ein
Unterschied zu unserem einen Gott, der alles erschaffen hat und der
alles erhält: Uns, die ganze Welt, ja, das gesamte Weltall, das ganze
Universum. Gott ist so groß, dass wir uns ihn nicht vorstellen können.
Es kommt hinzu, dass Gott ewig ist. Selbst wenn die ganze Welt vergehen
würde: Gott wäre immer noch da.
Und wenn auch das unvorstellbar ist: Unser Jesus ist – wie wir
glauben – Gottes Sohn. Und dieser unser Jesus fordert uns nun im
Predigttext auf, Gott zu lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit ganzem Verstand und mit aller Kraft.
Bloß, wie soll das gehen, Gott zu lieben? Hier gilt nicht nur, aber
auch, was Liebe zwischen zwei Menschen heißt: Das geht mit Treue los.
Und je wertvoller uns ein Mensch ist oder wird, umso mehr werden wir ihn
lieben: Von ganzem Herzen, bei wachem Verstand und mit voller Kraft.
Und gegenüber Gott ist das nicht viel anders. Auch hier werden Treue zu
ihm, Glaube an ihn, Hoffnung auf ihn und Liebe zu ihm wichtig.
Eines ist bei dem Verhältnis zwischen Gott und uns natürlich anders als
bei unserem Verhältnis zu unseren Nächsten: Mit Gott stehen wir nicht
auf einer Stufe. Mit ihm können wir gar nicht auf einer Stufe stehen.
Was wir aber können: Das ist Gott zu ehren und zu danken. Und wir dürfen
Gott um etwas bitten und zu ihm beten. Dass wir dabei Gott als unseren
Vater im Himmel anrufen dürfen, ist ein großes Geschenk an uns.
Ja, liebe Gemeinde: Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade.
Und genau das wollen wir jetzt gemeinsam singen: Mit ganzem Herzen, mit
ganzer Hingabe, mit wachem Verstand und mit all unserer Kraft. Das
Lied, das im Übrigen schon aus dem 4. Jahrhundert stammt, finden
Sie im Gesangbuch unter der Nummer 179.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Seht euch vor. Wachet! • Markus 13, 31–37
Predigt am 22.11.2015 • Ewigkeitssonntag • Kirche Bieberstein
Himmel und Erde werden vergehen; meine
Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß
niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern
allein der Vater. Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die
Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein
Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und
gebot dem Türhüter, er solle wachen: So wacht nun; denn ihr wisst nicht,
wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um
den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde,
wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen:
Wachet!
Liebe Gemeinde, in einem der Lieder, die wir heute noch singen werden,
heißt es: Bewahre uns, Gott. Behüte uns, Gott, sei mit uns in allem
Leiden. Voll Wärme und Licht, im Angesicht sei nahe in schweren Zeiten.
Jemand, der uns nahe sein will, jemand, der uns helfen will, jemand, dem
wir vertrauen können: Der strahlt Wärme für Geborgenheit und Licht
gegen die Finsternis aus. Das gilt für einen Menschen, den wir lieb
haben. Aber das gilt auch für Gott. Beide sind ein Licht, das in der
Finsternis leuchtet. Eine Finsternis, die uns im Leid umgibt und die uns
Angst macht. Dazu heißt es in einem alten Sprichwort: Alle Finsternis
der Welt reicht nicht aus, um das Licht einer einzelnen Kerze
auszulöschen. Oder wie wir es ganz modern sagen würden: Auch für dich
scheint ein Licht am Ende des Tunnels oder es wird bald ein Licht
scheinen. Das heißt für alle, die um sich herum nur Dunkelheit fühlen,
gibt es Hoffnung.
Das gilt alles und im Besonderen für den Ewigkeitssonntag. Dieser Tag
ist wie in jedem Jahr auch in diesem Jahr etwas Besonderes. Er ist
deshalb ein besonderer Tag, weil wir an ihm unserer Verstorbenen
gedenken. Das Denken an die Verstorbenen fängt mit der Erinnerung an sie
an. Und je länger wir an einen Verstorbenen denken, umso besser und
umso genauer erinnern wir uns: An seine Sprache, an seine Vorlieben, an
seine Späße, an seine Bewegungen, an sein Gesicht. Dabei ist die
Erinnerung an den Verstorbenen bei jedem Trauernden etwas anders. Nur
eines ist gleich: Wer an einen Verstorbenen denkt, wird letztendlich
auch an sich selbst denken.
Es geht an diesem Sonntag also auch um uns. Um uns, die wir in diesem
Jahr oder auch schon früher einen lieben Menschen verloren haben. Einen
Menschen, dessen Tod uns heute noch weh tut. Einen Menschen, der uns
gebraucht hat und den auch wir gebraucht haben. Und letztendlich ein
Mensch, der uns durch seinen Tod die Vergänglichkeit auch unseres
eigenen Lebens vorgeführt hat. Und um die Vergänglichkeit allen Lebens
geht es auch im Predigttext aus dem Markusevangelium, Kapitel 15.
Die Kernbotschaft des Textes lässt sich in wenigen Sätzen
zusammenfassen: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.
Und: Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Liebe Gemeinde, Himmel und Erde werden vergehen.
Was uns Jesus hier erzählt, ist eine harte Sache. Alles vergeht. Alles ist vergänglich.
Alles, was uns umgibt: Die Tier- und Pflanzenwelt, das Klima, das Bild
der Erde, wie wir sie kennen. Ja, das gesamte Weltall, das Universum
wird nicht so bleiben, wie es ist. Auch das, was der Mensch geschaffen
hat: Länder, Völker und Staaten, aber auch Kunst und Literatur, das
Fernsehen und die Computerwelt, unsere Häuser und Kirchen. Es heißt
immer: Unkraut vergeht nicht. Doch, auch das Unkraut wird vergehen. Und
auch der Mensch ist vergänglich. Jeder von uns ist vergänglich. Wir
merken an uns das Älterwerden. Auch bei anderen haben wir das
Älterwerden bis zum Verfall, bis in den Tod schon erlebt. Für die
meisten Jüngeren ist der Tod noch kein Thema und das ist wahrscheinlich
gut so. Bei den älteren Jahrgängen sieht das schon ganz anders aus.
Dabei ist merkwürdig, dass wir das Sicherste in unserem Dasein –
das Todsichere – so verdrängen. Wir schieben das Thema einfach
beiseite. Wir wollen im Grunde damit nichts zu tun haben. Warum das so
ist: Ich weiß es auch nicht.
Aber sollten wir über unsere eigene Vergänglichkeit hier auf dieser Welt
nicht doch einmal nachdenken? Wir machen das ja sonst auch, wenn etwas
so sehr uns direkt betrifft. Zum Beispiel eine Krankheit, vor der wir
Angst haben. Sollte der Tod uns nicht etwas vorbereitet finden? Und das
nicht erst dann, wenn er uns unmittelbar bevorsteht? Und der Tod kommt
gewiss, wie wissen nur nicht wann. Oder wie es im 23. Psalm heißt:
Herr, lehre doch dass es ein Ende mit mir haben muss. Wir haben es heute
schon gehört. Natürlich sollen wir – egal, ob jung oder alt –
nicht immerzu mit Todesgedanken herumlaufen. Aber der heutige
Ewigkeitssonntag ist dazu schon eine gute Gelegenheit: Für das Denken an
die Verstorbenen und das Nachdenken über unsere eigene Vergänglichkeit.
In unserem Predigttext heißt es weiter: Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Jesus sagt uns also hier nicht nur: Wachet, sondern Seht euch vor und
wachet. Beim Wachen sollen wir also aufpassen. Aufpassen auf uns selbst.
Das ist eine Mahnung, aber auch ein guter Rat. Denn wir wissen ja
tatsächlich nicht, wann unsere Zeit hier auf dieser Welt zu Ende sein
wird. Und wie unsere Zeit zu Ende gehen wird.
Jesu „wachet auf“, ist ein Weckruf der besonderen Art. Wir sollen
aufwachen aus dem Alltagstrott. Wir sollen auf die frohe Botschaft
hören, dass unser Leben mehr ist als nur irgendwie zu funktionieren. Ein
afrikanischer Kardinal hat dazu vor nicht allzu langer Zeit einmal
gesagt: „Der Mensch wird nicht geboren, um sein Bankkonto in Ordnung zu
bringen. Er wird geboren, um seinen Nächsten zu lieben und zu Gott zu
gelangen.“ Soweit der Kardinal. Was das Wachet, wachet auf, heißt, muss
jeder von uns für sich entscheiden. Für mich ist es der Versuch, im
Leben anständig und hilfsbereit zu bleiben und Gott als Instanz für mich
anzuerkennen. Eine Instanz, in der ich geborgen bin und der ich mich
verantwortlich fühle.
Liebe Gemeinde, Himmel und Erde werden vergehen. Das haben wir schon gehört. Aber der Predigttext geht weiter, denn Jesus sagt uns auch: Meine Worte aber werden nicht vergehen.
Egal was kommt: Jesu Wort ist immer gültig. Was auch kommen mag, wir
sind nicht allein. Denn von Jesus haben wir die Zusage: Ich bin bei euch
alle Tage bis an das Ende der Welt, also weit über Tod hinaus. Das ist
ein Trost für alle Menschen, egal ob sie noch leben, egal ob sie im
Sterben liegen, egal ob sie schon gestorben sind. Und das ist auch ein
Trost für uns heute. Denn wir sind und bleiben in Gottes Hand. Jeder von
uns. Die Lebenden und die Toten.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Seid barmherzig • Markus 14, 3–9
Predigt am 17.04.2011 • Palmarum • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im
Markusevangelium, Kapitel 14 in den Versen 3 bis 9: Und als er in Betanien war im Hause Simon
des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas
mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und
goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen
untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses
Öl für mehr als 300 Silbergroschen verkaufen können und das Geld den
Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie in
Frieden. Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn
ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen
Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie
konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.
Wahrlich ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt,
da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Heute, liebe Gemeinde, beginnt die Karwoche. Das heißt, die Woche, in
der wir in besonderer Weise des Leidens und Sterbens unseres Herrn Jesus
Christus gedenken. Was hier vor 2000 Jahren passiert ist, das ist
schrecklich. Und es sollte uns schon erschauern lassen, dass dieses
Schreckliche viel, sehr viel, mit uns und unseren großen und kleinen
Sünden zu tun hat. Was hat Jesus in dieser Woche nicht alles
erlebt – auch außerhalb der Qualen und der Todesangst, die er
erleiden musste. Am Anfang stand der Jubel der Menge. Jesus feiert mit
seinen Jüngern das Abendmahl und offenbart sich dabei noch einmal sehr
direkt. Er wird von Judas verraten und von Petrus dreimal verleugnet.
Und die Jünger schlafen in der Nacht, in der sie mit Jesus wachen und
beten sollten, mehrmals ein. Und als Jesus nicht vom Kreuz steigt –
wie von den Jüngern erwartet – sondern stirbt, da verkriechen sich
seine Jünger und haben Angst. Aber auch eine sehr persönliche Zuwendung
erfährt Jesus in dieser schlimmen Woche. Und genau davon handelt der
Predigttext für den heutigen Sonntag – die „Salbung in Betanien“.
Jesus ist die Salbung durch eine unbekannte und namenlose Frau so
wichtig, dass er seine Jünger zurechtweist. Ihnen war – wie wir
gerade gehört haben – das Öl dafür zu wertvoll. Jesus sagt dazu
sinngemäß: Wenn man später von mir berichten wird, dann wird auch von
dieser Frau geredet werden. Die Geschichte selbst ist klar und es lassen
sich auf dem ersten Blick auch keine Untiefen erkennen, die nur von
einem theologischen Fachmann verstanden werden könnten.
Hier ist zunächst festzuhalten, dass die Frau in unserer Geschichte
selbstlos für Jesus etwas hergibt, was für sie selbst einen großen Wert
hat. Sie will damit an Jesus ein barmherziges Werk tun. Sie tut es und
Jesus ist ihr dankbar dafür. Und damit steht eine fast böse klingende
Frage an uns im Raum: Was sind wir bereit, für Jesus herzugeben? An
einer anderen Stelle der Bibel hat Jesus gesagt: Was ihr für die
geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan. Das
heißt doch aber auch: Was ihr nicht für den geringsten meiner Brüder
getan habt, das habt auch für mich nicht getan. Wie halten wir es also
mit Wohltätigkeit oder mit der Barmherzigkeit? Sind wir bereit, anderen
etwas abzugeben, was uns gehört? Sind wir bereit, etwas abzugeben, was
für uns wertvoll ist: Egal ob es Geld oder Zeit ist?
Ja, das Thema Barmherzigkeit ist in unserem heutigen Predigttext eine
klare Botschaft an uns, an unser Denken und unser Tun. Genauer ist es
eine klare Botschaft gegen unsere Gedankenlosigkeit und gegen unser
Nichttun, gegen unseren Egoismus und unseren Geiz. Kurz: Es ist eine
Botschaft gegen die Hartherzigkeit, gegen unsere Hartherzigkeit. Das
sollten wir mit in unseren Alltag nehmen. Dabei geht es nun nicht nur um
das Barmherzig-sein-wollen im Alltag, so wichtig das ist. Es geht
vielmehr um unser barmherziges Tun. Wir leben heute in einer Zeit, die
viele Vorzüge hat, in der aber leider zunehmend jeder sich selbst der
Nächste ist. Hier ist die „Salbung in Betanien“, d. h. das
selbstlose Handeln einer namenlosen und in den Evangelien auch
schweigenden Frau ein starker und notwendiger Impuls.
Wer war nun diese Frau, die vor 2000 Jahren ein gutes Werk an Jesus
tut, in dem sie sein Haupt mit einem wertvollen Öl salbt? Wir wissen es
nicht, denn im Predigttext und auch an anderen Stellen der Bibel wird
über diese Frau nichts ausgesagt. Das ist schade, denn hier tun sich
Fragen auf: Woher weiß die Frau, wo und wie sie Jesus finden kann? Wie
kommt sie als Frau in die von Männern dominierten Runde, denn die Jünger
waren ja alles Männer. Woher hat sie das Wissen, dass Jesus noch diese
Woche sterben wird? Woher weiß diese Frau, dass Jesus ein so bedeutender
Jude ist, dass er vor seinem Tod gesalbt werden muss? Woher nimmt sie
den Mut, dass die Salbung gerade durch sie selbst erfolgen soll? Woher
die Festigkeit, dass sie sich auch nicht von den schimpfenden Jüngern
erschüttern lässt?
Und hier noch eine ganz praktische Frage: Wo hat diese Frau das
wertvolle Öl her? 300 Silbergroschen – so viel hat das Öl
gekostet – sind eine Menge Geld. Zum Vergleich: Ein Silbergroschen
war damals der normale Lohn für einen Arbeitstag. Stammt also die Frau
aus einer reichen Familie oder hat sie für dieses Salböl mehrere Jahre
arbeiten müssen? Es kommt zu all den Fragen hinzu, dass die Stellung
einer Frau im römischen Reich nicht gut war. In einer römischen Familie
kam in der Rangfolge der Sohn vor seiner Mutter. Deshalb: Was wird die
Familie unserer tapferen, namenlosen und schweigenden Frau gesagt haben.
Für alle diese Fragen kann ich mir nur eine Antwort vorstellen: Die
Frau glaubt bedingungslos an Jesus und sie vertraut ihm voll und ganz.
Nun tun sich aus dem Predigttext noch eine ganz andere Fragen auf. Ist
mir Jesus so wichtig, dass ich bereit bin, ihm etwas von dem abzugeben,
was mir gehört? Traue ich Jesus zu, dass er mein Leben trägt und er mir
oft nahe ist – egal, ob es mir gerade gut oder schlecht geht? Oder
anders gesagt: Glaube ich wie die Frau an Jesus und vertraue ihm?
Denn ernstgenommener Glaube führt zum Vertrauen. Zum Vertrauen darauf,
dass ich mich auf diesen Jesus von Nazareth verlassen kann, dass ich ihm
trauen und mich ihm anvertrauen kann. Ich wünsche uns allen dieses
Vertrauen, weil es unserem Leben Sinn und Halt gibt, weil sich damit
auch Schlimmes aushalten lässt und weil wir damit jeden Tag wohlgemut,
geborgen und getröstet beginnen und beenden kann. Barmherzigsein hilft
uns dabei.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Umkehr tut not • Lukas 3, 1–14
Predigt am 12.12.2010 • 3. Advent • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, die gute Nachricht aus dem Lukasevangelium,
Kapitel 3, das wir vorhin gehört haben – ist gleichzeitig der
Predigttext für diesen Sonntag.
Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des
Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und
Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst
von Ituräa und der Landschaft Trachonotis und Lysanias Landesfürst von
Abilene, als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort
Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste. Und er kam in
die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur
Vergebung der Sünden, wie geschrieben steht im Buch der Reden des
Propheten Jesaja (Jesaja 40, 3–5): „Es ist eine Stimme eines
Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine
Steige eben. Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Hügel sollen
erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben
ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland
Gottes sehen.“ Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich
taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht,
dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt
rechtschaffende Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir
haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus
diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die
Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen
und ins Feuer geworfen. Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen
wir denn tun? Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat,
der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. Und es
kamen Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister,
was sollen wir denn tun? Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als
euch vorgeschrieben ist. Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen:
Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt
oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold.
Der Text ist eine Nachricht an uns. Da lohnt es sich, dass wir uns
gemeinsam auf den Weg machen und uns fragen: Was will der Text aussagen?
Was folgt daraus ganz konkret heute für uns? Und: Was hat das Ganze
eigentlich mit Advent, mit der Adventszeit zu tun?
Advent ist die Zeit, in der wir uns ganz einfach auf Weihnachten freuen
dürfen. Auch für Menschen, die von Gott nichts wissen oder sich von ihm
abgewendet haben, ist Advent etwas Besonderes. Advent ist eine Zeit der
Liebe und eine Zeit der Erwartung – und zwar fast unabhängig davon,
was eigentlich erwartet wird. Es ist die Zeit, in der die Schwibb-Bögen
ins Fenster gestellt werden und in der die Kerzen angezündet werden. Es
ist die Zeit, in der wir so aktiv werden wie das ganze Jahr über nicht.
Wo Grüße als Karte, Brief oder Email an Freunde, Bekannte und Verwandte
geschrieben werden. Auch und im Besonderen an Diejenigen, die das ganze
Jahr von uns nichts gehört haben. Die gerade in der Adventszeit merken
sollen, dass wir sie nicht vergessen haben. Advent ist auch die Zeit, in
der sich öfter als sonst Familien treffen. Und nicht zu vergessen: Es
ist auch die Zeit, in der jede Menge Geschenke gekauft werden.
Schließlich wollen wir damit zeigen, dass uns unsere Nächsten nicht egal
geworden sind. Das alles wird oft so ernst genommen, dass die Zeit im
Advent bei vielen mehr eine Zeit der Hektik als eine Zeit der Besinnung
geworden ist. Und wie ist das bei uns? Wir, die wir wissen, dass
Weihnachten mehr ist als das Essen von Gänsebraten und das Austeilen von
liebevoll ausgesuchten Geschenken? Wie bereiten wir uns auf Weihnachten
vor? Was unterscheidet uns denn von all denen, für die Weihnachten
einfach eine schöne Familienfeier ist? Wie gehen wir mit unserem
Nachbarn um, der Jesus von Nazareth nicht kennt, der aber von einer
sehnsuchtsvollen Erwartung erfüllt ist?
Ich wünsche uns jedenfalls sehr, dass wir uns im Advent nicht nur auf
das süße Baby freuen, dessen Geburt als Weihnachten „alle Jahre wieder“
gefeiert wird. Ich wünsche uns vielmehr den festen Glauben daran, dass
in diesem süßen Baby Jesus der Christus. unser Herr, Heiland und Erlöser
auf die Welt kommen wird. Und damit bin ich an einem zentralen Punkt.
Weil wir auf die Geburt unseres Herrn warten, ist Advent viel mehr als
eine nur stimmungsvolle und vom Konsum bestimmte Vorweihnachtszeit. Wenn
wir jemand erwarten, bereiten wir uns darauf vor. Das gilt erst recht,
wenn wir die Ankunft unseres Herrn – genauer: Unseres Herrn Jesus
Christus – erwarten. Wenn Sie so wollen: Genau diese unsere
Vorbereitung auf das Kommen des Herrn, das ist Advent.
Und darum geht es auch im Predigttext für diesen Sonntag. Zur
Erinnerung: Der Evangelist Lukas berichtet darin über das Wirken von
Johannes, dem Täufer. Der Evangelist stellt zunächst das Geschehen in
einen konkreten historischen Rahmen. Er macht damit deutlich, dass er
hier keine Geschichte erzählt, sondern etwas aufschreibt, was
tatsächlich passiert ist. Lukas ist auch der direkte Bezug zum Alten
Testament wichtig. Das heißt, er bindet seinen Bericht an eine
alttestamentliche Verheißung und gibt ihm damit auch einen
heilsgeschichtlichen Rahmen. Konkret zitiert er den Propheten Jesaja.
Die Kernaussage in diesem Text lautet: Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Bereitet dem Herrn den Weg.
Das, genau das ist Advent. Das ist die frohe Botschaft für diesen
Sonntag. Und das ist – damals wie heute – ein Auftrag an uns
und für uns.
Im Predigttext ist Johannes der Täufer dieser Rufer in der Wüste. In der
Wüste empfängt er das Wort Gottes. Aus der Wüste zieht Johannes an den
Jordan und verkündet überall die Notwendigkeit von Buße, von Umkehr und
die Notwendigkeit der Taufe zur Vergebung der Sünden. Damit wird damals
von Johannes dem Täufer das Kommen von Jesus vorausgesagt. Im
Predigttext können wir lesen, dass das Volk in Scharen zu Johannes
zieht, um sich taufen zu lassen. Hier sind mehrere Dinge festzuhalten:
Das Volk von damals waren Juden. Die Juden kamen von sich aus zu
Johannes, um sich taufen zu lassen. Und sie kamen nicht einzeln, sondern
in Scharen. Was die Taufe selbst betrifft, war sie für gläubige Juden
keine einmalige Sache. Die Taufe erfolgte vielmehr regelmäßig im Sinne
einer Reinigung und war verbunden mit der Bereitschaft zur Buße und
Umkehr. Diese Taufe ist also etwas anderes als unsere Taufe. Johannes
der Täufer wird denn auch an einer späteren Stelle des Evangeliums
sagen: Ich taufe euch nur mit Wasser, aber der nach mir kommt –
gemeint ist Jesus – wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
Also: Die Juden kommen in Scharen zu Johannes, um sich taufen zu lassen.
Wahrscheinlich haben sie vorher Umkehr und Buße gelobt. Johannes
reichen aber keine frommen Worte. Er will Taten sehen und fordert:
Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen. Und die Menschen gehen
daraufhin nicht etwa von Johannes weg, sondern fragen ihn: Was sollen
wir denn nun tun? Die Antwort des Johannes auf diese Frage spricht für
sich: Wer reichlich zum Essen hat, gebe dem etwas
ab, der hungert. Wer zwei Kleider hat, gebe dem, der kein Kleid hat,
ein Kleid ab. Ein Zöllner soll nur das verlangen, was festgesetzt ist.
Und ein Soldat soll niemand misshandeln oder erpressen. Dem ist
nichts hinzu zu fügen und ich denke mir, das werden die Leute damals
verstanden haben. Und wir? Wollen wir wissen, was wir tun sollen? Wollen
wir wissen, was wir bei uns ändern können? Und wollen wir wissen, was
wir bei uns ändern müssen?
Johannes der Täufer fordert Umkehr und Buße. Diese seine Forderung galt
nicht nur den Juden vor fast 2000 Jahren. Diese Forderung ist heute
an uns gerichtet. Das diese Forderung gerade im Evangelium für den
3. Adventssonntag steht, ist kein Zufall. Im Gegenteil: Buße und
Umkehr passen nicht nur in die Adventszeit, sondern sie gehören sogar in
das Zentrum dessen, was wir Advent nennen. Denn Advent ist die Zeit, in
der wir uns auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus vorbereiten.
Und, liebe Gemeinde: Nur wer Jesus ernst nimmt, nimmt auch die
Vorbereitung auf sein Kommen ernst. Was wir dazu tun können, hat uns
Johannes der Täufer gesagt: Wir sollen umkehren.
Umkehren heißt auf Jesus zugehen. Diese Umkehr ist kein Umkehren im
Sinne von Weggehen, Weghören oder Wegschauen. Im Gegenteil: Umkehr heißt
Zugehen, Zuhören und Schauen auf Jesus. Dazu ist es notwendig, dass wir
in uns gehen und uns fragen: Was trennt mich von Jesus? Warum bin ich
so gleichgültig geworden, wenn es um meinen Glauben geht? Was kann ich
gegen diese Trägheit meines Herzens tun? Was muss ich – gemäß der
Verheißung des Propheten Jesaja – bei mir einebnen, damit ich Jesus
näher kommen kann? Und noch ein Letztes: Das alles steht nicht im
Widerspruch zu dem, was uns im Advent lieb und teuer geworden ist.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Teilen • Lukas 9, 10–17
Predigt am 14.07.2013 • 7. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Lukas-Evangelium im 6. Kapitel: Und die Apostel kamen zurück und erzählten
Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er
zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als
die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und
sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung
bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu
ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer
und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in
der Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie
sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei
denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen.
Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern:
Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und
ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und
sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit
sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde
aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll.
Ein langer Predigttext und eine tolle Geschichte. Und es ist nicht nur
eine tolle Geschichte, sondern auch eine Geschichte, die mit uns zu tun
hat. Ja, liebe Gemeinde: Es geht um uns, um das, was wir tun, und um
das, was wir nicht tun. Natürlich sitzen wir hier nicht in der Wüste.
Und ich kann auch nicht die 5000 hungrigen Männer erkennen. Aber
immerhin: Diese 5000 Männer waren damals vor fast 2000 Jahren
wie wir heute gekommen, um auf das zu hören, was uns Jesus zu sagen hat.
Im Zentrum des Predigttextes steht eines der großen Wunder, die Jesus getan hat.
Ich meine die Speisung der 5000. Auch wenn es uns modernen Menschen
schwer fällt: Die Speisung der 5000 ist kein Märchen aus einer guten
alten Zeit. Was das Essen, das Speisen betrifft war das für die
sogenannten normalen kleinen Leute damals alles andere als eine gute
Zeit. Und wenn am Abend eines langen Tages die Leute, die Jesus gefolgt
waren, nun etwas zum Essen brauchten: Dann musste tatsächlich ein Wunder
passieren. In der Bibel ist von 5000 Männern die Rede, wir haben es
soeben gehört. Was dabei oft vergessen wird: Damals wurden nur die
anwesenden Männer gezählt und nicht die Frauen und Kinder. Wir können
also durchaus von 10.000 bis 15.000 Leuten ausgehen. Und trotzdem wird
das Speisungswunder in den Evangelien zwar benannt, aber das passiert
vollkommen ohne Aufregung und ist einfach als Fakt dargestellt. In
unserem Predigttext heißt es denn auch ganz lapidar: Da
nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, sah auf zum Himmel und
dankte, brach das Brot und die Fische und gab sie den Jüngern, damit sie
dem Volk austeilten. Und sie aßen und alle wurden satt.
Auffällig ist die fast wörtliche Übereinstimmung mit den
Einsetzungsworten zum Abendmahl. Dort, also zum Abendmahl heißt es:
„Nahm er das Brot, dankte und brachs und gab es seinen Jüngern usw.“ In
unserem Predigttext heißt es ganz analog: Nahm er das Brot, dankte und brachs und gab es seinen Jüngern
usw. Diese Übereinstimmung ist kein Zufall. Denn: Sowohl das Abendmahl
als auch Speisung der 5000 sind ein Symbol für die Gemeinschaft der
Menschen mit Jesus und für die Gemeinschaft der Menschen untereinander.
Letzteres – die Gemeinschaft der Menschen untereinander – wird
dabei oft vergessen. Was das bei der Speisung der 5000 heißt, darauf
komme ich noch zurück.
Die vier Evangelien sind nun voll von Wundern, die Jesus zugeschrieben
werden. Wenn ich mich nicht verzählt habe: Es gibt nur zwei Wunder, über
die in allen vier Evangelien berichtet wird. Und eines der beiden
Wunder ist die Speisung der 5000. Wo das Brot für die 5000 oder
10000 Menschen nun allerdings hergekommen ist, darüber wird uns
nichts mitgeteilt. Ich glaube nicht, dass Jesus Steine zu Brot und zu
Fischen gemacht hat. Und ich mag auch nicht daran glauben, dass Jesus
die 5 Brote und 2 Fische so vermehrt hat, dass davon mehrere
tausend Menschen satt wurden und am Schluss trotzdem noch etwas übrig
geblieben ist. Ich denke mir: Hier hat kein Umwandlungswunder und auch
kein Vermehrungswunder stattgefunden. Was stattgefunden hat, was Jesus
bewirkt hat, das ist ein Verteilungswunder, genauer ein Teilungswunder.
Und das ist etwas viel Größeres, weil damit etwas bei den Menschen und
nicht bei Steinen verändert werden musste.
Was meine ich damit? Die Menschen sind Jesus schon den ganzen Tag
gefolgt und haben auf sein Wort gehört. Dabei werden die meisten von
ihnen ihr Essen nicht dem Zufall überlassen haben. Viele werden
reichlich Nahrung bei sich gehabt haben, viele nur wenig oder sehr
wenig. Und dann wird es auch einige gegeben haben, die hatten nichts.
Das alles konnten die Jünger nicht wissen, denn jeder versteckte das,
was er hatte, damit es keiner sah. Ich sagte es schon: Die Zeit, in der
unsere heutige Geschichte spielt, war keine gute Zeit. Und
Nahrungsmittelüberfluss wie bei uns gab es damals schon gar nicht.
Deshalb hatten diese Menschen Angst, dass es nicht für sie reichen
würde, wenn sie mit anderen teilen müssten. Als sie dann aber sahen, was
Jesus und die Jünger machten, werden sie nachdenklich geworden sein.
Dieser Jesus, der so viel Kluges und Gutes sagen und machen konnte.
Jesus und seine Jünger verteilen das wenige was sie hatten unter die
Menschen. Das wirkte ansteckend und die Menschen begannen, das was sie
hatten mit den anderen zu teilen. Und im Ergebnis reichte es für alle
und es blieb sogar noch etwas übrig.
Jesus handelt in unserer Geschichte zweimal. Er lässt seine Zuhörer sich
setzen und zwar gruppenweise, zu je 50 Personen. Damit wird das
Miteinander-Teilen vom Praktischen her viel einfacher, als wenn viele
Tausend Menschen als Haufen zusammen stehen. Und dann teilt Jesus das
Brot mit den gleichen Worten wie beim Abendmahl. Ich sagte es schon: Die
Speisung der 5000 ist damit wie das Abendmahl ein Symbol für die
Gemeinschaft der Menschen mit Jesus und für die Gemeinschaft der
Menschen untereinander. Im Urchristentum und in den ersten Jahrhunderten
danach war das Teilen in einer Gemeinde denn auch eine
Selbstverständlichkeit.
Das Teilen, das Teilen-können, das Teilen-wollen ist etwas Wunderbares.
Und es ist das eigentliche Wunder bei der Speisung der 5000. Es ist
deshalb ein Wunder, weil dabei die Herzen der Menschen geöffnet wurden.
Weil sie das zum Teilen bereit gemacht hat. „Teilen lernen, damit wir
leben können“, das ist nicht nur das Motto für einen lange
zurückliegenden Kirchentag gewesen. Sondern das „Teilen lernen, damit
wir leben können“ ist eine Aufgabe für jeden Tag und für jeden von uns.
Das sollten wir getrost mit nach Hause nehmen. Es lohnt sich darüber
nachzudenken, was ich mit anderen teilen kann. Das hilft nicht nur
anderen, sondern das hilft auch mir selbst. Und das betrifft auch nicht
nur materielle Dinge oder Hilfen. Etwas mit Jemanden teilen, das ist
viel mehr. Ganz egal, ob das ein Nachbar ist oder jemand, dem meine
ganze Liebe gehört. Und das miteinander Teilen, das macht auch nicht
ärmer. Im Gegenteil.
Dabei ist Vorbild sein im Teilen wichtiger als nur darüber reden. Das
hat uns Jesus vorgemacht. Oder wie es im Predigttext für den heutigen
Sonntag heißt: Da nahm Jesus die fünf Brote
und die zwei Fische, sah auf zum Himmel und dankte, brach das Brot und
die Fische und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und
sie aßen und alle wurden satt.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Schenken • Lukas 12, 48
Predigt am 24.07.2016 • 9. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Lukasevangelium im
12. Kapitel. Wir haben ihn schon zur Begrüßung als Spruch für diese
Woche gehört. Jesus sagt uns dort: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen. Und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Je mehr uns also gegeben oder anvertraut wurde, umso mehr will man etwas
von uns. Genauer: Umso mehr will Gott von uns. Und das ist nicht nur
eine freundliche Ermahnung oder Bitte an uns. Sondern der Predigttext
spricht eindeutig davon, dass von uns etwas gefordert wird und dass man
dazu bei uns auch etwas suchen wird. Und wie gesagt: Je mehr wir
erhalten haben, umso mehr wird Gott bei uns suchen und von uns fordern.
Interessanterweise macht der Predigttext einen feinen Unterschied
zwischen dem, was mir gegeben wurde, und dem, was mir nur anvertraut
wurde. Das Eine habe ich und das gehört mir. Und was mir gehört, damit
kann ich machen, was ich will. Doch so ganz stimmt das nicht und das hat
uns Jesus Christus an vielen Stellen der Bibel deutlich gesagt. Wer
also unseren Herrn Jesus Christus ernst nimmt, der weiß: Das, was ich
habe, das soll nicht nur für mich da sein, sondern auch für andere, wenn
sie Not leiden oder verzweifelt sind. Also für Menschen, die meine
Hilfe brauchen. Denn wie heißt es im heutigen Predigttext? Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen. Das heißt, von dem wird von Gott viel erwartet. Dem ist nicht viel hinzu zu fügen.
Aber wie ist das nun, wenn mir etwas nur anvertraut wurde? Dann gilt
das, was wir heute im Evangelium für diesen Sonntag gehört haben. Also
das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern oder wie es verständlicher
in der Einheitsübersetzung heißt: Das Gleichnis vom anvertrautem Geld.
Es ist Geld, das ich für eine gewisse Zeit bekommen habe. Das mir nicht
gehört, für das ich aber die Verantwortung trage. Im Evangelium ist uns
gesagt, was es heißt, für etwas Verantwortung zu übernehmen: Ich kann
das Geld sicher verwahren, damit ich sicher bin, dass ich es so
zurückgeben kann, wie ich es erhalten habe. Oder aber: Ich hebe das Geld
nicht nur auf, sondern verwende es auch klug, indem ich zum Beispiel
eine Firma gründe. Eine Firma, mit der ich durch Fleiß selbst mehr Geld
verdiene und gleichzeitig andere beschäftige, die mit ihrem Arbeitslohn
sich und ihre Familie versorgen können. Im Evangelium wird uns das als
die bessere Variante beschrieben. Das ist auch im Predigttext so, denn
er sagt dazu kurz und knapp: Wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Und das „umso mehr“ ist eben nicht nur das Viele, was uns ursprünglich einmal anvertraut worden ist.
Nun werden viele zum Evangelium und zum Predigttext sagen: Das alles
betrifft mich nicht, denn ich habe nur wenig. Ich verdiene nur so viel,
dass es gerade zum Leben reicht. Auch wer besser verdient, lebt mit
seiner Familie oder auch allein ganz gut, aber große Sprünge kann er oft
nicht machen. Und für das Auto oder den jährlichen Urlaub muss auch
gespart werden. Und von nicht wenigen Älteren ist zu hören: Ich habe nie
viel verdient und mit meiner Rente kann ich auch keine großen Sprünge
machen. Trifft es also zu, wenn viele – auch unter uns – der
Meinung sind: Bei mir gibt es nicht viel zu suchen und von mir kann auch
niemand etwas fordern. Denn mir wurde nie viel gegeben.
Ist der Predigttext also nur etwas für etwas für Leute, die viel haben?
Nein, liebe Gemeinde, der Text ist nicht nur an Leute gerichtet, die
viel haben. Sondern Jesus spricht uns alle an – die mit dem dicken
Geldbeutel eingeschlossen, wenn er uns im Predigttext sagt: Wem viel
gegeben ist, bei dem wird man viel suchen. Und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Auch wenn das heutzutage viele nicht gern hören: Uns allen wurde schon
viel geschenkt. Selbst am heutigen Sonntag wird uns etwas geschenkt. Und
uns allen wurde auch schon viel anvertraut. Und hier geht nicht nur um
das liebe Geld. So sehr es auch unseren Alltag bestimmt. Es geht um
mehr, um viel mehr. Es geht zum Beispiel um das, was mir andere an
Aufmerksamkeit, an Zuneigung, an Respekt, an Fürsorge, an Geborgenheit
und nicht zuletzt – wenn wir Glück haben – an Liebe schenken.
Auch die Zeit, die sich andere für mich nehmen, ist ein Geschenk. Das
alles mag im Einzelfall auch einmal nervig sein. Aber meist ist es gut
gemeint. Und wir sollten uns schon manchmal fragen, warum wir manches
als Geschenk gar nicht wahrnehmen. Oder auch nicht als ein Geschenk für
uns annehmen wollen.
Nicht anders sieht es aus, wenn uns etwas anvertraut wird. Das kann eine
Geldsumme, eine beginnende Krankheit oder eine andere Sorge sein. Also
etwas, das einem anderen wichtig ist und das er nur dem anvertraut, dem
er wirklich vertraut. Ein solches Vertrauen ist ein großes Geschenk und
in der Regel auch etwas, worauf wir sehr stolz sein können.
Und wie sollen wir nun auf das alles reagieren, was uns geschenkt wurde
und was uns täglich neu geschenkt wird? Jesus hat das uns im Predigttext
kurz, aber deutlich gesagt: Wir sollen von dem, was wir selbst an Gutem
und an Hilfe erfahren haben, etwas weitergeben. Etwas von dem, was uns
selbst gehört. Etwas von dem, was wir wissen, etwas von dem, was wir
können und etwas von dem, was wir fühlen. Und wir sollen Vertrauen
haben. Oft mehr Vertrauen haben zu anderen. Wir sollen bereit sein,
einem anderen etwas zuzutrauen und ihm auch – wenn es notwendig
ist – etwas anvertrauen. Wir wissen das alles. Deshalb sollten wir
uns schon manchmal fragen: Warum verdrängen wir das so in unserem
Alltag? Warum merken wir oft nicht einmal, wenn uns etwas geschenkt oder
anvertraut wird?
Und wenn wir schon einmal beim Fragen sind – zum Beispiel in einer
ruhigen Stunde: Wie ist das eigentlich mit Gott? Was hat er uns
anvertraut oder geschenkt und was erwartet er dafür von uns? Der große
Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, hat uns nicht mehr und
nicht weniger unser ganzes Leben geschenkt – und das jeden Tag neu.
Und er hat uns seine gesamte Schöpfung anvertraut. Und, liebe Gemeinde,
er ist in der Person des Jesus von Nazareth bei uns gewesen. Und was er
dafür von uns will? Er will, dass wir etwas von dem weitergeben, was
uns geschenkt oder anvertraut wurde. Dazu gehört auch das, was uns unser
Jesus gelehrt hat.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Festmahl • Lukas 14, 16–24
Predigt am 14.06.2015 • 2. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Jesus spricht: Es war ein Mensch, der
machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen
Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt,
denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu
entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und
muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich
gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und
der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht
kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde
der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf
die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten,
Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist
geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr
sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune
und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage
euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl
schmecken wird.
Liebe Gemeinde, es soll ein großes Fest gefeiert werden. Stellen wir uns
ganz einfach einmal vor, Jemand von uns will ein großes Fest feiern.
Die Gründe dafür können ganz verschieden sein: Sei es ein runder
Geburtstag, ein Familientreffen oder das Ende einer schweren Krankheit.
Sei es, das wir uns einfach mit Freunden und Bekannten einen schönen
Abend machen wollen. Und ist der Beschluss erst einmal gefasst,
überlegen wir zuerst, wie wir denn feiern wollen. Meist wird
dabei – vor allem bei älteren Leuten wie mir – im Mittelpunkt
ein gutes gemeinsames Essen stehen.
Und dann ist natürlich zu überlegen: Wann und wo wollen wir feiern. Soll
das Ganze bei uns zu Hause oder in einer Gaststätte stattfinden. Davon
hängt auch ab, wie viele Gäste wir einladen wollen. Welche von unseren
Freunden und Bekannten möchten wir gerne dabei haben. Sie wissen alle:
Für die Vorbereitung einer Feier oder eines guten Essens sind Zeit, Geld
und Arbeit notwendig und es will viel überlegt sein. Aber wenn dann die
Feier beginnt und wir unsere Gäste begrüßen können, dann sind wir
glücklich und fühlen: Der Aufwand hat sich gelohnt.
Und damit bin ich beim Predigttext, den wir vorhin als Evangelium für
diesen Sonntag gehört haben. Jesus erzählt uns dort in einem Gleichnis,
dass der Herr zornig wurde, weil alle absagen. Aber wie würden wir
reagieren? Letztendlich wären auch wir zornig. Aber zunächst würden wir
das Ganze für einen schlechten Scherz halten. Und wenn sich
herausstellte, dass das gar kein Scherz war, wären wir doch einigermaßen
fassungslos und auch beleidigt. Wahrscheinlich wäre uns das Ganze auch
peinlich. Schließlich haben wir bewusst ganz bestimmte Leute eingeladen.
Leute, die wir als unsere Freunde ansehen. Oder auch Leute, die uns und
deren Meinung uns wichtig sind. Und schließlich hatten alle zugesagt
und wir uns bei der Vorbereitung große Mühe gegeben. Es wäre deshalb
auch das eine verständlich Reaktion: Am besten es erfährt niemand, dass
wir so verschmäht worden sind.
Im Predigttext wird uns von Jesus nun interessanterweise auch
ausführlich erzählt, warum denn nun die eingeladenen Gäste nicht
gekommen sind. Wir haben es gerade im Evangelium gehört: Einer hat sich
einen Acker gekauft und ein anderer mehrere Ochsen. Ein dritter hat sich
schließlich eine Frau genommen. Klingt zunächst wichtig, Sind aber
Ausreden. Wer kauft sich Ochsen oder einen Acker und will das Gekaufte
erst im Nachhinein besichtigen? Und wenn schon eine Besichtigung im
Nachhinein: Warum gerade zum Zeitpunkt, wo sie eingeladen waren. Und das
zu einem Festmahl am Abend, wo es gar nicht mehr richtig hell ist. Das
geringste Interesse zeigt der Eingeladene, der gerade am Tag der
Einladung heiratet. Entschuldigt hat er sich auch nicht. Wie dem auch
sei: Wahrscheinlich würden wir nach Kenntnis der Gründe für die Absagen
auch zornig werden.
Entscheidend ist nun, wie es mit der Geschichte weitergeht und da hören
wir für unseren Alltag eigentlich etwas für uns unfassbares, nachdem die
Einladung zum Festmahl abgelehnt wurde. Der Herr wird nämlich nicht nur
zornig, sondern er spricht zu seinem Knecht (ich zitiere aus dem
Predigttext): Geh schnell hinaus auf die Straßen und
Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen
herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen
hast; es ist aber noch Raum da. Da sprach der Herr wiederum zu seinem
Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie
hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
Spätestens hier merken wir, dass in der Geschichte etwas viel Größeres
passiert. Denn Jesus erzählt uns in der Geschichte vom Festmahl ein
Gleichnis. Es ist ein Gleichnis, das unsere Alltagserfahrung an einem
Beispiel mit dem Reich Gottes vergleicht. Durch diesen Vergleich soll
uns das, was wir im Reich Gottes erleben können, verständlicher gemacht
werden. In unserem Gleichnis geht es um ein großes Festmahl, das für uns
alle bereitet ist. Der Herr im Gleichnis ist Jesus Christus, Gottes
Sohn, selbst, der hier handelt. Er ist es, der zum großen Festmahl in
sein Haus einlädt. Und dieses Haus ist groß genug für alle und das
Festmahl reicht auch für alle, die zu diesem Festmahl kommen wollen.
Auch für die von den Straßen und Plätzen, auch für die Armen, Blinden
und Lahmen, auch für die, die eigentlich gar nicht eingeladen werden
wollen.
Das Gleichnis stellt die Freundlichkeit Gottes in Jesus Christus in den
Vordergrund. Im Spruch für diesen Sonntag und für diese Woche sagt uns
Jesus Christus dazu: Kommt alle her zu mir, die ihr mühselig und beladen
seid; ich will euch erquicken. Wir hatten es schon gehört: Zu seinem
Festmahl sind alle eingeladen. Auch wir. Der Eintritt ist frei. Es gibt
auch sonst keine Bedingungen für die Festteilnehmer. Die Einladung
Gottes kann angenommen, aber auch ausgeschlagen werden. Im heutigen
Predigttext gibt es auch keinen sanften Druck auf uns, auf unser
Gewissen, der Einladung Gottes zu folgen. Der Mensch hat tatsächlich das
Geschenk der freien Wahl. Zu Jesus Christus Einladung – zum
Beispiel zu seinem Festmahl – kann jeder kommen, wer will.
Gezwungen wird keiner. Auch wir nicht.
Fast am Schluss des Predigttextes steht der bemerkenswerte Satz, den der Herr spricht: Ich will, dass mein Haus voll werde.
Unser Herr Jesus Christus will also, dass sein Haus voll werde. Das ist
und bleibt ein Angebot an alle Menschen – auch an uns, aber eben
nicht nur für uns. Wir, die wir auch heute wieder unter dem Kreuz
versammelt sind: Wir sind Gottes Einladung gefolgt und werden dieser
Einladung auch weiter folgen. Dabei folgen Gottes Einladung aber nicht
nur die, die in einem Gottesdienst seine Nähe suchen. Jeder folgt Gottes
Einladung, der seine Nähe sucht oder der ihm nahe sein will. Jeder, der
davon überzeugt ist, was uns in der Jahreslosung für das vergangene
Jahr gesagt war: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Und es ist nicht
zuletzt jeder Gott nahe, der sein Herz in ein Gebet legt.
Ich wünsche uns auch für die Zukunft sehr das Vertrauen darauf, dass
Gottes Haus für uns immer offen ist und dass Gottes Einladung an uns
immer gilt. Ich wünsche uns nicht zuletzt, dass wir auch in Zukunft das
Lied 168 aus unserem Gesangbuch fröhlich singen können und singen
wollen:
Du hast uns, Herr, gerufen und darum sind wir hier.
Wir sind jetzt deine Gäste und danken dir.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Klug oder unehrlich? • Lukas 16, 1–8
Predigt am 13.11.2011 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • Petrikirche Freiberg
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Es war ein
reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt,
er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu
ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung,
denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Der Verwalter sprach bei
sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir mein Amt; graben kann
ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will,
damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich vom Amt abgesetzt
werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für
sich, und fragte den Ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er
sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen
Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach fragte er
den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack
Weizen: Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib
achtzig. Und der Herr lobte seinen ungetreuen Verwalter, weil er klug
gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihres gleichen
klüger als die Kinder des Lichts. Und ich sage euch: Macht Euch Freunde
mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn es zu Ende geht, sie euch
aufnehmen in die ewigen Hütten.
Liebe Gemeinde, heutzutage dreht sich fast alles um das liebe Geld. Gut,
sagen wir, es dreht sich nicht fast alles, aber doch ganz viel um das
liebe Geld. Einige haben davon wenig, andere zu wenig. Viele sind reich
und einige sind sogar sehr reich. Und viele – wenn nicht sogar die
meisten – hätten gern mehr Geld. Entweder weil sie es ganz einfach
zum Leben brauchen. Oder aber: Weil sie vor Raffgier gar nicht genug
Geld kriegen können. Oder weil es sie umbringt, wenn ein anderer mehr
Geld hat als sie selbst. Zum Thema Geld gehören aber auch die vielen
unehrlichen Dinge, die beim Umgang mit Geld passieren. Und zum Thema
Geld gehören natürlich auch die Schulden, die gemacht werden. Ganze
Länder sind hoch verschuldet. Ganz aktuell erfahren wir es ja täglich
aus der Zeitung und dem Fernsehen. Viele Länder sind inzwischen so hoch
verschuldet, dass jetzt sogar von einer Schuldenkrise gesprochen wird.
Geld und Schulden.
Hier hört sich der Predigttext für diesen Sonntag ganz modern an. Wir
haben es vorhin in der 1. Lesung gehört. Darin erzählt Jesus seinen
Jüngern folgendes Gleichnis: Ein reicher Mann entlässt seinen
Verwalter, weil der ihn betrogen hat. Vorher will er aber noch die
Abrechnung sehen. Der Verwalter, unehrlich zu seinem Herrn, ist sich
selbst gegenüber ehrlich. Er sagt sich: Die Arbeit, die für mich frei
wäre, kann ich nicht. Und betteln will ich nicht, weil ich mich dann
schäme. Deshalb will ich denen, die meinem bisherigen Herrn Geld
schulden, einen Teil ihrer Schulden erlassen, indem ich einfach die
Rechnungen fälsche. Dafür sollen sie mich in ihre Häuser aufnehmen. Und
genau so handelt er auch. Und nun die Überraschung: Sein Herr wird nicht
etwa wütend auf ihn, sondern lobt ihn sogar dafür. Der Grund: Sein
bisheriger Verwalter hätte klug gehandelt. Jesus erklärt dazu seinen
Jüngern, dass die Kinder dieser Welt untereinander klüger seien als die
Kinder des Lichts. Die Kinder dieser Welt: Das sind wir. Die Kinder des
Lichts: Das sind wir leider nicht.
Keine Frage: Der Predigttext ist aus dem vollen Leben gegriffen. Aber:
Dass in dem Gleichnis ein Betrüger von Jesus als kluger Mensch
bezeichnet wird. Das ist nicht nur erstaunlich, das ist – wenn wir
ganz ehrlich sind – schon ärgerlich. Passt das überhaupt zu dem
Jesusbild, das wir haben? Aber, liebe Gemeinde: Kann es nicht sein, dass
Jesus uns durch das Gleichnis aus unserem Wohlfühl-Christentum
aufwecken will? Warum stören wir uns daran, dass Jesus eine Tat
verabscheut, aber den Täter – den Sünder – nicht einfach
verwirft, sondern ihm eine weitere Chance gibt? Wie sollte sonst der
Hinweis zu verstehen sein, dass der Verwalter klug gehandelt hat.
Warum stören wir uns eigentlich daran, dass Jesus ein Realist ist? Dass
also Jesus den Menschen so liebt, wie er ist, und nicht wie er sein
sollte? Jesus liebt den Menschen, so wie er ist, und nicht, wie er sein
sollte. Damals wie heute. Das heißt wir, die wir hier versammelt sind,
auch wir können uns von Jesus angenommen fühlen, so wie wir sind. Das
ist eine wunderbare, eine zentrale Botschaft. Es ist eine Botschaft, die
wir getrost mit nach Hause nehmen können. Und es ist eine Botschaft,
die jeder von uns zu Hause, in aller Ruhe, noch einmal in seinem Herzen
bewegen sollte.
Aber zurück zum Predigttext und den dort handelnden Personen: Also dem
Verwalter, seinem Herrn und denjenigen, die ihre Schulden nicht bezahlt
haben. Was hat der Verwalter eigentlich vorher gemacht? Das heißt in der
Zeit, als sein Herr den Verlust noch nicht gemerkt hat. Und damit auch
in der Zeit, bevor das Gleichnis beginnt, das uns der Evangelist Lukas
überliefert hat: Ich denke mir: Der Verwalter hat es sich gut gehen
lassen. Etwas Betrug oder auch etwas hochnäsige Großzügigkeit mit dem
ihm anvertrauten Geld oder ganz einfach Nachlässigkeit bei seiner Arbeit
dürften eine Rolle gespielt haben. Angst vor seinem Herrn oder einer
baldigen Kontrolle musste er wohl nicht haben, denn der Herr hat ja
seinem ungetreuen Verwalter vertraut. Und es lebt sich wahrscheinlich
als Verwalter auch ganz gut, wenn es Leute gibt, die mir eine große
Geld-Summe schulden. Und im Übrigen: Auch die Schuldner müssen nicht
gerade arme Teufel gewesen sein. Wie ist es sonst möglich, dass sie eine
große Summe sofort zurückzahlen konnten, als der Verwalter nun handeln
und das Geld eintreiben musste.
Das Gleichnis hat nun aber noch eine andere, eine viel größere
Bedeutung. Stellen wir uns vor: Der Herr im Gleichnis ist Gott selbst
und wir sind der Verwalter. Nicht die Gemeinde als Ganzes, sondern jeder
von uns ist der Verwalter. Wenn ich also der Verwalter dessen bin, was
mir Gott anvertraut hat? Wenn auch ich einfach so in den Tag hineinlebe,
ohne mich groß um meinen Herrn zu kümmern? Und ohne darauf zu achten,
was mit dem mir Anvertrautem passiert? Denn eines steht fest: So wie der
Verwalter das ihm Anvertraute veruntreut hat, so versündigen wir uns an
dem, was uns von Gott anvertraut ist.
Und das ist fast alles, was wir haben. Es sind die Fähigkeiten und die
Begabungen, die wir zum Leben brauchen. Es sind die Chancen, die wir im
Leben bekommen. Es ist unsere Liebesfähigkeit und unsere
Leidensfähigkeit. Es ist nicht zuletzt unsere Fähigkeit, barmherzig zu
sein. Und es ist die Einsicht, dass es nicht immer nach unseren Wünschen
gehen kann. Machen wir genügend mit dem und aus dem, was uns Gott
anvertraut hat? Oder nutzen wir es nicht oder zu wenig, weil wir oft zu
träge und zu gedankenlos sind? Oder weil wir auch manchmal einfach Pech
haben?
Finden wir uns hier wieder? Ist es nicht auch bei uns so, dass wir als
Verwalter ganz oft versagen? Und auch das gehört hierher: Welche Rolle
spielt Gott in unserem Alltag? Vergessen wir ihn vollständig? Handeln
wir nach seinem Willen? Achten wir seine Gebote? Das sind Fragen, vor
denen wir uns gern drücken. Dass soll kein erhobener Zeigefinger sein.
Denn vor ihnen steht einer, der bei diesem Thema ganz klein wird.
Und in unserem Gleichnis? In unserem Gleichnis wird es plötzlich ernst,
sehr ernst: Vom Verwalter wird Rechenschaft gefordert. Wie ist das bei
uns, wenn von uns Rechenschaft gefordert wird? Wie verhalten wir uns?
Versinken wir im Selbstmitleid? Oder verhalten wir uns so wie der
Verwalter und ergreifen wir die Initiative? Und zwar so, dass unser
Verhalten von unserem Herrn klug genannt wird? Zur Erinnerung: Der
Verwalter betrügt erst seinen Herrn. Als das herauskommt, wird er dafür
zur Rechenschaft gezogen. Und er befreit sich aus seiner misslichen
Lage, indem er mit den Leuten, die ihre Schulden nicht bezahlt haben,
gemeinsame Sache macht – auf Kosten seines Herrn. Und dieser
skandalöse Betrug soll ein Gleichnis zur rechten Einstellung zum
Gottesreich sein?
Bevor uns nun eine moralische Entrüstung ergreift, sollten wir uns schon
noch einmal die entscheidende Frage stellen: Warum erzählt Jesus seinen
Jüngern dieses Gleichnis? Eigentlich steht das im Gleichnis selbst: Der
Betrüger hat mit einem Schlag seine völlig veränderte Lage begriffen.
Er hat seine ganze Energie und Klugheit aufgeboten, um auf diese
veränderte Lage entschlossen zu reagieren. Und wir? Wir sollen auf Jesu
Wort hin unsere Sünden, unser Versagen bei dem uns von Gott
Anvertrauten, erkennen. Und wir sollen unsere ganze Kraft – und
auch wie der Verwalter unsere ganze Klugheit – dafür einsetzen, um
aus dieser unserer Lage die einzig richtige Konsequenz zu ziehen.
Um es auf den Punkt zu bringen. Jesus will uns im Gleichnis sagen: Kehrt
um, bevor es zu spät ist. Und er sagt auch, dass die Menschen dieser
Welt untereinander klüger sind als die Kinder des Lichts. Und wer klug
ist, der handelt und verhandelt natürlich auch klug mit Seinesgleichen.
Das allerdings mit dem Herrn verhandelt wird, davon steht nichts im
Gleichnis. Und das ist kein Zufall: Denn mit Gott können wir nicht
verhandeln. Gott ist für uns nicht verfügbar.
Was wir aber tun können: Etwas abgeben von dem, was uns von Gott
anvertraut ist. Das sind zum Beispiel unsere Begabungen und Fähigkeiten.
Oder zum Beispiel auch ganz einfach etwas von unserer Zeit, die wir
haben. Davon sollen wir etwas abgeben. Und zwar an Andere, die –
wie es im Gleichnis steht – Menschen von dieser Welt und damit
Sünder sind wie wir.
Etwas abgeben von dem, was uns Gott geschenkt und anvertraut hat: Das
wird in unserem Gleichnis klug genannt. Sind wir so klug? Oder glauben
wir klüger zu sein, wenn wir nichts davon abgeben wollen, was uns von
Gott anvertraut ist.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Knechtslohn • Lukas 17, 7–10
Predigt am 20.02.2011 • Septuagesimae • Petrikirche Freiberg
Wer unter Euch hat einen Knecht, der pflügt
oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn er vom Feld kommt: Komm gleich
her und setz Dich zu Tisch. Wird er nicht vielmehr sagen: Bereite mir
das Abendessen, schürze Dich und diene mir, bis ich gegessen und
getrunken habe; danach sollst Du auch essen und trinken? Dankt er etwa
dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch Ihr! Wenn Ihr
alles getan habt, was Euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze
Knechte; Wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.
Liebe Gemeinde, der Predigttext, den wir gerade gehört haben, ist ein
Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium. Ein Gleichnis, das Jesus seinen
Jüngern erzählt hat. Der Text klingt aus unserer heutigen Sicht nicht
gerade menschenfreundlich. Und das soll also Jesus zu seinen Jüngern
gesagt haben? Wir müssen uns hier natürlich zunächst einmal fragen: Was
ist das – ein Knecht? Das griechische Wort „doulos“, auf das die
Bezeichnung zurückgeht, kann sowohl mit Knecht als auch mit Sklave
übersetzt werden. Auf alle Fälle ist damit ein Unfreier gemeint. Zur
Zeit Luthers wurden solche unfreien Menschen als Knechte – zum
Beispiel Leibeigene – bezeichnet. Luther verwendet in seiner
Übersetzung der Heiligen Schrift denn auch das Wort Knecht. Und als
Jesus gelebt hat, hießen solche Unfreien Sklaven. Sklaven waren nun
nicht etwa eine Randerscheinung der Gesellschaft. Nein – in Rom
machten sie 30 Prozent der Bevölkerung aus. Und Sklaven waren auch
diejenigen, die in der Landwirtschaft die Feldarbeit verrichten mussten.
Doch zurück zu unserem Predigttext: Der Knecht oder Sklave kommt also
vom Feld, hat seinem Herrn das Abendbrot zu bereiten und muss ihn
bedienen. Und erst danach darf er an sein eigenes Wohl denken. Und wie
selbstverständlich darf er sich auch nicht an den Tisch seines Herrn
setzen und für seinen Dienst ein Dankeschön erwarten. Oder wie die Frage
von Jesus an seine Jünger lautet: Dankt er – der Herr – etwa seinem Knecht, dass er getan hat, was ihm befohlen war?
Jesus analysiert in diesem Teil des Predigttextes sehr klar, sehr
präzise und ohne Beschönigung das, was er sieht und erlebt. Auf der
einen Seite den rechtlosen Knecht und auf der anderen Seite seinen
Herrn. Wir erkennen auch hier Jesus nicht als einen gutgläubigen
Schwärmer, sondern als einen Realisten. Als einen, der das Leben
beschreibt, so wie es ist, und nicht, wie das Leben sein sollte. Denn
was Jesus von der in seiner Zeit üblichen Sklaverei gehalten hat,
braucht nicht vertieft zu werden. Für uns sollte dieser Realismus
unseres Herrn Jesus Christus ein Vorbild sein. Wahrscheinlich würde das
auch uns helfen, mit schwierigen Situationen in unserem Leben besser
fertig zu werden. Und seien wir ehrlich: Nächstenliebe fällt auch uns
leichter, wenn wir die Not eines anderen Menschen wirklich – also
als Realität – anerkennen. Ein „so schlimm wird es bei ihm schon
nicht sein“ wäre zumindest mir keine Hilfe.
Die spannende Frage ist nun natürlich: Warum und mit welchem Ziel wird
uns diese Geschichte erzählt? Warum ist das auch für eine Zeit wichtig,
in der es keine Leibeigenen und Sklaven im klassischen Sinne mehr gibt.
Aber: Die Geschichte vom Herrn und seinem Knecht ist kein Selbstzweck,
sondern führt uns zu einer zentralen Botschaft. Denn im Predigttext
heißt es nun weiter: So auch Ihr! Wenn Ihr
alles getan habt, was Euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze
Knechte. Wir haben das getan, was wir zu tun schuldig waren.
So auch ihr, sagt Jesus zu seinen Jüngern. So auch Ihr, sagt Gott zu
uns. Das klingt hart. Aber ist es das wirklich? Sollen wir in diesem
Gleichnis zu Knechten oder sogar Sklaven gemacht werden? Sollen wir
unnütz sein oder uns unnütz fühlen, weil wir das getan haben, was zu tun
uns aufgetragen ist? Bevor wir nun mit weiteren Fragen im Selbstmitleid
versinken, sollten wir schon uns den heutigen Text gemeinsam etwas
näher ansehen. Und hier bleibt zunächst festzuhalten, dass der Herr in
diesem Gleichnis Gott ist. Und es verdient weiterhin festgehalten zu
werden, dass es einmal nicht um uns, sondern um Gott geht. Genauer geht
es um die Größe Gottes. Wir haben uns gerade im Glaubensbekenntnis
gemeinsam zu Gott bekannt. Zu Gott unserem Vater, zu Gott dem
Allmächtigen und zu Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Wie
groß Gott ist, wissen wir nicht. Wir können es gar nicht wissen, weil er
sich unserer Vorstellungswelt entzieht. Worüber sich aber etwas
aussagen lässt, ist das Wunder und die Größe seiner Schöpfung.
Wenn ich nun Größe einmal in seiner banalsten Form nehme – nämlich
als Länge – zeigt sich schon Erstaunliches. Ich will das an nur
einem einzigen Beispiel deutlich machen – der Größe des Weltalls.
Das Weltall hat eine Größe – genauer einen Durchmesser – von
100 Milliarden Lichtjahren. Das ist riesig groß und nicht mehr
vorstellbar. Hier ist anzumerken, dass das Licht in einer Sekunde
300.000 km zurücklegt. In einem Jahr sind das etwa 9 Billionen
km. Demzufolge entspricht 1 Lichtjahr einer Entfernung von
9 Billionen Kilometern. Bitte versuchen Sie nicht, sich das
vorzustellen. Auf alle Fälle ist das Weltall nun 100 Milliarden
solcher Lichtjahre groß.
Und Gott, der dieses Weltall und alles, was dar innen ist, geschaffen
hat und es erhält, dieser Gott ist tatsächlich so groß und allmächtig,
dass das Handeln Gottes an uns nur ein Akt der Gnade sein kann. Im
Vergleich zu Gottes Größe und Allmächtigkeit macht uns auch unser
Knechtsein gegenüber Gott nicht klein. Martin Luther hat das alles in
einem kurzen Satz zusammengefasst, als er sagte: Allein aus Gnade.
Ich würde es so sagen wollen: Es ist allein Gottes Gnade, dass es uns
gibt, dass wir unser Leben leben dürfen und dass wir im Tod nicht in die
ewige Verdammnis fallen müssen. Es ist allein Gottes Gnade, dass wir
Menschen einen freien Willen haben und uns selbst für das Gute oder das
Böse entscheiden können. Wir dürfen Gott um etwas bitten, aber können
nichts von ihm einfordern. So nach dem Motto: Jetzt habe ich etwas Gutes
getan, nun habe ich etwas gut bei Gott.
Warum aber sollen wir uns unnütze Knechte nennen? Und wie es im Predigttext weiter heißt: Wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.
Sind wir vielleicht dann unnütz, wenn wir nur das getan haben, was
unsere Aufgabe war? Was also sowieso selbstverständlich ist? Wenn wir
nur das getan haben, was wir einem anderen schuldig waren? Damit wir uns
nicht falsch verstehen. Natürlich ist es notwendig und richtig, dass
wir zum Beispiel zu Hause und im Beruf das tun, was unsere Aufgabe und
Pflicht ist. Aber wir müssen uns schon fragen lassen, ob das immer
ausreicht. Ist es nicht vielmehr auch notwendig, dass wir eine Aufgabe
nicht nur pflichtschuldig abarbeiten? Wenn uns zum Beispiel jemand
anvertraut ist, der unsere Hilfe braucht? Sollten wir dann unsere Hilfe
nur auf das unbedingt Notwendige beschränken? Sollten wir nicht viel
mehr mit Liebe tun oder auch zum selbstlosen Dienen bereit sein? Und im
Übrigen nicht nur deshalb ein gutes Werk tun, weil wir uns dann dafür
einen Lohn von Gott versprechen?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Vom Danken • Lukas 17, 11–19
Predigt am 20.02.2011 • 14. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Und es begab sich, als er nach Jerusalem
wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog.
Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die
standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber
Meister, erbarme dich unser! Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht
hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da
wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund
geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel
nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein
Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein
geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der
wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und
er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.
Liebe Gemeinde, im Predigttext, den wir vorhin als Evangelium gehört
haben, passiert ganz kurz gesagt Folgendes: Diese armen Aussätzigen
bitten Jesus: Erbarme dich unser. Und Jesus erbarmt sich ihrer und heilt
die zehn Schwerkranken. Und nun das Erstaunliche: Nachdem alle zehn
gesund geworden sind, kehrt nur einer zu Jesus zurück, um sich für die
Heilung zu bedanken.
Mit einem „Undank ist der Welt Lohn“ und „das gegenüber Jesus“ kann man
sich nun natürlich moralisch entrüstet abwenden. Man kann. Aber sollte
man das auch tun? Sollte ich das tun? Hier lohnt es sich, über Dank und
Undank bei uns einmal nachzudenken. Einmal in sich zu gehen. Sind wir
beim Thema Danksagen vielleicht jemand, der im Glashaus sitzt und mit
Steinen wirft?
Hier stellen sich jedenfalls viele Fragen. Und zwar ganz konkret. Im
Alltag, hier und heute: Wann danken wir? Wann danken wir nicht? Warum
danken wir oder warum danken wir nicht? Wofür sollten wir, könnten wir,
ja sogar müssten wir nicht alles danken. Oder einfach dankbar sein. Wird
so wenig gedankt, weil – angeblich – so vieles
selbstverständlich geworden ist? Wird das Danken vielleicht zunehmend
unwichtiger oder ist es wichtig wie eh und je? Das Danken ist und bleibt
wichtig. Das merke ich spätestens dann, wenn ich Jemanden etwas Gutes
tun will, wenn ich ihm mit Liebe ein Geschenk herausgesucht habe: Dann,
ja dann, hoffe ich auf ein Dankeschön.
Ich frage uns deshalb: Danken wir eigentlich gern oder fällt uns das
schwer? Und warum ist das so? Wollen wir, dass uns gedankt wird? Oder
ist uns das peinlich? Oder sehnen wir uns nach einem Dankeschön, wollen
das aber nach außen hin nicht zugeben? Und nun letztendlich: Wie danken
wir Gott? Wie wir alle wissen, sind dabei vier Dinge wichtig: Ein Dank
sollte nicht vergessen werden und er muss ernst gemeint sein. Er muss
vom Herzen kommen und ehrlich sein. Und er sollte auch nicht durch
äußeren Druck entstehen.
Liebe Gemeinde, ich will es noch einmal sagen: Das Dank-sagen, das
Dankbar-sein zwischen uns ist wichtig. Genauso wichtig ist unser
Dank-sagen, unser Dankbar-sein gegenüber Gott. Wie wenig
selbstverständlich das Dankbar-sein selbst Gott gegenüber ist, hat
Jesus, Gottes Sohn, erfahren müssen. Was damals im Einzelnen passiert
ist und wie Jesus darauf reagiert hat, beschreibt uns der Evangelist
Lukas im Predigttext. Martin Luther hat ihn unter die überschrift Die zehn Aussätzigen gestellt.
Als Aussätzige, liebe Gemeinde, werden Leprakranke bezeichnet. Ihre
Krankheit ist chronisch und ansteckend und war bis in die Mitte des
vorigen Jahrhunderts unheilbar. Heute sind in Europa keine Leprafälle
mehr bekannt. Aber weltweit gibt es jährlich noch
700.000 Neuerkrankungen. Die armen Leprakranken sahen und sehen
furchtbar aus. Sie versetzten die Menschen im Altertum und im
Mittelalter in Angst und Schrecken. Die Krankheit galt als eine Strafe
Gottes. Leprakranke wurden von der Gesellschaft verstoßen. Der Kontakt
zu ihnen wurde vermieden. Sie mussten außerhalb menschlicher Siedlungen
wohnen und wurden deshalb Aussätzige genannt.
Ich beschreibe uns das deshalb so ausführlich, um uns für das zu sensibilisieren, was uns im Predigttext erzählt wird: Vor
einem Dorf kamen Jesus zehn Aussätzige entgegen; sie blieben in einigem
Abstand stehen und riefen laut: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
Welch ein Mut gehört dazu, sich Jesus und seiner Jüngerschar so zu
nähern, die sie ja vorher nie gesehen hatten. Und welch eine
Verzweiflung und gleichzeitig Hoffnung stecken hinter ihrem lautem Ruf:
Jesus, Meister, erbarm dich unser. Hier ist auch die Frage interessant:
Woher wissen die Aussätzigen eigentlich, wer Jesus ist, was er kann und
dass er einmal bei ihnen vorbei kommt? Und das in einer Zeit, in der es
noch keine Handys gab und Nachrichten in der Regel nur mündlich weiter
gegeben wurden. Auf alle Fälle muss Jesus auf seinem Weg ein sehr
starker Ruf voraus gegangen sein. Und es muss auch damals genügend
barmherzige Menschen gegeben haben, die die gute Nachricht von Jesus
auch an die Aussätzigen weiter gegeben haben.
Doch zurück zu unserem Predigttext: Jesus erbarmt sich der armen Aussätzigen. Er sah sie an und sagte zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern!
Und die Aussätzigen, die ja noch nicht geheilt waren, machten sich
tatsächlich auf den Weg. Und das zu den Priestern in die Mitte der
Gesellschaft, aus der sie ja ausgeschlossen waren. Was für ein großes
Vertrauen müssen sie zu Jesus gehabt haben. Aber ihr Vertrauen war
berechtigt und wurde ja auch belohnt, denn auf dem Weg zu den Priestern wurden sie gesund. Ich frage uns: Würden wir so sehr auf Jesu Wort vertrauen? Und das gerade dann, wenn wir einmal in großer Not sind?
In der zweiten Hälfte des Predigttextes geht es nun um das Danken, das
Dank-sagen, das Dankbar-sein. Und zwar gegenüber Jesus für seine große
Heilstat. Wie das ausgegangen ist und wie Jesus darauf reagiert hat,
haben wir schon im Predigttext gehört. Um es noch einmal auf den Punkt
zu bringen: Es kommen nicht alle zehn Geheilte zurück. Auch nicht fünf,
sondern nur einer, um sich bei Jesus zu bedanken. Und das ist auch noch
ein Samariter. Diese gehörten nicht zu den Juden und waren bei den Juden
auch nicht gut angesehen. Und trotzdem finden wir beim Evangelisten
Lukas die Geschichte Jesu vom barmherzigen Samariter und in unserem
Predigttext den dankbaren Samariter gegenüber Jesus.
Halten wir also fest: Bei Jesus haben Barmherzigkeit und Dankbarkeit
nichts mit einer Glaubensrichtung oder Volkszugehörigkeit zu tun. Auch
und gerade für uns, die wir auf Jesus vertrauen: Für uns sollten
Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen und Dankbarkeit gegenüber Gott
selbstverständlich sein. Ich wünsche uns allen die Erfahrung, dass ein
Dank an Gott und Barmherzigkeit unser Herz öffnen und uns gut tut.
Wie wir nun Gott danken können und sollen: Das wird uns an vielen
Stellen der Bibel gesagt. So schreibt zum Beispiel der Apostel Paulus in
seinem Brief an die Philipper: „Wendet euch in jeder Lage mit Bitten
und voll Dankbarkeit an Gott und bringt eure Anliegen vor ihn.“ Oder wie
wir es in der Weihnachtsgeschichte bei Lukas lesen können: „Ehre sei
Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.“ Schon im Psalm 147 aus dem
Alten Testament ist uns gesagt: „Singt dem Herrn ein Danklied und lobt
unsern Gott.“ Genau das wollen wir jetzt tun, indem wir gemeinsam gleich
nach der Predigt das Lied Nummer 320 singen, in dem es heißt: Nun
lasst uns Gott, dem Herren, Dank sagen und ihn ehren für alle seine
Gaben, die wir empfangen haben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Hochmut kommt vor dem Fall • Lukas 18, 9–14
Predigt am 12.08.2018 • 11. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Er sagte aber zu einigen, die überzeugt
waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies
Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten,
der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und
betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie
die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser
Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem,
was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen
nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach:
Gott, sei mir Sünder gnädig. Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt
hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird
erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht
werden.
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Lukasevangelium im
18. Kapitel. Wir haben ihn vorhin als Evangelium für den heutigen
Sonntag gehört. Jesus erzählt dort allen, die sich für etwas Besseres
halten, eine Geschichte. Es ist die uns sattsam bekannte Geschichte „Vom
Pharisäer und vom Zöllner“. Was dabei oft beim Erzählen dieser
Geschichte übersprungen wird: Zu Beginn tun beide etwas Gutes. Denn
nicht nur der reuige Zöllner, sondern beide – der Pharisäer und der
Zöllner – gehen in die Kirche und suchen dort das Gespräch mit
Gott. Sie beten also zu Gott.
Bevor wir zur weiteren Geschichte kommen, habe ich eine Frage an uns.
Also eine Frage an Sie und an mich. Gehen wir im Urlaub oder im Alltag
manchmal in eine Kirche oder an einen anderen ruhigen Ort, um das
Gespräch mit Gott zu suchen? Und machen wir uns überhaupt gewusst, dass
wir dabei uns und allen, für die wir beten, etwas Gutes tun? Nun sind
evangelische Kirchen außerhalb der Gottesdienstzeiten leider meist
geschlossen. Zum Glück haben wir in Freiberg nicht dieses Problem:
Unsere Petrikirche ist täglich eine im wörtlichen Sinne offene Kirche.
Ich kann jedem von uns nur empfehlen, beim nächsten Stadtgang dort nicht
nur Kühle gegen die Hitze dieser Tage, sondern auch Ruhe für sich oder
ein Gebet zu suchen. Jeden Mittwoch gibt es dazu 12 Uhr sogar
Orgelmusik.
Doch zurück zu den Pharisäern vor 2000 Jahren. Ach ja, diese
Pharisäer: Sie sind fromm. Nehmen Gott und ihren Glauben an den einen
jüdischen Gott sehr ernst. Sie sind wirklich gottesfürchtige Leute und
Verteidiger des jüdischen Glaubens gegenüber allen anderen religiösen
Strömungen der damaligen Zeit. Und sie reden nicht nur über Gott
gegenüber anderen, sondern leben auch selbst danach. Zum Beispiel fasten
sie zweimal in der Woche und geben 10 Prozent von allem ab, was
sie einnehmen. Insgesamt waren sie angesehene Leute und eine anerkannte
moralische Instanz.
Nur leider: Sie – die Pharisäer – waren nicht nur gebildet.
Sie waren auch eingebildet. So eingebildet, dass sie sich für etwas
Besseres hielten und deshalb auf andere herabsahen. Im Predigttext lesen
wir dazu in einer modernen Übersetzung: Der
Pharisäer stellte sich im Tempel selbstbewusst hin und betete: Ich
danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen. Ich bin
kein Räuber, kein Betrüger und kein Ehebrecher. Und ich bin auch nicht
wie jener Zöllner dort.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Pharisäer
bedankt sich bei Gott, dass er besser ist als andere Leute. Im
Predigttext steht sogar: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen.
Damit wird Gott zum Komplizen des eigenen Hochmuts gemacht. Denn
Hochmut ist gerade nicht gottgegeben. Nein: Hochmut ist wie jedes andere
Unrecht, das wir tun, von uns selbst verschuldet. Wer sich wie der
Pharisäer als etwas Besseres als andere Menschen vorkommt, der
versündigt sich gegen Gott. Denn Gott ist zwar kein lieber Gott –
wie auch wir manchmal denken, sondern ein liebender Gott. Aber das
gegenüber allen Menschen. Und gerade nicht nur gegenüber denen, die sich
als etwas Besseres, Wertvolleres vorkommen als andere. Die Reaktion von
Jesus, Gottes Sohn, ist gegenüber dem Pharisäer denn auch vernichtend.
Im Predigttext sagt Jesus dazu nur ganz kurz, klar und
unmissverständlich: Der Pharisäer war nach seinem Gebet vor Gottes Augen
nicht gerechtfertigt, als er nach Hause ging. Denn wer sich selbst
erhöht, der wird erniedrigt werden. Das war und das ist hart. Aber das
haben alle verstanden. Damals wie heute. Der Volksmund sagt nicht ohne
Grund: Hochmut kommt vor dem Fall.
Aber zurück zum Predigttext: Denn dort ist ja nicht nur von dem
Pharisäer die Rede, sondern auch von einem Zöllner. Und hier ist nun
alles anders. Der Zöllner, der wahrscheinlich ein schlimmer Sünder ist,
weiß um seine Sünden und er bereut sie. Deshalb geht er ja auch in die
Kirche und bittet Gott um Vergebung. Im Predigttext wird uns dazu
gesagt: Der Zöllner blieb in weitem Abstand
zum Pharisäer hinten in der Kirche stehen und wagte nicht einmal,
aufzublicken. Er schlug sich an die Brust und sagte: Gott, vergib mir
sündigem Menschen meine Schuld. Ich Jesus, sage euch: Der Zöllner war im
Gegensatz zum Pharisäer vor Gottes Augen gerechtfertigt, als er nach
Hause ging. Denn jeder, der sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Liebe Gemeinde, der Zöllner hat sich nicht vor Gott gebrüstet, dass er
nun extra in die Kirche kommt, um seine Sünden zu bereuen. Nein, er
kommt wirklich in Demut und wagt nicht einmal seinen Blick aufzurichten,
so ein schlechtes Gewissen hat er. Und seine Bitte um Vergebung hat er
nicht nur so daher gesagt, sondern diese Bitte kam von Herzen. Oder wie
wir es in einem unserer Beichtgebete sprechen: „Darum bitte ich dich,
Gott sei mir Sünder gnädig.“ Der Zöllner hat sich vor Gott nicht groß
gemacht wie der Pharisäer, sondern er hat Gott um Gnade gebeten. Oder
wie es im Predigttext heißt: Er hat sich selbst erniedrigt und wird dadurch erhöht. Und, liebe Gemeinde: Er wird erhöht. Er wird erhöht, weil er Gnade bei Gott findet.
Die spannende Frage an uns ist nun: Was hat das alles mit uns zu tun?
Hier ist natürlich festzuhalten: Jesus verwendet immer Beispiele, wie
sie im tatsächlichen Leben vorkommen. Was er zum Beispiel damals an
Ungerechtigkeiten vorgefunden hat. Und Jesus will von allen verstanden
werden. Damals wie heute. Deshalb seine Gleichnisse. Oder wie in unserem
Predigttext die Geschichte von zwei besonders unterschiedlichen
Menschengruppen. Denn Pharisäer waren – wie wir schon gehört
haben – zu Jesu Zeiten besonders angesehene Leute und die Zöllner
die damals wahrscheinlich mit am meisten verachteten Leute.
Viele werden jetzt sagen: Was soll das. Ich verhalte mich nicht wie ein
Pharisäer und erst recht nicht wie ein Zöllner. Aber: Auch wenn es uns
weh tut: In jedem von uns steckt ein Pharisäer oder ein Zöllner. Ist es
nicht sogar vielmehr so, dass in jedem von uns ein Pharisäer und ein
Zöllner stecken? Oder modern gesprochen: Können wir nicht ein
überheblicher Gutmensch oder ein reuiger Bösewicht sein? Oder Beides?
Ein überheblicher Gutmensch und ein reuiger Bösewicht? Wir können. Und
weil das so ist, hat der Predigttext mit uns sehr viel zu tun. Und wir
sollten uns schon manchmal selbst fragen: Wie gehe ich mit der Botschaft
des Predigttextes um. Wie gehe ich damit um, dass mir Jesus sagt: Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Fragen wir uns doch einmal in Ruhe zu Hause: Wann erhöhe oder erniedrige
ich mich selbst? Oder einfacher gesagt: Wobei und womit mache ich mich
manchmal größer oder kleiner als ich bin? Und warum mache ich das
eigentlich? Ich denke mir: Wir sollen uns nicht größer machen als wir
sind, aber auch nicht kleiner. Ehrlich sollen wir sein – vor Gott,
vor anderen, aber auch vor uns selbst. Und wenn es geht, sollen wir uns
nicht wichtiger nehmen, als wir es sind. Im Übrigen: Vor ihnen steht
einer, der das schon seit fast 70 Jahren übt.
Der Predigttext ist eine harte Aufforderung von Jesus an uns, an unser
Verhalten und an unsere Einstellung. Sowohl gegenüber Gott, aber auch
gegenüber unseren Mitmenschen. Egal, ob sie uns nun sehr nahe stehen
oder uns ganz fremd sind. Hochmut oder nur vorgegaukelte Demut sind
dabei ein schlechter Ratgeber. Versuchen wir es einfach mit mehr Demut
und manchmal auch mit etwas mehr Bescheidenheit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Dein Reich komme • Lukas 17, 20–24
Predigt am 8.11.2020 • Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr • Kirche Reinsberg bei Freiberg
Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher! Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschen-sohn an seinem Tage sein.
Liebe Gemeinde, den Predigttext haben wir gerade gehört - als Evangelium, also die gute Nachricht für diesen Sonntag und für die kommende Woche. Der Text besteht aus 2 Teilen, die zusammen gehören.
Im Teil 1 wird Jesus von Pharisäern gefragt: Wann kommt das Reich Gottes? Zur Erinnerung: Pharisäer waren gebildete Leute, denen die Lehre von Gott besonders am Herzen lag. Dass nun dieser Jesus aus Nazareth Gottes Sohn sein sollte, empörte sie. Deshalb fragen die Pharisäer Jesus nach dem Reich Gottes. Und Jesus gibt den Pharisäern dazu 2 einfache und klare Antworten: Das Reich Gottes sieht man nicht, aber es ist nicht irgendwo, sondern unter uns. Und auch seine Jünger werden Jesus etwas Ähnliches gefragt haben. Denn Jesus antwortet ihnen im 2. Teil des Predigttextes: Es kommt die Zeit, wo ihr den Menschensohn sehen wollt. Aber ihr werdet ihn nicht sehen. Deshalb lasst euch nicht einreden, dass der Menschensohn zu sehen ist und Ihr dort hingehen könnt.
Jeus sagt also etwas über das Kommen des Gottesreiches und das Kommen des Men-schensohnes. Und er spricht dabei sowohl seine Anhänger als auch seine Kritiker und Zweifler an. Und, liebe Gemeinde: Jesus spricht dabei natürlich auch uns an. Denn das Kommen des Reich Gottes betrifft uns mehr, als wir es auf den 1. Blick vermuten. Jesus hat uns nicht ohne Grund gelehrt zu beten und auch selbst gebetet: Vater unser im Himmel, Dein Reich komme. Das Reich Gottes soll also kommen, so bitten und beten wir. Bloß: wissen wir überhaupt, um was wir hier bitten dürfen? Oder anders gesagt: Wissen wir, wie wir uns das Reich Gottes vorzustellen haben? Oder ist es uns eigentlich egal, was es mit dem Reich Gottes auf sich hat.
Und ich frage uns – also nicht nur Sie, sondern auch mich: Ist uns im Vaterunser die Bitte um das Kommen von Gottes Reich so wichtig wie unsere Bitte um das tägliche Brot? Oder so wichtig wie unsere Bitte um die Vergebung unserer Schuld? Dabei wissen wir alle, dass es gerade im Vaterunser keine wichtigen und unwichtigen Bitten gibt. Dass wir Gott um das alles bitten dürfen, ist ein großes Geschenk für uns. Es ist ein Geschenk, das wir für unser Leben brauchen. Das gilt für jede Bitte im Vaterunser und damit natürlich auch für die von mir angesprochenen Bitten: Um das tägliche Brot, um die Vergebung unserer Schuld und um das Kommen von Gottes Reich.
Unser Predigttext sagt uns nun: Das Reich Gottes können wir nicht sehen und werden wir auch nicht sehen. Aber, und das ist nun entscheidend: Das Reich Gottes kann zu uns kommen und es kann mitten unter uns sein. Genauer gesagt: Das Reich Gottes kommt zu uns und ist mitten unter uns, wenn wir es denn wollen und wir dazu auch bereit sind. Nämlich bereit, auf Jesu Botschaft zu hören, diese für uns anzunehmen und in unseren Herzen zu bewegen. Denn Jesu Botschaft und das Reich Gottes sind nicht voneinander zu trennen, sie gehören zusammen. Und dabei geht es auch um uns. Um unser Denken. Um unser Reden. Um unser Handeln: Gegenüber unserem Nächsten, aber auch gegenüber uns selbst. Und das nun nicht nur bei den Menschen, die uns nahe stehen, sondern auch denen, die wir nicht leiden können. Die anders sind als wir.
Was von uns zu tun ist, damit Gottes Reich unter uns sein kann, das können wir an vielen Stellen in der Bibel lesen. Ich will uns dazu nur einige wenige Beispiele nennen. So sagt uns Jesus: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. Oder: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Oder aus den Seligpreisungen: Seid sanftmütig, seid gerecht, seid friedfertig und seid barmherzig.
Liebe Gemeinde: Was heißt das nun alles ganz praktisch für uns in unserem Alltag? Ich denke mir: Wenn wir darauf vertrauen, das Jesus unser Leben trägt. Wenn wir nicht immer nur auf uns schauen. Wenn uns die Not anderer nicht egal ist. Wenn wir ver-suchen, anständig durchs Leben zu gehen. Wenn wir miteinander liebevoll und fair umgehen. Wenn wir bereit sind, einander anzunehmen. Und wenn wir nicht vergessen haben, was Barmherzigkeit ist: Dann ist das Reich Gottes unter uns und auch bei uns. Ich glaube, dass das ein gutes Gefühl ist: Für uns, aber auch für die Anderen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen.
Der Herr ist auferstanden • Lukas 24, 13–32
Predigt am 28.03.2016 • Ostermontag • Kirche Hirschfeld
Und siehe, zwei von ihnen gingen an
demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden
entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen
diesen Geschichten. Und es geschah, als sie so redeten und sich
miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.
Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach
aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt
unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen
Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige unter den
Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen
ist? Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das
mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten
vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohepriester und Oberen zur
Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei
es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte
Tag, dass dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen
aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib
nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln
gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und
fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. Und er
sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was
die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in
seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen
Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt
war. Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte
sich, als wollte er weitergehen. Und sie nötigten ihn und sprachen:
Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.
Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, als er mit
ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen.
Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand
vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in
uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Damit, liebe Gemeinde, damit fängt alles an. Mit der Auferstehung Jesu
von den Toten. Also mit dem, was vor fast 2000 Jahren im fernen
jüdischen Staat passiert ist. Wir nennen die Geschichten um die
Auferstehung Jesu das Ostergeschehen. Und dieses Ostergeschehen ist für
uns alle eine wunderbare Sache. Es ist eine wunderbare Sache, weil hier
tatsächlich ein großes Wunder geschehen ist. Ein Wunder, das niemand mit
dem Verstand erklären kann. Ein Wunder, das alles Vorstellungsvermögen
übersteigt. Ein Wunder, das wir nur mit unserem Glauben überhaupt fassen
können. Die Auferstehung Jesu ist aber nicht nur wunderbar, weil sie
ein unvorstellbar großes Wunder ist. Sondern die Auferstehung Jesu ist
auch deshalb wunderbar, weil sie so viel mit uns, mit uns Menschen zu
tun hat.
Ja, liebe Gemeinde: Der Tod und die Auferstehung Jesu haben viel mit uns
zu tun. Denn: Jesus ist für uns in den Tod gegangen und für uns von den
Toten auferweckt worden. Wenn ich sage, dass das für uns geschehen ist,
dann heißt das: Der Tod und die Auferstehung Jesu betreffen alle
Menschen auf dieser Welt. Und nicht nur in diesem Jahr, sondern für alle
Zeit. Andererseits – und das betrifft uns nun ganz direkt: Jesus
ist für jeden von uns gestorben und von den Toten auferweckt worden.
Warum betone ich das alles? Ich betone das, weil wir uns über eines im
Klaren sein müssen: Unser Jesus war nicht nur der wunderbare Mensch, der
uns mit seiner Liebe, mit seinem Leben und mit seiner Lehre ein großes
und verehrtes Vorbild ist. Und das auch immer bleiben wird. Sondern in
Jesu Auferstehung hat sich Gott zu Jesus als seinem Sohn bekannt. Durch
seinen Sohn war Gott selbst in die Welt gekommen. Oder wie es im
Johannesevangelium heißt: Das Wort – genauer das Wort Gottes –
ward Fleisch und wohnte unter uns. Wenn sie so wollen: Durch Jesus hat
Gott ein menschliches Gesicht bekommen.
Es ist dieser Gott, der allgegenwärtig und uns immer nahe ist –
auch wenn wir es gar nicht merken. Hier stellt sich die bange Frage:
Kann es denn sein, dass uns Jesus nach seiner Auferstehung nahe ist? Ja,
Jesus ist uns auch nach seiner Auferstehung nahe. Denn die Geschichte
mit Jesus geht nach seiner Auferstehung weiter. Sie geht weiter, weil
eben schon Jesus von Nazareth Gottes eingeborener Sohn war, daran hat
sich durch seine Auferstehung überhaupt nichts geändert. Um diese Nähe
des auferstandenen Jesus geht es auch im Evangelium, der frohen
Botschaft für diesen Sonntag. Wir haben diese Botschaft soeben gehört:
Es ist die Geschichte der Emmausjünger, die uns der Evangelist Lukas
aufgeschrieben hat – wahrscheinlich ist es die schönste
Ostergeschichte, die wir kennen.
Rein formal ist die Geschichte einfach: Zwei traurige Freunde sind
unterwegs. Sie sind traurig, weil ein ihnen lieber Mensch gestorben ist
und sie mit ihm eine Hoffnung verloren haben. Zu ihnen gesellt sich ein
Dritter, der behauptet, dass es mit dem Tod dieses Ihnen lieben Menschen
alles seine Richtigkeit hatte. Abends nahmen sie den Fremden mit in
Ihre Herberge. Sie aßen gemeinsam und dabei merkten die Beiden, mit wem
sie es zu tun hatten. Aber so einfach ist das Ganze nicht. Denn der
Fremde ist der auferstandene Jesus Christus selbst, der Ihnen erschienen
war und dann wieder verschwand.
Liebe Gemeinde, die zwei Emmausjünger, von denen der Text erzählt,
gehören nicht zu den 12 Jüngern. Gleichwohl werden die zwei
Emmausjünger auch oft in der Nähe von Jesus gewesen sein und ihn auch
oft begleitet haben. Auf alle Fälle haben sie Jesus geliebt. Und er war
ihre große Hoffnung auf eine neue, eine bessere Welt. Eine Welt, in der
Freundschaft stärker ist als Hass und Neid. Eine Welt, die von gerechten
Herrschern geführt wird. Eine Welt, in der es nicht nur immer um Geld
geht. Eine Welt,
in der es gerechter zugeht als sie es erleben. Die beiden werden sich an
die vielen guten Taten von Jesus erinnern. Und sie werden auch an die
Bergpredigt von Jesus gedacht haben, wo er ihnen die Liebe als höchstes
Gut gelehrt hatte.
Jesus, der das Reich Gottes predigte und immer mehr Zulauf bekam, wird
für die Mächtigen zu einer Gefahr. Sie lassen ihn ans Kreuz nageln, wo
er unter großen Qualen stirbt. Und mit seinem Tod war nun alles vorbei.
Viele waren entsetzt und traurig und konnten nicht verstehen, warum ein
so guter Mensch hingerichtet worden ist. Für die, die Jesus gefolgt
waren, brach eine Welt zusammen. Dazu gehörten auch die Emmausjünger.
Deshalb haben sie das alles auch dem Fremden erzählt, der sich zu ihnen
gesellt hatte. Auch die ängstlich machende Geschichte von den Frauen am
leeren Grab und der Engelerscheinung. Dieser Fremde war – wir haben
es im Evangelium gehört – Jesus. Aber die beiden Jünger haben
Jesus nicht erkannt.
Jedenfalls hört sich Jesus die Geschichte aufmerksam an. Er sagt den
Beiden aber nicht, wer er ist. Dafür erklärt er ihnen genau, was mit ihm
passiert ist und warum es passiert ist. Er sagt ihnen auch, dass der
Menschensohn für das Wohl der Menschen sterben musste und dass das alles
schon in den alten Schriften gesagt war. Aber die beiden Jünger waren
so mit sich und mit ihrer Trauer beschäftigt, dass sie Jesus auch jetzt
nicht erkannten. Und auch das, was er ihnen sagte, wirkte nicht auf sie.
Jesus blieb ihnen fremd, obwohl er mit ihnen sprach, wie er es früher
getan hatte. Und obwohl er ihnen – auch im ganz wörtlichen
Sinne – ganz nahe war. Als es schließlich Abend wurde, wollte Jesus
weiter gehen. Die Emmausbrüder aber luden ihn ein, mit ihnen in ihre
Herberge zu gehen und mit ihnen zu essen. Im Predigttext heißt es dazu
weiter: Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch
saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre
Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und
sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit
uns redete auf dem Wege und uns die Schrift erklärte? Dem ist nichts hinzu zu fügen.
Die Geschichte mit Jesus und den Menschen, die hat mit Jesu Tod und
Auferstehung nicht aufgehört. Jesus sagt denn auch am Ende des
Matthäus-Evangeliums: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Jesu ist also bei uns. Bei jedem von uns. Jesus ist uns immer nah.
Nicht nur in diesem Leben, sondern auch danach bis an das Ende aller
Zeit. Das heutige Evangelium hat uns gezeigt, dass die Nähe von Jesus
von uns aber auch angenommen werden muss. Selbst enge Weggefährten haben
damals die Nähe von Jesus nicht gespürt. Als sie das gemerkt haben,
sagten sie nur: Dass unser Herz nicht brannte, als uns Jesus so nahe
war. Das gilt auch heute – auch für uns. Denn auch wir sehen mit
dem Herzen am besten. Und vielleicht hilft uns dabei, was Ostern
passiert ist: Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
D. h., liebe Gemeinde: Unser Jesus lebt. Ich wünsche uns, dass
Jesus auch in unserem Herzen lebt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt • Johannes 3, 16
Predigt am 24.12.2018 • Heiligabend • Petrikirche Freiberg
Es ist wieder Weihnachten, liebe Gemeinde. Nun kann Ruhe einziehen bei
uns – äußere Ruhe und innere Ruhe. Äußere Ruhe nach der oft
turbulenten und rastlosen Adventszeit. Denn das ist die Zeit, in der wir
Weihnachten vorbereiten. Und da gibt es meistens viel zu tun. Zum
Beispiel mit dem Kauf von Geschenken. Schließlich wollen wir anderen,
aber auch uns selbst zu Weihnachten eine Freude machen. Und wir wollen
auch sonst das Fest richtig vorbereiten. Und da darf es, zum Beispiel
bei der Esserei, an nichts fehlen. Denn wir erwarten an den Feiertagen
liebe Freunde: Oder – wenn wir Glück haben – unsere Eltern
oder unsere Geschwister oder unsere Kinder mit ihren Familien.
Advent ist eine Zeit der freudigen Erwartung auf Weihnachten. Deshalb
werden die Schwibbögen ins Fenster gestellt und auch die Nussknacker,
Engel und Pyramiden vom Boden geholt. Und es werden Kerzen angezündet:
Erst Eine, dann Zwei, dann Drei und dann Vier. Und damit kann und wird
auch in einer unruhigen Zeit Ruhe bei uns einziehen. Und das ist gut so.
Und das ist auch zu unserem Besten: Advent als eine Zeit der Besinnung.
Und Advent als eine Zeit der Hoffnung – manchmal unbewusst. Auch
bei denen, die mit Gott nichts mehr anfangen können. Oder denen
45 Jahre eingeredet wurde, dass der Glaube an Gott ein veraltetes
Märchen sei: Unwürdig für alle, die einigermaßen bei Verstand seien.
Advent ist nicht zuletzt eine Zeit, in der wir uns innerlich darauf
vorbereiten auf das, was Weihnachten eigentlich ist. Ich wünsche uns
jedenfalls, dass uns das in diesem Jahr einigermaßen gelungen ist.
Aber was ist das nun: Weihnachten? Und was gehört eigentlich alles dazu?
Ich sagte uns vorhin, dass zu Weihnachten Ruhe einziehen kann. Und
meist zieht diese Ruhe auch ein: Bei uns, für uns, in uns. Und
hoffentlich auch mit uns und durch uns. Und Weihnachten ist natürlich
auch ein Fest der Familie, ein Fest der Liebe und ein Fest des Friedens.
Und da ist bei Letzterem nicht nur der Frieden in der Familie, sondern
genauso der Frieden in der ganzen Welt gemeint. Oder wie wir es gerade
in der Weihnachtsgeschichte gehört haben: Ehre sei Gott in der Höhe und
Friede auf Erden. Und damit sind wir schon bei dem, was Weihnachten im
Kern ausmacht: Nämlich die Geburt des Jesus von Nazareth.
Warum das für uns so wichtig ist. Warum das mit so viel Freude für uns
verbunden ist: Das sagt uns auch der Predigttext aus dem
Johannesevangelium im 3. Kapitel: Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt.
Ja, liebe Gemeinde: Gott liebt diese Welt. Gott liebt auch uns. Jeden
von uns. Es ist ein uns liebender Gott, der nicht will, dass wir
verloren gehen. Kein Mensch gleicht zwar dem anderen. Aber vor Gott sind
alle Menschen gleich. Alle werden von ihm geliebt. Auch diejenigen, für
die ihr Leben keine Erfüllung bringt, die an Einsamkeit, Not oder an
einer Krankheit leiden. Warum das so ist: Wir wissen es nicht. In
unserem Predigttext aus dem Johannesevangelium wird uns aber gesagt, dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.
Das heißt doch auch, dass wir nicht verlassen sind. Das alles
ist – wie auch das ganze Weihnachtsgeschehen – eigentlich für
uns vollkommen unfassbar. Denn immerhin reden wir hier von dem großen,
ewigen Gott, der hier handelt. Dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen
hat. Genauer das gesamte Weltall. Oder modern gesprochen: das gesamte
Universum mit seinem Milliarden von Sonnen, Erden und Monden.
Und trotzdem hat es sich so zugetragen: Dieser große, ewige Gott schenkt
uns nicht einen, sondern seinen einzigen Sohn. Und dieser Sohn wird
geboren: vor über 2.000 Jahren. In einem Stall, in einer
Futterkrippe. In Bethlehem – gelegen in fast einem der hintersten
Winkel im Römischen Weltreich. Unter erbärmlichen Umständen kommt Gott
in diesem Baby, durch dieses Baby und mit diesem Baby auf die
Welt – zu uns. Der wahre Gott wird wahrer Mensch. In Jesus –
so hieß ja der Neugeborene – hat Gott für uns ein Gesicht, ein
menschliches Gesicht bekommen. Und Jesus Christus, Gottes Sohn, ist sein
ganzes Leben hier auf dieser Erde ein Liebender für uns Menschen
gewesen. Und er ist auch heute als wahrer, liebender Gott bei uns. Ich
sagte es schon: Das alles ist unfassbar. Aber das ist und das gehört zu
Weihnachten. Auch für diejenigen, die sich heute allein gelassen fühlen.
Bei denen nicht nur Ruhe eingezogen ist, sondern die Weihnachten unter
einer zu großen Ruhe um sich herum leiden.
Eine Geburt ist immer ein Neuanfang: Für uns, aber vielleicht auch in
uns. Öffnen wir, liebe Gemeinde, deshalb unsere Herzen für das, was in
der Weihnachtsgeschichte den Hirten von den Engeln gesagt wird: Fürchtet
euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke
widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist
Christus, der Herr. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind
in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Auf Jesu Wort vertrauen • Johannes 4, 46–54
Predigt am 22.01.2017 • 3. Sonntag nach Epiphanias • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, woran denken Sie, wenn Sie das Wort Wunder hören? Wenn
Ihnen ein Freund oder Bekannter erzählen will, er hätte ein Wunder
erlebt? Werden Sie neugierig? Und wenn er Ihnen seine Wundergeschichte
dann erzählt hat: Denken Sie erst einmal: Na ja? Oder sind Sie neugierig
geblieben und wollen noch mehr hören? Oder sind Sie doch sehr
nachdenklich geworden? Sie merken schon: Wenn es um ein Wunder geht oder
um ein Wunder gehen soll, gibt es sofort viele Fragen. Lassen Sie mich
deshalb ein Beispiel erzählen, das – vielleicht – mit einem
Wunder zu tun hat.
Ein Kind ist krank. Es ist sogar todkrank. Die Eltern sind verzweifelt,
denn die Ärzte wissen nicht, ob sie noch helfen können. So etwas mussten
Eltern schon zu Jesu Zeiten durchmachen. Eigentlich war das zu allen
Zeiten so. Und daran hat sich bis heute nichts geändert – obwohl
durch die moderne Medizin und Pharmazie vielen Menschen geholfen werden
kann, die vor 70 Jahren an ihrer Krankheit noch gestorben wären.
Unsere Gesundheit ist uns trotzdem nicht sicher und auch die Ärzte
stoßen an ihre Grenzen und das nicht nur bei Krebs. Fast jeder von uns
hat das schon bei sich selbst, in seinem Umfeld oder in seiner Familie
erfahren oder erleiden müssen.
Wenn jemand sterbenskrank ist oder sterbenskrank wird, ist das immer
schlimm. Aber ein Kind, das sterbenskrank ist oder sterbenskrank wird,
ist für seine Eltern – und nicht nur für sie – das Schlimmste,
was Ihnen passieren kann. Aber wenn das Kind und seine Eltern Glück
haben und nach mehreren Wochen klar wird, dass die Lebensgefahr für das
Kind vorbei ist: Ist dann ein Wunder geschehen? Wir wissen es nicht. Auf
alle Fälle haben die Eltern in diesen Wochen das Beten und das Hoffen
auf ein Wunder gelernt.
Auch im Predigttext für diesen Sonntag aus dem Johannesevangelium geht
es um ein todkrankes Kind. Wir haben es vorhin als 1. Lesung
gehört. Und Jesus kam abermals nach Kana in
Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein Mann im
Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. Dieser hörte,
dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu ihm und bat ihn,
herabzukommen und seinem Sohn zu helfen; denn der war todkrank.
Dieser 1. Teil des Predigttextes, sozusagen die Vorgeschichte zu
dem, was Jesus tun und sagen wird, ist kurz und präzise: Jesus ist
wieder im Lande. Und das scheint sich schnell herum zu sprechen. Denn in
einer Stadt, die von Jesu Aufenthaltsort 26 Kilometer entfernt
liegt, erfährt das ein besorgter Vater. Von dem wissen wir, dass er als
königlicher Beamter wohlhabend ist und zur gehobenen Schicht gehört und
dass sein Sohn sehr krank ist. Und weil unser Mann nicht in Jesu Nähe
lebt, nimmt er eine 10 bis 13stündige Reise auf sich, um zu Jesus zu
kommen und Jesus zu seinem kranken Sohn zu holen.
Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Denn er geht zu Jesus,
ohne zu wissen, ob er seinen Sohn lebend wiedersehen wird. Er will zu
Jesus, ohne zu wissen, ob ihn Jesus anhören wird. Ob Jesus mit zu ihm
nach Hause in die Nachbarstadt kommt. Ob ihm Jesus helfen kann oder ob
er ihm überhaupt helfen will. Ist es die Verzweiflung eines Vaters, ist
es die Hoffnung auf Hilfe oder ist es schon ein festes Vertrauen zu
Jesus? Es ist alles drei, und das ist kein Widerspruch: Die Verzweiflung
eines Vaters, die Hoffnung auf Hilfe und ein festes Vertrauen zu Jesus.
Jedenfalls macht er sich auf den Weg und trägt Jesus sein Anliegen vor.
Er hofft und glaubt, dass Jesus helfen kann, wenn er bei dem Kranken
ist.
Und damit sind wir schon im Teil 2 des Predigttextes: Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen
und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der Mann sprach zu ihm: Herr,
komm herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein
Sohn lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging
hin.
An diesem Text ist alles stark. Zunächst die Anklage von Jesus, dass die
Menschen Zeichen und Wunder sehen wollen, um zum Glauben zu kommen
oder – wie wir – beim Glauben zu bleiben. Ja, könnte nicht
Gott auch heute ein Zeichen setzen? Ein Zeichen, das uns gegen unsere
Zweifel hilft. Und der Mann und Vater? Der lässt sich nicht
einschüchtern – nicht einmal von Jesus. Er wiederholt vielmehr
seine Bitte und bittet noch drängender: Herr, komm mit mir, ehe mein Kind stirbt!
Und dann folgt im Predigttext der eine Satz von Jesus, der eine ganze
Welt aus den Angeln heben könnte: Geh hin, dein Sohn lebt! Und dass ohne
den Kranken überhaupt gesehen zu haben. Ohne zu wissen, welche
Krankheit das Kind hat. Ohne mit ihm vorher zu sprechen oder ihm die
Hand aufzulegen. Das wäre auch gar nicht möglich, da der kranke Junge ja
26 Kilometer von Jesus entfernt im Bett liegt. Und so kommt es zur
fast einzigen Fernheilung durch Jesus, über die uns in der Bibel
berichtet wird. Der irdische Jesus von Nazareth konnte ein Zeichen
Gottes vollbringen, ohne dass der Betroffene bei ihm sein musste.
Und weiter heißt es lapidar im Predigttext: Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte und zog wieder fort – nach Hause.
Auch das ist stark. Denn er geht weg und besteht nicht darauf, dass
Jesus mit ihm zu seinem Sohn kommt. Er glaubt an die Heilung seines
Sohnes, ohne das gesehen zu haben. Der Vater geht einfach auf Jesu Wort
hin von Jesu weg und kehrt in seine Heimat zurück. Nur mit dem Glauben
im Herzen und dem Vertrauen auf Jesus. Und mit der Hoffnung auf ein
Wunder. Denn so würde der Vater ja die Heilung verstehen.
Der Rest ist schnell erzählt. Ich lese den letzten Teil des Predigttextes mit den Worten der Einheitsübersetzung: Noch
während der Vater unterwegs war, kamen ihm seine Diener entgegen und
sagten: Dein Junge lebt. Da fragte er sie genau nach der Stunde, in der
die Besserung eingetreten war. Sie antworteten: Gestern in der siebten
Stunde ist das Fieber von ihm gewichen. Da erkannte der Vater, dass es
genau zu der Stunde war, als Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt.
Und er wurde gläubig mit seinem ganzen Haus.
Liebe Gemeinde, der Predigttext sagt uns, dass das Vertrauen auf Jesu
Wort etwas Gutes ist: Gut für das kranke Kind und gut für den besorgten
Vater. Aber: Es ist auch gut für uns. Das Vertrauen auf Jesu ist gut für
uns, auch wenn sich damit nicht alle unsere Wünsche erfüllen,
geschweige denn gleich ein Wunder passiert. Auch dann nicht, wenn wir
unsere Bitten in ein inniges Gebet legen. Denn der große, ewige Gott und
sein Sohn Jesus Christus sind für uns nicht verfügbar. Gleichwohl sind
sie für uns da und wir haben allen Grund zum Vertrauen. Dieses Vertrauen
kann Berge versetzen. Es kann mir Kraft geben für die Bewältigung einer
Aufgabe. Es kann für mich eine Hilfe sein in jeder Lebenslage –
auch wenn ein mir lieber Mensch krank ist oder ich selbst krank bin.
Ich wünsche uns allen die Erfahrung, dass das Vertrauen auf Jesus nicht
nur gut für uns ist, sondern auch etwas für uns wunder – bares.
Etwas, dass uns hilft, und etwas, mit dem wir anderen helfen können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Sich an die eigene Nase fassen • Johannes 8, 2–11
Predigt am 10.07.2022 • 4. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Früh am nächsten Morgen war Jesus wieder im Tempel. Viele Menschen drängten sich um ihn. Er setzte sich und lehrte sie. Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.
Liebe Gemeinde, den Predigttext haben wir vorhin als Evangelium für diesen Sonntag gehört. Auf den ersten Blick passt dieser Text überhaupt nicht zu der schönen Buxtehude-Kantate. Denn in ihm geht es um Ehebruch und um die Steinigung einer Frau. Aber – und das ist wichtiger: Das Ganze beginnt gut und endet gut. Und das mit Jesus und durch Jesus.
Erzählt wird uns im Predigttext eine interessante, griffige und verständliche Geschichte. Eine Geschichte, die spannend ist wie ein Krimi. Ort der Handlung ist immerhin der Tempel in Jerusalem. Und das Ganze beginnt, wie viele Geschichten mit Jesus beginnen: Jesus kommt in den Tempel und viele Menschen drängen sich um ihn. Sie wollen hören, was ihnen Jesus zu sagen hat. Im Predigttext setzte sich Jesus und lehrte sie. Wahrscheinlich wird er ihnen vom Kommen des Reich Gottes oder eines seiner Gleichnisse erzählt haben.
Diese friedliche Runde wird nun von Pharisäern und Schriftgelehrten gestört. Sie bringen eine Frau mit, unterbrechen einfach die Rede von Jesus und sagen ihm ungefragt und ganz unvermittelt: Diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Dafür hat uns Mose im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Und dann kommt von den Pharisäern und Schriftgelehrten eine Frage an Jesu, die ganz einfach klingt, aber voller Heimtücke ist: Was sagst denn Du, Jesus, dazu? Diese Frage ist heimtückisch, weil sie – die Pharisäer und Schriftgelehrten – Jesus eine Falle stellen wollen. Eine Falle, um ihn anklagen zu können. Und was sagt Jesus dazu? Zunächst einmal nichts. Und das hat seinen Grund. Denn egal, ob Jesus mit Ja oder Nein antwortet. Ob er also dafür ist, dass die Frau wegen Ehebruch gesteinigt wird. Oder: Ob er dagegen ist. Immer kann die Antwort gegen Jesus verwendet werden.
Spricht er sich gegen die Steinigung aus, widerspricht er dem, was Gott den Juden durch Moses gesagt hat. Ein Verstoß dagegen konnte in schweren Fällen auch mit dem Tod durch Steinigung bestraft werden.
Spricht sich nun Jesus aber für eine Steinigung aus, würde er gegen geltendes Recht verstoßen. Denn die Todesstrafe war im Römischen Weltreich – und dazu gehörte Israel – den Römern vorbehalten.
Aber, liebe Gemeinde: Entscheidend ist etwas ganz anderes: Jesus würde bei einem Ja zur Steinigung sich selbst verleugnen. Es würde allem widersprechen, was wir von ihm und über ihn wissen. Die Heimtücke war ja auch, dass er seine Anhänger vor den Kopf stoßen würde. Und für alle anderen, die ihm auch in den Tempel gefolgt waren, wäre Jesus ein Lügner. Liebe predigen, aber der Steinigung einer Frau zustimmen. Hier müssen wir wissen, dass die Steinigung eine besonders grausame Form der Hinrichtung war.
Schließlich antwortet Jesus nach einer Pause mit nur einem Satz: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Dieser Satz hat es in sich und er ist deshalb auch weltweit sprichwörtlich geworden. Ich werde darauf noch zurückkommen. Über die Pharisäer und Schriftgelehrten kann man denken, was man will: Den Satz von Jesus haben sie verstanden. Alle waren von Ihrem Gewissen überführt, deshalb haben sie den Tempel wortlos verlassen. Nicht gleichzeitig als Gruppe, sondern Einzeln nacheinander. Im Predigttext wird uns auch gesagt, dass die Ältesten dabei die Ersten waren. Wie dem auch sei: Jesus hat mit diesem einen Satz das Leben dieser Frau gerettet. Und er ist auch nicht in die Falle getappt, die ihm gestellt worden war.
Am Schluss unseres Predigttextes ist Jesus schließlich allein mit der Frau. Er war überzeugt, dass die Frau tatsächlich eine Ehebrecherin war. Und er hätte sie auch verurteilen können. Aber das tut er nicht. Vielmehr sagt er zu ihr: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr. Das klingt ganz aktuell. Und das ist es auch. Und damit bin ich bei uns angekommen. Bei unseren Sünden und bei unserer Reaktion auf die Sünden anderer. Oder wie es Jesus auch uns sagt: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr. Und: Wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf den anderen Sünder.
Jesus weiß natürlich, dass wir alle Sünder sind, dass Sünde zu unserem Leben dazu gehört. Aber nun kommt der feine, aber entscheidende Unterschied, den Jesus macht. Jesus verdammt die Sünde, aber nicht den Sünder. Nehmen wir als Beispiel unseren Predigttext: Für Jesus ist Ehebruch eine Sünde, die er verdammt. Aber die Frau als Ehebrecherin wird von Jesus nicht verdammt, sondern sie darf ihren weiteren Lebensweg gehen mit der Ermahnung von Jesus, eine Ehe nicht mehr zu brechen.
Und wir, liebe Gemeinde? Wir sollen uns an die eigene Nase fassen, wenn es um unser Verhältnis zu anderen Menschen geht. Das geht damit los, dass wir ihr Anders-sein als solches auch anerkennen. Und das geht auch damit los, dass wir auf Andere nicht immer nur neidisch sind oder uns benachteiligt fühlen Oder aber auch anders herum: Dass wir auf Andere nicht herabblicken, bloß weil wir uns als etwas Besseres vorkommen – warum auch immer. An die Nase fassen oder wenigstens ein wenig nachdenklich sein: Das würde uns manchmal guttun, wenn wir wieder einmal über einen anderen schlecht reden wollen, wenn wir ihn belügen oder schlecht behandeln oder ihm sogar bewusst schaden wollen.
Natürlich ist jeder Andere ein Sünder, von dem es – wie bei uns allen - auch viel Schlechtes zu berichten gäbe. Das gibt uns aber noch lange nicht das Recht, uns an ihm zu versündigen - ohne daran zu denken, dass auch wir selbst Sünder sind. Oder wie es uns Jesus im Predigttext sagt: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf die Sünderin oder den Sünder. Für uns Sünder und die anderen Sünder um uns herum gibt es einen Ausweg. Und auch den hat uns Jesus gesagt und beten gelehrt: Vater unser im Himmel, bitte vergib uns unsere Schuld. Diese Bitte macht einen Neubeginn in unserem Leben immer wieder möglich.
Und wenn wir, liebe Gemeinde, das nächste Mal einen Stein aufheben wollen: Denken wir daran, was uns Jesus dazu gesagt hat. Hören wir auf unser Gewissen. Auch Nachdenken kann hier helfen. Das hat uns Jesus im Predigttext vorgemacht: Jedesmal vor seinen zwei wichtigen Sätzen über die Sünde ist er still geworden, bevor er das gesagt hat, was zu sagen war.
Und der Friede Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Licht der Welt • Johannes 8, 12
Predigt am 28.01.2024 • Letzter Sonntag nach Epiphanias • St. Johanniskirche Freiberg
Jesus Christus spricht dort: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Liebe Gemeinde. Jesus hat uns in seiner Bergpredigt nicht nur die Seligpreisungen geschenkt. Jesus hat uns in der Bergpredigt auch ein großes Kompliment gemacht. Uns allen. Denn er sagt uns dort, dass wir das Licht der Welt seien. Wir, die wir an Jesus Christus, Gottes Sohn, glauben: Wir sollen aus diesem Glauben heraus, Licht in die Welt bringen. Ja, wir sollen sogar ein Licht für die Welt sein. Welch eine Verheißung, aber auch welch eine Aufgabe und Herausforderung für uns. Denn Licht für die Welt sein, heißt auch, nach unserem Glauben zu leben. Also zum Beispiel liebevoll und barmherzig sein – und das nicht nur gegenüber unseren Nächsten.
Jesus, als wahrer Gott, aber auch als wahrer Mensch sieht uns so, wie wir sind. Und was für uns noch wichtiger ist: Jesus nimmt uns auch an, so wie wir sind. Und er weiß natürlich, dass es bei uns nicht nur Licht, sondern auch Schatten gibt und das bis in die tiefste Finsternis hinein. Deshalb fällt es uns auch oft so schwer, ein Licht für andere zu sein. Geschweige denn ein Licht in der Welt oder ein Licht für die Welt.
Jeder, der Jesus, Gottes Sohn, ernst nimmt und dessen Gewissen noch nicht abgestorben ist: Der weiß um die Untiefen, die in uns stecken. Auch wir kennen die Finsternis, die wir in uns tragen. Finsternis, die von uns ausgeht, und Finsternis, die wir ertragen müssen: Übrigens nicht nur von anderen, sondern auch von uns selbst.
In der Finsternis, liebe Gemeinde, wirkt das Dunkle und das Böse. In der Finsternis erkennen wir deshalb unseren Weg nicht mehr, den wir gehen sollen, den wir gehen müssen und den wir meistens auch gehen wollen. In der Finsternis wird die Wirklichkeit von uns nicht mehr als Wirklichkeit erkannt. Und Wahrheit ist nicht mehr von der Lüge zu trennen. Und das Ganze mündet in Zweifel und Angst, in Bosheit und Unwahrheit.
Jesus sagt uns dazu im Matthäus-Evangelium: „Wenn deine Augen durch Neid oder Habgier getrübt sind, ist es dunkel in dir. Und wie tief ist erst diese Finsternis, wenn das Licht in deinem Innern erloschen ist.“ Im Johannes-Evangelium geht Jesus nun noch einen Schritt weiter, indem er uns sagt: „Das Licht ist in die Welt gekommen, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Denn was sie taten, war böse.“
Das anzustrebende Gegenteil von Finsternis ist natürlich das Licht. Sowohl sehr direkt, aber auch im übertragenen Sinne ist Licht das Helle, Klare, mir gut Tuende. Beim Prediger Salomo können wir deshalb auch lesen: „Ja, es stimmt: Weisheit ist besser als Unvernunft, so wie Licht besser ist als die Finsternis.“ Das wir Licht tatsächlich zum Leben brauchen, sagt uns auch der Predigttext, zu dem ich jetzt komme und der im 8. Kapitel des Johannes- Evangelium steht:
Jesus Christus spricht dort: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Dieser kurze Text, liebe Gemeinde, ist für uns von zentraler Bedeutung: Für unser Leben, für unseren Umgang mit Anderen, für unseren Umgang mit uns selbst und nicht zuletzt für unseren Glauben. Dieses Ich bin das Licht der Welt ist eines von den Ich-Worten Jesu, mit denen er uns sagt: Ich bin der gute Hirte, der wahre Weinstock, das Brot des Lebens, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und eben auch: Ich bin das Licht der Welt.
Diese 2.000 Jahre alten Worte von Jesus sind heute so aktuell wie damals. Und sie zeigen uns vor allem eines: Jesus Christus will uns helfen. Und zwar helfen, mit unserem Leben fertig zu werden. Dabei nimmt uns Jesus das Leid nicht hinweg, aber er hilft uns hindurch – durch das Leid. Natürlich tut es uns auch gut, von Jesus zu hören, dass er unser gute Hirte ist und unser Licht in der Welt.
Aber, Achtung! Was uns Jesus hier sagt, sind keine wohlklingenden Wohlfühl-Worte eines Wanderpredigers, sondern ein Zeichen seiner Vollmacht als Sohn des großen, ewigen Gottes. Und es ist ihm bitterernst, wenn er uns im Predigttext sagt. Folgt mir nach, denn ich bin das Licht der Welt. Und das sollte auch für uns bitterer Ernst sein. Denn Jesus folgen, liebe Gemeinde, heißt ja nichts anderes als das ernst zu nehmen, was uns Jesus sagt.
Dieses Ernstnehmen hilft uns nicht nur, aber auch dann immer wieder weiter, wenn bei uns unser Glaube an Jesus schwach wird. Hier kann ich uns nur sagen: Das Vertrauen zu Jesus und unser Glaube an ihn, das lohnt sich. Und der Predigttext ist dafür ein gutes und uns mitmachendes Beispiel. Denn Jesus sagt uns dort, wie wir es schon gehört haben: Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben – wie es Martin Luther übersetzt hat. Besser verständlich sind mir hier zwei moderne Bibelübersetzungen. In der Gute Nachricht Bibel können wir lesen: „Wer mir – also Jesus - folgt, tappt nicht mehr im Dunkeln, sondern hat das Licht und mit ihm das Leben.“ Und In der Hoffnung für alle Bibel: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Dunkelheit umherirren, sondern er hat das Licht, das ihn zum Leben führt“.
Liebe Gemeinde, Licht benötigen alle zum Leben. Wir auch. Ohne Licht gäbe es ja überhaupt kein Leben hier auf dieser unserer Erde. Was Licht bedeutet merken wir auch in unserem Alltag. Und genügend Licht zu haben ist ein hohes Gut – auch wenn es für uns selbstverständlich geworden ist. Genügend Licht zu haben, ist nicht nur ein hohes Gut: Es ist ganz einfach etwas Gutes. Zumindest dann, wenn uns das Licht nicht blendet Oder auch zurückgeht, wenn wir Ruhe und Schlaf brauchen.
Nicht nur in unserem Predigttext, sondern an vielen Stellen im Alten und Neuen Testament steht das Licht für etwas Gutes. Als etwas, das uns unseren Weg weist. Als etwas, dass uns weiter hilft. Als etwas, dass uns Vorbild ist.
Und genau das trifft auf Jesus zu. Er ist für uns das Licht der Welt. Ein Licht, das von keiner Dunkelheit ausgelöscht werden kann und das immer für uns da sein wird.
Jesus zu folgen, ist deshalb der Königsweg für uns von der Dunkelheit in uns zum Licht und damit zum Leben, zu unserem Leben. Folgen wir also, liebe Gemeinde, Jesus auf der Lebensbahn, wie wir es gleich singen werden.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre dazu unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Sehen • Johannes 9, 35–39
Predigt am 22.09.2013 • 17. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht am
Schluss eines langen Kapitels im Johannesevangelium. Ein Kapitel, in dem
Jesus einen Blindgeborenen heilt. Bevor unser Predigttext beginnt,
passiert kurz gesagt Folgendes: Jesus gibt dem Blindgeborenen sein
Augenlicht und dieser Mann, ein Bettler, kann nun richtig sehen. Das
Wunder ist so groß, dass er zu den Pharisäern geführt wird. Sie fragen
den Geheilten und seine Eltern aus. Obwohl er von den Pharisäern
bedrängt wird: Er bleibt dabei, dass es Jesus war, der ihn geheilt hat.
Daraufhin wird er aus der Synagoge und damit aus der jüdischen
Gemeinschaft ausgestoßen. Und hier beginnt nun unser Predigttext: Es kam vor Jesus, dass sie ihn ausgestoßen
hatten. Und als er ihn fand, fragte er: Glaubst du an den Menschensohn?
Er antwortete und sprach: Herr, wer ist's, dass ich an ihn glaube? Jesus
sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist's.
Er aber sprach: Herr, ich glaube, und betete ihn an. Und Jesus sprach:
Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen,
sehend werden, und die sehen, blind werden.
Jesus erfährt also, was dem ehemals Blinden widerfahren ist und dass er
trotz äußerem Zwang Jesu vor den Pharisäern nicht verleugnet hat. Jesu
trifft sich noch einmal mit dem ehemals Blindgeborenen. Hier offenbart
sich Jesus als der Menschensohn. Das heißt als Derjenige, der mit
göttlicher Vollmacht in diese Welt gekommen ist. Und dabei Mensch wurde
mit des Menschen Verwundbarkeit und Sterblichkeit. Der von seiner
Blindheit von Jesu Geheilte glaubt das und fällt vor Jesus auf die Knie.
Im Predigttext wird also ein Blinder durch Jesus im doppelten Sinne
sehend gemacht: Er bekommt sein Augenlicht und er erkennt Jesus als das,
was er tatsächlich ist.
Liebe Gemeinde, sehen können, gut sehen können: Ich denke, dass das uns
allen, ganz, ganz wichtig ist. Wir leben heute in einer Zeit und in
einem Land, wo für ein gutes Sehen ganz viel getan werden kann und auch
viel getan wird. Bei Augenkrankheiten ist zum Beispiel mit moderner
Operations- und Lasertechnik vieles möglich, damit wir unser normales
Augenlicht behalten können oder sogar wiederbekommen. Das war vor
2000 Jahren, zu Jesu Zeiten, ganz anders. Damals war die Heilung
eines Blinden durch Jesus etwas Ungeheuerliches. Etwas so
Ungeheuerliches, dass hier nur Gott selbst eingegriffen haben kann. Und
als der Geheilte dabei auf Jesus zeigt, wird er aus der jüdischen
Gemeinschaft ausgestoßen. Wir haben es soeben gehört.
Zurück zu uns heute. Reicht uns das: Sehen zu können? In der Finsternis
Licht erkennen zu können? Natürlich reicht uns das nicht. Wenn wir von
„richtig sehen“ reden: Dann meinen wir, dass wir etwas scharf sehen.
Viele von uns brauchen dazu eine Brille. Sei es für die Ferne oder im
zunehmenden Alter zum Lesen. Und auch hier sind wir sehr verwöhnt. So
brauchen wir für scharfes Sehen in der Nähe und Ferne nur noch eine
Brille – von gefärbten und mehrfach entspiegelten Gläsern einmal
ganz abgesehen. Ich wäre jedenfalls ohne meine Gleitsichtbrille kaum
alltagstauglich. So weit, so gut.
Aber reicht es eigentlich, etwas scharf umrissen zu sehen? Oder gehört
zum richtigen Sehen, zum richtigen Erkennen nicht noch viel mehr? Ja,
liebe Gemeinde, dazu gehört viel mehr. In unserem Predigttext sagt dazu
Jesus einen entscheidenden Satz über das Sehen und über das Nichtsehen,
also das Blindsein. Ich – Jesus – bin in diese Welt gekommen: Damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden.
Und hier geht es nicht nur darum, ob jemand ein Augenlicht hat oder
nicht, so wichtig das ist. Sondern es geht auch darum, was uns darüber
hinaus sehend oder blind macht. Und das ist eine ganze Menge.
Zunächst: Genauso wichtig wie das scharfe Erkennen ist das Wie. Wie wir
etwas ansehen. Ob mit Ablehnung oder mit Zuneigung, ob gleichgültig oder
aufmerksam, ob gelangweilt oder interessiert. Das Wie des Sehens ist
keine Luxuszugabe. Denn das Wie des Sehens entscheidet darüber, ob wir
im übertragenen Sinne sehend werden oder blind bleiben. Das heißt, ob
wir uns dem Gesehenen gegenüber öffnen oder davor die Augen
verschließen, also blind bleiben. Dazu gehört: Mit welchem Gefühl, mit
welcher Erwartung wir das Gesehene aufnehmen und verarbeiten. Ob wir
also beim Hinsehen im übertragenen Sinne das Glas halbvoll oder halbleer
sehen wollen. Oder ob nach dem Hinsehen das Glas für uns halbvoll oder
halbleer ist.
Voraussetzung für das alles ist natürlich, dass ich überhaupt erst
einmal bereit bin, mir etwas im ganz wörtlichen Sinne, also mit offenen
Augen anzusehen. Ich muss hinsehen, wenn ich mich informieren will, wenn
ich etwas verstehen will. Das Gegenteil ist auch eine Art Blindsein,
nämlich das Wegsehen. Dazu gehört der berühmte Tunnelblick: Den setzen
wir immer dann auf, wenn wir nichts sehen wollen, wenn wir Abstand
halten wollen, wenn wir mit etwas nichts zu tun haben wollen. Richtig
sehen, also nicht blind sein heißt helfen, wenn vor meinen Augen jemand
Hilfe braucht. Richtig sehen, also nicht blind sein heißt auch etwas
abgeben von dem was ich habe, wenn es notwendig ist, wenn also jemand in
Not ist.
Letztendlich geht es um liebevolles Sehen, um einen liebevollen Blick,
der alles öffnet. Gut zusammengefasst hat das Antoine de Saint-Exupéry
in seinem Buch „Der kleine Prinz“. Denn dem, dem kleinen Prinzen, wird
dort von einem Fuchs gesagt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Das
Herz ist hier ein Ausdruck für die Liebe. Bei Jesus geht es ganz oft um
das richtige Sehen, das die Liebe in den Mittelpunkt stellt. Und um das
Sehen, das in Jesus den Christus erkennt.
Jesus hat sich selbst an anderer Stelle der Bibel nicht ohne Grund das
Licht der Welt genannt, das wir durch richtiges Sehen erkennen sollen
und können. Und Jesu sagt uns weiter: Wer mir nachfolgt, wird nicht in
der Finsternis wandeln. Das heißt doch aber: Durch Jesus finden wir eine
Orientierung, einen inneren Kompass, Sicherheit und Ruhe für unser
Leben. Wer darauf vertraut, der ist in der Tat ein Sehender. Blind ist
oder bleibt der, dem diese Orientierung fehlt. Blind ist auch, wer
glaubt, alles besser zu sehen oder allein zu wissen. Besserwisserei ist
deshalb eine Form von Blindheit, weil sie auf die Erfahrung, Meinung und
Einsicht anderer bewusst verzichtet. Auch wer sehr selbstgerecht seinen
Blick über seine Mitmenschen schweifen lässt, macht sich blinder, als
er es sein müsste. Von Bischof Huber habe ich dazu eine schöne
Zusammenfassung gefunden, ich zitiere: „Denen, die alles zu sehen
meinen, sagt Jesus: Seid nicht so blind. Denen, die den Durchblick
verloren haben, sagt Jesus: Ich bin das Licht der Welt.“ Soweit Bischof
Huber.
Das Vorbild Jesu macht uns sehend. Wir wissen also durch Jesus, wie wir
uns umsehen sollen. Gerade oder obwohl wir eigentlich sehen können,
sehen wir so oft weg oder verschließen die Augen: Aus Trägheit oder
Gleichgültigkeit, aus Feigheit oder Egoismus. Ich wünsche uns, dass wir
uns die Augen öffnen lassen: Für Jesus, für unseren Nächsten, für uns
selbst und für die Schöpfung. Ich wünsche uns auch, dass wir uns dabei
ganz ehrlich fragen: Sehe ich meinen Nächsten nur oder sehe ich ihn zum
Beispiel mit Respekt oder mit liebevollen Augen? Sehe ich mich selbst
so, wie ich bin und wie ich es war? Oder mache ich mir nur ein schönes
Bild von mir? Wir sollten dabei nicht zu streng mit uns selbst sein. Ein
liebevoller Blick auch zu sich selbst ist keine Blindheit, sondern das,
was Jesus will.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Jesus überlässt uns keinem Mietling • Johannes 10, 11–15
Predigt am 15.04.2018 • Miserikordias Domini • Petrikirche Freiberg
Predigt am 05.05.2019 • Miserikordias Domini • Kirche Bieberstein
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte
lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem
die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe
und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut
sie –, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die
Schafe.
Liebe Gemeinde, das Evangelium für diesen Sonntag ist gleichzeitig der
Predigttext. Wir haben es schon gehört. Dieser Predigttext beginnt mit
einem kurzen, aber für uns entscheidenden Satz. Denn dort spricht Jesus:
Ich bin der gute Hirte.
Zunächst das Ich bin: Immer wenn das Jesus zu uns sagt, wird es ganz konkret. Und er meint mit dem Ich bin
nicht, dass er nur irgendwie da sein könnte oder irgendwie da sein
würde oder vielleicht irgendwie kommen könnte. Nein: Jesus sagt uns mit
seinem Ich bin, dass er –
wahrer Mensch und wahrer Gott – tatsächlich da ist. Auch für uns.
Für jeden von uns. Und das nicht irgendwann und irgendwo, sondern hier
und jetzt. Auch heute hier im Gottesdienst. Und wenn wir es denn
zulassen, auch und vor allem in unseren Herzen.
Aber wie kann ich mir das vorstellen, was Jesus – Gottes
Sohn – ist und für uns sein will? Damit uns das leichter fällt,
erzählt uns Jesus an verschiedenen Stellen der Bibel Beispiele.
Beispiele, die wir alle kennen. Einige davon will ich nennen. In denen
sagt uns Jesus: Ich bin das Brot des Lebens. Ich bin das Licht der Welt.
Ich bin der wahre Weinstock. Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende
der Welt. Und schließlich nun im heutigen Predigttext: Ich bin der gute Hirte.
Jesus greift mit dem Bild vom guten Hirten eine alte, schon damals
jahrhundertealte Sehnsucht der Juden auf. Es ist die Hoffnung, dass
Gott, der Herr, ihr Hirte, ihr guter Hirte ist. Ein Hirte, von dem Gutes
kommt und dem ich vertrauen kann. Ein Hirte, der mich sicher durch das
Leben führt, der meine Seele erquickt. Ein Hirte, der mich behütet und
tröstet. Der mir schenkt, was ich zum Leben brauche. Und der sich meiner
erbarmt mein Leben lang.
Hoffnung auf Gott, den Herrn, als guter Hirte wird wunderbar im
23. Psalm „Vom guten Hirten“ beschrieben, der wahrscheinlich auch
zu Jesu Lebzeiten sehr bekannt und beliebt war. Ich lese den Text in der
uns vertrauten Fassung, also in der Übersetzung von Martin Luther:
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf
einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine
Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und
ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich doch kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest
vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt
mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir
folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn
immerdar.“
Liebe Gemeinde, Jesus ist dieser, unser guter Hirte. Das sollten wir
ganz fest, ganz tief in unsere Herzen und mit unserem Verstand
aufnehmen. Denn das ist eine Zusage, wie sie tröstlicher nicht sein
kann. Und die passt so richtig in die frohe, österliche Zeit und zum
heutigen Sonntag, der da heißt: Miserikordias Domini. Das ist lateinisch
und klingt irgendwie sperrig. Aber übersetzt heißt das: „Barmherzigkeit
des Herrn.“ Das sagt uns, warum Jesus unser guter Hirte ist und was wir
unter dem guten Hirten zu verstehen haben. Nämlich einen, der zu den
ihm Anvertrauten barmherzig ist. Barmherzig sein heißt mitfühlend,
gütig, nachsichtig und mildtätig sein. Das ist viel. Das ist sogar sehr
viel.
Aber bei Jesus ist das noch viel mehr, wenn es um uns geht. Bei Jesus
schließt Barmherzigkeit auch den Schutz vor aller Gefahr mit ein.
Deshalb sagt Jesus uns denn auch im Predigttext – modern übersetzt:
Ich bin der gute Hirte und wie ein guter Hirte bereit, mein Leben für die Schafe herzugeben.
Und Jesus hat für seine Schafe, für uns, sein Leben hergegeben. Er ist
verspottet und gefoltert worden und ist für uns und wegen unserer Sünden
qualvoll am Kreuz gestorben. Wir sollten in der freudigen österlichen
Zeit nicht vergessen, dass Jesu Kreuzestod und seine Auferstehung
zusammen gehören. Auch weil Jesu bereit war, für uns ein guter Hirte bis
in den Tod hinein zu sein, hat sich Gott zu Jesus bekannt. Er hat ihn
von den Toten auferweckt und ihn erhöht. Oder wie wir es im
Glaubensbekenntnis vorhin gemeinsam gesprochen haben: Wir glauben an
Jesus Christus, der am dritten Tage auferstanden ist von den Toten,
aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen
Vaters.
Weil das alles so ist, kann Jesu auch heute unser guter Hirte sein.
Genauer gesagt: Jesus ist unser guter Hirte, wenn wir es denn wollen.
Wenn wir an ihn, den Auferstandenen glauben. Wenn wir ihm zutrauen, dass
er unser guter Hirte sein kann. Und wenn wir darauf vertrauen, dass
Jesus unser guter Hirte sein will. Dann wird die Zusage von Jesus, unser
guter Hirte zu sein, die im Psalm 23 ausgedrückte Sehnsucht und
Hoffnung für uns zur Gewissheit. Eine Gewissheit im Glauben, dass das im
Psalm Beschriebene durch Jesus für uns in Erfüllung geht.
Und dass es Jesus ernst mit uns meint, dass er unser Hirte sein und
bleiben will, das er sagt er uns auch im Predigttext mit einem einfachen
Vergleich. Ich lese ihn wieder in einer modernen Übersetzung: Einer, der gar kein Hirte ist, sondern die
Schafe nur gegen Bezahlung hütet, läuft davon, wenn er den Wolf kommen
sieht. Er lässt die Schafe im Stich, und der Wolf kann über die Schafe
herfallen. Einem solchen Mann, dem die Schafe nicht selbst gehören, geht
es eben nur um seinen Lohn; die Schafe sind ihm gleichgültig.
Jesus überlässt uns also keinem Mietling, wie es Martin Luther ausgedrückt hat.
Auch nicht, wenn es einmal ernst wird bei uns.
Wie oft haben wir es schon erlebt, dass wir im Stich gelassen werden.
Von jemand, dem wir vertraut haben. Von jemand, dem wir uns sogar
anvertraut haben. Von jemand, auf den wir uns verlassen haben und der
uns dann allein gelassen hat, als wir ihn gebraucht haben. Das tut
besonders dann weh, wenn uns jemand ganz nah gewesen ist. So nah, dass
wir ihn im übertragenem Sinne als unseren guten Hirten ansehen konnten.
Und bei dem sich dann herausstellt, dass er seine Nähe zu uns nur wegen
eines Vorteils für sich gesucht hat. Auch das haben wahrscheinlich
einige von uns schon leidvoll erfahren müssen.
Jesus, liebe Gemeinde, Jesus lässt uns nicht im Stich. Auch dann nicht,
wenn wir denken, dass wir ganz allein gelassen sind. Denn Jesus ist
unser guter Hirte, von dem wir mit dem 23. Psalm sagen können: Und
ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn
du – Jesus – bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Und der Friede Gottes, der höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. Amen
Die Auferstehung und das Leben • Johannes 11, 1+3+17–27
Predigt am 20.09.2015 • 16. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Es lag aber einer krank, Lazarus aus
Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. Da sandten die
Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb
hast, liegt krank. Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im
Grabe liegen. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe
Stunde entfernt. Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie
zu trösten wegen ihres Bruders. Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt,
geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. Da sprach Marta
zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.
Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott
geben. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta spricht
zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der
Auferstehung am Jüngsten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die
Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch
wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr
sterben. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass
du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
Liebe Gemeinde, das Evangelium für diesen Sonntag, das wir soeben gehört
haben, ist gleichzeitig der Predigttext. Beim Nachdenken über diesen
Text ist mir ein Vers aus dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“
von Paul Gerhardt eingefallen:
Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Wenn ich den
Tod soll leiden, so tritt du dann herfür. Wenn mir am allerbängsten wird
um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten. Kraft deiner Angst und
Pein.
Sie werden sich jetzt zu Recht fragen: Was soll das. Ein Passionslied an
einem sozusagen normalen Sonntag mitten im Kirchenjahr. Zumal ein Lied,
in dem es um das Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth geht. Um das
Leiden und Sterben unseres Jesus. Wir wissen natürlich, dass damit die
Geschichte mit und von Jesus nicht zu Ende ist – Gott sei es
gedankt. Sondern das der Tod bei Jesus nicht das letzte Wort hatte. Denn
das Handeln Gottes lässt Jesus von den Toten auferstehen. Deshalb kann
Jesus sagen: Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Und genau das steht in unserem Predigttext. Es ist deshalb etwas ganz
Besonderes, weil sich Jesus vor seiner Kreuzigung so nur seinen Jüngern
offenbart hat. Sonst spricht der irdische Jesus von Nazareth von sich
meist in Bildern. Wie: Ich bin der Menschensohn, Ich bin das Licht der
Welt, Ich bin das Brot des Lebens, Ich bin der gute Hirte. Und nun das,
im Evangelium für den heutigen Sonntag: Jesus
spricht zu Marta, einer Frau, die er lieb hat: Ich bin die Auferstehung
und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Dieser Teil aus dem Predigttext kann nun aber auch ganz anders betont
werden: Ich bin die Auferstehung und das Leben, sagt Jesus. Wer an mich
glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Damit wird einmal nicht
betont, was wir uns für uns wünschen. Nämlich, dass es uns im Leben
einigermaßen gutgehen möge. Und das es für uns irgendwie weitergeht nach
unserem Tod. Sondern unser Text will uns sagen, dass das etwas mit
Jesus, Gottes Sohn, zu tun hat.
Berichtet wird uns das alles in einem Kapitel, in dem es um die
Auferweckung des Lazarus durch Jesus geht. Um es vornweg zu nehmen: Es
geht hier nicht um den armen Lazarus, der sehr krank war, der vor der
Tür eines reichen Mannes lag. Dieser hatte ein so hartes Herz, dass er
Lazarus nicht geholfen hat, bis der arme Lazarus gestorben war. Der
Lazarus in unserer Geschichte ist auch krank. Er ist so krank, das auch
er an seiner Krankheit stirbt. Aber welch ein Unterschied zum armen
Lazarus: In unserem Predigttext hat Lazarus zwei Schwestern – Marta
und Maria – die ihn lieben und liebevoll umsorgen. Sie wohnen in
Betanien. Das ist ein Dorf, das nur 30 Minuten von Jerusalem
entfernt liegt. Und alle Drei – Lazarus, Maria und Marta –
glaubten fest an Jesus. Er war ihnen ein guter Freund. Und Jesus hatte
sie auch lieb. Alle drei. Deshalb heißt es in unserem Predigttext:
Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank. Da aber Jesus nicht in der Nähe von Betanien war, dauerte seine Reise einige Tage. Jedenfalls wird uns weiter berichtet: Als
Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. Und viele
Juden waren zu Maria und Marta gekommen, sie zu trösten wegen ihres
Bruders.
Im Zentrum des Predigttextes für diesen Sonntag steht nun nicht die
Auferweckung des Lazarus, sondern ein Zwiegespräch zwischen Jesus und
Marta, der Schwester Marias. Diese Marta war Jesus entgegen gelaufen,
als sie hörte, dass Jesus kommen würde. In diesem Zwiegespräch offenbart
sich Jesus gegenüber einer einzelnen Frau in einer Weise, wie er es bis
dahin nur seinen Jüngern getan hatte. Wir haben es schon gehört. Jesus sagt zu Marta: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Und das sagt Jesus auch uns heute: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Ja, liebe Gemeinde, Jesus ist das Leben. Und Jesus ist die
Auferstehung. Unser Leben ist uns von Gott geschenkt. Unser Leben hier
auf dieser Erde liegt in Gottes Hand. Das heißt nun nicht, dass wir die
Hände einfach in den Schoß legen können und den lieben Gott einmal
machen zu lassen, der wird es schon richten. Nein, dazu wird unser Zutun
gebraucht: Für uns selbst, aber auch für unseren Nachbarn. Denn: Jesus,
also Gott, wirkt in der Welt durch uns. Er wirkt durch das, was wir
denken, was wir sagen. Und er wirkt durch das, was wir tun. Was wir
Gutes tun, aber auch durch das, was wir uns antun und was wir anderen
antun. Und nicht zuletzt, was wir nicht tun, obwohl es notwendig wäre.
Ich will dazu ein aktuelles Beispiel nennen: Deutschland ist seit Jahren
bei Nichtdeutschen das beliebteste Land der Welt: Friedlich, sicher,
sauber, sozial, wirtschaftlich stark. Da ist es kein Wunder, dass von
den Tausenden, die auf der Flucht sind, viele zu uns wollen. Von
Kriegsflüchtlingen, die nur sich und ihre Familie gerettet haben, bis
hin zu Menschen, denen es einfach sehr viel schlechter geht als uns. Es
ist gut, dass hier viele aus unserer Gemeinde helfen wollen oder das
bereits tun. Aber das sind noch viel zu wenige – auch in unserer
Gemeinde. Dabei wissen wir doch: Nicht nur unser Leben, sondern auch das
Leben aller Menschen liegt in Gottes Hand. Auch das Leben derjenigen,
die jetzt zu uns kommen und noch zu uns kommen werden. Und die unsere
Hilfe und Zuwendung brauchen.
Jesus ist nun nicht nur das Leben, sondern zu Jesus gehört auch die
Auferstehung. Wir haben es im Predigttext gehört. Deshalb ist auch mit
dem Tod nicht alles vorbei, denn wir bleiben auch nach dem Tod in Gottes
Hand. Aber stimmt das mit unseren Erfahrungen überein, wenn wir einen
uns lieben Menschen durch seinen Tod verloren haben? Denn jeder, von dem
wir uns verabschieden mussten, hinterlässt eine Lücke. Und Vieles, was
uns zeitlebens durch den inzwischen Verstorbenen selbstverständlich war,
gibt es nun nicht mehr. Er fehlt uns. Am meisten fehlt uns der
Verstorbene dort, wo er seine Liebe zeigen konnte und wo er geliebt
wurde. Trauer und der Schmerz sind dann besonders groß. Aber gerade dann
ist uns Gott ganz nahe. Und durch diese Nähe kann uns mit der Zeit auch
wieder Trost wachsen. Es stimmt schon: Wir – die Trauernden und
die Verstorbenen bleiben auch nach dem Tod in Gottes Hand. Denn Jesus
hat uns gesagt: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende. Das
heißt, über unser Leben auf dieser Erde hinaus. Zusammengefasst ist das
alles in dem einen wunderbaren Satz in unserem Predigttext: Wer an mich – Jesus – glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Versuchen wir einfach, Jesus an uns heran kommen zu lassen. Versuche
jeder von uns, Jesus in Liebe und mit Liebe aufzunehmen – mit Herz
und Verstand. Im Gottesdienst und in unserem Alltag. Aber auch dann,
wenn wir am Ende sind oder glauben, dass wir am Ende sind. Wenn wir also
in einer Situation sind, die ich zu Beginn der Predigt mit einem Lied
von Paul Gerhardt beschrieben habe:
Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten. Kraft deiner Angst und Pein.
Und der Friede Gottes, der höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. Amen
Hat Jesus einen Platz in meinem Herzen? • Johannes 11, 45–53
Predigt am 18.03.2018 • Judika • St. Johannis Freiberg
Viele der Juden, die die Auferweckung des
Lazarus von den Toten durch Jesus erlebt hatten, glaubten an Jesus.
Einige aber gingen hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus
getan hatte. Da versammelten die Hohepriester und die Pharisäer den
Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.
Lassen wir ihn gewähren, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann
kommen die Römer und nehmen uns Tempel und Volk. Einer aber von ihnen,
Kaiphas, der in diesem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr
wisst nichts; ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch
sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. Das sagte er
aber nicht von sich aus, sondern weil er in diesem Jahr Hoherpriester
war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk und nicht für
das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes
zusammenzubringen. Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie
ihn töteten.
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im
Johannes im 11. Kapitel. Wir haben ihn vorhin als Evangelium
gehört. Das Ganze beginnt mit der Reaktion der Menschen auf ein Wunder,
das Jesus getan hat. Und wie so oft im Leben sind die Meinungen geteilt:
Die einen kommen dadurch zum Glauben an Jesus. Die anderen rennen zur
Obrigkeit, um dort zu berichten, was sie erlebt haben mit diesem Jesus.
Und die Obrigkeit ist an diesen Berichten so sehr interessiert, dass sie
sofort den Hohen Rat einberuft, um das Ganze zu besprechen.
Der Hohe Rat war, obwohl das oft vermutet wird, kein Gelehrtenclub. Er
war vielmehr das höchste jüdische Gremium für Glaubensfragen. Und der
Hohe Rat war gleichzeitig die oberste Regierungsbehörde. Wie deren
Beratung ausgegangen ist, haben wir gerade im Predigttext gehört. Der
entscheidende Satz dazu steht ganz am Schluss: Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.
Oder wie es in einer neueren Übersetzung noch klarer formuliert wird:
An diesem Tag fassten die führenden Männer des jüdischen Volkes
endgültig den Beschluss, Jesus zu töten.
Um Jesus zu töten, wird die römische Besatzungsmacht unter Leitung von
Pontius Pilatus einbezogen. Jesus weiß natürlich, was ihn erwartet.
Deshalb zum Beispiel Jesu Hilferuf im Gebet an seinen Vater im Garten
Gethsemane: „Vater, bitte gib, dass dieser Kelch an mir vorüber gehe.
Aber wenn es sein muss, soll dein Wille geschehen.“ Und so passiert es:
Einige Tage später wird Jesus von einem seiner Jünger verraten, gefangen
genommen, verhört, gefoltert, verspottet und ans Kreuz genagelt. Dort
stirbt er qualvoll zehn Tage nach dem Beschluss des Hohen Rates, ihn
töten zu lassen.
Bleibt die Frage: Warum hat der Hohe Rat Jesus von Nazareth eigentlich
töten lassen? Im Predigttext erfahren wir dazu, dass die Mitglieder des
Hohen Rates anfangs ziemlich hilflos waren. Denn sie fragten sich: Was
sollen wir machen? Dieser Jesus von Nazareth tut viele Aufsehen
erregende Dinge. Wenn wir ihn so weitermachen lassen, glauben am Ende
alle an ihn. Und dann werden die Römer kommen und weder von unserem
Tempel noch von unserer Nation etwas übrig lassen.
Liebe Gemeinde, da war etwas dran, denn Israel gehörte zum Römischen
Weltreich. Und darin, in ihrem Weltreich, duldeten die Römer keine
Unruhe. Und wo sich Unruhe ausbreitete oder Widerstand regte, haben die
Römischen Legionen gnadenlos zugeschlagen. Das war grausam, aber dadurch
herrschte im Inneren des Römischen Weltreiches über mehrere
Jahrhunderte Ruhe. Die Mitglieder des Hohen Rates hatten Angst vor den
Römern wegen möglicher Unruhen von Jesu Anhängern. Und sie hatten Angst
vor Jesus, weil er so viel Zulauf hatte und eine Macht im Lande werden
konnte. Sie hatten Angst, ihre politische Herrschaft zu verlieren. Und
sie werden dabei auch an ihre schönen und wahrscheinlich gut bezahlten
Posten und an ihren Einfluss gedacht haben.
Aber da war noch etwas anderes: Der Hohe Rat, war ja – wie wir
schon gehört haben – auch das höchste jüdische Gremium für
Glaubensfragen. Und diese Aufgabe hat er, der Hohe Rat, sehr ernst
genommen. Ging es doch um den einen Gott, der damals in Israel schon
1.500 Jahre verehrt und angebetet wurde. Um den einen Gott, dessen
Heilsgeschichte mit dem Volk Israel uns im Alten Testament erzählt wird.
Es ging also um den einen, ewigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen
hat.
Und nun kommt dieser Jesus von Nazareth. Ein Wanderprediger mit einer
kleinen Jüngerschar – von denen es damals viele gab – und
behauptet von sich, dass er der Sohn dieses großen und ewigen Gottes
sei. Für viele gläubige Juden muss das damals eine Provokation gewesen
sein und für den Hohen Rat der Juden sogar eine Gotteslästerung. Also
musste dagegen, gegen diesen Jesus aus Nazareth, etwas getan werden. Wie
das ausgegangen ist, wissen wir: Jesus sollte aus dem Weg geräumt
werden und er wurde aus dem Weg geräumt, er wurde getötet. Denn die
Obrigkeit damals dachte: Wenn er erst einmal weg ist, würde auch das
verschwinden, was er getan, vorgelebt und gelehrt hatte.
Welch ein Irrtum: Denn Jesus konnte zwar getötet werden, aber er kam
wieder – als der auferstandene Jesus Christus. Und auch das, was er
getan, vorgelebt und gelehrt hatte, wurde nicht vergessen. Zumindest
nicht von denen, die an ihn glaubten. Die in ihrer Welt und vor allem in
ihrem Herzen einen Platz für Jesus hatten. Am Anfang waren das nur
wenige, aber es wurden immer mehr. Erst im Römischen Weltreich und sehr
viel später in der gesamten Welt.
Seitdem, seit Jesu Leben und Sterben, ist nun viel Zeit vergangen. Das
Leben der Menschen hat sich in diesen 2.000 Jahren total verändert.
Genauer haben sich die äußeren Lebensumstände total verändert. Aber der
Mensch selbst hat sich seitdem nicht oder nur wenig geändert. Um nur
zwei Beispiele zu nennen: Er ist noch genauso hilfsbereit oder ein
Egoist. Und er kann noch genauso liebevoll, aber auch ganz böse sein.
Was sich nun bis heute überhaupt nicht geändert hat und sich auch in
Zukunft nicht ändern wird bis an das Ende aller Zeit: Das ist der große,
ewige Gott und das ist sein Sohn Jesus Christus, unser Herr.
Und damit stehen wir heute vor der gleichen Frage wie die Gläubigen
damals: Haben wir, jeder von uns, in unserem Leben, im Alltag und vor
allem in unserem Herzen Platz für Jesus? Platz für Jesus von Nazareth,
der für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist? Platz in unserem Herzen
für das, was Jesus uns vorgelebt und gelehrt hat? Aber auch Platz für
den auferstandenen Jesus Christus, der jeden Tag bei uns ist, wenn wir
es denn wollen? Sie werden jetzt zu Recht sagen: Natürlich hat Jesus
einen Platz bei mir, sonst wäre ich ja zum Beispiel heute nicht hier im
Gottesdienst. Natürlich ist mir Jesus wichtig in meinem Leben. Und
natürlich will ich das beherzigen, was uns Jesus damals gelehrt hat und
was er mir damit auch heute sagen will.
Nur wenn es dann ganz konkret wird und auch unseren Alltag betrifft:
Sind uns dann die zehn Gebote oder das Liebesgebot von Jesus wichtig
genug? Sind wir tatsächlich bereit, uns Gottes Willen zu unterwerfen,
wie wir es im Vaterunser beten? Wollen wir manchmal wirklich wissen, was
Jesus zu unserem Tun, zu unserem Denken und zu unseren Reden sagen
würde? Ich weiß nicht, wie das Ihnen geht: Mir fällt vieles davon
schwer. Ich mag oft daran gar nicht denken. Und oft vergesse ich das
alles.
Hier will ich uns Mut machen: in unserem Predigttext soll Jesus sterben
und wurde ja auch getötet. Aber: Jesus lebt. Er war, ist und bleibt bei
uns. Deshalb können wir immer wieder versuchen, ihm und damit Gott näher
zu kommen und ihm immer wieder unser Herz zu öffnen. Der große Theologe
Dietrich Bonhoeffer sagt uns dazu: Mit Gott tritt man nicht auf der
Stelle, sondern man beschreitet einen Weg. Und diesem Weg, liebe
Gemeinde, können wir vertrauen. Deshalb sollten wir ihn gehen. Oder wie
es in dem Lied steht, das wir jetzt gleich singen werden: „Vertraut den
neuen Wegen, auf die der Herr uns weist. Weil Leben heißt sich regen,
weil Leben wandern heißt“.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Unsere Hoffnung • Johannes 12, 12–19
Predigt am 29.03.2015 • Palmarum • Petrikirche Freiberg
Als am nächsten Tag die große Menge, die
aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen
sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna!
Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!
Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht
(Sacharja 9, 9): „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe,
dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“ Das verstanden
seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten
sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan
hatte. Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief
und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. Darum ging ihm auch die
Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die
Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts
ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Hoffnung, liebe Gemeinde, Hoffnung haben ist ein großes Thema. Wer
Hoffnung hat, der will etwas. Der erwartet etwas. Der sehnt sich nach
etwas. Das ist natürlich auch bei uns so. Jeder von uns hat seine
Hoffnungen und Sehnsüchte. Hoffnungen und Sehnsüchte, die wir offen
aussprechen, aber auch Hoffnungen und Sehnsüchte, die unser ganz
persönliches Geheimnis sind und es oft auch bleiben werden. Am meisten
wollen wir, erwarten wir etwas für uns selbst. So hoffen wir zum
Beispiel darauf, dass sich Dinge ändern, die uns nicht gefallen. Dinge
oder Situationen, über die wir uns ärgern. Andererseits wollen wir
natürlich auch und hoffen darauf, dass alles das bleiben kann, was wir
gut finden. Und alles das, woran unser Herz hängt.
Und eines ist auch wahr – Gott sei es gedankt: Wir wünschen uns oft
nicht nur etwas für uns, für uns selbst, sondern auch für andere. Wir
hoffen für andere. Wir hoffen mit anderen. Und wir hoffen nicht zuletzt
auf andere, wenn wir ihre Hilfe brauchen. Und wenn es uns einmal gar
nicht gut geht. Wenn wir zum Beispiel große Angst haben, wenn wir krank
sind oder wenn wir einmal nicht wissen, wie es mit uns weiter gehen
soll. Wer dann noch Hoffnung hat oder die Hoffnung nicht aufgibt, der
erwartet noch etwas und der will auch noch etwas. Wer noch Hoffnung hat,
wer sich Hoffnung macht, der hat sich – noch – nicht
aufgegeben. Ich sagte es schon: Hoffnung ist ein großes Thema. Der
Volksmund sagt denn auch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wie ist das bei uns? Stirbt auch bei uns die Hoffnung zuletzt, wenn es
einmal richtig schlecht bei uns läuft? Die meisten von uns haben das
schon anders erlebt. Denn wer an Gott glaubt, der kann und wird seine
Sehnsüchte, Ängste, Hoffnungen in ein Gebet legen. Wer das tut, der
führt Hoffnung und Glauben zusammen. Ich will noch einen Schritt
weitergehen: Bei einem ernst gemeinten Gebet ist immer auch die Liebe
mit im Spiel. Die Liebe zu mir selbst oder die Liebe zu anderen. Zum
Beispiel zu einem mir lieben Menschen. Wer sein Herz also in ein Gebet
legt, für den sind sein Glaube, seine Liebe und seine Hoffnungen nicht
voneinander zu trennen. Für den gehören Glaube, Liebe und Hoffnung
zusammen. Und das ist gut so. Paulus hat es im 1. Brief an die
Gemeinde in Korinth so formuliert: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Dem ist wohl nichts hinzu zu fügen. Außer: Hoffnung ist nicht nur ein
großes Thema. Sondern Hoffnung haben zu dürfen, ist für jeden von uns
etwas besonders Wertvolles. Es ist auch viel mehr als bloßes
Wunschdenken.
Es gibt nun mehrere Sonntage im Kirchenjahr, bei denen die Hoffnung und
die Erwartungen eine ganz besondere Rolle spielen: Das sind die Sonntage
in der Adventszeit und das ist der heutige Sonntag Palmarum. Wir denken
daran jedes Jahr: Das Warten der Christenheit in der Adventszeit auf
die Geburt von Jesus und das Hoffen darauf, dass damit unser Heiland auf
die Welt kommt. Und am heutigen Sonntag erinnern wir uns an den Einzug
des Jesus von Nazareth in Jerusalem. Jesus, der vorher nur in der
Provinz gewirkt hat, kommt nun erstmalig in die Hauptstadt und damit in
das Zentrum der Macht. Davon erhoffen sich seine Jünger, weitere
Anhänger und auch viele andere Menschen viel. Sie setzen ihre Hoffnung
auf Jesus. Sie jubeln ihm zu. Sie legen ihm sogar Palmenzweige auf den
Weg. Das war eine Ehre, die nur einem König zukam, der in Jerusalem
einzieht. Und für einen König, für einen Heilsbringer hat ihn die
Menschenmenge ja offensichtlich auch gehalten. Jedenfalls genau das wird
uns im Predigttext beschrieben, den wir vorhin als Evangelium für
diesen Sonntag gehört haben: Als am nächsten Tag die große Menge, die
aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen
sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna!
Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel.
Ja, liebe Gemeinde: Hosianna. Gelobt sei, der da kommt im Namen des
Herrn. Und damit gegrüßten sie nicht einen Herrscher in funkelnder
Rüstung hoch zu Ross mit seiner Reiterschar. Also mit Männern, die
ebenfalls prunkvoll angezogen waren und deren Gesichter Macht und
Reichtum ausstrahlten. Nein. Die Menschenmenge sah etwas ganz anderes:
Einen Wanderprediger mit seiner Jüngerschar. Und solche Wanderprediger
waren zu Jesu Zeiten nicht einmal eine Seltenheit, sondern häufig
unterwegs. Wahrscheinlich waren Jesus und seine Jünger ordentlich, aber
ärmlich angezogen. Eben einfache Leute. Trotzdem muss von Jesus eine
starke Kraft ausgegangen sein, die alle, die in seiner Nähe waren, auch
gespürt haben. Allerdings: Die meisten aus der großen Menschenmenge
werden das aus der Entfernung nicht gesehen haben. Und trotzdem riefen
alle: Hosianna. Gelobt sei, der da kommt. Die Menschen haben Jesus also
nicht nur etwas, sondern viel zugetraut: Denn wie heißt es im
Predigttext: Das Volk aber, das bei ihm war, als er
Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die
Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe
dieses Zeichen getan.
Vermutlich eilte Jesus auch sonst ein guter Ruf voraus. Und damit sind
wir wieder beim Thema Hoffnung und Erwartung. Die einen werden von Jesus
eine Verbesserung ihres Lebens – genauer ihrer materiellen Not
erhofft haben. Andere wiederum hofften darauf, dass Israel endlich einen
gerechten König bekommt. Und nicht wieder einen Herrscher, dem es vor
allem um seinen Reichtum und um seine Macht geht. Und der sich dafür
sogar mit den römischen Besatzern zusammentut. So wissen wir es
jedenfalls aus der Geschichte Israels zur damaligen Zeit.
Und Jesus? Was sagt eigentlich Jesus zu dem Ganzen? Zu dem Jubel, mit
dem er empfangen wird. Zu dem Ruf, er sei der neue König der Juden.
Jesus sagt in unserem Predigttext überhaupt nichts. Er schweigt.
Gleichwohl hat er uns etwas zu sagen. Der Predigttext berichtet dazu: Jesus
aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht
(Sacharja 9, 9): Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe,
dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“ Das verstanden seine
Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie
daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan
hatte.
Jesus handelt also. Und zwar so, wie es die alten Weissagungen
verlangen. Er kommt auf einem Esel. Er ist der König. Aber das hat
damals niemand verstanden, als er auf einem Esel in die Stadt Jerusalem
reitet. Nicht einmal seine Jünger. Wir haben es soeben gehört. Was muss
Jesus gedacht, wie muss sich Jesus gefühlt haben. Er wusste doch, dass
er nicht die Art von König war, den das Volk erwartete. Nämlich ein
Herrscher mit Einfluss und Macht. Als das den Menschenmassen damals klar
wurde, haben sie Jesus nicht mehr zugejubelt, sondern einige Tage
später seinen Tod gefordert.
Und wie ist das mit uns? Trauen wir diesem Jesus von Nazareth, dem
Zimmermannssohn, zu, dass seine Liebe zu uns alles überwinden wird?
Jedenfalls haben wir allen Grund dazu. Denn seine Liebe zu uns bis in
den Tod hat alles überwunden. Jesus ist und bleibt unsere Hoffnung.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Der wahre Weinstock • Johannes 15, 1–5
Predigt am 18.06.2017 • 1. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, das Evangelium für diesen Sonntag ist gleichzeitig der
Predigttext. Darin erzählt uns Jesus das Gleichnis vom wahren Weinstock.
Wir haben es gerade gehört. Es ist eine wunderbare Geschichte, in der
es auch ganz praktisch zugeht. Es gibt einen Weinberg mit vielen,
wahrscheinlich nicht vollkommen gleichen Weinstöcken. Jeder Weinstock
hat Weinreben, die auch nicht alle gleich sein werden. Und schließlich
hat – hoffentlich – jede Weinrebe ihre Weinbeeren. Und nicht
zu vergessen: Jeder Weinberg braucht natürlich einen Weingärtner, einen
Winzer, der das Ganze hegt und pflegt.
Ich bin in Meißen groß geworden und dort hat ein ehemaliger Schulfreund
von mir einen kleinen Weinberg. Ich kann ihnen sagen: Nach seiner
Erzählung muss an den Weinstöcken und Weinreben viel und genau
gearbeitet werden, damit bis in den Herbst gute und schmackhafte
Weinbeeren wachsen können. Leider ist das vom Klima her keine Geschichte
für Freiberg. Aber: Es ist trotzdem eine Geschichte für uns. Das
Gleichnis, das uns Jesus erzählt, ist wichtig für uns, wichtig für
unseren Glauben. Denn Jesus sagt uns im Gleichnis: Ich –
Jesus – bin der Weinstock, mein Vater – also Gott – ist
der Weingärtner und ihr seid die Weinreben. Das heißt, wir sind die
Reben, an denen die Früchte, die Weinbeeren wachsen und reifen sollen.
Und wie das alles im Weinberg Gottes funktioniert, das wird uns von
Jesus im Predigttext am Beispiel eines Weinstockes wunderbar und
verständlich erzählt. Ich lese ihn deshalb noch einmal – im
Wortlaut der Einheitsübersetzung: Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater
ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er
ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht
bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.
Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine
Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt
auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin
der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich
bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts
vollbringen.
Liebe Gemeinde, von Jesus sind uns viele Worte überliefert. So sagt er
uns in seinen Erzählungen und Gleichnissen auch, was er für uns sein
will: Das Brot des Lebens. Das Licht der Welt. Der gute Hirte. Der Weg,
die Wahrheit und das Leben. Und nun im heutigen Predigttext: Jesus der
wahre Weinstock – für uns. Das Besondere, ja, das Einzigartige an
diesem Gleichnis ist nun: Jesus zeigt uns, wie und warum wir mit ihm
verbunden sein sollen. Oder um es mit den Worten des Gleichnisses zu
sagen: Wie und warum Jesus für uns der wahre Weinstock sein will. Und
wenn wir uns darauf einlassen: Warum Jesus für uns tatsächlich der wahre
Weinstock ist.
Hören wir tiefer in das Gleichnis hinein, zeigt sich, dass hier
Weingärtner, Weinstock, Weinrebe und Weinbeere nebeneinander stehen. Und
wenn gute Weinbeeren wachsen und reifen sollen, dann braucht es dazu
einen guten Weingärtner und einen guten Weinstock und gute Weinreben.
Wenn davon nur eines nicht gut ist und wenn Weinstock und Weinreben
nicht fest miteinander verbunden sind, dann wird es nichts mit den guten
und schmackhaften Weinbeeren. Es versteht sich, dass der große, ewige
Gott als der Weingärtner und Jesus Christus als sein Sohn und im
Gleichnis der Weinstock, alles mitbringen, damit gute Früchte wachsen
und reifen können. So weit, so gut.
Aber da sind ja nun auch noch wir – die Weinreben. Auch wir werden
gebraucht, damit gute Früchte wachsen können. Oder anders gesagt: Ohne
uns – ohne unsere Mithilfe – können nach dem Gleichnis keine
Früchte wachsen. Darüber lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken. Und
ich will uns noch etwas zu bedenken geben: Weinreben sind wichtig,
damit gute Weinbeeren wachsen können. Aber niemand schafft sich einen
Weinberg an, nur um gute Weinreben wachsen und reifen zu lassen,
anstelle von Weinbeeren. Wir – die Weinreben im Gleichnis von
Jesus – wir sind also kein Selbstzweck. Und wir sind auch nicht die
Weinbeeren oder Früchte, die viele von uns wahrscheinlich gern wären
und für die im Gleichnis so viel getan wird.
Gott hat mit uns etwas Anderes, etwas viel Größeres vor. Gott will, dass
durch uns und mit uns Früchte wachsen können. Er traut uns also zu,
dass wir etwas bewegen in dieser unserer Welt. Und er will, dass das
nicht irgendwelche, sondern gute Früchte sind, die wir hervorbringen.
Jesus sagt uns dazu in der Bergpredigt ganz klar: An ihren Früchten
sollt ihr sie erkennen. Gott will, dass wir durch unser Denken, durch
unser Sprechen und durch unser Handeln Gutes bewahren, Gutes beschützen,
Gutes unterstützen und selbst Gutes bewirken. Gutes, das uns und
anderen hilft.
Gott weiß, dass wir das alles ohne Hilfe nicht immer schaffen werden.
Dass wir das oft auch gar nicht schaffen wollen. Deshalb hat er uns
Jesus Christus, seinen Sohn, an die Seite gestellt. Jesus Christus, der
immer alles trägt – unser Leben, unsere Sorgen, unsere Sünden. Er
ist auch im Gleichnis derjenige, der als Weinstock alles trägt:
Weinreben und Weinbeeren. Also uns und das, was wir an Früchten
hervorbringen oder hervorbringen sollen. Ja, wir sind dazu mit Jesus
verbunden oder sollen mit ihm verbunden sein. Er, Jesus, sagt uns dazu
im Predigttext: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Wie die Rebe aus sich selbst keine Frucht bringen kann, wenn sie nicht
am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr
nicht in mir bleibt. Wer aber in mir bleibt und ich in ihm, der bringt
reiche Frucht.
Liebe Gemeinde, der Text ist eine Werbung von Jesus an uns. Hier wird
keine moralische Keule geschwungen. Hier gibt keinen Zwang. Hier werden
keine Strafen angedroht. Sondern hier wird uns einfach ein gutes Angebot
gemacht und uns gesagt, dass das zu unserem Besten sei: Kommt und
bleibt bei mir, wenn ihr viele Früchte, viel Gutes hervorbringen wollt.
Unmittelbar nach unserem Predigttext – also nach dem Gleichnis vom
wahren Weinstock – wird Jesus zu seinen Jüngern nicht nur sagen,
bleibt in mir, sondern: Bleibt in meiner Liebe.
An vielen Stellen im Neuen Testament wird deutlich, dass die Liebe für
Jesus die schönste Frucht ist, die wir hervorbringen können: Die Liebe
zu ihm, die Liebe zu unserem Nächsten und – nicht zu
vergessen – die Liebe zu uns selbst. Liebe als Frucht aus dem
Weinstock des Herrn gibt uns Halt und die Hoffnung auf seine Nähe. Oder
wie wir es gleich gemeinsam singen werden:
Bei dir, Jesu, will ich bleiben, stets in deinem Dienste stehn,
nichts soll mich von dir vertreiben, will auf deinen Wegen gehn.
Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben zuströmt Kraft und Lebenssaft.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Liebt einander • Johannes 15, 9–12
Predigt am 20.10.2013 • 21. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Predigt am 16.10.2016 • 21. Sonntag nach Trinitatis • Kirche Dittmannsdorf
Liebe Gemeinde, ein kluger Mann wurde einmal gefragt, ob sich das
Wichtigste über das Leben eines Menschen in zwei Sätzen zusammenfassen
lässt. Er antwortete: Ja, das ist möglich. „Der Mensch wird geboren,
sucht sein Glück, leidet und stirbt. Und was wichtig ist und was
überlebt, das ist die Liebe, die er empfangen hat, und die Liebe, die er
gegeben hat.“ Oder wie es Wilhelm Busch formuliert hat: „Hass als Minus
und vergebens wird vom Leben abgeschrieben. Positiv im Buch des Lebens
steht verzeichnet nur das Lieben. Ob ein Minus oder Plus – uns
verblieben, zeigt der Schluss.“
Darum – um die Liebe – geht es auch im Predigttext für den
heutigen Sonntag. Nur dass dort das Thema in einen viel größeren
Zusammenhang gestellt ist. Und dass es Jesus ist, der uns im
15. Kapitel des Johannesevangeliums dazu sagt: Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich
euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so
bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und
bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch
bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr
euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
In unserem nicht sehr langen Predigttext kommt das Wort Liebe siebenmal
vor: Die Liebe Gottes, die Liebe Jesu und unsere Liebe. Wenn sie so
wollen, besteht der Text aus zwei Teilen: Da ist auf der einen Seite die
Liebe Gottes, des Vaters, zu Jesus, seinem Sohn. Jesus bleibt in der
Liebe seines Vaters, indem er seine Gebote einhält. Und auf der anderen
Seite ist die Liebe Jesu zu uns. Auch wir bleiben in seiner Liebe, indem
wir seine Gebote einhalten. Natürlich gehören Teil 1 und
Teil 2 zusammen. Denn das Wort Gottes wurde ja Fleisch und wohnte
unter uns. Oder anders gesagt: In der Person des Jesus von Nazareth ist
Gott für uns sichtbar geworden. Und damit ist die Liebe Jesu zu uns die
Liebe Gottes zu uns.
Bleibt in meiner Liebe: Jesus kann
uns nun nicht nur irgendwie gut leiden. Nein, er sagt ganz konkret, dass
er uns liebt. Und das, die Liebe, ist das Innigste und das Intimste,
was über eine Beziehung überhaupt gesagt werden kann. Wohlgemerkt und
das sei wiederholt: Es geht um nichts Geringeres als um die Beziehung
Jesu, also Gottes Sohn, zu uns. Bleibt in meiner Liebe.
Das ist kein allgemeiner Ruf an die Menschheit, sondern es ist der Ruf
Jesu an uns. Genauer: Es ist der Ruf Jesu und seine Aufforderung an
jeden einzelnen von uns: Bleibt in meiner Liebe.
Die Liebe Jesu ist immer da, auch für uns. Vorausgesetzt wir vertrauen
darauf, dass es diese Liebe für uns gibt. Und natürlich müssen wir
bereit sein, diese Liebe für uns anzunehmen. Die Liebe Gottes für sich
annehmen heißt, diese Liebe in sich wirken zu lassen. Wer das tut, wer
die Liebe unseres Herrn in sich wirken lässt: Der kann und der wird auch
andere lieben. Er wird also die empfangene Liebe an andere Menschen
weitergeben. Und hier schließt sich der Kreis. Denn Jesus sagt uns im
Predigttext: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Wenn ihr das tut, werdet ihr in meiner Liebe bleiben.
Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe.
Lieben wir einander, wie Jesu geliebt hat? Lieben wir auch die, die
Schuld auf sich geladen haben? Die, die die Gesellschaft verstoßen hat.
Gescheiterte Existenzen, die niemand haben will. Erfüllen wir die Gebote
und dass auch noch mit Liebe? Sind wir zum Beispiel bereit, noch die
zweite Backe hinzuhalten, nachdem wir auf die erste Backe geschlagen
worden sind? Oder schlagen wir lieber zurück. Lieben wir Menschen, die
uns unsympathisch sind? Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Jesus hat
sich allen diesen Menschen, ja ganz besonders diesen Menschen
zugewendet. Lieben wie Jesus? Nein, das können wir nicht. Das können wir
schon deshalb nicht, weil wir eben – anders als Jesus – nicht
ohne Fehl und Tadel, also nicht frei von Sünde sind. Das ist so, seit
es den Menschen gibt und das wird wohl auch so bleiben.
Aber damit hat sich das Thema Liebe, das Thema Nächstenliebe nicht
erledigt. Auch nicht für uns, Gott sei es gedankt. Wir müssen uns
einander nicht wie Jesus lieben, sondern: Wir sollen ganz einfach
einander lieben. Und das können wir: Menschen, die uns nahestehen,
richtig und aus vollen Herzen zu lieben. Und wir schaffen es auch,
unseren Nächsten liebevoll zu begegnen. Und bei Menschen, die ganz
anders sind als wir oder die wir eigentlich überhaupt nicht leiden
können: Bei diesen Menschen sollten wir uns wenigstens bemühen. Oft
gelingt uns das ja auch ganz gut, selbst wenn wir dann nicht immer ganz
ehrlich sind.
Eines ist aber auch klar: Liebe zu jedermann ist das auch nicht. Ich
kann nicht nur nicht wie Jesus lieben, ich kann auch nicht alle Menschen
gleichermaßen lieben, gleichermaßen in mein Herz schließen. Aber
abgestuft können wir das schon. Wir haben es soeben gehört. Dabei
sollten wir eines mit nach Hause nehmen: So wichtig wie die Liebe selbst
oder das liebevolle Begegnen oder das Verzeihen ist: Unser Wille, dass
zu tun, ist ebenso wichtig. Denn auch das: Unser Wille zur Liebe oder
zur Nächstenliebe gehört zu dem, was Jesus von uns will, wenn er uns
sagt: Liebt einander.
Nach Liebe sehnen sich nicht nur die Menschen, die an Jesus Christus
glauben. Nach Liebe sehnen sich alle Menschen. Alle Menschen dieser
Welt. Sie sehnen sich nach Liebe, die sie schenken können. Und sie
sehnen sich nach Liebe, die ihnen geschenkt wird. Auch wir sehnen uns
nach Liebe, die wir schenken können oder die uns geschenkt wird. Wem
diese Sehnsucht erfüllt wird, der ist glücklich, weil er es erlebt hat.
Oder er wird wehmütig im Glück, weil er um den Wert der Sehnsucht weiß
oder um die Vergänglichkeit des Glücks. Und wer dieses Glück der Liebe
bisher nicht erlebt hat, bei dem sich die Sehnsucht danach nicht erfüllt
hat, dem möge die Hoffnung nicht verlassen.
Liebe, richtige, innige Liebe zwischen Frau und Mann oder zwischen
Eltern und Kindern, um nur zwei Beispiele zu nennen, ist nicht nur das
Fundament für ganz, ganz vieles auf dieser Welt. Die Liebe zwischen zwei
Menschen ist auch etwas besonders Wertvolles. Dabei sei daran erinnert,
dass diese Liebe kein Selbstläufer ist, sondern uns viel abverlangt.
Und: Sie muss mit einer bewussten Entscheidung von uns, von mir
beginnen. Denn wie heißt es im 1. Korintherbrief,
Kapitel 13 – dem Hohelied der Liebe: Liebe erträgt alles,
Liebe glaubt alles, Liebe hofft alles, Liebe duldet alles. Denn die
Liebe ist langmütig und freundlich, sie bläht sich nicht auf, sucht
nicht das Ihre und verzeiht das Böse.
Weil uns Jesus liebt, sagt er uns: Bleibt in meiner Liebe.
Das ist und bleibt eine sehr ernste Aufforderung von Jesus an uns: Das
Bleiben in seiner Liebe und das Bleiben der Liebe zwischen uns Menschen.
Denn Liebe ist mehr als ein kurzes Glücksgefühl, auch in unserem Leben.
Liebe ist etwas Bleibendes, sie ist auf Dauer angelegt. Mag sie auch im
Alltag verblassen, Liebe wächst immer wieder nach – wie das Gras.
Liebe kommt immer wieder. Seien wir dazu bereit, haben wir den Willen
dazu. Öffnen wir unser Herz, lassen wir Zuneigung, Vertrauen,
Vertrautsein und die Liebe in uns wachsen. Denn die Liebe, die wir
empfangen oder schenken, ist – wenn wir Glück haben – das
Letzte, was uns im Leben verlässt. Was uns am Ende unserer Erdentage
nicht verlässt, das ist die Liebe unseres Herrn Jesus Christus. Denn das
ist eine Liebe, die uns bleibt, bis an das Ende aller Zeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Unsichtbare • Johannes 16, 5-8
Predigt am 16.05.2021 • Exaudi • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext ist ein Teil des Evangeliums, das wir vorhin gehört haben. Ich lese diesen Teil noch einmal in der modernen Genfer Übersetzung:
Jesu sagt zu seinen Jüngern: Ich gehe jetzt zu dem, der mich gesandt hat. Und keiner von euch fragt mich: Wohin gehst du, denn ihr seid erfüllt von tiefer Traurigkeit über das, was ich euch sage. Doch glaubt mir: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht von euch wegginge, käme der Helfer nicht zu euch; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt zeigen, dass sie im Unrecht ist. Und er wird den Menschen die Augen öffnen für die Sünde, für die Gerechtigkeit und für das Gericht.
Der Text enthält das, was wir vor 3 Tagen als Himmelfahrt gefeiert haben. Und das, was wir in einer Woche zu Pfingsten feiern werden. Nämlich – wie wir alle wissen - Jesu Himmelfahrt und das Ausgießen des Heiligen Geistes. Der Predigttext ist ein Teil der Abschiedsrede von Jesus. Und diese Rede an seine Jünger hat er nicht als auferstandener Jesus Christus gehalten. Sondern schon als Jesus von Nazareth vor seiner Kreuzigung. Bei Luther steht der Text unter der Überschrift „Das Werk des Heiligen Geistes“. Und die Neue Einheitsübersetzung spricht vom „Kommen des Geistes“.
Dieser Geist Gottes, den wir den Heiligen Geist nennen: Der schwebt nicht über uns und erst Recht nicht über den Wolken. Nein, dieser Geist ist überall. Er ist hier bei uns. Zu Hause. Hier in der Petrikirche. In Freiberg. In Sachsen. In Deutschland. Auf der ganzen Welt. Und alles umgibt er. Auch uns. Egal, ob wir gerade schlafen oder etwas essen. Oder ob wir gerade arbeiten oder einmal richtig faul sind. Ob wir uns freuen oder gerade traurig sind. Der Geist Gottes ist tatsächlich allgegenwärtig. Er ist also immer da und er ist auch überall da. Wenn Sie so wollen: Wir sind praktisch von Kopf bis Fuß von ihm eingehüllt.
Aber auch wenn der Geist Gottes überall ist, sehen können wir ihn nicht. Er ist für uns unsichtbar. Er ist unsichtbar wie alles, was wir denken und was wir fühlen. Er ist unsichtbar wie alles, woran wir uns erinnern, worauf wir uns freuen und wovor wir Angst haben. Und er ist auch unsichtbar wie der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Im !. Korinther 13, dem Hohelied der Liebe, ist uns dazu gesagt, dass der Glaube, die Hoffnung und die Liebe bleiben werden. Und die Liebe ist die Größte dieser Drei. Denn sie, die Liebe, ist langmütig und freundlich. Sie kennt keinen Neid und bildet sich nichts ein. Und sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht. All dieses Unsichtbare ist im Grunde das, was uns Menschen zu Menschen macht. Unsere Seele, unser Gewissen, aber auch das Böse in uns.
Liebe Gemeinde, der Geist Gottes, der Heilige Geist, der ist immer und überall uns ganz nah. Er ist - genauer gesagt - für uns ganz nah. Wir haben es schon gehört. Diesen Geist brauchen wir. Aber er braucht auch uns, um in uns für unser Leben und durch uns für Andere wirken zu können. Auch wenn wir praktisch von Kopf bis Fuß von Gottes Geist eingehüllt sind: Dieser Heilige Geist ist nichts, was uns aufgezwungen wird. Sondern es ist ein Angebot an uns. Ob wir das Angebot für uns annehmen wollen, das liegt ganz allein bei uns. Wir sind diejenigen, die den Geist Gottes aufnehmen sollen und aufnehmen können. Es liegt ganz allein bei uns, ob wir den Heiligen Geist von Kopf bis Fuß in uns eindringen lassen und in uns auch wirken lassen.
Jesus weiß um diesen Heiligen Geist. Er weiß, welch ein großes Geschenk die Menschen bekommen werden. Wie sehr es eine Lebenshilfe sein wird für alle, die das Geschenk annehmen. Im Predigttext sagt Jesus deshalb zu seinen Jüngern: Seid nicht traurig, dass ich jetzt zu dem gehe, der mich gesandt hat. Denn glaubt mir: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht von euch wegginge, käme die Lebenshilfe nicht zu euch; wenn ich aber gehe, werde ich sie zu euch senden.
Und was uns Jesus sendet, ist in den verschiedenen Bibelübersetzungen nur scheinbar etwas anderes: In der Lutherübersetzung wird uns ein Tröster gesendet. In der Einheitsübersetzung ist es ein Beistand und in weiteren Übersetzungen ein Helfer oder Ratgeber. Ja, was uns Jesus auch heute sendet, das kann und soll für uns ein Helfer und ein Beistand, ein Ratgeber und ein Tröster sein. Helfer, Beistand, Ratgeber, Tröster: Alles das will der Geist Gottes für uns sein, damit wir mit uns, mit dem Freud und Leid in unserem Leben fertig werden.
Dabei will Jesus, dass wir nicht nur für uns eine Lebenshilfe gern annehmen. Wir sollen auch die anderen nicht vergessen, die unsere Hilfe und unsere Zuwendung brauchen. Und das sind nicht nur unsere Nächsten, sondern auch viele Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns. Denn im Predigttext ist uns auch gesagt, dass der Geist Gottes unsere Augen öffnen wird. Öffnen für das Unrecht, die Sünde und die fehlende Gerechtigkeit in der Welt. Hier frage ich uns: Wie ist das eigentlich bei uns? Öffnen wir manchmal unsere Augen für die fehlende Gerechtigkeit auf dieser unserer Welt? Und wenn es um unsere eigenen Sünden geht: Halten wir dann die Augen offen? Oder drücken wir dann lieber ein Auge zu.
Und denken wir daran: Gottes Geist ernst nehmen, heißt auch: Nicht nur Gutes zu wollen, sondern das Gute auch zu tun.
Und dieser Geist Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Trauer und Hoffnung • Johannes 16, 16 + 20-22
Predigt am 8.05.2022 • Jubilate • St. Johanniskriche Freiberg
Jesus spricht zu seinen Jüngern: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Liebe Gemeinde, wer von uns wünscht sich nicht ein schönes, unbeschwertes Leben. Ein Leben, wo wir gebraucht werden, wo wir uns anerkannt fühlen, wo wir vielleicht auch einmal richtig wichtig und erfolgreich sind Und natürlich ein Leben, wo wir uns angenommen und geliebt fühlen, wo auch unsere Liebe erwidert wird. Und das alles bei möglichst guter Gesundheit, nur wenigen Sorgen im Alltag und nur geringen Ängsten vor der Zukunft.
Aber wir wissen natürlich alle: Das Leben ist nicht so. Selbst wenn wir froh und dankbar sind für das, was das Leben für uns schön und lebenswert macht. Nicht nur, aber auch in schönen oder besinnlichen Stunden oder Tagen kann auch eine Angst mitschwingen. Eine Angst, dass das alles nicht so bleibt. Dass wir befürchten, alles oder vieles zu verlieren, was unser Leben ausmacht: Irgendein Verlust durch eine schwere Krankheit, den Tod eines mir lieben Menschen oder ein großer materieller Schaden. Und wenn wir über unser Leben nachdenken: Schwingt da nicht auch manchmal die Angst mit, dass wir etwas verlieren könnten, was unser Leben bisher getragen hat.
Leider kann vieles, wovor wir Angst haben, in unserem Leben auch Wirklichkeit werden. Und diese Wirklichkeit ist in vielen Fällen plötzlich da. Sie trifft uns meist unvorbereitet, obwohl wir davor auch schon einmal Angst hatten. Denken Sie nur an einen Verkehrsunfall. Oder an den Tod eines uns lieben Menschen. Oder im Weltgeschehen aktuell an den Krieg in der Ukraine. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Viele haben alles verloren: Ihre Liebsten oder alles Hab und Gut. Schreck und Fassungslosigkeit sind unsere erste Reaktion. Und wenn wir selbst gegen das hereingebrochene Unheil nichts machen können, dann wird sich Trauer einstellen über das Leid – zumindest bei allen, die kein Herz aus Stein gegenüber sich selbst oder gegenüber anderen haben.
Wer trauert, dem wird auch wieder Hoffnung zuwachsen. Hoffnung auf Trost nach einem erlittenen Leid. Hoffnung auf Rückkehr ins geliebte Leben. Hoffnung auf Besserung, wenn im Leben etwas schief gelaufen ist. Und nicht zuletzt Hoffnung auf die Heilung einer Krankheit. Jede Hoffnung wird größer, wenn uns jemand dabei hilft, wenn es für uns einen Hoffnungsträger gibt. Wir haben, liebe Gemeinde, alle einen Hoffnungsträger. Es ist unser Herr Jesus Christus, auf den wir bauen und auf den wir uns verlassen können, der uns Hoffnung zeigt und selbst Hoffnung für uns ist.
Davon handelt auch unser Predigttext aus dem 16. Kapitel des
Johannesevangeliums. Martin Luther hat den Text unter die Überschrift gestellt: Trauer und Hoffnung bei Jesu Abschied. Jesus spricht dort zu seinen Jüngern:
Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Jesus zeigt hier den Jüngern einen Weg auf. Dieser Weg beginnt mit der Freude der Jünger. Hier will ich uns daran erinnern: Die Jünger haben sich nach Jesu Ruf mit ihm auf den Weg gemacht. Auf diesem Weg hat sich eine enge Gemeinschaft zwischen den Jüngern und Jesus entwickelt. Denn die Jünger waren ja bei fast allem dabei. Sie hörten, was Jesus gelehrt hat. Sie sahen, wie Jesus Menschen geholfen und geheilt hat. Und sie sahen auch, dass sein Herz vor allem den Armen und Ausgestoßenen gehörte. Sie werden Jesus geliebt und ihm vertraut haben.
Was sie aber nicht wissen oder nicht verstanden haben: Jesu muss und wird leiden und sterben am Kreuz. Und die Jünger werden dann nicht mehr mit Jesus zusammen sein. Das wird sie hilflos und traurig machen. Für sie eine Welt zusammen gebrochen sein. Jesus sagt ihnen dazu denn auch im Predigttext: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen. Und: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein. Aber gleichzeitig macht Jesus seinen Jüngern eine große Hoffnung. Hoffnung auf ein Wiedersehen. Dazu sagt er weiter im Predigttext: Und danach, abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen, denn ich will Euch sehen. Eure Traurigkeit wird deshalb zur Freude werden und diese Freude soll niemand von euch nehmen.
Wir wissen aus der Bibel, dass sich das alles bestätigt: Die Jünger können Jesus nach seiner Auferstehung wieder sehen. Sie freuen sich darüber und das so sehr, dass Jesus in ihren Herzen bleiben wird. Sie sind von Jesu Auferstehung so überzeugt, dass sie Jesu Botschaft und das Wunder seiner Auferstehung nicht nur in ihren Herzen tragen, sondern auch an andere weitergeben.
Alles, was wir im Predigttext gehört haben, ist Teil der Abschiedsrede von Jesus im Johannesevangelium. Und diese Geschichte erzählt Jesus nicht als der schon auferstandene Jesus Christus, sondern Jesus, den Folter und Tod noch erwarten. Es ist eine Geschichte von Trauer und Hoffnung, wie sie Martin Luther genannt hat. Diesen Weg haben die Jünger gehen müssen: Von Freude und Gewissheit über die Trauer, Angst und Schrecken bis hin zu einer Hoffnung, aus der auch wieder etwas Gutes wachsen kann. In der Erzählung wird uns damit auch aufgezeigt, was das Leben, unser Leben für uns und andere, bereithalten kann. Beispiele dafür hatte ich vorhin ausführlich benannt.
Hoffnung, liebe Gemeinde, das Hoffen auf Jesus ist kein Luftschloss. Es ist vielmehr eine Hoffnung für alle – auch für jeden von uns. Es ist eine Hoffnung, die unser Leben begleitet und trägt an guten und an schlechten Tagen. Denn Jesus ist und bleibt bei uns jetzt und für alle Zeit. Er ist bei uns: Ganz egal, ob es uns gut oder schlecht geht, oder ob wir frohgemut oder traurig sind, ob wir keine Angst haben müssen oder Angst haben.. An Jesu festhalten, heißt Hoffnung suchen, Hoffnung finden oder Hoffnung festhalten. Unsere Hoffnung auf Jesus trägt nun nicht nur unser Leben, sondern diese Hoffnung auf Jesus soll auch unseren Blick besser schärfen für die Not auf dieser Welt. Das heißt, wir sollen die Not Anderer in unserem Umfeld oder weit von uns entfernt nicht nur zur Kenntnis nennen, sondern mit ihnen mitfühlen, sie ins Gebet mit einschließen und überall dort, wo uns das möglich ist, helfen. Und Jesus, unser Hoffnungsträger, wird dabei sein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Mut zur Bitte • Johannes 16, 23b–28, 33
Predigt am 04.05.1997 • Rogate • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, das Evangelium zum heutigen Sonntag ist zugleich der
Predigttext. Die Geschichte aus dem Johannesevangelium berichtet über
Erfahrungen, die die Jünger Jesu mit ihm gemacht haben. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr
den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben.
Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet
ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. Das habe ich euch in
Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit
euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.
An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch
nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der
Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott
ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen;
ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. Das habe ich mit euch
geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber
seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Die seitdem vergangenen 2000 Jahre nicht nur ganz abstrakt eine
lange Zeit. Auch die äußeren Lebensumstände, in die diese Geschichte
hinein erzählt wird, sind für uns nicht mehr vorstellbar. Zudem spielt
die Geschichte in Galiäa – das war kein Zentrum, das war so fast
der letzte arme und unbekannteste Zipfel im römischen Weltreich. Und
trotzdem: Hier passierte etwas, was auch für uns hier und heute von
grundlegender Bedeutung ist. Er ist es ist ein Geschehen, dass für uns
im ganz wörtlichen Sinne gute Nachricht – also Evangelium –
ist. Damals wie heute. Ich lese daraus nochmals den ersten Satz in der
Einheitsübersetzung. Jesus sagt: Amen, amen: Ich sage Euch, was Ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er Euch in meinem Namen geben.
Es geht also um das Beten und Bitten. Sprechen wir zunächst vom Bitten.
Ich frage Sie: Ist Bitten eigentlich noch zeitgemäß? Ist das etwas für
uns oder mehr etwas für Bettler? Bitten wir mehr, weil wir gut erzogen
sind, und meinen eigentlich mit unserer Bitte eine Forderung? Wie
reagieren wir, wenn uns eine Bitte nicht erfüllt wird? Oder wie
reagieren wir, wenn uns eine Bitte erfüllt wird? Unser Predigttext sagt
uns, dass wir nun nicht nur den Kumpel, den Kollegen oder Nachbarn, das
Gemeindemitglied um etwas bitten dürfen. Nein: Wir dürfen auch Gott über
Jesus Christus ansprechen und um etwas bitten.
Dieses Bitten und Ansprechen setzt eine Beziehung zwischen Gott und mir
voraus. Wenn Sie so wollen: Glaube ist genau das Vertrauen darauf, dass
diese Beziehung möglich ist. Trotzdem ist es überhaupt nicht
selbstverständlich, dass wir Gott bitten dürfen und dass er uns immer
dann hört, wenn wir gerade eine Bitte haben. Und dann ist da ja noch
unser Herr Jesus Christus, der uns im heutigen Predigttext sagt: Was Ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er Euch in meinem Namen geben.
Wir haben also Zugang zu Gott über Jesus Christus. Dabei ist Jesus
nicht eine Art Chefsekretär bei Gott. Nein, gerade das
Johannesevangelium versucht uns klar zu machen, dass in Jesus Christus
Gott Mensch wurde und dass in Jesus Christus Gott zu uns Menschen
gekommen ist. Gott ist also kein abstraktes Gebilde oder ein Denkmodell.
Nein: Diesen Gott gibt es wirklich, auf diesen Gott können wir
vertrauen und diesen Gott dürfen wir um etwas bitten. Um was können wir
also bitten? Ich würde sagen um alles. Einige Beispiele will ich nennen:
- die Bitte um Kraft zur Lösung einer Aufgabe. Zum Beispiel in der Schule oder im Beruf
- die Bitte um Kraft, damit ich mit einer Situation fertig werde.
Zum Beispiel mit einer Krankheit, dem Tod eines geliebten Menschen oder
mit dem Verlust des Arbeitsplatzes
- die Bitte um Kraft, wenn ich den Glauben an mich selbst verloren
habe. Wenn ich mich nicht ernst genommen fühle. Wenn ich einsam bin oder
mich einsam fühle
- die Bitte um Vergebung, wenn ich schuldig geworden bin. Wenn ich zum Beispiel gelogen habe oder feige gewesen bin
- und natürlich die Bitte um das tägliche Brot.
Diese Bitten sind uns bekannt. Nicht zuletzt, weil diese Bitten ja auch
das Vaterunser zusammenfasst. Damit ist eine Erfahrung benannt, die wir
immer wieder dankbar erleben. Nämlich: Bitten und Beten gehören
zusammen. Ein Gebet enthält aber mehr als eine Bitte. Ein Gebet ist ein
Gespräch mit Gott. Ein Gespräch, in dem wir Gott ansprechen, ihn bitten
und ihm danken. Zu so einem Gespräch gehört, dass wir uns öffnen. Oder
anders gesagt, dass wir bereit sind, Vertrauen zu empfangen und
Vertrauen weiterzugeben.
Dieses Vertrauen weitergeben heißt aber, dass wir nicht nur für uns
selbst bitten und beten sollen. Sowie ein Leben nur für sich selbst ein
armes Leben ist, so ist auch ein Christ, der nur für sich selbst bittet
und betet ein armer Christ. Und genauso wäre eine Gemeinde, die nur für
sich selbst bittet, eine arme Gemeinde. Zum Glück gibt es keine
Gemeinden, die nur für sich selbst bitten und beten. Denken wir nur an
die Fürbitten, die wir in jeden Gottesdienst beten. Aber: Was geben wir
von dem Erbetenen weiter? Merken das unsere Arbeitskollegen, unsere
Nachbarn? Ist uns überhaupt anzumerken, dass wir Gott in Christi Namen
anrufen und bitten dürfen?
Und ich frage auch die Kirche insgesamt, wo und wie wird dieses
Bittendürfen eigentlich verkündet – außer vor denen, die sowieso
zur Gemeinde gehören. Ich sehe hier eine große Kluft: Einerseits die
vielen Menschen, die von Gott nichts wissen und oft zudem entwurzelt
sind. Menschen, die dringend Zuspruch und die tröstende Botschaft von
Bittendürfen und den damit gemachten Erfahrungen brauchen. Und
andererseits eine Kirche, die in ihrer Mehrheit die eigenen Wunden leckt
und darüber die dringende Aufgabe zum Zugehen auf diese Menschen
vergisst. Eine Kirche, die allzu oft abwartend in ihrer gewohnten Nische
sitzt und suchende Menschen den vielen falschen Glücks- und
Heilsbringern überlässt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Kirche ist jeder von uns. Fangen
wir – das heißt jeder von uns – also dort an wo es Not tut.
Also bei uns. Und denken wir daran: Auch ein kleiner Schritt ist besser
als kein Schritt. Jesus sagt uns zum Schluss im heutigen Predigttext: Habt Mut, denn ich (Jesus) habe die Welt überwunden. Und Jesus sagt uns außerdem: Was Ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er Euch in meinem Namen geben. Ich wünsche uns diesen Mut und das Vertrauen in diese Zusage.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Vom Zweifeln • Apostelgeschichte 20, 19-20 + 24-28
Predigt am 16.04.2023 • Quasimodogeniti • Dom St. Marien Freiberg
Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
Liebe Gemeinde, was ist das für ein Mensch, der zweifelt? Ein Mensch, der sich zum Beispiel nicht entscheiden kann. Und das nicht, weil er zu träge oder zu faul ist. Oder ein Mensch, der sich fragt, ob er denn auch alles richtig macht. Ob er also die richtige Entscheidung trifft: für sich selbst, aber auch für andere. Ich denke mir, hier finden wir uns alle ein bisschen wieder. Und das geht ja noch weiter. Wir wissen alle wie das ist, wenn wir an anderen zweifeln, die wir nicht gut kennen: Sagt er uns die Wahrheit? Können wir ihm vertrauen? Kann zum Beispiel ein Handwerker das, was er uns verspricht? Und ich frage uns auch: Wie gehen wir mit etwas um, das wir nicht kennen oder was uns fremd vorkommt? Was wir bei uns auch kennen, das ist unser Zweifel, wenn jemand von uns etwas haben will oder wenn uns etwas vorgeschrieben wird. Da kann das Zweifeln schnell in Unverständnis oder Ablehnung umschlagen. Oder wir sagen einfach: Das glaube ich nicht.
Natürlich ist es nicht gut, wenn der Zweifel bei uns das letzte Wort hat. Die Literatur ist voll von Beispielen, wohin das führen kann. Dazu nur einige Sprichworte: „Der Zweifel ist ein billiges, aber wirksames Gift.“ Oder: „Der Zweifel ist`s, der Gutes böse macht.“ Andererseits können wir auch das Umgekehrte lesen: „Der Zweifel ist der Weisheit Anfang.“ Oder: „Der Vorteil der Dummen ist die Sicherheit. Der Nachteil der Gescheiten ist der Zweifel.“
Liebe Gemeinde, Der Zweifel gehört zu unserem Leben dazu. Er ist letztendlich etwas sehr Menschliches. Das gilt auch für unseren Glauben an Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat. Und für unseren Glauben an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn. In der Bibel können wir dazu viele Beispiele finden. Eines der bekanntesten Bibeltexte dazu haben wir gerade als das Evangelium für diesen Sonntag gehört. Und das soll auch unser Predigttext sein.
Noch einmal kurz zusammengefasst, erzählt uns diese Geschichte aus dem Johannesevangelium folgendes:
Am Abend des Tages, an dem Jesus auferstanden war, zeigt er sich seinen Jüngern. Als diese ihren Herrn sehen, waren sie froh. Einer der Jünger – nämlich Tomas – war allerdings nicht dabei. Als er dann wieder bei ihnen ist, erzählen die Jünger ihrem Weggefährten natürlich alles, was sie erlebt haben. Aber Thomas kann das mit der Auferstehung von Jesus nicht glauben. Er zweifelt also an, was ihm erzählt wird. Eine Woche später ist nun Jesus wieder bei seinen Jüngern. Er wendet sich dabei auch direkt an Thomas sagt zu ihm: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Und Thomas? Der reagiert sofort und spricht Jesus mit „Mein Herr und mein Gott“ an. Thomas ist also mit Jesu Hilfe vom Zweifel an Jesu Auferstehung zum Glauben an Jesu Auferstehung gekommen.
Liebe Gemeinde, auch wenn das Zweifeln zum Leben eines Menschen gehört: Jeder will oder wünscht sich, das er an etwas glauben kann. Denn an etwas glauben können ist etwas Positives. Und das betrifft nicht nur, aber auch unseren christlichen Glauben. Denn dieser unser Glauben ist verbunden mit Vertrauen, mit Hoffnung. mit Überzeugung und mit Gewissheit. Und das ist viel, was unser Leben lebenswerter macht. Dass da nicht alle Blütenträume reifen, ist klar. Und weil das so ist, stellen sich auch immer wieder Zweifel ein.
Aber wie ist denn das nun bei uns? Ich denke mir: Das Glauben, das Zweifeln und die Verbindung zwischen beiden, das trifft auch bei uns zu. Nur: Wir haben etwas, einen Schatz, den viele Menschen nicht haben. Sie wissen schon, was ich meine: Nämlich unseren Glauben, an Gott, den Vater, und unseren Glauben an Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn. Wer diesen Glauben für sich annimmt, steht im Leben auf einem sicheren Boden. Denn für uns soll und will der Glaube eine Grundausrichtung für unser Leben sein. Und damit Richtschnur, Orientierungshilfe und nicht zuletzt eine positive Kraft. Eine Kraft gegen die Widrigkeiten des Alltags, also Lebenshilfe im besten
Sinne. Paulus sagt uns dazu in seinem 1. Brief an die Korinther: „Es ist der Glaube, der Berge versetzen kann. Ich will hinzufügen: Das gilt auch für Berge, die der Zweifel – genauer unser Zweifeln – erst geschaffen hat.
Im Predigttext kommt Thomas vom Zweifel zum Glauben durch Jesu Hilfe. Das gilt auch für uns: Ein Gebet ist hier der Königsweg für diese Hilfe. Aber diese Hilfe ist für viele Menschen keine Hilfe. In Ostdeutschland ist das sogar die große Mehrheit. Denn wer nicht an Gott glaubt und erst recht nicht an die Auferstehung von Jesus: Der kann nicht am Glauben zweifeln, denn er hat oder kennt diesen Glauben nicht. Was es aber gibt, sind Zweifler an ihrem Unglauben. Es ist traurig, wie wenig sich unsere Kirche an vielen Stellen um diese Zweifler kümmert. Und das gilt genauso für die Zweifler in unserer Kirche, die den Weg vom Zweifel zum Glauben nicht mehr aus eigener Kraft finden. Dieses klassische Feld der Seelsorge hat auch nicht den Stellenwert, der notwendig wäre.
Und ich frage schließlich uns, die wir unter dem Kreuz Jesu Gottesdienst feiern und die wir einigermaßen fest im Glauben sind: Zweifeln auch wir manchmal am Glauben? Wahrscheinlich wird das jeder von uns für sich etwas anders sehen. Auch wer glaubt, hat immer mal seine Zweifel – zumindest dann, wenn er seinen Glauben ernst nimmt und mit sich in dieser Frage ehrlich ist.
Hier will ich uns Mut machen. Lebendiger Glaube ist nicht ständig sicher und gewiss, denn der Glaube hat etwas mit unserer Beziehung zu Gott zu tun. Und dazu gehört eigentlich alles, was wir vor ihn bringen dürfen: Dankbarkeit und Freude, Angst und Sorgen, Bitten um das tägliche Brot und um die Vergebung unserer Sünden. Aber eben auch unsere Fragen und auch unsere Zweifel. Wer das, liebe Gemeinde, zum Beispiel im Gebet vor Gott bringt, der muss sich keine Sorgen um seine Zweifel machen.
Ich wünsche uns allen, dass wir beim Beten in Gottes stiller Gegenwart unseren inneren Frieden finden.
Und der Friede Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre deshalb unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Management einer lebendigen Gemeinde • Apostelgeschichte 6, 1–7
Predigt am 14.09.2014 • 13. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, bei einem Sportereignis gibt es immer zwei Gruppen. Die
eine Gruppe treibt Sport und die andere Gruppe schaut zu, wie der Sport
betrieben wird. Was beide Gruppen verbindet, ist ihr Interesse für den
Sport, der da getrieben wird. Zu erleben ist das in jedem Sportstadion.
Ein bisschen ist das auch so in einer Gemeinde – zumindest, wenn es
eine lebendige Gemeinde ist. Stellen wir uns also einmal unsere
Gemeinde in einem Sportstadion vor. Überall sehen wir die Mitglieder
unserer Gemeinde. Die einen bewegen sich auf dem Rasen des Stadions. Das
sind die Gemeindemitglieder, die aktiv sind: Im Kirchenvorstand, im
Chor und im Posaunenchor – um nur einige zu nennen. Dazu gehört
natürlich auch das bezahlte Personal, wie Pfarrer, Kantor usw.
Viele Gemeindemitglieder aber sitzen – um bei dem Bild zu
bleiben – auf den Rängen. Einige davon sind sehr interessiert an
allem, was – Gott sei es gedankt – in unserer Gemeinde
passiert. Und sie schauen also genau hin, was denn die Aktiven auf dem
Gemeinderasen so treiben. Unter den Zuschauern wird es sicher auch
einige geben, die auf dem Rasen, in der Gemeinde gern mittun würden. Und
dann haben wir auf den Zuschauerrängen natürlich auch diejenigen, die
sich nur noch wenig für die Gemeinde und das Gemeindeleben
interessieren. Aber eine Gemeinsamkeit haben alle Beteiligten: Sie sind
Mitglied einer – zum Beispiel unserer – Gemeinde. Sie bezahlen
ihre Kirchensteuer. Und allen ist das Wort Gottes und seine Nähe zu uns
wichtig.
Doch zurück zu den Akteuren, die vor der Gemeinde und für die
Gemeinde – also für uns alle – aktiv sind. Ich habe hier und
besonders am heutigen Sonntag unseren Kirchenvorstand im Blick. Unsere
Gemeinde verdankt ihrem Kirchenvorstand viel. Ohne das Engagement, die
Sachkunde, die Festigkeit, aber auch die Leidensfähigkeit aller unser
Kirchvorsteher und Kirchvorsteherinnen sähe es in unserer Gemeinde
schlechter aus. Das Danken wird zu gegebener Zeit aus berufenem Mund
bestimmt noch folgen. Aber dankbar sein dürfen wir schon heute. Dankbar
denen, die bisher diese Last geschultert haben. Und dankbar denen, die
sich mit dieser heutigen Wahl als zukünftige Kirchvorsteher und
Kirchvorsteherinnen in die Pflicht nehmen lassen.
Einige unter uns werden wahrscheinlich schon etwas unruhig und fragen
sich: Wann kommt er denn nun eigentlich zum Predigttext und dessen
Auslegung. Zum Predigttext komme ich jetzt. Und bei seiner Auslegung
sind wir schon mitten drin. Denn auch im Predigttext geht es um die
Aufgabenverteilung in einer Gemeinde. Doch hören sie selbst: Die
Apostelgeschichte, Kapitel 6, Verse 1 bis 7. Ich lese sie
in der Einheitsübersetzung: In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger
zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre
Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die
Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht
recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an
den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von
gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe
übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.
Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde, und sie wählten
Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist,
ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und
Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia.2 Sie ließen sie vor die
Apostel hintreten und diese beteten und legten ihnen die Hände auf. Und
das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem
wurde immer größer; auch eine große Anzahl von den Priestern nahm
gehorsam den Glauben an.
Ein langer und interessanter Predigttext. Lukas erzählt uns, wie die
Urgemeinde in Jerusalem in einer ganz praktischen Sache reagiert und
einen Missstand überwindet. Die Urgemeinde dürfte zu der Zeit, die Lukas
beschreibt, 500 bis 1000 Mitglieder haben. Und es wurden immer
mehr. Dabei konnten Konflikte nicht ausbleiben. Denn in der Urgemeinde
gab es zwei judenchristliche Gruppen: Alteingesessene hebräische Juden
und eine zunehmende Zahl von eingewanderten griechischen Juden, zwischen
denen es nicht nur sprachliche Unterschiede gegeben haben wird. Wenn
sie so wollen: Ein typisches Ausländerproblem. Entscheidend ist nun
eines: Egal ob Grieche oder Hebräer, Mann oder Frau, arm oder reich, in
der Urgemeinde waren alle gleichberechtigt.
Im Predigttext hörten wir: Als die Zahl der Gemeindemitglieder zunahm,
begehrten die griechischen Juden gegen die hebräischen Juden auf, weil
ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Witwen waren
damals in der Regel vollkommen ohne Unterstützung. Trotzdem setzten sich
die griechischen Männer für die griechischen Witwen ein.
Was uns nun von Lukas – wahrscheinlich auch als Vorbild –
berichtet wird, ist eine perfekte Konfliktlösung innerhalb der Gemeinde.
Wir haben es gerade im Predigttext gehört. Ich will es mit meinen
Worten kurz zusammen zu fassen versuchen: Als das Versagen der Gemeinde
sichtbar wurde, hat das keiner unter den Teppich gekehrt. Vielmehr
wurden die 12 Apostel, in deren Händen die Leitung der Gemeinde
lag, informiert und diese – die 12 Apostel – handelten
sofort. Die Ernährung – genauer die gleichwertige Ernährung –
aller Gemeindeglieder war ihnen so wichtig, dass sie dafür ein neues,
ein in der Gemeinde herausgehobenes Amt schaffen: Den Diakon, der einen
guten Ruf haben und voller Weisheit sein soll und der für seine Aufgaben
auch eingesegnet wird.
Die Aufgaben der Diakonie haben dort ihren Ursprung. Gleichzeitig wird
damit eine Arbeitsteilung eingeführt, die in der Kirchengeschichte
Bestand haben wird. Denn die Aufgabe der Apostel bleibt die Verkündigung
und das Gebet. Dass die Auswahl der Diakone in die Hände der Gemeinde
gelegt wird, rundet das Bild von einem eigentlich sehr modernen
Gemeindeverständnis ab und schlägt auch eine Brücke zu unserer heutigen
Kirchenvorstandswahl. Zum Schluss des Predigttextes erfahren wir, dass
durch die besser organisierte Versorgung aller in der Gemeinde und die
Konzentration der Apostel auf Verkündigung und Gebet die Gemeinde immer
größer wurde.
Hier wollen wir innehalten: Grund für das Wachsen der Gemeinde sind also
einerseits die Verkündigung und das Gebet. Und andererseits ist es das
Vorbild der Gemeinde beim Thema Hilfe und Nächstenliebe. Daran hat sich
bis heute nichts geändert. Wir brauchen also heute auch oder gerade bei
fallenden Mitgliederzahlen eine ordentliche Verkündigung und ein
modernes Gemeindemanagement. Und wir brauchen Helfer, die bereit sind,
dafür in der Gemeinde Dienst zu tun.
Wie es nun bei jedem von uns mit der Nächstenhilfe innerhalb und
außerhalb unserer Gemeinde aussieht, kann nur jeder für sich selbst
einschätzen. Hier sei an das Evangelium für den heutigen Sonntag „Vom
barmherzigen Samariter“ erinnert und an den Wochenspruch, in dem uns
unser Herr Jesus Christus nicht nur für diese Woche mit auf den Weg
gibt: Was ihr den Geringsten unter meinen Brüdern getan habt, das habt
ihr mir getan.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Weg zum Glauben • Apostelgeschichte 8, 26–38
Predigt am 07.05.2017 • Jubilate • St. Johannis Freiberg
Philippus aber bekam von einem Engel des
Herrn folgenden Auftrag: „Mach dich auf den Weg in Richtung Süden!
Benutze die einsame Wüstenstraße, die von Jerusalem nach Gaza
hinunterführt.“ Philippus machte sich auf den Weg; und als er diese
Straße entlangging, kam dort in seinem Reisewagen ein Äthiopier
gefahren. Es handelte sich um einen hohen Würdenträger, den
Finanzminister der äthiopischen Königin. Der Mann war in Jerusalem
gewesen, um den Gott Israels anzubeten, und befand sich jetzt auf der
Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja.
Der Heilige Geist sagte zu Philippus: Geh zu dem Wagen dort und halte
dich dicht neben ihm! Philippus lief hin, und als er neben dem Wagen
herging, hörte er den Mann laut aus dem Buch des Propheten Jesaja lesen.
Verstehst du denn, was du da liest? fragte er ihn. Wie kann ich es
verstehen, wenn niemand es mir erklärt? erwiderte der Mann. Und er bat
Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Der Abschnitt der
Schrift, den er eben gelesen hatte, lautete: Man hat ihn weggeführt wie
ein Schaf, das geschlachtet werden soll. Und wie ein Lamm beim Scheren
keinen Laut von sich gibt, so kam auch über seine Lippen kein Laut der
Klage. Er wurde erniedrigt und all seiner Rechte beraubt. Niemand wird
über Nachkommen von ihm berichten können, denn sein Leben auf der Erde
wurde ihm genommen. Der Äthiopier wandte sich an Philippus: Bitte sag
mir, von wem ist hier die Rede? Spricht der Prophet von sich selbst,
oder spricht er von jemand anders? Da ergriff Philippus die Gelegenheit
und erklärte ihm, von dieser Schriftstelle ausgehend, das Evangelium von
Jesus. Als sie nun, ins Gespräch vertieft, die Straße entlangfuhren,
kamen sie an einer Wasserstelle vorbei. Hier ist Wasser! rief der
Äthiopier. Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde? Und er befahl,
den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Äthiopier, stiegen ins
Wasser, und Philippus taufte den Mann. (Neue Genfer Übersetzung)
Liebe Gemeinde, wir haben den Predigttext aus der Apostelgeschichte
gerade als Lesung in einer modernen Übersetzung gehört. Und auch die
Kinder haben uns mit ihrem Singspiel hier im Gottesdienst in einer
besonders schönen Weise in den Predigttext hinein geführt. Sie haben
dabei schon gemerkt, dass dieser Text in mehrfacher Hinsicht interessant
ist. Das betrifft sowohl die äußeren Umstände als auch das, was uns der
Text sagen will.
Die Geschichte handelt eigentlich nur – zumindest sichtbar –
von zwei Männern. Und diese zwei Männer, die konnten unterschiedlicher
nicht sein. Der Eine – Philippus – ist ein angesehenes
Mitglied der Jerusalemer Urgemeinde. Von irgendeinem materiellen
Reichtum oder sogar von einem hohen Staatsamt ist uns nichts bekannt.
Das ist eigentlich auch nicht zu erwarten. Und es verdient auch nur
deshalb benannt zu werden, weil das bei dem Mann, auf den Philippus in
unserem Predigttext treffen wird, ganz anders ist.
Denn dieser andere Mann ist schwerreich. Genauer ist er – und das
ist nun wirklich erstaunlich – ein Farbiger aus einem weit
entfernten afrikanischen Königreich südlich der Wüstenregion Sahara. Und
als einer der höchsten Beamten am königlichen Hof ist er außerdem ein
sehr mächtiger Mann. Und weil er nicht nur reich und mächtig, sondern
auch gottesfürchtig ist, hatte er sich auf den Weg gemacht. Denn er
wollte mehr über den alleinigen und allmächtigen Gott der Juden
erfahren. Um dazu nach Jerusalem zu kommen, musste er fast
2.300 Kilometer mit dem Schiff und einer von Kamelen gezogenen
Kutsche zurücklegen und wird dafür zwei Monate unterwegs gewesen sein.
Nun war er auf der Rückreise in sein afrikanisches Land. Wahrscheinlich
haben ihn das in Jerusalem über den Gott der Juden Gehörte und Gesehene
sehr beeindruckt. Jedenfalls liest er auf der Rückreise eifrig im Alten
Testament. Genauer im Buch des Propheten Jesaja. Auch wenn er offenbar
die griechische Sprache beherrschte: Er versteht nicht, was er da liest.
Und genau in dieser Situation trifft er auf Philippus, den ich uns
vorhin beschrieben habe. Und das Treffen findet nicht in einer
lauschigen Ecke oder in einem kleinen, aber feinen Café und auch nicht
in einer großen Hotelhalle statt. Nein, sie treffen sich mitten in der
Wüste, genauer an einer einsamen, staubigen Wüstenstraße, etwa
50 Kilometer von Jerusalem entfernt.
Wobei Treffen nicht das richtige Wort ist. Denn der Fremde wusste vorher
gar nichts von dem Treffen und Philippus war – nachdem er den
Auftrag von einem Engel des Herrn erhalten hatte – zu Fuß zu der
Wüstenstraße gekommen. Und nun wartete er dort auf die Kutsche des
Afrikaners. Und tatsächlich: Die Karawane kommt. Und als sie bei ihm
ist, folgt er wieder seiner inneren Stimme und läuft neben dem Wagen des
mächtigen Mannes her – was wahrscheinlich bei der Geschwindigkeit
der Karawane kein Problem ist. Und während Philippus so läuft, hört er
die Stimme des Afrikaners, der laut im Buch des Propheten Jesaja liest.
Dieses Lautlesen war damals ganz normal. Was nicht normal ist: Philippus
spricht den Reisenden – ohne dazu aufgefordert zu sein – an
und fragt ihn: Verstehst du denn, was du da liest?
Eigentlich ist das eine Unverschämtheit. Denn stellen wir uns einmal
vor: An uns fährt langsam eine Staatskarosse vorbei, wir laufen ein
Weilchen mit, hören uns an, was er, der Fremde – nicht zu
uns – spricht. Und fragen ihn schließlich: Verstehst du eigentlich,
was du da sagst? Und im Predigttext? Der Fremde schimpft nun gerade
nicht ärgerlich auf Philippus und wendet sich auch nicht einfach von ihm
ab. Nein, er nimmt im Gegenteil die Frage des Philippus dankbar auf.
Im Predigttext heißt es dazu: Wie kann ich es verstehen, wenn niemand es
mir erklärt? Und er bat Philippus, in seine Kutsche zu steigen, sich zu
ihm zu setzen und ihm den Abschnitt aus der Schrift des Propheten
Jesaja, den er eben gelesen hatte, zu erklären. Und Philippus legt ihm
die Schrift aus. Schließlich wendet sich der Afrikaner an Philippus:
Bitte sag mir, von wem ist hier die Rede? Spricht der Prophet von sich
selbst, oder spricht er von jemand anders? Da ergreift Philippus die
Gelegenheit und erklärte ihm, von dieser Schriftstelle ausgehend, das
Evangelium von Jesus. Soweit unser Predigttext.
Ich frage uns: Wie kann es sein, dass nach so einem Beginn ein so gutes
Gespräch folgt mit einem noch besseren happy end – nämlich der
Taufe des mächtigen Fremden aus dem fernen afrikanischen Land. Hier ist
Dreierlei zusammen gekommen.
Zum Ersten: Philippus, der Missionar, will unbedingt etwas weitergeben
von dem, was in seinem Herzen brannte: Das Bekenntnis Gottes zu uns in
der Auferstehung von Jesus Christus. Und das Heil, das daraus für alle
Menschen folgt, die an Jesus Christus glauben. Damals wie heute.
Zum Zweiten: Der Fremde muss tatsächlich ein gottesfürchtiger Mann
gewesen sein. Jemand, dem bei den Worten von Philippus Herz und Verstand
geöffnet wurden. Und der dadurch zum Glauben an Jesus Christus gekommen
ist.
Und zum Dritten: Neben Philippus und dem Afrikaner ist als Dritter im
Bunde ein Heiliger Geist Gottes dabei gewesen, der uns durch Jesus
Christus führt und lenkt, wenn wir denn diesen Geist in uns und auf uns
wirken lassen wollen. In unserem Predigttext muss der Geist Gottes dabei
gewesen sein. Wie sollten sonst Philippus und der Fremde sich getroffen
und zusammengefunden haben? Woher sollte sonst Philippus die heilsame
Kraft genommen haben, den Fremden anzusprechen und zum Glauben zu
führen? Und wie sollte es sonst bei dem Afrikaner zu dieser weiten und
verschlungenen Reise gekommen sein? Zu seiner Zuwendung zu einem ihm
fremden, einfachen Mann, der ihn – zumal als Ausländer – auf
seiner Reise einfach anspricht? Und schließlich sein direkter Weg von
einem Gottsuchenden zu einem, der in Jesus Christus Gott gefunden hat?
Es ist ein Geschehen, das letztendlich in der Taufe des Afrikaners durch
Philippus besiegelt wird. Es ist gut für uns, dass durch die Taufe auch
bei uns die Zuwendung Gottes zu uns besiegelt wird. Oder wie wir es in
unserem Gesangbuch lesen können:
Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Ich bin gezählt zu deinem Samen, zum Volk, das dir geheiligt heißt. Ich
bin in Christus eingesenkt, ich bin mit seinem Geist beschenkt.
Liebe Gemeinde, eine Taufe ist bei uns in der Regel ein großes Fest,
meistens sogar ein großes Familienfest. Aber wem sage ich das in dieser
Runde. Zu DDR-Zeiten war die Taufe auch ein Zeichen gegen den staatlich
verordneten Atheismus. Das alles ist heute ganz anders, aber die Anzahl
der Taufen ist leider trotzdem sehr gering geblieben. Natürlich wir, die
wir hier im Gottesdienst versammelt sind, wir sind wahrscheinlich alle
getauft. Nur: Beschäftigt uns eigentlich manchmal das Thema Taufe –
auch wenn keine Tauffeier bevorsteht? Vielleicht sollten wir uns wieder
einmal die Bilder der Taufen in der Familie ansehen und unseren eigenen
Taufspruch hervorholen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Wort Gottes kommt zu uns • Apostelgeschichte 16, 9–15
Predigt am 23.02.2014 • 4. Sonntag nach Epiphanias • Petrikirche Freiberg
In der Nacht hatte Paulus eine Vision. Ein
Mazedonier stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf
uns! Auf diese Vision hin wollten wir sofort nach Mazedonien abfahren;
denn wir waren überzeugt, dass uns Gott dazu berufen hatte, dort das
Evangelium zu verkünden. So brachen wir von Troas auf und fuhren auf dem
kürzesten Weg nach Samothrake und am folgenden Tag nach Neapolis. Von
dort gingen wir nach Philippi, in eine Stadt im ersten Bezirk von
Mazedonien, eine Kolonie. In dieser Stadt hielten wir uns einige Tage
auf. Am Sabbat gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluss, wo wir
eine Gebetsstätte vermuteten. Wir setzten uns und sprachen zu den
Frauen, die sich eingefunden hatten. Eine Frau namens Lydia, eine
Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; sie war eine
Gottesfürchtige und der Herr öffnete ihr das Herz, so dass sie den
Worten des Paulus aufmerksam lauschte. Als sie und alle, die zu ihrem
Haus gehörten, getauft waren, bat sie: Wenn ihr überzeugt seid, dass ich
fest an den Herrn glaube, kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie
drängte uns.
Liebe Gemeinde, der Volksmund sagt zu Recht: Wenn einer eine Reise tut,
so kann er was erzählen. Und wer viel reist, der erlebt natürlich auch
viel. Reisen ist bei vielen von uns ein großes Thema. Sei es, weil wir
beruflich viel unterwegs sein müssen. Sei es, weil wir an den
Wochenenden oder im Urlaub viel unterwegs sein wollen. Im Alltag heißt
ja flexibel sein in vielen Fällen: Mobil zu sein. So ist es
selbstverständlich geworden, dass viele ihrem Arbeitsplatz hinterher
fahren. Sei es täglich mit der Bahn nach Dresden oder als Pendler
wöchentlich nach Bayern. Nicht zu vergessen Dienstreisen nach nah und
fern: Mit der Bahn, mit dem Auto oder mit dem Flieger, wie es
neuhochdeutsch so schön heißt. Die uns liebsten Reisen sind natürlich
die Reisen in den Urlaub oder im Urlaub. Hier steht uns heute die Welt
offen. Je nach Geldbeutel, Neigung und Gesundheit sind Schiffsreisen,
Reisen mit dem Bus, Ausflüge mit der Bahn oder dem eigenen Auto möglich.
Und natürlich Flugreisen bis in den hintersten Winkel der Welt.
Wie wäre es zum Beispiel mit einer einwöchigen Erlebniswanderung entlang
der türkischen Mittelmehrküste, danach 250 Kilometer auf einem
Schiff nach Griechenland mit einem Zwischenstopp auf einer kleinen
malerischen Mittelmeerinsel. Schließlich noch eine Wanderung ins
Landesinnere Griechenlands. Eine tolle Reise, die schon der bekannteste
Dienstreisende im Neuen Testament. unternommen hat. Ich meine den
Apostel Paulus, der auf seinen Missionsreisen viele Jahre unterwegs war.
Dabei hat er auch die gerade beschriebene Reise nach Griechenland,
genauer in die Provinz Mazedonien gemacht. Allerdings schon vor über
1.960 Jahren.
Im Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem 16. Kapitel der
Apostelgeschichte erfahren wir – sehr kurz gesagt – Folgendes:
Paulus hört Gottes Ruf und gehorcht ihm. Das heißt, er macht sich mit
Gefährten auf den Weg und predigt das Evangelium von Jesus Christus.
Berichtet wird von einer Frau, die dadurch zum Glauben kommt, sich
taufen lässt und Paulus in ihrem Hause aufnimmt. Wenn Sie so wollen:
Eine Reiseerzählung. Im Grunde genommen eine Alltagsgeschichte, in der
aber – und darauf komme ich noch zurück – Weltgeschichte
geschrieben wird. Und es ist eine Geschichte, in der viel weniger
selbstverständlich ist, als bei der nüchternen Reiseerzählung vermutet
werden kann.
Schon die Vision, die Paulus hatte: Da sieht er des Nachts einen Mann,
der ihn anfleht: Komm zu uns und hilf uns. Und dieser Hilferuf kommt
nicht etwa aus einem Ort, der auf der von Paulus geplanten Reiseroute
liegt. Nein, er wird aus Kleinasien nach Mazedonien in Griechenland
gerufen. Und das heißt nichts anderes, dass seine Mission erstmalig in
Europa weitergehen soll. Und damit in einem vollkommen anderen
Kulturkreis, der zum Beispiel durch die griechischen Philosophieschulen
bestimmt wird und wo ihn ein größerer Widerstand gegen die Botschaft vom
lebendigen Christus erwartet. Wie dem auch sei: Paulus ändert seine
Reiseroute und bricht auch sofort auf. Er ist sich gewiss, dass das Gott
von ihm will.
Angekommen an seinem Reiseziel Philippi – einer eher unbedeutenden
Kleinstadt – lässt Paulus die Sache ruhig angehen. Wahrscheinlich
macht er sich mit dem Ort und den Menschen vertraut. Auf jeden Fall
wartet er auf den Sabbat und geht mit seinem Begleiter zu einem Fluss
nahe der Stadt, weil er dort eine jüdische Gebetsstätte vermutet. Und so
war es auch. Er findet einige Frauen, die zusammen sitzen und
miteinander beten. Er setzt sich zu ihnen, spricht sie an und betet mit
ihnen. So bescheiden beginnt die Kirchengeschichte in Europa: Mit ein
paar Frauen, an einem Fluss in der Nähe einer griechischen Kleinstadt.
Und Frauen, das waren in der Regel wahrhaftig keine in der römischen
Gesellschaft bevorzugten Geschöpfe. Und die Männer. Ja, wo waren
eigentlich die Männer beim gemeinsamen Gebet am Sabbat. Im Predigttext
werden sie jedenfalls nicht erwähnt.
Und auch der erste Christ auf europäischen Boden ist eine Frau. Sie
heißt Lydia. Aus Kleinasien stammend wohnt sie in Philippi, hat dort ein
eigenes Haus und verkauft wertvolle Stoffe aus ihrer Heimat. Der
jüdischen Gemeinde fühlt sie sich verbunden und gehört deshalb zu den
Frauen am Fluss. Entscheidend ist aber etwas anderes: Es ist Lydia, der
Gott das Herz öffnet. Sie hört Paulus aufmerksam zu. Und seine frohe
Botschaft überzeugt sie so sehr, dass sie den christlichen Glauben
annimmt und sich mit allen, die in ihrem Haus wohnen, taufen lässt. Und
sie lässt ihrer Taufe auch sogleich Taten folgen. Sie öffnet ihr Haus
für Paulus und seine Begleitung. Und an einer anderen Stelle des Neuen
Testaments wird uns berichtet, dass sich in Lydias Haus fortan die
christliche Gemeinde von Philippi versammelt. Das heißt, hier ist ein
Saatkorn auf guten Boden gefallen und hat Großes wachsen lassen. So wie
wir es im Evangelium für diesen Sonntag gehört haben.
Mit dem Kommen der frohen Botschaft von Kleinasien nach Europa wurde
Weltgeschichte geschrieben, begann die Geschichte des christlichen
Abendlandes und die Christianisierung in anderen Teilen der Welt. Und am
Anfang steht eine Mission: Bescheiden. Ohne Pomp zum Beeindrucken und
ohne Bedrohung durch Waffen. Paulus hatte nur das Wort. Es ist das Wort
Gottes, die gute Nachricht von Jesus Christus, die alles verändert. Und
es ist eine einzelne Frau, der Gott für die gute Nachricht das Herz
öffnet. Europa hat das, seit das Christentum die herrschende Religion
geworden war, oft genug vergessen.
Das Wort Gottes braucht keine Gewalt. Und es braucht auch keine große
Bühne. Was es braucht ist eine Heimstadt. Eine Heimstatt bei uns. Bei
jedem von uns. Auf unser offenes Ohr, auf unser offenes Herz und auch
auf unser offenes Haus kommt es an. Wir lernen heute wieder das
Miteinander als Christen im kleinen Kreis. Auch in unserer Gemeinde,
auch im Gottesdienst. Das soll uns nicht verzagt machen. Wir haben es
heute gehört: Gottes Wort wirkt auch im Kleinen. Gott will, dass sein
Wort zu uns kommt. Es kommt also tatsächlich nur auf uns an. Oder wie es
im Spruch der Woche heißt: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet,
so verstockt eure Herzen nicht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottest guter Geist • Römerbrief 8, 14-15
Predigt am 05.09.2021 • 14. Sonntag nach Trinitatis • St. Johanniskirche Freiberg
Angst oder Furcht, liebe Gemeinde, sind kein schönes Thema. Aber Beides – Angst oder Furcht vor etwas oder vor Jemanden: Das erleben wir fast jeden Tag. Und wovor haben wir nicht alles Angst: Egal ob diese Angst berechtigt ist oder nicht. Ich nenne nur einige Beispiele aus der langen Liste: Dass wir uns blamieren oder zu spät kommen. Dass wir etwas nicht können oder denken, dass wir an uns gestellte Erwartungen nicht erfüllen. Und dann die Angst, wenn ich merke, dass in meinem Leben etwas schief läuft. Wenn ich Angst haben muss, meinen Partner zu verlieren oder meine berufliche Existenz. Und nicht zuletzt die Angst vor und während einer Krankheit oder vor dem Sterben.
Andererseits gilt aber auch: Angst und Furcht haben für uns eine Schutzfunktion. Denn woher sollten sonst unsere Vorsicht und unsere Schutzreflexe kommen. Wenn Sie so wollen, gehören die Angst und Furcht zu unserem Leben dazu. Genauso wie unsere Liebesfähigkeit, unser Egoismus, unser Frohsinn oder unser Traurig-sein. Um die Angst und Furcht geht es nun auch im Predigttext aus dem Römerbrief, Kapitel 8. Der Apostel Paulus sagt uns dort:
Die sich vom Geist Gottes leiten lassen, das sind Kinder Gottes. Denn ihr habt mit diesem Geist nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, so dass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern einen Geist der Kindschaft, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
Es geht also um die Frage: Was hat Gottes Geist mit unserer Angst zu tun? Genauer: Gehört Gottes Geist auch zu dem, wovor wir Angst haben müssen? Die Antwort darauf ist eindeutig und für uns alle eine gute Nachricht. Denn wir können vor vielen Dingen und Menschen Angst haben und uns fürchten: Gottes Geist gehört nicht dazu. Vor Gottes Geist brauchen wir keine Angst haben. Und der Predigttext sagt uns auch warum: Durch Gottes Geist werden wir nicht unterdrückt und auch nicht geknechtet. Denn Gottes Geist ist kein Geist der Unterdrückung und auch kein Geist der Knechtschaft. Das heißt aber auch: Wer von Gottes Geist erfüllt ist und sich von Gottes Geist leiten lässt, der unterdrückt und knechtet auch andere Menschen nicht.
Anders herum gilt damit aber auch: Wer andere knechtet und unterdrückt, ist nicht von Gottes Geist erfüllt – auch wenn er fromm reden kann. Ich will noch einen Schritt weitergehen: Wer anderen Schlechtes oder Böses antut, wer immer nur zuerst an sich denkt und nicht hilft, wo Hilfe gebraucht wird. Der macht sich selbst - grob gesprochen – zu einem gottlosen Gesellen. Denn er ist – wenn er so denkt oder handelt - nicht von Gottes Geist erfüllt.
Im Predigttext nennt uns nun Paulus ein weiteres Beispiel, was Gottes guter Geist in uns bewirken kann, wenn wir denn uns von Gottes Geist leiten lassen. Ich zitiere:
Ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen.
Einen Geist der Kindschaft: Da zucken wir erst einmal zusammen. Denn Kindschaft, das müssen wir nicht haben. Angefangen von den Jugendlichen bis hin zu den Alten, wie ich einer bin: Unschuldige Kindlein wollen wir alle nicht mehr sein. Doch Achtung: Hier geht es überhaupt nicht ums kindlich sein und erst recht nicht ums kindisch sein. Sondern und das steht auch im Predigttext:
Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind seine Kinder. Und diese seine Kinder – also wir: dürfen deshalb Gott als unseren Vater anrufen.
Dass wir das dürfen, steht nicht nur im Predigttext, sondern das hat uns Jesus selbst beten gelehrt: „Vater unser im Himmel.“ Diesen unseren Vater im Himmel dürfen wir anrufen, dürfen ihn um etwas bitten. Das ist, liebe Gemeinde, ein großes Geschenk. Und das nicht nur, weil es uns so vertraut ist. Es ist ein großes Geschenk, weil es uns in allen Situationen eine Hilfe ist oder eine Hilfe sein kann.
Ich hatte am Anfang über unsere Angst und über unsere Furcht gesprochen. Jedes Gebet, das von Herzen kommt, ist wie das Vaterunser eine Hilfe oder kann für uns eine Hilfe sein. Gerade, wenn wir Angst haben oder uns fürchten. Oder wenn wir uns allein gelassen fühlen, wenn wir um einen lieben Menschen trauern oder nicht mehr wissen, wie es mit uns weitergehen soll. Beten hilft. Auch oder gerade, wenn es ein kurzes Stoßgebet ist. Ein Gebet kann uns Halt und innere Ruhe, Trost und Hoffnung geben und uns einen Weg zeigen. Letztendlich empfangen wir darin und damit Gottes guten Geist. Gottes guter Geist soll nun nicht nur für uns wirken, sondern auch für andere. Wir haben es schon gehört. Was dieser Geist Gottes in uns, für uns und durch uns bewirken kann und soll, hat uns am besten und am kürzesten Jesus selbst gesagt: „Seid barmherzig, wie auch Euer Vater barmherzig ist.“ Wem das bekannt vorkommt: Es ist die aktuelle Jahreslosung.
Liebe Gemeinde, hier müssen wir uns ehrlich machen: Wir lassen uns eben nicht nur von Gottes gutem Geist leiten. In uns steckt beides: Der Geist, der gegen jede Form von Knechtschaft ist, und ein Geist der Knechtschaft mit allem, was daraus folgt. Für unser Denken, unser Reden, unser Handeln. Wir sind eben nicht nur hilfsbereit,
selbstlos oder uneigennützig, sondern auch egoistisch. Und wir sind auch nicht nur barmherzig, sondern auch gemein, unbarmherzig oder gehässig. Da ist es gut, dass wir zum Beispiel im Gebet Gottes guten Geist erfahren. Und da ist es auch gut, dass wir immer wieder Anlauf nehmen dürfen, um in uns gegen den Geist der Knechtschaft etwas zu tun. Dieser böse Geist der Knechtschaft wird immer auch in uns sein. Lassen wir ihn aber nicht die Oberhand gewinnen. Wenn uns das mit Gottes gutem Geist gelingt, sind wir auf dem richtigen Weg, um anständig durch unser Leben gehen können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Zu Jesus bekennen • Römerbrief 10, 9+10
Predigt am 18.09.2016 • 17. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht in dem Teil des Römerbriefes, den
wir vorhin als 1. Lesung gehört haben. Der Apostel Paulus schreibt: Denn wenn du mit deinem Munde bekennst,
dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von
den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von
Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt,
so wird man gerettet.
Hier stellt sich sofort eine interessante Frage: Warum geht es Paulus um
den Glauben an Jesus Christus und um das Bekenntnis zu diesem Glauben?
Wenn wir das verstehen wollen, ist es hilfreich, einmal die äußeren
Umstände zu beschreiben, für die Paulus den Predigttext verfasst hat.
Die christlichen Gemeinden damals waren gerade im Entstehen begriffen
und breiteten sich aus. So auch die Gemeinde in Rom. Im römischen
Weltreich herrschten zu dieser Zeit – das heißt im
1. Jahrhundert nach Christi Geburt – die Cäsaren. Das waren
Kaiser, die sich sogar als Götter verehren ließen. Das heißt, jeder
dieser Kaiser verstand sich als Gott. Er war unsterblich und er musste
angebetet werden.
Und nun diese Christen. Die hatten nicht nur den gleichen unsichtbaren
und ewigen Gott wie die Juden, sondern sie – die Christen –
glaubten sogar, dass dieser Gott in der Person des Jesus von Nazareth
auf dieser Welt gewesen war. Dabei hatte es aus römischer Sicht fast
spaßig angefangen und diesen Jesus von Nazareth konnte man ohnehin als
Spinner abtun. Ein Wanderprediger mit einer kleinen Jüngerschar, wie es
damals viele im römischen Weltreich gab. Und das im fast hintersten
Winkel des römischen Reiches. Jesus als ein Gott, der sich wie ein
Verbrecher ans Kreuz nageln ließ, dafür hatten viele nur Spott übrig.
Eine zeitgenössische Karikatur zeigt Jesus am Kreuz denn auch mit einem
Eselskopf.
Insgesamt lebten im römischen Reich viele Religionen und
Glaubensrichtungen nebeneinander und waren vom Staat auch oft geduldet.
Die Verehrung der Kaiser als Gott musste natürlich sein. Aber diese neue
jüdische Sekte – so wurden Christen anfangs genannt – müssen
die Herrschenden schnell sehr ernst genommen haben. Die Christen wurden
ja auch nicht ohne Grund fast 300 Jahre lang verfolgt. Denn das,
was Jesus gelehrt hatte und was seine Anhänger jetzt weitertrugen: Alle
Menschen sind gleich wertvoll. Jeder Mensch ist einzigartig und jeder
Mensch ist von Gott gewollt. Das war nicht nur gefährlich, sondern das
war ein frontaler Angriff auf das bestehende System, die
Sklavenhaltergesellschaft. Immerhin waren 25 Prozent der Einwohner
Sklaven. Die christlichen Gemeinden waren den damals Herrschenden auch
sonst ein Dorn im Auge. Denn Christen hielten sehr zusammen und
kümmerten sich um Arme und Kranke. Sie waren auch nicht bereit, den
Kaiser als Gott anzubeten, obwohl das mit dem Tod bestraft werden
konnte. Das öffentliche Bekenntnis, ein Christ zu sein, war damals eine
mutige Tat.
In dieser Situation schreibt Paulus an die römische Gemeinde – ich zitiere den Text nach einer modernen Übersetzung: Wenn
du mit deinem Mund bekennst: „Jesus ist der Herr!“, und wenn du von
ganzem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, dann
wirst du gerettet werden.
Auch heute müssen sich Christen in einigen Ländern der Welt fürchten,
wenn sie sich offen zum christlichen Glauben bekennen. Sie werden
bedroht und sie fühlen sich bedroht. Das öffentliche Bekenntnis, ein
Christ zu sein, ist in diesen Ländern auch heute eine mutige Tat. Und
deshalb ist es dort keine Selbstverständlichkeit, wozu Paulus im
Predigttext aufruft und den Christen Mut machen will: Wenn du mit deinem Mund bekennst: „Jesus ist der Herr“, dann wirst du gerettet werden.
Aber wie ist das nun bei uns? Haben wir bei uns nicht eine ganz andere
Situation als die Gemeinde in Rom, an die Paulus seinen Brief
geschrieben hat? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand
von uns an Leib und Leben bedroht fühlt, bloß weil er sich zum
christlichen Glauben bekennt. Wir leben tatsächlich in einer ganz
anderen Situation. Und trotzdem sollen auch wir uns angesprochen fühlen,
wenn Paulus im Predigttext schreibt: Wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr“, dann wirst du gerettet werden. Ich werde darauf noch zurückkommen.
„Na und“, werden jetzt einige unter uns zu dem sagen, was der Apostel
Paulus von uns und unserem Glauben fordert. Denn natürlich glauben wir
an Jesus. An Jesus Christus, unseren Herrn; an Jesus Christus, Gottes
Sohn. Aber selbstverständlich und leicht ist das für uns nicht: Der
Glaube an die Auferstehung von Jesus Christus. Der Glaube daran, dass es
der ewige Gott selbst war, der in der Person des Jesus von Nazareth in
die Welt gekommen ist. Und der Glaube daran, dass Gott bei jedem von uns
ist und das auch immer bleiben wird. Bis an das Ende aller Zeit, also
weit über unseren Tod hinaus.
Auch wenn uns das manchmal schwer fällt oder wir im Alltag gar nicht
daran denken: Dass wir das alles glauben dürfen ist ein großes Geschenk.
Dieser Glaube ist deshalb ein großes Geschenk an uns, weil uns –
jedem von uns – Gott dann sehr nahe ist. Gott will, dass wir an ihn
glauben, damit wir ihm nahe sein können. An diese Nähe zu Gott sollten
wir uns manchmal erinnern. Auch und gerade wenn wir uns einsam fühlen,
wenn wir uns verlassen vorkommen, wenn wir Angst haben, wenn uns etwas
weh tut, wenn wir einmal nicht wissen, wie es mit uns weitergehen soll,
wenn wir in Sorge sind wegen unserer Kinder oder wegen unserer Eltern.
Gott ist uns auch dann ganz nah, wenn wir es am wenigsten erwarten: Zum
Beispiel wenn wir einmal versagt haben oder wenn wir schuldig geworden
sind.
Und was unser Glaubenkönnen an Gott betrifft: Hier will ich uns Mut
machen. Wir erfahren die Nähe Gottes nicht nur, wenn unser Glauben an
ihn ohne Zweifel ist. Wir erfahren seine Nähe auch dann, wenn wir im
Glauben an ihn Zweifel haben, wenn wir ihn im Gebet ansprechen, wenn wir
bereit sind, auf sein Wort zu hören. Wenn uns also Gott nicht egal ist.
Leider ist vielen Menschen heutzutage Gott tatsächlich egal. Sie wissen
nichts mit dem Glauben anzufangen. Das interessiert sie alles nicht und
sie wollen damit auch nichts mehr zu tun haben. Das Traurige daran ist,
das viele dabei gar nicht wissen, worauf sie damit eigentlich
verzichten. Dass das alles so ist, liegt leider auch an uns. Und hier
ist der Predigttext ganz nahe dran am Problem. Uns wird dort nämlich
sehr deutlich gesagt: Es geht nicht nur um unseren Glauben, so wichtig
das ist. Sondern es geht auch darum, sich zu diesem Glauben gegenüber
anderen – zum Beispiel außerhalb unserer Gemeinde – zu
bekennen. Dieses Bekenntnis erfordert von uns Mut. Nicht weil wir
deshalb verfolgt werden, wie im Römischen Reich. Und auch nicht wegen
der staatlich verordneten Gottlosigkeit wie in der DDR. Nein. Heute
erfordert es unseren Mut anderen zu sagen, dass wir nicht nur für uns
selbst hier auf dieser Welt sind.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Sehnsucht nach Gemeinsamkeit • Römerbrief 12, 4+5
Predigt am 16.11.2019 • Andacht zur Friedensdekade • Petrikirche Freiberg
Denn wie wir an einem Leib viele Glieder
haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die
vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern
Glied.
Liebe Gemeinde, so ist das bei uns: Unser Körper besteht aus vielen
Teilen, z. B. aus Gliedern und Organen. Und jedes dieser Teile ist
zwar anders, aber alle Teile sind notwendig und haben eine besondere
Aufgabe, damit der Körper, unser Körper, als Ganzes funktionieren kann.
Es kommt hinzu, dass unser Körper nicht nur alle seine Teile braucht:
Die meisten Teile unseres Körpers brauchen sich auch untereinander.
Alles muss zusammenpassen und miteinander harmonieren, damit es unserem
Körper gut geht und wir gesund bleiben. Das wollen wir, das wünschen wir
uns. Wie groß unsere Sehnsucht danach ist, merken wir spätestens immer
dann, wenn es unserem Körper oder Teilen davon einmal nicht gut geht.
Wenn wir also einmal krank sind.
Was wir über unseren Körper gehört haben: Dem wird jeder sofort
zustimmen und einige werden sagen: Das ist doch selbstverständlich. Das
stimmt, wenn es nur um uns selbst oder um Menschen geht, die uns
nahestehen, Aber wenn es um andere geht, ist das überhaupt nicht mehr
selbstverständlich. Nicht einmal in einer Gemeinde. Das war schon vor
2.000 Jahren so. In der kurzen Lesung, die wir vorhin gehört haben,
werden deshalb von Paulus die Teile des menschlichen Körpers mit den
Teilen einer Gemeinde verglichen: Denn wie wir an einem Leib viele Glieder
haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die
vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern
Glied.
Hier sind wir von Paulus angesprochen. Denn wir sind die Glieder in der
Gemeinde. Bei allen Unterschieden zwischen uns: Halten wir zusammen.
Seien wir füreinander da. Nehmen wir einander an und suchen wir
Gemeinsamkeiten und die Gemeinschaft. Denn das alles befördert den
Frieden. Und das nicht nur in der eigenen Gemeinde. Rücken wir auch über
alle Konfessionsgrenzen hinweg wieder enger zusammen – nicht nur,
aber auch in Freiberg. Der Text von Paulus macht uns hier Mut. Denn er
sagt uns etwas sehr Grundsätzliches: Wir sind alle Glieder am Leib
Christi. Wir gehören zusammen trotz aller Unterschiede und trotz allem,
was uns noch trennt: in unseren Gemeinden, zwischen unseren Gemeinden
und zwischen den Konfessionen.
Sehnsucht nach Gemeinsamkeit. Hier wollen wir aus aktuellem Anlass auch
an unsere Landeskirche denken. Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von
Landesbischof Dr. Rentzing wurden verschiedene Strömungen
erkennbar, die möglicherweise für die Einheit unserer Landeskirche nicht
förderlich sind. Die Einheit in unserer Landeskirche ist ein hohes Gut.
Unser Bekenntnis dazu und die Sehnsucht danach müssen auch bei uns
hörbarer werden.
Gemeinsamkeit in einer Gemeinde oder in der Landeskirche sind wichtig,
aber kein Selbstzweck. So wie auch unser Glaube an Jesus Christus kein
Selbstzweck ist. Daran sollten wir alle nicht nur in der Friedensdekade,
sondern auch in unserem Alltag denken. Die Probleme und
Ungerechtigkeiten, die Not von Millionen Menschen in der Welt und der
fehlende Frieden in vielen Ländern dürfen uns nicht gleichgültig sein.
Hier ist unsere tätige Hilfe und Fürbitte notwendig. Dietrich Bonhoeffer
hat uns dazu schon vor 75 Jahren gesagt und das ist heute so
aktuell wie damals: Unser Christsein wird nur in zweierlei bestehen: im
Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.
Amen.
Römerbrief 12, 12 • Hoffnung und Trübsal
Predigt am 03.05.2020 • Jubilate • Petrikirche Freiberg
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.
Dieser wunderbare Vers aus dem Römerbrief im Kapitel 12 ist
eingebettet in das, was Paulus für das Leben in einer Gemeinde und für
den Umgang miteinander in einer Gemeinde empfiehlt. Und das ist heute so
aktuell wie damals, denn die Menschen haben sich seitdem nicht
geändert. Und auch der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
will unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus damals wie heute
bewahren. Paulus sagt uns deshalb: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet fest am Gebet. Und alles hängt zusammen: das Gebet, Hoffnung und Trübsal, Geduld, Beharrlichkeit und Frohsinn.
Ein Schlüsselbegriff ist dabei die Geduld. Die Geduld Gottes und unsere
Geduld. Zur Geduld Gottes ist uns schon im Alten Testament gesagt:
Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte
(Psalm 103.8). Deshalb dürfen wir Gott ja auch immer wieder
anrufen, obwohl wir uns – auch immer wieder – von ihm
abwenden. Und auch wir brauchen Geduld gegenüber Gott, denn Gott ist
nicht verfügbar für uns. Hier kann zum Beispiel Geduld etwas sein, was
den Glauben erhält, bis Gottes Antwort kommt. Die Bibel macht uns dazu
Mut. So können wir im Psalm 27 lesen: Harre des HERRN! Sei getrost
und unverzagt und harre des HERRN!
Auch zwischen uns Menschen ist Geduld ein weites Feld. Die Bibel ist
dazu voller Beispiele: Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer
sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte einnimmt
(Sprüche 16.32). Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen,
so warten wir darauf in Geduld (Römer 8.25). Die Liebe ist
langmütig und freundlich, (1. Korinther 13.4). In aller Demut
und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe
(Epheser 4.2). Doch zurück zu unserem Text. Hier stehen Hoffnung
und Trübsal nebeneinander. Beides sind aber zwei Seiten ein und
derselben Medaille und bei beiden spielt Geduld eine Rolle.
Zunächst zur Hoffnung: Hoffnung hat in der Regel etwas mit Zukunft und
mit etwas Positivem zu tun. Wir hoffen darauf, dass etwas besser
wird – und das nicht nur in der Corona-Krise. Oder dass das bleibt,
was wir gut finden. Eine Hoffnung darauf, dass etwas schlechter wird,
hat wohl niemand. Hoffnung braucht keine Bremse, so wie auch der Glaube
und die Liebe keine Bremse brauchen. Und Hoffnung ist etwas, das bleibt.
Im Hohelied der Liebe (1. Korinther 13) bettet Paulus die
Hoffnung zwischen Glaube und Liebe ein als etwas, das – egal, was
passiert – bleiben wird. Hoffnung haben, auf etwas warten und
geduldig sein gehören zusammen. Mit Hoffnung verbinden wir sogar
zumindest gefühlt ein lohnendes Warten. Solange Hoffnung da ist, solange
ist das Glas halb voll.
Anders ist es nun bei der Trübsal, der Paulus direkt die Geduld
zuordnet. Trübsal beginnt damit, dass wir das Glas halb leer sehen, und
endet dort, wo wir alle Hoffnung verloren haben, wo uns etwas oder alles
hoffnungslos vorkommt, wenn wir kein Licht am Ende des Tunnels mehr
sehen. Wir haben es alle schon erlebt, dass uns eine Situation
niederdrückt oder nieder zu drücken droht. Zum Beispiel, wenn wir einen
uns lieben Menschen verloren haben. Das tut weh und das ist eine
Trübsal, die wir trauernd aushalten müssen oder wie es im Text steht, geduldig in Trübsal sein.
Nun geht unser Text an dieser Stelle noch weiter: Seid geduldig in Trübsal, haltet fest am Gebet.
Ja, beten hilft. Denn beim Gebet fühlen wir am ehesten, dass wir auch
in der Trübsal gar nicht so allein gelassen sind, wie uns das oft
vorkommt. Geduldig in Trübsal sein und Festhalten am Gebet können in uns
wieder Hoffnung oder wenigstens einen Hoffnungsschimmer wachsen
lassen – selbst dann, wenn sich die äußeren Umstände noch gar nicht
oder nur wenig geändert haben. Daran sollten wir festhalten – am
Gebet und am Hoffnungsschimmer. Und wenn daraus wieder eine berechtigte
und für uns wahrnehmbare Hoffnung geworden ist, dann ist ein froher Mut
ein guter Begleiter, um die Hoffnung in uns weiter wachsen zu lassen
oder fest zu halten. Oder wie es im Text heißt: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet fest am Gebet.
Amen.
Vom Streiten • Römerbrief 14, 1–3+6b
Predigt am 13.11.2022 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • St. Johanniskirche Freiberg
Den Schwachen im Glauben nehmt an und streitet nicht über Meinungen. Der eine glaubt, er dürfe alles essen. Der Schwache aber isst kein Fleisch Wer isst, der verachte den nicht, der nicht isst; und wer nicht isst, der richte den nicht, der isst; denn Gott hat ihn angenommen. Wer isst, der isst im Blick auf den Herrn, denn er dankt Gott; und wer nicht isst, der isst im Blick auf den Herrn nicht und dankt Gott auch.
Liebe Gemeinde, heute soll es einmal um etwas sehr Alltägliches gehen: Nämlich um unser Essen und um einen möglichen Streit dabei. Außerdem soll uns noch ein weiterer Streitpunkt beschäftigen. Wenn Sie so wollen, Streit in der Familie, Streit mit dem Nachbarn, Streit in der Gemeinde.
Ich beginne einmal mit dem Essen. Wie wir wissen, ist bei uns das Angebot an Lebensmitteln und die Vielfalt der angebotenen Lebensmittel groß. Und trotzdem kann es auch bei uns zum Essen oder beim Essen manchmal Streit geben. Einen Streitpunkt, den ich hier nennen will, ist die Frage: Fleisch oder kein Fleisch. In Deutschland sieht es aktuell so aus, dass 10% kein Fleisch von toten Tieren essen, also Vegetarier sind. 2% sind Veganer. Veganer essen überhaupt nichts von Tieren, also auch keine Eier oder Milchprodukte und über 30% geben an, dass sie mehrheitlich pflanzliche Produkte essen.
Praktisch kann das bedeuten, dass es zum Beispiel bei einem Familientreffen mit Eltern, Kindern und Großeltern Streit über das richtige Essen gibt, wenn Veganer und Vegetarier dabei sind. Hier ist schon die Essensvorbereitung nicht ganz einfach und bei Tisch sind solche Fragen möglich, wie „Warum bist Du eigentlich eine Veganerin?“ oder „Warum musst Du eigentlich noch Fleisch essen?“. Argumente dafür oder dagegen gibt es auf beiden Seiten bis hin zu solchen Grundsatzfragen wie Tierwohl und Klimakatastrophen.
Streit beim Essen oder über das Essen sind keine Besonderheit unserer Zeit, sondern so alt wie die Kulturgeschichte der Menschheit. Und dieser Streit ist besonders dann heftig, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Römische Weltreich und hier besonders seine Hauptstadt Rom, die ein Schmelztiegel war für verschiedene Kulturen, Glaubensrichtungen und Bewohnern aus den vielen Provinzen im Römischen Weltreich. Das alles trifft nun auch auf die Christengemeinde in Rom zu. Zu ihr gehören jüdische und nichtjüdische Christen. Sie kommen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen und Bevölkerungsschichten von Sklaven und ehemaligen Sklaven bis hin zu reichen Menschen aus der Oberschicht.
Deshalb wird es trotz des gemeinsamen Glaubens an Jesus Christus zum Beispiel beim oft gemeinsamen Essen soziale Spannungen und Streit gegeben haben. Eben zum Beispiel beim gemeinsamen Essen.
Das beginnt schon bei den Essgewohnheiten. So fühlten sich viele Judenchristen an die jüdischen Essensvorschriften gebunden. Essensvorschriften, die im Detail vorgeschrieben haben, was gegessen und getrunken werden durfte. Ja, und das von mir so ausführliche benannte aktuelle Thema „Fleisch oder nicht Fleisch“ muss dabei ein ganz zentraler Punkt gewesen sein, denn die armen Christen kannten so gut wie kein Fleisch und die Juden durften nur bestimmtes Fleisch essen. Und für reiche nichtjüdische Christen war Fleisch etwas Schönes und etwas, was ihnen vertraut war. Und hier kommt nun unser Predigttext ins Spiel, den wir vorhin als erste Lesung gehört haben. Genauer ist es ein Kapitel des Briefes, den Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben hat. Ich lese den Text in einer neueren Fassung:
Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten. Denn der eine glaubt, alles essen zu dürfen, der Schwache aber isst nur Gemüse. Wer Fleisch isst, verachte den nicht, der es nicht isst. Wer aber kein Fleisch isst, richte den nicht, der es isst. Denn Gott hat ihn angenommen. Jeder soll von seiner eigenen Auffassung überzeugt sein. Wer Fleisch isst, tut es zur Ehre des Herrn; denn er dankt Gott dabei. Und wer kein Fleisch isst, unterlässt es zur Ehre des Herrn und auch er dankt Gott.
Was das Essen betrifft, lässt das wie folgt zusammenfassen: Die einen sind überzeugt, dass ihr Glaube ihnen erlaubt, alles zu essen. Die anderen haben Angst, sich zu versündigen, und essen lieber nur Pflanzenkost. Wer Fleisch isst, soll die anderen nicht verachten; aber wer kein Fleisch isst, soll die anderen auch nicht verurteilen, denn Gott hat sie ja beide in seine Gemeinschaft aufgenommen und sie können sich auch beide von Gott angenommen fühlen. Beide – Fleischesser und Vegetarier danken Gott ja nicht ohne Grund für das, was sie essen. Daran sollten wir denken, wenn unsere Meinungen wieder einmal auseinandergehen – auch bei der Frage: Fleisch oder kein Fleisch.
Apropos streiten: Auch im Predigttext geht es nicht nur um das Essen oder um Tischsitten, es geht auch um Streit im allgemeinen und wie wir damit umgehen sollen. Im Predigttext steht dazu der entscheidende Satz, den Paulus auch uns ins Stammbuch geschrieben hat: Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten. Und das, liebe Gemeinde, gilt nicht nur für unser Zusammenleben in der Gemeinde, sondern genauso für unseren Umgang mit unseren Nächsten, mit unseren Nachbarn, Freunden und Arbeitskollegen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Streit an sich muss nicht immer etwas Schlechtes sein, denn Streit kann auch mehr Klarheit schaffen. Und bei einem Streit schimmert manchmal Ehrliches durch. Ein Streit ist oder wird dann schlecht, wenn er unversöhnlich ist oder wenn sich die Streitenden einander keine Chance mehr geben.
Im Fernsehen, in Kunst und Literatur, in Philosophie, Soziologie und Psychologie wird uns das täglich und ausführlich vorgeführt. Was in der öffentlichen Wahrnehmung außerhalb der Kirchgemeinden in den Medien als Hilfe kaum noch vorkommt ist der Glaube, unser Glaube an Jesus Christus.
Dabei kann dieser unser Glaube uns helfen - auch dort, wo ein Streit unversöhnlich ist oder unversöhnlich zu werden droht. Die Beispiele in der Bibel dazu sind zahlreich und unser Predigttext gehört dazu. Einander ernst nehmen, voreinander Respekt haben, ja einander annehmen, darauf kommt es an. Und unser Glaube kann uns auch hier eine Hilfe sein.
Übrigens: Bei der Frage, worauf es Paulus im Predigttext alles ankommt, bin ich fündig geworden. Und zwar in den Überschriften von sechs gängigen Übersetzungen der Bibel. Hier sei angemerkt, dass die Überschriften über den Bibelversen nicht Teil der Bibel sind, sondern von den verschiedenen Übersetzern stammen. Dass diese Übersetzer nicht nur gute Theologen sind, sondern auch ein gutes Gefühl für Sprache haben, versteht sich. Hören Sie deshalb zusammengefasst, unter welche Überschriften diese Übersetzer das Kapitell gestellt haben, zu dem unser Predigttext gehört. Ich zitiere: „Starke und Schwache in der Gemeinde“, und deshalb: „Einander anehmen“. Wenn das nicht klappt zwei Mahnungen: „Mahnung zur gegenseitigen Rücksichtnahme“ und „Mahnung zu Toleranz und Respekt voreinander“. Oder wenigstens “Urteilt nicht über einander“. Und schließlich Martin Luther: „Von den Starken und Schwachen im Glauben“.
Starke und Schwache im Glauben: Ich denke mir, da finden wir uns alle wieder. Deshalb gilt auch für uns alle: Nehmt einander an. Nehmen wir also einander an. Und seien Sie versichert: Jesus wird dabei sein.
Und der Friede Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, die 1. Lesung für den heutigen Sonntag ist zugleich der Predigttext: Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns
zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift
Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch,
dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Jesus Christus gemäß,
damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn
Jesus Christus. Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen
hat zu Gottes Lob. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden
geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu
bestätigen, die den Vätern gegeben sind. Die Heiden aber sollen Gott
loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht
(Psalm 18, 50): „Darum will ich dich loben unter den Heiden
und deinem Namen singen.“ Und wiederum heißt es
(5. Mose 32, 43): „Freut euch ihr Heiden, mit seinem
Volk.“ Und wiederum (Psalm 117, 1): „Lobet den Herrn, alle
Heiden, und preist ihn, alle Völker.“ Und wiederum spricht Jesaja
(Jesaja 11, 10): „Es wird kommen der Spross aus der Wurzel
Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den
werden die Heiden hoffen.“ Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit
aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an
Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Die zentrale Botschaft des Predigttextes im Brief an die Römer lautet:
Nehmt einander an, so wie euch Christus angenommen hat. Genauer: Nehmt
euch in eurer Gemeinde einander an, so wie euch Christus angenommen hat.
Wer das tut, der hilft nicht nur sich selbst, sondern der ehrt Gott. In
der Einheitsübersetzung steht der Predigttext denn auch unter der
Überschrift: Aufruf zur Einmütigkeit in der Gemeinde. Als Paulus im
Jahre 56 nach Christi Geburt seinen Römerbrief schreibt, aus dem
der heutige Predigttext stammt, gab es noch kein Neues Testament und
auch die Evangelien waren noch nicht geschrieben. Der Apostel Paulus
bezieht sich deshalb auf das Alte Testament und nennt daraus Beispiele,
aus denen die Christen lernen sollen und aus denen sie für sich und für
ihre Gemeinde Mut schöpfen können. Denn auch im Alten Testament spricht
Gott zu uns.
Aufruf zur Einmütigkeit in der Gemeinde: Paulus kannte die Gemeinden,
die er gegründet hat oder auch nur besucht hat. Und er kannte auch die
Probleme, mit denen diese Gemeinden fertig werden mussten. Die
Spannungen waren zum Teil so stark, dass die Gemeinden darüber
auseinander zu brechen drohten. Seine Erfahrungen damit hat er in allen
seinen Briefen benannt. Paulus hat aber vor allem aufgeschrieben, was
von Christi Botschaft her gegen die Probleme in einer Gemeinde zu sagen
ist. Welcher Geist in einer Gemeinde herrschen muss, damit sie
zusammenhält und eine echte Gemeinschaft bleibt oder wird. Erinnern wir
uns: Im Römischen Reich gab es viele Götter. Zum Beispiel mussten die
Kaiser als Gott angebetet werden. Wer dazu wie die Christen damals nicht
bereit war oder sich zu seiner christlichen Gemeinde bekannte, der
musste mit gesellschaftlicher Verachtung bis hin zur Todesstrafe
rechnen. Es kommt hinzu, dass der neue Glaube an Jesus als ein Irrglaube
angesehen wurde, den man entweder nicht ernst nahm oder entschieden
bekämpfte.
Wie werden die Gemeindeglieder auf den äußeren Druck reagiert haben, der
oft ihre Existenz bedrohte. Auf alle Fälle müssen der Glaubenseifer und
der Glaubensernst der frühen Christen groß, sehr groß gewesen sein.
Denken Sie nur an die Verfolgungen, denen sie standhalten mussten und
auch standgehalten haben. Und eines ist damit klar. Der Aufruf des
Paulus sich in der Gemeinde einander anzunehmen. Dieser Aufruf des
Apostel Paulus war keine theologische Trockenübung. Dieser Aufruf war
notwendig, um den Gemeinden den richtigen Glauben an den Auferstandenen
zu vermitteln. Und er war notwendig, denn die Gemeinden brauchten Mut
machenden Zuspruch, Hilfe und Trost.
Liebe Gemeinde, das ist nun alles lange her. Warum sollen wir uns denn
heute in unserer Gemeinde einander annehmen? Heute, wo wir natürlich
nicht mehr die Situation haben, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus
lebensbedrohlich sein kann wie zu Zeiten des Apostel Paulus. Heute, wo
es den äußeren Zwang durch den vom Staat verordneten Atheismus wie in
der DDR nicht mehr gibt. In der heutigen freien Gesellschaft sind die
Kirche als Institution und der Glaube des einzelnen Christen keine
Feindbilder mehr. Wir können uns also ohne Probleme zu unserem Glauben
bekennen, ohne dass wir eine Beeinträchtigung zum Beispiel in der
beruflichen Entwicklung befürchten müssen. Gleichzeitig erleben wir
heute eine zunehmende Gleichgültigkeit von großen Teilen der
Gesellschaft gegenüber dem christlichen Glauben – zumindest in der
öffentlichen Wahrnehmung. Woher kommt diese Gleichgültigkeit? Warum wird
der christliche Glaube in unserer Wohlstandsgesellschaft immer weniger
ernst genommen?
Und auch das gehört dazu: In Ostdeutschland ist – außer im
Eichsfeld – heute die Anzahl der Kirchenmitglieder bezogen auf die
Gesamtbevölkerung so niedrig wie sonst nirgendwo in ganz Europa. Zum
Beispiel in Freiberg mit seinen 40.000 Einwohnern gibt es nur noch
6500 evangelische und 1100 katholische Kirchenmitglieder. Das
sind zusammengenommen 20 Prozent. Das ist für ostdeutsche
Verhältnisse ein guter Wert. Die evangelischen Gottesdienste in Freiberg
werden aber – abgesehen von Feiertagen und sonstigen Höhepunkten
im Gemeindeleben mit relativ gut besuchten Gottesdiensten –
durchschnittlich nur von 350 Personen besucht. Das sind nur
5 Prozent der Kirchenmitglieder und weniger als 1 Prozent der
Einwohner Freibergs. Bei diesen Zahlen kann nicht einmal im Advent
Freude aufkommen. 45 Jahre staatlich verordnete
Kirchenfeindlichkeit haben fast zu einer Entkirchlichung ganzer
Landstriche in Ostdeutschland geführt. Dass sich daran aber auch
20 Jahre danach wenig verändert hat, sollte uns schon zu denken
geben – zumal die Zahl der Kirchenmitglieder dem gesamtdeutschen
Trend folgend seit 1990 auch bei uns weiter abgenommen hat.
Für jede Gemeinde ergeben sich aus alledem ernste Fragen: Wie gehen wir
damit als Gemeinde um? Wie können wir es schaffen, dass wir trotzdem
eine Gemeinde bleiben, die eine Zukunft hat? Wie und wodurch können wir
zum Beispiel die Mitglieder der Gemeinde, die heute nur noch ihre
Kirchensteuer bezahlen, wieder stärker in die Gemeinde integrieren?
Wodurch lässt sich der Gottesdienstbesuch wieder verbessern?
Der heutige Predigttext sagt uns dazu: Nehmt einander an, so wie euch Jesus Christus angenommen hat.
Das heißt zum Beispiel: Wir sollen in der Gemeinde miteinander Trost in
Gottes Wort suchen. Wir sollen in Gottes Wort die Zuversicht finden,
dass Jesus Christus nicht nur unser Herr ist, sondern dass er es ist,
der unser Leben trägt. Und wir sollen uns in der Gemeinde einander noch
besser gegenseitig anerkennen. Für das gegenseitige Anerkennen reicht
das aus Kirchenkreisen bekannte brüderliche und schwesterliche Lächeln
nicht aus – so schön der freundliche Umgang miteinander ist. Aber
hier geht es um viel mehr, denn wir sollen uns bei aller
Unterschiedlichkeit tatsächlich gegenseitig anerkennen. Das gilt nicht
nur für Frau Meier und Frau Schulze, die sowieso miteinander befreundet
sind. Sondern das gilt für jeden von uns. Denken wir daran: Auch ein
Gemeindenachbar, der ganz anders ist als ich, ist von Gott genau so
gewollt wie ich selbst.
Paulus geht nun noch einen Schritt weiter: Wir sollen uns nicht nur
gegenseitig anerkennen, sondern – und das ist das eigentlich
Entscheidende: Wir sollen sogar einander annehmen. Eine Gemeinde ist
nicht nur eine Struktureinheit innerhalb der Evangelischen Landeskirche,
sondern Gemeinde heißt vor allem Gemeinschaft. Eine Fußballmannschaft
verbindet das Fußball-Spielen. Wir sind eine Gemeinschaft, die der
Glaube an den Auferstandenen verbindet. Kann es überhaupt ein stärkeres
Band für eine Gemeinschaft geben als ein ehrlicher und gemeinsam
gelebter Glaube? Und sollten wir das, was uns z. B. im Gottesdienst
verbindet, nicht auch den Gemeindegliedern sagen, die nicht mehr in den
Gottesdienst kommen, oder auch Freunden, die keiner Gemeinde mehr
angehören?
Paulus hat den Gemeinden vor fast 2000 Jahren gesagt: Nehmt einander in der Gemeinde an, so wie Euch Jesus Christus angenommen hat.
Gott, liebe Gemeinde, Gott hat uns angenommen. Genauer gesagt: Gott hat
jeden von uns angenommen. Jeder von uns kann sich von Gott angenommen
fühlen. Sollte sich dann nicht auch unser Nachbar in der Gemeinde von
uns angenommen fühlen können? Wollen denn nicht auch wir von unserem
Nachbarn in der Gemeinde angenommen werden?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Wort vom Kreuz • 1. Korintherbrief 1, 23-25
Predigt am 04.07.2021 • 5. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Das Kreuz, liebe Gemeinde, ist ein wichtiges Symbol für unseren Glauben. Denn das Kreuz steht für das Leiden und Sterben von Jesus am Kreuz und die Auferstehung von Jesus Christus. Deshalb wird bei allen Segenshandlungen, beim Abendmahl und vielem anderen ein Kreuz geschlagen. Um es auf den Punkt zu bringen: Eine Kirche ohne Kreuz ist keine Kirche. Hier in Petri sind es zum Beispiel das kleine Altarkreuz aus Metall, das große Holzkreuz in der Lutherhalle und die Christusfiguren von Friedrich Press, die uns ansprechen.
Auch im Alltag, zum Beispiel bei vielen von uns zu Hause oder auf vielen Grabsteinen, gehört das Kreuz dazu. Aber im öffentlichen Raum ist das Kreur bei uns nur noch selten zu sehen. Das war in früheren Jahrhunderten anders. Das Kreuz war ein Herrschaftssymbol geworden und wurde oft missbraucht – so auch in vielen Kriegen.
Ich frage uns: Woran denken wir, wenn wir ein Kreuz sehen oder wenn wir uns in ein Kreuz vertiefen? Was kommt uns dann in den Sinn? Macht uns ein Kreuz froh oder werden wir traurig? Kommen wir innerlich zur Ruhe? Und machen wir uns manchmal deutlich, dass das Kreuz an das Leiden und Sterben von Jesus erinnern soll? Und Letztendlich: Fragen wir uns manchmal, was das Kreuz für mich bedeutet?
Auch der heutige Predigttext aus dem 1. Korintherbrief handelt vom Kreuz. Paulus sagt uns dort: Wir aber verkündigen Christus als den Gekreuzigten, Den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit. Denen aber, die berufen sind, Juden und Nichtjuden, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.
Liebe Gemeinde, der auferstandene Christus, das ist der gekreuzigte Jesus. Um den geht es: Um Christus, den Gekreuzigten. Das ist die Kernbotschaft im Predigttext. Interessant ist auch, dass das Paulus nur 20 Jahre nach Jesu Tod aufgeschrieben hat. Das heißt zu einer Zeit, als es noch viele Zeitzeugen von Jesu Wirken und Sterben gegeben hat. Die Botschaft vom auferstandenen Christus war damals etwas, was sich vollkommen gegen den Zeitgeist gerichtet hat. Im Predigttext sagt uns denn Paulus auch ganz trocken: Das alles war den Juden ein Ärgernis, ein Skandal und Gotteslästerung. Und für die Nichtjuden, also die Heiden, war die Botschaft eine Torheit und Unsinn, ja blanker Unsinn.
Allerdings wurde dieser sogenannte „Unsinn“ im römischen Reich sehr schnell, sehr lange und sehr hart bestraft. Er ist also von den Herrschenden sehr schnell sehr ernst genommen worden. Dazu gehörte nicht zuletzt auch das Verächtlichmachen. Die älteste bildliche Darstellung vom Kreuz, die uns überliefert ist, stammt aus dem Jahr 125 nach Christus. Und das ist eine Karikatur. Denn dort hat der Gekreuzigte einen Eselskopf, der von einem Mann angebetet wird. Und darunter steht der Satz: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Lächerlicher kann man eine Botschaft und die darauf vertrauenden Menschen nicht machen. Es kommt hinzu, dass eine Kreuzigung damals bei Juden und Römern besonders ehrlos war.
Aber trotz der Verfolgungen, den Todesstrafen, dem Verächtlich-machen wurde Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit den Juden und Heiden gepredigt. Und das mit der Gewissheit, dass die göttliche Torheit weiser ist, als wir Menschen es sind, Und auch dass die göttliche Schwachheit viel stärker ist, als wir Menschen es sein können. Genauso, wie es Paulus im Predigttext geschrieben hat. Und das Wort vom Kreuz war erfolgreich. Auch wenn es lange gedauert hat und viele Opfer gekostet hat: 250 Jahre später war das Christentum die stärkste Religion im Römischen Weltreich geworden. Und der Glaube an Jesus ist eine Erfolgsgeschichte über die Jahrhunderte geblieben und wird es auch bleiben. Inzwischen gibt es heute 2,2 Mrd. Christen auf der Welt.
In vielen Ländern ist die Tendenz steigend. In Deutschland wird aktuell der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung leider kleiner. Und in Ostdeutschland ist der Anteil schon klein. Denn hier gehören 80% der Einwohner keiner Kirche mehr an. Viele Menschen können heute nichts mehr mit unserem Glauben anfangen. Und das Gefühl nimmt zu, dass der Mensch alles selbst in der Hand hat und regeln kann. So nach dem Motto: Wozu brauche ich einen Gott. Ich habe doch mich.
Weil das alles so ist, ist heute das Pauluswort vom Kreuz wieder sehr aktuell geworden - auch bei uns in Freiberg. Und dieses Wort richtet sich nicht zuerst an die Nichtchristen, die von Gott nichts mehr wissen wollen. Nein, das Wort vom Kreuz richtet Paulus zuerst an uns, die wir das Kreuz nicht als Unsinn oder Ärgernis ansehen. Wir sind es, die um des Glaubens willen um das Kreuz Jesu in uns ringen sollen. Wir sind es, die am Glauben an Jesus festhalten sollen. Und wir sind es, die diesen Glauben an Jesus als etwas Wertvolles für uns erkennen und begreifen sollen. Ich frage uns: Haben wir uns schon einmal bewusst gemacht, welchen Schatz wir da eigentlich in unseren Händen halten? Oder genauer gesagt in unserem Herzen tragen, in unserem Herzen tragen dürfen und in unserem Herzen auch tragen können – wenn wir es denn wollen.
Liebe Gemeinde, wir leben in einer Zeit, wo viele und uns vertraute Bindungen lockerer werden. Und wo uns Gewissheiten als Lebenshilfe tatsächlich oder gefühlt verloren gehen. Ich wünsche uns sehr, dass wir gerade dann im Vertrauen auf Jesus Christus einen Halt für uns finden. Denn in ihm zeigen sich die Kraft und die Weisheit Gottes. Wir haben es im Predigttext gehört. Und wir reden hier immerhin vom großen, ewigen Gott, der Himmel und Erde, ja das gesamte Universum geschaffen hat.
Sein Friede, der höher ist als alle unsere Vernunft, möge unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus bewahren. Amen
Über die Sanftmut • 1. Korintherbrief 4, 19-21
Predigt am 15.11.2021 • Andacht zur Friedensdekade • Petrikirche Freiberg
Ich werde aber bald zu euch kommen, wenn der Herr will. Dann werde ich diese Wichtigtuer nicht auf ihre Worte prüfen, sondern auf ihre Kraft. Denn nicht in Worten erweist sich die Herrschaft Gottes, sondern in der Kraft. Was zieht ihr vor: Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und im Geist der Sanftmut? (Einheitsübersetzung)
Paulus kündigt in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Korinth an, dass er sie besuchen wird. Dieser Besuch hat eine Vorgeschichte, denn Paulus hat diese Gemeinde gegründet, ist dann aber weiter gezogen, um auch in anderen Städten Gemeinden zu gründen. Und in dieser Zwischenzeit ist in der Korinther Gemeinde einiges durcheinander geraten. Im gleichen Brief an die Korinther ist zum Beispiel von Unzucht die Rede oder von einigen deren Behauptung, dass sich Paulus nicht mehr trauen würde, in die Gemeinde zu kommen. Im Predigttext kündigt nun Paulus an, dass er diese Wichtigtuer prüfen will. Und dabei interessiert ihn nicht ihr Gerede, sondern ob in ihrem Leben Gottes Kraft sichtbar wird. Denn – und nun kommt ein entscheidender Satz auch für uns: Nicht in Worten erweist sich die Herrschaft Gottes, sondern in der Kraft.
Falls nun Paulus zu uns kommen würde, was würde er denn dann zu uns sagen? Sind wir vielleicht auch Wichtigtuer? Könnte es sein, dass wir uns selbst am Wichtigsten und als Maßstab nehmen zum Beispiel gegenüber unserem Nachbarn, dem wir uns überlegen fühlen? Oder aber auch gegenüber Gott, den wir damit eigentlich nicht mehr so richtig ernst nehmen? Oder wenn wir Gott ernst nehmen und damit an Gottes Kraft glauben: Könnte es sein, dass wir dann zwar gut darüber reden können, aber nicht danach handeln? Würde uns Paulus also auch Schwätzer und Wichtigtuer nennen? Ich weiß, das sind böse Fragen. Paulus fragt ja nicht ohne Grund im Predigttext: Was zieht ihr vor: Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und im Geist der Sanftmut?
Das mit dem Stock war damals eine gängige brutale Strafe, die starke körperliche Schmerzen verursachte - also das ganze Gegenteil vom Geist der Sanftmut. Paulus nennt bewusst diesen Gegensatz und zeigt damit die große Spannweite, mit der Menschen handeln, die etwas erreichen wollen. Dass Paulus nicht zum Stock gegriffen hat, wissen wir. Denn wie sollte er damit eine Gemeinde aufbauen oder zur Ruhe bringen. Aber selbstverständlich ist das nicht gewesen. Das zeigen die vielen Beispiele, bei denen Menschen mit Gewalt zum Beispiel im Mittelalter zum christlichen Glauben gezwungen wurden.
Heute wissen wir, wie wichtig der Geist der Sanftmut ist – gerade dann, wenn es um den Frieden geht. Deshalb unser Beten zu Gott für Frieden auf dieser Welt, für Frieden vor unserer Haustür, für Frieden mit den Menschen, die uns nahe stehen oder mit denen wir zu tun haben. Wem für so etwas Sanftmut viel zu weich ist, dem sei gesagt: Sanftmut ist nichts für Feiglinge, denn Sanftmut hat viel mit Mut zu tun. Sanft-Mut, das ist der Mut zum Sanft-sein. Das heißt, mit Freundlichkeit, Ruhe und Güte etwas zu erreichen versuchen – zum Beispiel Frieden. Ein Gebet dafür ist ein guter Weg.
Lasst uns deshalb jetzt in der Stille und dann gemeinsam beten. Den Text für das gemeinsame Gebet finden Sie im evangelischen Gesangbuch Nr. 825.
O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,
dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,
dass ich verbinde, da, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,
dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,
dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass du mich danach trachten,
nicht, dass ich getröstet werde,
sondern dass ich andere tröste;
nicht, dass ich verstanden werde,
sondern dass ich andere verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde,
sondern dass ich andere liebe.
Denn wer da hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben.
Amen
Kampf für den Glauben • 1. Korintherbrief 9, 24+25
Predigt am 24.01.2016 • Septuagesimae • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, heute soll es endlich einmal um den Sport gehen. Sport
ist ein gutes Thema. Denn beim Sport kann – wie beim Wetter –
fast jeder mitreden. Sport ist beliebt bei denen, die selbst Sport
treiben, aber auch bei denen, die dabei zuschauen. Sport interessiert
viele Menschen. Sport verbindet. Und wer selbst Sport treibt, tut damit
in der Regel auch etwas für seine Gesundheit. Sport – genauer ein
Wettkampf – ist auch eine spannende Sache. Die beliebteste Sportart
ist heute Fußball. Hier sehen sich jedes Wochenende, an dem Fußball
gespielt wird, viele Menschen diese Spiele an. Bei den Spielen der
1. Bundesliga zum Beispiel sind in den Stadien 350.000 und am
Fernseher viele Millionen Zuschauer dabei – wie gesagt: An jedem
Wochenende.
Auch vor 2.000 Jahren hat der Sport die Menschen schon
interessiert. Und die Wettkämpfe schauten sich damals viele an –
auch ohne Fernsehen. Am beliebtesten war der Sport natürlich dort, wo
solche Wettkämpfe stattgefunden haben. In Griechenland zum Beispiel gab
es damals vier Sportspiele von landesweiter Bedeutung. Am bekanntesten
davon sind die olympischen Spiele, die in Athen stattfanden. Weniger
bekannt ist, dass es auch in Korinth solche Spiele gab. Es ist deshalb
kein Wunder, dass Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther auch
Begriffe aus dem Sport verwendet. um der Gemeinde in Korinth die Sache
von Jesus Christus nahezubringen.
Unser Predigttext aus der 1. Lesung, die wir vorhin gehört haben,
ist dafür ein Beispiel. Ich lese den Text nochmals in einer modernen
Übersetzung: Ihr kennt das doch: Von allen Läufern, die
im Stadion zum Wettlauf starten, gewinnt nur einer den Siegeskranz.
Lauft also so, dass ihr ihn gewinnt! Wer im Wettkampf siegen will, setzt
dafür alles ein. Ein Athlet verzichtet auf vieles, um zu gewinnen. Doch
wie schnell ist sein Siegeskranz verwelkt! Wir dagegen kämpfen um einen
unvergänglichen Preis.
Wenn es nicht um unseren christlichen Glauben ginge, der uns von Paulus
mit Begriffen des Sports nahegebracht werden soll, würde ich uns jetzt
ein kräftiges Sport-frei zurufen. Es geht aber um unseren Glauben, liebe
Gemeinde. Es geht sogar sehr um unseren Glauben. Es geht genauer darum,
wie wir am Glauben an Jesus Christus festhalten können. Was wir also
tun können und müssen, damit uns in einer zunehmend atheistischen
Umgebung unser Glaube nicht verloren geht. Das ist so, als ob einer wie
in einem Fluss von der Zeitströmung nicht mitgetrieben werden will. Was
er tun kann, ist das Schwimmen gegen die Zeitströmung. Und vielleicht
hat er Glück. Das Glück, sich an etwas festhalten zu können. Auf dem
Fluss könnte das zum Beispiel eine Boje sein.
Wir haben das Glück, dass wir uns an etwas festhalten können. Wir können
uns fest halten an dem, was uns Jesus gelehrt und vorgelebt hat. Nur:
Das Festhalten-können reicht nicht. Wir müssen uns schon
Festhalten-wollen. Und das ist ein Kraftakt – gegen unseren eigenen
Unglauben, unseren inneren Schweinehund und gegen den Strom der Zeit.
Dieser Kraftakt aber gelingt uns nur, wenn wir die dafür notwendige
Kraft, den Willen und die Ausdauer in uns aufbauen können. Und wenn wir
bereit sind, diese unsere Kraft, unseren Willen und unsere Ausdauer auch
einzusetzen – für unseren Glauben an den Jesus von Nazareth, in
dem Gott unter uns wohnte und immer noch wohnt.
Den Predigttext beginnt der Apostel Paulus mit der Aussage: Ihr kennt
das doch. Wir haben es gerade gehört. Damit will Paulus den Korinthern
und auch uns Mut machen. Und er will von der Gemeinde verstanden werden.
Deshalb keine wissenschaftliche Abhandlung. Er wird vielmehr den Leuten
aufs Maul geschaut haben – wie es Martin Luther genannt hat.
Deshalb also im Predigttext die Verkündigung der guten Botschaft von
Jesus Christus mit Hilfe der Sportsprache. Eine Sprache, die allen
vertraut ist und vertraut war.
Bei einem Wettbewerb im Sport ist die Sache klar: Einer gewinnt. Alle
anderen haben verloren. Aber kann das für die Gemeinde ein Modell sein?
Zur Erinnerung: Im Wettbewerb geht es darum, in der Gemeinde so gut es
geht, am Glauben fest zu halten. Dafür strengen wir uns als Gemeinde und
in der Gemeinde an. Hier sollen wir uns nicht nur anstrengen, sondern
wir wollen das auch. Das ist ein Wettbewerb, bei dem siegen alle, die
daran teilnehmen. Das heißt, es gewinnt nicht nur der Erste.
Wenn sie so wollen, ist das eine Art Mannschaftssport, bei dem die
gesamte Mannschaft – nämlich die Gemeinde – ins Ziel läuft.
Und da ist es gleichgültig, wer innerhalb der Mannschaft am schnellsten,
am stärksten ist. Denn in einer Gemeinde – auch bei uns –
sind die Gaben nicht gleich verteilt. Was uns eint, ist der Glaube an
den einen Gott, der durch unseren Jesus ein menschliches Gesicht
bekommen hat. Dieser Glaube eint uns – auch wenn der Glaube bei
jedem von uns ein bisschen anders und auch verschieden stark ist. Und
wer fühlt, dass sein Glauben nur schwach ist: Er gehört trotzdem zu uns
und das soll auch so bleiben.
Was uns in der Gemeinde auch eint, ist die Erfahrung, dass wir diesem
Gott trauen, ja vertrauen können und dass er unserem Leben einen Halt
gibt. Etwas, woran ich mich festhalten kann. Diesen Halt gibt es für
uns, für unser Leben. Es kommt nur auf uns an, dass wir an dem
Festhalten, was uns Halt geben kann. Und das geht nicht ohne
Anstrengung. Wir haben es schon gehört.
Nur was ist mit dem sich Anstrengen-sollen eigentlich gemeint? Gegen was
und gegen wen soll oder muss ich mich denn anstrengen. Gegen was und
wen muss ich vielleicht sogar kämpfen?
Es sind nicht andere, gegen die zu kämpfen ist – weder innerhalb
unserer Gemeinde, noch außerhalb unserer Gemeinde. Sondern wir sollen
gegen das kämpfen, was in uns steckt. Gegen das, was wir selbst bei uns
nicht gut finden. Gegen das, was auch andere an uns nicht gut finden.
Was das alles sein kann, ist uns bestens bekannt. Es geht um unsere
Schuld, um unseren Egoismus, um unsere Habsucht, um unsere
Gedankenlosigkeit, um unsere Lieblosigkeit, um unser geringes
Gottvertrauen. Was in uns an Bösem steckt, dagegen sollen wir kämpfen.
Und meistens gelingt uns das ja auch ganz gut. Auch unser Glauben an
Jesus Christus ist kein Selbstläufer, sondern wir – genauer jeder
von uns – muss sich diesem Glauben immer wieder neu nähern. Oder um
es mit einem Begriff aus dem Sport zu beschreiben: Für diesen Glauben
sollen wir kämpfen.
Aber, liebe Gemeinde, alles das lohnt sich: Es lohnt sich für unser
Leben auf dieser Welt, aber auch weit über unseren Tod hinaus. Denn
eines ist sicher: Wir bleiben fest in Gottes Hand. Denn wie heißt es im
dem Lied, das wir gleich gemeinsam singen werden:
Meinem Gott gehört die Welt, meinem Gott das Himmelszelt.
Ihm gehört der Raum, die Zeit, sein ist auch die Ewigkeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Viele Glieder ein Leib • 1. Korintherbrief 12, 12-14 und 26+27
Predigt am 24.10.2021 • 21. Sontag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Denn wie der Leib einer ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ein Glied.
Liebe Gemeinde, in der Bibel geht es, wenn vom Menschen geredet wird, meist um unseren Glauben oder Unglauben. Es geht um unsere Seele und um das, was uns Menschen ausmacht. Zum Beispiel unsere Barmherzigkeit und Liebesfähigkeit, oder aber unseren Egoismus und die Bosheit, die in uns steckt.
Heute wollen wir einmal über einen Leib oder Körper reden. Sie haben ganz richtig gehört: Es soll heute einmal um einen Leib oder Körper gehen. Und um das ganz anschaulich zu machen, fangen wir mit unserem Körper an. Das ist, wie wir alle wissen, ein unendliches Thema. Jeder weiß Bescheid, jeder kann mitreden. Dass jeder einen Körper hat, ist natürlich banal. Was nun nicht mehr banal Ist, sind 2 Dinge: Auf der ganzen Welt gibt es keinen einzigen Körper, der ganz genauso ist wie unser Körper. Und: Wir haben nur diesen einen Körper. Und der bleibt uns – hoffentlich – noch lange erhalten. Wie lange das sein wird, weiß niemand von uns.
Und da ist schon die Frage berechtigt: Was halten wir von diesem unseren Körper und wie gehen wir mit ihm und damit mit uns um. Und damit meine ich nicht nur den Sport, um fit zu bleiben, oder eine gesunde Ernährung. So gut beides ist: Wie und wie lange uns unser Körper erhalten bleibt und wir auf dieser Welt leben können, wissen auch wir modernen Menschen nicht. Obwohl wir ja sonst glauben, fast alles in der Hand zu haben.
Spannend und immer aktuell ist auch die Frage, ob und wie sehr wir mit unserem Körper mit unserem Leib zufrieden sind. Denn da wir auch äußerlich alle verschieden sind, sehen wir alle – Gott sei es gedankt – verschieden aus. Das und die Mode machen das Leben zwar bunter. Aber: Sind wir immer so richtig mit uns zufrieden? Ich vermute einmal, dass wohl jeder von uns etwas an sich auszusetzen hat – und damit meine ich nicht nur unser Äußeres.
Ja, so ist das Leben, liebe Gemeinde. Da ist es leichter, sich mit den Fakten unseren Körper betreffend zu beschäftigen. Und da will ich nur einen Fakt benennen, weil er heute noch eine Rolle spielen wird. Unser Körper hat viele Teile. Zum Beispiel vom Kopf bis zu den Gliedmaßen oder bei den inneren Organen vom Herz bis zum Gehirn. Wichtig ist nun, dass alle Teile eines Körpers gemeinsam und abgestimmt wirken müssen. Und was muss zum Beispiel nicht alles passieren, damit wir essen und trinken können. Oder: Wie viele Teile unseres Körpers sind mit eingebunden, wenn wir unsere Arme und Beine bewegen wollen.
Dass das alles schon zu Jesu Zeiten so war, versteht sich. Und damit komme ich zum heutigen Predigttext. Ich lese den Text auszugsweise in der Übersetzung der Basisbibel: die diesem Jahr erschienen ist. Der Apostel Paulus schreibt dort im 1. Brief an die Korinther im 12. Kapitel: Es ist wie beim menschlichen Körper: Er bildet eine Einheit und besteht doch aus vielen Körperteilen. Aber obwohl es viele Teile sind, ist doch ein einziger Leib.
Und: Wenn ein Teil in diesem Leib leidet, leiden alle anderen Teile mit. Und wenn ein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen Teile mit.
Wenn also Paulus davon spricht, dass etwas wie ein menschlicher Körper sein soll, dann will er uns mit Hilfe des menschlichen Körpers etwas anschaulicher und verständlicher machen. Also als einen Körper bestehend aus vielen einzelnen Körperteilen, die zusammen gehören, also eine Einheit bilden. Und die nicht nur miteinander verbunden sind, sondern auch als Teil des Körpers bzw. eines Leibes mit anderen Teilen leiden oder sich freuen. Das heißt: Dieser Leib ist wie der menschliche Körper aufgebaut und auch keine seelenlose Masse. Weil dass alles so ist, habe ich so viel zum und über unseren Körper gesagt.
Im Predigttext wird uns nun bezogen auf unseren Glauben das Folgende gesagt: So wie beim menschlichen Körper ist es auch mit Christus. Denn als wir getauft wurden, sind wir durch den einen Geist alle Teil eines einzigen Leibes geworden –egal ob wir Juden oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen waren. Und wir sind alle von dem einen Heiligen Geist erfüllt worden.
Paulus fasst das zum Schluss in einem entscheidenden Satz zusammen: Ihr seid nun und deshalb der Leib von Christus! Jeder Einzelne von euch ist ein Teil davon.
Was heißt das nun und was heißt das nun alles für uns?
Der Leib Christi ist sowohl die Kirche als Ganzes als auch jede einzelne Kirch-gemeinde. Zu diesem Leib Christi gehören alle, die durch die Taufe Glieder dieses Leibes geworden sind und die an Jesus Christus glauben. Und auch wenn das in das in der katholischen Kirche etwas anders gesehen wird: Zu diesem Leib gehört auf der Welt die gesamte Christenheit. Und Jesus, liebe Gemeinde? Jesus ist natürlich bei seinem Leib dabei. Oder anders gesagt: Zum Leib Christi gehört natürlich auch Jesus Christus selbst und damit die Gemeinschaft mit ihm und das nicht nur beim Abendmahl. Das kann auch gar nicht anders sein, denn wir sind ja die Glieder seines Leibes.
Und hier vor Ort? Auch unsere Gemeinde ist ein Leib Christi und wir sind die Glieder dieser Gemeinde. Oder wie der Name schon sagt: Wir sind die Gemeindemitglieder. Und Jesus ist immer mit dabei: Als Mahner, als Dulder oder eben als Der gute Hirte, der seine Schafe nicht im Stich lässt.
Nicht nur hier im Gottesdienst, sondern bei jedem von uns. Das steht nicht nur im Predigttext, sondern das hat uns Jesus selbst zugesagt.
Deshalb frage ich uns: Wie ist das mit unserer Gemeinde und in unserer Gemeinde? Ist uns Gemeindemitgliedern Petri-Johannis wichtig? Interessiert uns, was in unserer Gemeinde läuft? Oder: Fühlen wir uns wohl in unserer Gemeinde? Und fragen wir uns manchmal, was wir für unsere Gemeinde tun könnten. Oder für Mitglieder unserer Gemeinde, denen es nicht so gut geht wie uns? Diese Fragen sollten wir mit nach Hause nehmen und einmal in unseren Herzen bewegen. Und damit meine ich nicht nur unsere Kirchenvorsteher.
Im Monatsspruch aus dem Hebräerbrief wird uns dazu mit auf den Weg gegeben: Lasst uns in unserer Gemeinde aufeinander achthaben und einander Mut machen zur Freundschaft und zu guten Werken. Wenn wir das ernstnehmen, ist dem wenig hinzuzufügen. Denn: Voreinander Achtung haben, miteinander Freundschaft suchen und gemeinsam etwas Gutes tun. Das würde uns selbst und auch unserer Gemeinde gut tun.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Das Hohelied der Liebe • 1. Korintherbrief 13, 4-7
Predigt am 19.02.2023 • Estomihi • St. Johanniskirche Freiberg
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu und sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles.
Woran, liebe Gemeinde, denken wir, wenn wir das Wort Liebe hören? Werden wir sofort hellwach? So, als wenn uns ein Sonnenstrahl trifft? Oder so, als wenn es um uns plötzlich im ganz wörtlichem Sinne hell wird? Eine Helligkeit, die uns nicht blendet, aber uns vieles in einem anderen Licht sehen lässt?
Oder ist es bei uns so, dass wir beim Wort Liebe auf Durchgang schalten. Das wir also das Wort nicht an uns heran lassen wollen. Wer das an sich erlebt, ist meist arm dran. Er ist arm dran, weil er beim Thema Liebe zum Beispiel an etwas erinnert wird, was ihn einmal sehr weh getan hat. Aber es gibt auch Menschen, die sind noch ärmer dran. Sie sind noch ärmer dran, weil sie entweder nie Liebe erfahren haben. Oder aber, weil sie - wie es in der Literatur treffend heißt - ein steinernes Herz haben. Sie sind deshalb arm dran, weil lieben dürfen und lieben können einfach etwas Schönes ist. Etwas, das uns gut tut.
Es hat schon seinen Grund, warum zum Beispiel im Fernsehen neben den vielen Krimis und Katastrophenmeldungen auch das Thema Liebe vorkommt. Es ist schön zu sehen, wie und wenn sich zwei Menschen in Liebe einander gefunden haben. Aber wir können auch sehen, was passiert, wenn diese Liebe erkaltet. Und oft ist das eine Liebe, die doch einmal so sicher schien. Jeder Mensch, liebe Gemeinde, braucht Liebe. Liebe, die er jemand schenken kann, und Liebe, die ihm geschenkt wird. Weil das alles so ist, gibt es in uns immer eine Sehnsucht nach Liebe – egal, ob es uns gerade gut geht oder aber auch nicht gut geht.
Auch in der Bibel ist die Liebe natürlich ein großes Thema. Und dazu haben wir heute als erste Lesung etwas besonders Schönes gehört, nämlich das Hohelied der Liebe. Der Apostel Paulus hat das in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth beschrieben. Dieses Hohelied der Liebe gehört in der Bibel zu den besonders beliebten Stellen. Der französische Schriftsteller Saint Exupéry hat dazu einmal gesagt: „Das Hohelied der Liebe bringt uns in Berührung mit unserer Sehnsucht nach Liebe. Den Worten des hl. Paulus wohnt eine Kraft inne, die Liebe in uns wecken kann.“
Ein Teil des Hoheliedes der Liebe ist nun auch unser Predigttext. Ich lese diesen Teil noch einmal in der Sprache Martin Luthers: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu und sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
So schön, so harmonisch und aufbauend. kann Liebe sein. Unser Leben wird nicht bequemer, sondern reicher, wenn Liebe bei uns ist. Aber nicht nur bei uns, sondern auch für uns und mit uns, und vor allem auch durch uns. Das heißt doch aber: Beim Thema Liebe sind wir nicht nur angenehm berührte oder gerührte oder auch zornige Zuschauer oder Zuhörer. In unserem Leben und in unserem Alltag sind wir die Akteure. Akteure, die mit Liebe und ohne Liebe auskommen müssen. Und Akteure, die eigentlich Liebe senden sollen und die auch bereit sein sollen, die Liebe anderer anzunehmen.
Was hier das Hohelied der Liebe verlangt, ist allerdings viel. Das sagen uns moderne Übersetzungen des Predigttextes noch deutlicher als Martin Luther. Zum Beispiel in der Neuen Genfer Übersetzung wird uns die Liebe wie folgt beschrieben:
Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid. Sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit.
Ich frage uns: Schaffen wir das alles und das auch in unserem Alltag, in unserem täglichen Miteinander? Für uns, liebe Gemeinde, wird es schwierig, denn in uns wohnt nicht nur die Fähigkeit zu lieben, sondern auch das Böse, unsere Neigung zur Sünde. Albert Schweitzer, der Theologe, Arzt und Menschenfreund hat dazu einmal gesagt: „Alles, was wir an Sünde erleben, ist Mangel an Wahrhaftigkeit oder Mangel an Liebe.“ Und in der theologischen Fachliteratur können denn auch lesen, dass das Hohelied der Liebe ohne Einschränkungen nur Jesus erfüllt. Jesus, der ohne Sünde war und dessen Liebe zu uns ohne Grenzen ist.
Das alles ist richtig und für uns wichtig. Aber das ist für uns kein Grund, sich nun zufrieden und entspannt zurück zu lehnen - so nach dem Motto: Was solls, ich kann das sowieso nicht schaffen. Aber: In unserem Alltag mit seinen Höhen und Tiefen ist nämlich schon viel gewonnen, wenn wir uns vornehmen, geduldig, taktvoll und freundlich zu sein. Oder wenn wir nicht immer nur Recht haben wollen. Oder wenn wir wenigstens versuchen, unseren Neid klein zu halten. Und zu alledem gehört natürlich auch, dass wir anderen auch einmal etwas verzeihen.
Das alles fällt uns natürlich viel leichter, wenn wir uns mit jemand gut verstehen. Und wenn sich zwei Menschen wirklich lieb haben, dann kann sich sogar das erfüllen, was auch im Hohelied der Liebe steht und noch zum Predigttext gehört. Ich zitiere: Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles. Oder mit anderen Worten gesagt: Wenn ich jemand lieb habe, dann vertraue ich ihm. Ich glaube an ihn und daran, dass er mich nicht belügt. Ich nehme ihn an so wie er ist. Und schließlich: Wenn ich wirklich jemand lieb habe, dann hoffe ich auf ihn und darauf, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben.
Das Thema Liebe hat nun – wie wir wissen – noch eine ganz andere Dimension. Denn Jesus sagt uns im Johannesevangelium: Ein neues Gebot gebe ich euch:
Liebt euch untereinander, so wie ich euch geliebt habe. Daran knüpft Paulus in seinem Römerbrief an und sagt uns: Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat. Interessanterweise ist dieser Vers von Paulus ein beliebter Hochzeitsspruch geworden.
Wäre das nicht auch etwas für uns? Nicht nur für eine Hochzeit, sondern ganz einfach auch für unseren Alltag? Denn das Einander-annehmen, das Aneinander-festhalten, das Aufeinander-zugehen und das Einander-anerkennen: Das brauchen wir alle. Und das alles hat viel mit Liebe zu tun. Mit unserer Liebe, die wir anderen schenken, aber auch mit der Liebe, die uns geschenkt wird – von anderen Menschen, aber auch von Jesus Christus.
Und weil das alles so ist, bewahre der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Unser zu Hause • 2. Korintherbrief 5, 1–5
Predigt am 16.11.2014 • Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, wie wichtig ist uns unsere Kleidung? Oder wie wichtig
ist uns unser Zuhause, das heißt, unsere Wohnung oder das Haus, in dem
wir wohnen? Sie werden zu Recht sagen: So eine dumme Frage. Natürlich
ist uns beides wichtig: Kleidung und Wohnung. Denn jeder von uns will
sich in seiner Kleidung – also in dem, was er anhat – und in
seiner Wohnung wohlfühlen. Wir wollen es gemütlich und bequem haben.
Jetzt in der kalten Jahreszeit soll auch alles genügend warm sein. Zum
Wohlfühlen gehört natürlich auch, dass wir uns selbst und anderen
gefallen, dass wir chic und modern aussehen, dass alles gut sitzt –
von den Schuhen bis zur Frisur. Schließlich wissen wir: Kleider machen
Leute. Und unsere Wohnung soll natürlich nicht nur uns, sondern auch
denen gefallen, die uns besuchen kommen. Wer zeigt nicht gern das, was
er hat und was er kann. Von der schönen Vase bis zum selbstgebackenen
Kuchen.
Tja, und in diesen schönen Alltag kommt dann plötzlich etwas, womit wir
nicht gerechnet haben und was wir auch gar nicht gebrauchen können. Eine
Krankheit oder ein Todesfall. Sie kennen das alle. Und plötzlich sind
die materiellen Dinge, die uns umgeben, nicht mehr das Wichtigste. Sie
werden auf jeden Fall unwichtiger. Und das gilt umso mehr, wenn es uns
selbst trifft. Eine schwere Krankheit oder die Ahnung, dass auch unser
Leben ein Ende haben wird. Wenn wir erleben müssen, wie ein uns lieber
Mensch stirbt. Wenn wir nicht wissen, wie es dann weitergehen
soll – mit dem Sterbenden und mit uns. Der Predigttext für diesen
Sonntag hat uns zu all dem viel zu sagen. Aber hören Sie selbst:
2. Brief des Apostel Paulus an die Korinther, Kapitel 5, die
Verse 1 bis 5: Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus,
diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut,
ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum
seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung,
die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und
nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind,
seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet,
sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen
werde von dem Leben. Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der
uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
Im Predigttext, den wir gerade gehört haben, geht es um die irdische und
um die himmlische Hülle für uns. Und es geht um die Sehnsucht des
Menschen nach der himmlischen Hülle. Als Bilder für diese Hüllen werden
die Bilder vom Haus und der Kleidung verwendet. Irdische und himmlische
Hüllen. Hüllen, die unsere Nacktheit bedecken. Hüllen, die uns
beschützen. Und doch: Welch ein Unterschied. Hier unsere irdische Hütte,
die wir uns selbst gebaut haben und die uns nach unserem Leben auf
dieser Erde keinen Schutz mehr bieten kann. Und unsere irdische
Kleidung, die uns nach dem Tod nicht mehr umhüllen und bekleiden kann.
Und dort ein Haus, nicht von Menschenhand gemacht, sondern von Gott. Ein
Haus, das immer da ist, das sogar ewig ist. Ein Haus, das uns Schutz
und Hülle bietet über unseren Tod hinaus.
Es geht also um nichts Geringeres, als um unser Leben hier auf dieser
Welt und um das, was kommt, wenn wir gestorben sind. Und, liebe
Gemeinde, es geht auch um das Sterben selbst. Das alles berührt uns
sehr. Das trifft uns im Kern. Es macht uns unruhig und wir haben auch
Angst davor. Denn wenn wir sterben – und wir werden alle
sterben – dann ist tatsächlich für uns hier auf Erden alles vorbei.
Dann wird unser irdisches Haus abgerissen – um bei dem Bild des
Predigttextes zu bleiben. Was bleibt, ist die Erinnerung an den
Verstorbenen und an das, was sein Leben bestimmt hat, also seine
irdische Hülle. Ich denke mir: Die Erinnerung an den Verstorbenen ist
wichtig. Sei es am Grab, sei es beim Blättern im Fotoalbum, beim
Erzählen alter Geschichten, beim liebevollen Gedenken. Wir haben das
alle schon erlebt.
Aber, und das ist nun entscheidend und die frohe Botschaft für diesen
Sonntag: Wenn auf der Erde von uns auch nur die Erinnerung an uns und
unser irdisches Haus geblieben ist, im Himmel erwartet uns ein Haus, von
Gott gebaut. Ein Haus, das ewig ist, wie es im Predigttext heißt. Was
uns über den Tod hinaus also bleibt, ist eine Hülle, die uns schützt bis
an das Ende aller Zeit. Unser Schutz ist die Geborgenheit in Gottes
Haus, genauer unsere Geborgenheit durch die Nähe Gottes in seinem Haus.
Weil an oder in unserem irdischen Haus oft nicht alles in Ordnung ist,
haben wir schon heute oft Sehnsucht nach der himmlischen Wohnung. Nicht
weil wir sterben wollen, damit die himmlische Wohnung schnell unsere
Heimat wird. Sondern: Weil die gleiche himmlische Wohnung schon heute
unsere innere Zuflucht sein kann – wenn wir sie in unserem
irdischen Haus, für unser Leben brauchen. Wir müssen es nur wollen, das
himmlische Haus. Wer das will, der braucht nur in dieses himmlische Haus
zu gehen. Oder wie es Martin Luther im Predigttext übersetzt hat: Der braucht sich nur von der Behausung, die vom Himmel ist, überkleiden zu lassen.
Das heißt nichts anderes, als dass wir uns Gott anvertrauen. Dass wir
Gott nahe sein wollen. Nicht ohne Grund begleitet uns schon das ganze
Jahr die Losung: Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Was wir dafür tun können, wissen wir alle. Es ist zum Beispiel das
„Gebet und das gerechte Tun“, wie es Dietrich Bonhoeffer zusammengefasst
hat. Und wie das aussehen kann, haben wir heute im Evangelium von Jesus
Christus gehört. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von
diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Das heißt doch
aber: Was wir anderen, also unseren Nächsten oder anderen Bedürftigen,
in Gedanken, Worten und Werken antun. Was wir aus Gedankenlosigkeit,
durch Geiz oder unsere Hartherzigkeit anderen, die unsere Hilfe
brauchen, vorenthalten, das entfernt uns von Gottes Haus, das heute und
hier schon für uns bereitsteht.
In Gottes Haus wohnen, das ist für jeden von uns ein innerer
Zufluchtsort. Und das eigentlich vollkommen unabhängig davon, ob wir in
unserem irdischen Haus glücklich oder unglücklich sind. Ich denke mir:
Jeder, der diese Zuflucht sucht, der ist nahe bei Gott. Er ist vor allem
dann nahe bei Gott, wenn er über seinem eigenen Glück oder Unglück das
Schicksal anderer nicht vergisst. Der heutige vorletzte Sonntag im
Kirchenjahr ist ein guter Anlass, an die vielen Menschen auf der Welt zu
denken, denen es nicht so gut geht wie uns. Ich nenne nur ein aktuelles
Beispiel: Durch Kriege und andere Katastrophen sind gegenwärtig über
16 Millionen Menschen auf der Flucht oder leben notdürftig in
großen Flüchtlingslagern. Diese Menschen haben ihr zu Hause, ihre
irdische Wohnung verloren. Oft konnten sie nur ihre Kinder und das
retten, was sie tragen konnten. Sie kennen die Bilder alle aus dem
Fernsehen. Hören wir also auf das, was uns unser Herr Jesus Christus
dazu im heutigen Evangelium gesagt hat und hören wir auf das, was uns
unser eigenes Gewissen dazu sagt. Gottes Haus und Schutz wird dann
jedenfalls bei uns sein: Heute und über unseren Tod hinaus.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom fröhlichen Geben • 2. Korintherbrief 9, 6–15
Predigt am 19.09.2010 • Erntedankfest • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 5. Kapitel des 2. Korintherbriefes: Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät,
der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch
ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat,
nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott
lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei,
damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid
zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112, 9):
„Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in
Ewigkeit.“ Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird
auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte
eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben
in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der
Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab,
sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn
für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im
Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer
Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie
sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott
aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe.
Wir feiern heute Erntedankfest. Erntedankfest. Das ist ganz wörtlich zu
nehmen. Es geht um die Ernte. Es geht um unseren Dank dafür. Und: Dieses
Danken soll ein Fest sein. Es soll ein Fest sein, weil wir für die
Ernte nicht nur danken wollen, sondern darüber auch froh und fröhlich
sein dürfen. Was eben ein Fest so ausmacht. Ich bin jedenfalls dankbar,
dass unsere Gemeinde heute Erntedank feiert, dass wir mit Liedern und im
Gebet Gott Dank sagen und dass wir daran auch unsere Kinder teilhaben
lassen.
Aber: Was nehmen wir denn davon mit nach Hause? Heute jedenfalls
wahrscheinlich das, was die Kinder dazu basteln und malen. Aber seien
wir ehrlich: Ist denn das Ernten – eine gute oder zumindest normale
Ernte – jedes Jahr bei uns nicht eine Selbstverständlichkeit
geworden? So eine Selbstverständlichkeit, dass wir dabei schnell wieder
zum Alltag übergehen können oder gleich beim Alltäglichen bleiben? Im
Mittelalter war das ja bei den damaligen technischen Möglichkeiten noch
ganz anders. Und das gilt erst recht für die Zeit, in der Jesus gelebt
hat, und auch für die Zeit, in der die Erfahrungen mit Jesus
aufgeschrieben wurden.
Ja, so sind wir: Alles, was uns jedes Jahr durch eine Ernte neu
geschenkt wird, ist für uns ganz selbstverständlich geworden. Das
betrifft nicht nur unser tägliches Brot, sondern auch frisches Obst,
Gemüse oder Blumen, um nur einige Beispiele zu nennen. Und das alles
gibt es heutzutage nicht nur in der Zeit, in der das bei uns geerntet
werden kann, sondern das ganze Jahr über.
Wer denkt schon noch darüber nach, dass davon vieles inzwischen per
Flugzeug aus aller Welt zu uns kommt. Und das zum Teil aus Ländern, in
denen viele Menschen selbst nicht genug zum Essen haben. Länder, in
denen oft für einen Hungerlohn das geerntet wird, was wir dann bei uns
besonders preisgünstig einkaufen können.
Und trotz der DDR-Erfahrung, die viele von uns haben: Heute ist es
natürlich auch selbstverständlich, dass alle Lebensmittel bei uns im
Überfluss vorhanden sind und in ausreichender Menge in jedem Supermarkt
für uns bereitliegen. Und da liegt ja auch zum Beispiel nicht irgendein
Käse, sondern wir können oft aus mindestens 20 Sorten auswählen.
Und wehe, es fehlt einmal der Käse, auf den wir gerade Appetit haben.
Selbstverständlich? Das ist eben gerade nicht selbstverständlich.
Während wir unsere Einkaufswagen im Supermarkt füllen, leben zur
gleichen Zeit auf dieser Welt Millionen von Menschen in bitterer Armut.
Und viele von ihnen haben nicht einmal genug zum Essen für sich und ihre
Kinder. Aber das ist ja alles weit weg von uns. Und im Fernsehen kommen
zwar die großen Katastrophen dieser Welt vor – was an und für sich
richtig ist, aber: Um etwas über die tägliche Armut und den Hunger in
dieser unserer Welt ganz konkret zu erfahren, muss ich mich schon sehr
gezielt informieren.
Wie viele das tun, weiß ich nicht. Ich befürchte, dass es mehr sein
könnten – auch in unserer Gemeinde. Wussten Sie zum Beispiel, dass
15 Prozent der Weltbevölkerung nicht genügend zum Essen hat und
dass das fast eine Milliarde Menschen sind? Damit wir uns nun nicht
falsch verstehen: Auch bei uns gibt es Armut. Nicht jeder kann sich
seinen Einkaufswagen so füllen, wie er das gerne möchte und wie es ihm
eigentlich zu wünschen wäre. Aber hungern muss bei uns niemand. Das
Gesagte soll und will uns nun nicht unseren mehr oder weniger gefüllten
Einkaufswagen verleiten. Aber, gerade der Erntedank-Gottesdienst, besser
noch der Erntedank-Sonntag, wären ein guter Anlass dafür, hier
wenigstens ein bisschen inne zu halten.
Wir haben es im Predigttext gehört: Gott gibt Samen für die Aussaat und Brot zur Nahrung.
Wo bleibt eigentlich unsere Freude darüber, dass wir genug Brot zur
Nahrung haben? Wie sehr danken wir eigentlich Jesus dafür, dass bei uns
heute niemand mehr Hunger leiden muss? Warum ist unsere Bitte um das
tägliche Brot so kraftlos geworden? Im Vaterunser, das uns Jesus beten
gelehrt hat, heißt es nicht: Mein tägliches Brot gib mir heute. Nein,
wir sollen beten: Unser tägliches Brot gib uns heute. Das heißt doch
gerade, dass wir – die wir täglich satt werden – nicht nur für
uns beten sollen. Denn Jesus will, dass alle Menschen auf dieser Welt
genügend zum Essen haben.
Von Gott das tägliche Brot für alle zu erbitten, heißt doch auch: Wir
sollen dafür das unsere tun, damit diese Bitte an Gott für alle Menschen
in Erfüllung geht. Und an dieser Stelle wird der Predigttext, den wir
vorhin gehört haben, sehr konkret. Ich meine den Aufruf des Paulus an
die Gemeinde in Korinth, sich an einer Spende für die Armen in der
Jerusalemer Gemeinde zu beteiligen. Paulus sagt sehr deutlich, dass
Gottes Gaben für uns reichlich fließen. Und zwar so reichlich, dass wir
davon Anderen, Bedürftigen, etwas abgeben können. Und dann kommt der
entscheidende Satz, mit dem Paulus ein Achtungszeichen setzt: Wenn
wir etwas geben, sollen wir das fröhlichen Herzens tun. Denn – so
der Apostel Paulus – Gott liebt denjenigen, der freudigen Herzens
gibt. Freudigen Herzens geben: Das ist kein bloßes Herausrücken
von etwas, was ich – eigentlich – gar nicht hergeben will. Und
dabei kommt – ganz innen – in uns der Geiz hoch. Und leider
ist dieser Geiz umso größer, je mehr wir besitzen.
Der Aufruf an uns, etwas mit fröhlichem Herzen zu geben, ist keine
moralische Keule. Er ist vielmehr eine Hilfe, um mit unserem Geiz, mit
unserem Egoismus, besser fertig zu werden. Denn freudigen Herzens geben
ist die Freude darüber, dass ich überhaupt etwas abgeben kann. Das ist
die Freude darüber, dass etwas von mir, von meinem Besitz, anderen
helfen kann. Und das ist nicht zuletzt die Freude darüber, dass
überhaupt jemand etwas von mir will. Das ist keineswegs so
selbstverständlich wie es klingt. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang
schon einmal fragen: Wie ist das eigentlich, wenn niemand mehr etwas
von mir haben will? Wenn ich für andere nicht mehr nützlich sein kann?
Wie fühlt sich das an, wenn sich für meine Gaben überhaupt niemand mehr
interessiert? Wenn ich also mit meinem materiellen Reichtum allein
gelassen werde?
Geben mit einem fröhlichen Herz braucht auch kein Publikum und keinen
öffentlichen Beifall. Wenn ich etwas freudigen Herzens tue, wenn mir
dabei froh ums Herz wird, dann hat das seinen Lohn in sich. Nämlich das
Gefühl, neben dem vielen Unsinn, den ich jeden Tag verzapfe, etwas Gutes
zu tun. Gutes für andere zu tun, tut auch uns selbst gut. Wer also mit
dem Herzen gibt, der wird dadurch nicht ärmer. Im Gegenteil: Er wird
dadurch reicher. Beide werden reicher: Der der gibt, und der, der
beschenkt wird. Ärmer wird tatsächlich nur der, der nicht mit dem Herzen
gibt. Es lohnt sich also, gegen unseren Geiz etwas zu tun.
Dabei sind wir als diejenigen, die wir uns zu Jesus Christus bekennen,
in einer komfortablen Situation. Denn Jesus, der für uns Mensch geworden
und für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist – Jesus liebt den
fröhlichen Geber.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gott ist in den Schwachen mächtig • 2. Korintherbrief 12, 9
Predigt am 12.02.2012 • Sexagesimae • Petrikirche Freiberg
Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im 2. Brief an die Korinther
im 12. Kapitel. Der Apostel Paulus berichtet darin über
Offenbarungen des Herrn, die er empfangen hat, und über seine eigene
Schwachheit. Konkret soll es heute um Vers 9 in diesem Kapitel
gehen, denn dort spricht Gott der Herr zu Paulus: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
So hat es Martin Luther übersetzt. Und falls ihnen das irgendwie sehr
bekannt vorkommt, liegen Sie vollkommen richtig. Denn in diesem Vers ist
die Jahreslosung enthalten, die da lautet: Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das ist nicht ohne Grund die
Losung für 2012, das heißt für ein ganzes Jahr, denn: Das ist ein großes
Thema und es ist ein weites Feld. Und die Jahreslosung provoziert
natürlich auch die Frage: Warum ist Gottes Kraft gerade in den Schwachen
mächtig? Müssen wir also schwach sein oder müssen wir erst schwach
werden, damit sich Gottes Stärke zeigen kann? Oder: Wirkt Gottes Kraft
umso stärker, je schwächer wir sind? Es wird also über Gottes Stärke und
unsere Stärke zu reden sein. Oder um beim Predigttext zu bleiben: Hier
geht nicht um unsere Stärke – auch nicht um unsere Stärken. Sondern
es geht um unsere Schwächen oder ganz allgemein um unsere Schwachheit.
Schwachheit: Was muss ich mir darunter vorstellen? Schwach sein: Was
heißt das eigentlich? Sie werden jetzt denken: Na ja, das ist mir
eigentlich klar: Wenn jemand schwach ist, dann wird es ihm nicht gut
gehen. Das kann zum Beispiel eine Krankheit sein oder eine Krise oder
ganz einfach ein Unwohlsein. Ein sich eben schwach fühlen. Oft gestehen
wir uns ja auch zu, einfach schwach gewesen zu sein – ohne uns
eigentlich schwach zu fühlen. Das gilt zum Beispiel für eine
Schulaufgabe oder eine Prüfungsleistung im Studium, die ich schlechter
gelöst habe, als ich es eigentlich könnte. Oder das betrifft mein
normales Arbeitspensum, das ich heute nicht geschafft habe, obwohl das
sonst kein Problem für mich ist. Schwachheit gibt es natürlich auch auf
dem Jahrmarkt der menschlichen Eitelkeiten – nur im umgekehrten
Sinne: Hier wird Stärke vorgetäuscht, wo gar keine Stärke vorhanden ist.
Hier wird gnadenlos auf den Putz gehauen und geblufft – ohne dass
eine Leistung dahinter steht.
Und dann gibt es ja noch die vielen Beispiele, bei denen ich eigentlich
gar nicht schwach bin. Ich bin nur schwächer gewesen als jemand anders,
mit dem ich mich gemessen habe. Das einfachste Beispiel ist hier der
sportliche Wettkampf: Der Zweite ist hier schwächer als der Erste –
ganz egal, was dieses Schwächer-sein verursacht hat. Aber so sind wir:
Aus Schwächer-sein machen wir schwach sein. Zum Schwach-sein gehört auch
das Schwach-werden. Zum Beispiel das Schwach-werden, weil ich Angst
habe: Angst vor einer Operation. Angst vor einer neuen Aufgabe, die ich
mir nicht zutraue. Oder Angst davor, dass mir irgendetwas passiert oder
auch nur passieren könnte.
Und noch etwas ganz anderes gehört zum Schwach-sein oder Schwach-werden
dazu: Nämlich unsere großen und kleinen Lügen, unser verbotenes Tun. Das
heißt, dazu gehören auch unsere Sünden in Gedanken, Worten und Werken,
die wir täglich begehen.
Nun sagt uns der heutige Predigttext: Gottes Kraft ist in den Schwachen
mächtig. Sie können alle Beispiele hernehmen, die ich für das
Schwach-sein, das Schwächer-sein oder das Schwächer-werden genannt habe.
Allen Beispielen ist eines gemeinsam: Die Nähe, unsere besondere Nähe
zu Gott. Denn wann und in welchen Situationen suchen wir denn ganz sehr
die Nähe zu Gott und beten wir besonders inbrünstig zu Gott? Ist es
nicht dann, wenn wir Angst oder Schmerzen haben oder wenn wir ganz
einfach Mist gebaut haben? Wann fällt uns denn als einzig erkennbarer
Ausweg noch das Stoßgebet ein? Oder wenn wir das Schwach-werden, das
Schwach- oder Schwächer-sein überwunden haben? Ist es dann nicht ein
Dankgebet, in dem und mit dem wir Gott ganz nahe sein wollen und auch
nahe sind? Es stimmt schon: Gott ist in den Schwachen mächtig.
Bisher haben wir viele Beispiele gehört, in denen das Wort „schwach“ für
uns negativ besetzt ist – auch wenn wir Gott dann ganz nahe sein
möchten. Aber Schwäche hat nun noch eine ganz andere Seite. Gemeint sind
alle Situationen, in denen wir aus
Liebe schwach werden oder schwach sind. Ein bekanntes Beispiel dafür ist
die Geschichte vom kaukasischen Kreidekreis: Zwei Frauen kommen mit
einem Kind zu einen Richter und behaupten, dass sie die Mutter des
Kindes wären. Der Richter lässt einen Kreis zeichnen, in den sich das
Kind stellen muss. Die beiden Frauen sollen außerhalb des Kreises
bleiben, sich aber gegenüberstellen und das Kind anfassen. Eine Frau
nimmt also die linke Hand und die andere Frau die rechte Hand des
Kindes. Die Aufforderung des Richters lautet nun: Jeder versuche das
Kind auf seine Seite zu ziehen, um zu sehen, welches die Mutter des
Kindes ist. Und so passiert es. Das Kind war ganz schnell auf die Seite
der linken Frau gezogen worden. Die rechte Frau hatte das
Nachsehen – denn sie war schwach gewesen und hatte das Ringen um
das Kind verloren. Eigentlich hatte sie überhaupt nicht an dem Kind
gezogen. Der Richter war nicht nur klug, er war auch weise: Die Mutter,
so entschied er, ist die Frau, die das Tauziehen verloren hatte. Sie
musste deshalb die Mutter sein, weil sie aus Liebe zu ihrem Kind schwach
war, weil sie aus Liebe ihrem Kind nicht wehtun wollte.
Schwach-sein aus Liebe: Das heißt, im Alltag auch einmal nachgeben zu
können, nicht immer Recht haben zu wollen, nicht den starken Max zu
spielen, bereit sein etwas her zugeben, bereit sein etwas aufzugeben.
Das heißt, auf alles zu verzichten, was wir sonst stark nennen
würden – außer im Umgang mit einem geliebten Menschen. Das ist
Schwachheit um der Liebe willen. Und das ist genau das, was uns Jesus
gelehrt und vorgelebt hat. Schwach sein aus Liebe. Dann ist Gott uns
ganz nah. Oder wie es in der Jahreslosung steht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Liebe Gemeinde, zum richtigen Verständnis der Jahreslosung müssen wir
nun noch einen Schritt weitergehen. Bei Luther heißt es nämlich nicht
nur: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, sondern der gesamte Satz lautet: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Das heißt, die Kraft Gottes, die in den Schwachen mächtig ist, diese
Kraft hat direkt etwas mit Gottes Gnade zu tun. Oder wie es in der
Einheitsübersetzung heißt: Meine Gnade erweist ihre Stärke in der Schwachheit.
Vieles, was wir erleben und was uns wehtut, dafür gibt es keinen Sinn
und wir haben oft auch keine Antwort darauf, warum das so ist. Das gilt
bei Liebeskummer und Einsamkeit, bei körperlichen Schmerzen oder der
Trauer um einen geliebten Menschen, den wir verloren haben, oder für
Situationen, in denen wir versagt haben – um nur einige Beispiele
zu nennen. Und wir erleben es immer wieder, dass sich unsere Wünsche
nicht erfüllen, obwohl wir Gott so sehr darum bitten.
Nur: Gibt es nicht auch vieles, was für uns in Erfüllung gegangen ist
und in Erfüllung geht? Haben wir nicht alle schon einmal Gottes Gnade
fühlen können – gerade auch dann, wenn wir schwach waren oder aus
eigener Kraft nicht mehr weitergekommen sind? Sind wir in einer
Angstsituation nicht auch schon einmal plötzlich ganz ruhig geworden?
Haben wir nicht manchmal das Gefühl, etwas zu bekommen, was wir gar
nicht verdient haben? Es trifft zu: Gottes Handeln bleibt für uns
unergründlich und Gott steht auch nicht zu unserer Verfügung. Aber, und
das ist nun entscheidend: Gott sagt uns nicht, dass wir von ihm keine
Gnade erwarten dürfen. Sondern Gott sagt zu uns: Lass dir an meiner
Gnade genügen. Und das ist etwas ganz anderes.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Gerecht durch Glauben • Galaterbrief 2, 16–21
Predigt am 19.08.2012 • 11. Sonntag nach Trinitatis • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief des Apostel Paulus an die Galater im 2. Kapitel: Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch
Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an
Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen,
damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch
Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch
gerecht. Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden
suchen, auch selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus
ein Diener der Sünde? Das sei ferne! Ich werfe nicht weg die Gnade
Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist
Christus vergeblich gestorben.
Dieser Galaterbrief gehört zu den ältesten Paulusbriefen überhaupt.
Anlass des Briefes war die alarmierende Nachricht an Paulus, dass in den
galatischen Gemeinden judenchristliche Missionare aufgetreten waren.
Das wäre an und für sich kein Problem gewesen. Aber: die Missionare
lehrten den Heidenchristen nicht nur den Glauben an den auferstandenen
Jesus, sondern forderten auch die Einhaltung der jüdischen Gesetze, die
aus dem Alten Testament abgeleitet waren. Also nicht nur die Einhaltung
der 10 Gebote, sondern auch die Einhaltung von weiteren, jüdischen
Vorschriften für den Alltag von der Beschneidung bis hin zu
Speisegesetzen. Das verwirft Paulus als Irrlehre
Die Kernbotschaft aus unserem Predigttext lautet nun: Der Mensch wird
nicht durch Werke des Gesetzes gerecht, sondern durch den Glauben an
Jesus Christus. Wir müssen uns also wie Paulus fragen: Wann ist ein
Mensch vor Gott gerecht. Oder modern gesprochen: Was macht mich zu einen
von Gott anerkannten, geliebten Menschen. Diese Frage des Anerkennens
wird heute vielleicht anders gestellt, ist aber ganz aktuell. Auch wenn
dabei von Gott weniger die Rede ist. Dafür stellt sich die Frage umso
mehr, wenn es im Alltag um das eigene Leben geht. Das heißt, wenn es um
die Schule, um den Beruf, um die Familie, um die Gemeinde oder um meine
Freunde geht. Hier stellt sich wahrscheinlich jeder die Frage: Wann und
wodurch bin ich im Leben anerkannt? Was muss ich tun, um geliebt zu
werden? Oder wie kann ich mich wenigstens beliebt machen?
Zwei Antworten von Kindern, die mir erzählt wurden, sind hier
aufschlussreich. So sagt der 10jährige Christoph: „Natürlich muss ich
eine Menge lernen, wenn ich später im Beruf etwas erreichen will.
Gesundheit und ein guter Zusammenhalt in der Familie sind mir wichtig.“
Und die 12jährige Marianne meint: “Mir ist klar, dass ich in der Schule
etwas leisten muss, wenn ich einen guten Beruf haben will. Ich finde ein
gutes Verhältnis zu meiner Familie wichtiger als tolle Geschenke.“
Diese zwei Beispiele zeigen uns: Schon Kinder haben begriffen, dass es
in Schule und Beruf um Leistung geht. Und interessant ist auch: Im
gleichen Atemzug wird die Sehnsucht nach Geborgenheit und Zuneigung
genannt.
Wir leben insgesamt in einer Leistungsgesellschaft. Wer hier an vielen
Stellen richtig anerkannt sein will, muss schon viel mitbringen. Auch
dazu ein Beispiel: Ich zitiere dazu aus einer Stellenanzeige für meinen
Beruf. Sie bringen mit: Eine fundierte akademische Ausbildung;
kostenbewusstes Denken und Handeln; drei Jahre Berufserfahrung;
Begeisterung, Teamfähigkeit und Eigeninitiative; physische und
psychische Belastbarkeit; Flexibilität bei Änderung des Arbeitsortes;
sicherer Umgang mit der englischen Sprache. Wie gesagt: Das ist ein ganz
normales Beispiel für das, was erwartet wird, um eine bestimmte
Arbeitsstelle zu erhalten. Oder allgemeiner gesprochen: Was mitzubringen
ist, um anerkannt zu werden. Also Leistungsfähigkeit, Ausbildung,
Aussehen, Gesundheit und Jugend.
Weniger anerkannt sind in der Arbeitswelt, aber auch in der Gesellschaft
insgesamt die vielen anderen: Die, die in Schule oder Beruf versagen
oder schon einmal versagt haben. Die, die nicht so schick und schön
sind. Die, die eine angeknackste Biografie haben. Die, die irgendwann
einmal schuldig geworden sind. Und manchmal sind es auch die Älteren
oder Alten, die nicht mehr in den Jugendwahn der Gesellschaft passen.
Paulus sagt nun, dass die Welt Gottes anders funktioniert. Gerecht im
Sinne von anerkannt ist man bei Gott nicht durch Geld, Macht, Reichtum
oder Erfolg. Gott streckt allen seine Hand weit aus und hält sie allen
hin, die sie ergreifen möchten. Entscheidend ist nun, ob wir diese im
übertragenen Sinne ausgestreckte Hand Gottes auch ergreifen wollen.
Dieses unser Ergreifen-wollen von Gottes ausgestreckter Hand und das
Vertrauen darauf, dass uns das Festhalten an Gottes Hand durch alle
Widrigkeiten des Lebens hilft: Das ist der Glaube, von dem Paulus
spricht. Oder um unseren Predigttext zu zitieren: Nicht
durch Werke des Gesetzes, sondern durch den Glauben an Jesus Christus
werden wir gerecht vor Gott, können wir vor Gott bestehen.
Aber wie ist das nun mit den Werken des Gesetzes? Muss ich die
10 Gebote noch einhalten, wenn ich an Jesus Christus glaube? Kann
ich die Hände jetzt in den Schoß legen? Kann ich ein Nichtsnutz sein
oder auf Kosten anderer leben? Muss ich mir keine Gedanken über meine
Zukunft machen? Brauche ich mich nicht um meine Kinder oder Enkel zu
sorgen? Oder brauche ich erst recht nichts für Andere zu tun. Ich könnte
hier noch viele Fragen nennen. Aber Sie wissen natürlich: Ich soll
gerade als Christ meine Hände nicht in den Schoß legen. Ich soll nicht
ohne Not auf Kosten anderer leben. Und ich soll natürlich für andere da
sein. Und Jesus hat uns auch ganz eindeutig gesagt: Die 10 Gebote
von Mose bleiben bestehen und sollen eingehalten werden. Das heißt, ich
soll nicht töten, ich soll nicht ehebrechen, ich soll nicht lügen, ich
soll nicht stehlen usw. Das alles ist wichtig, reicht aber nicht aus, um
vor Gott gerecht zu werden. Um das zu erreichen – wir haben es
schon gehört – brauchen wir den Glauben an Jesus Christus.
Denn nur wer an Jesus glaubt, der glaubt auch – um ein Beispiel zu
nennen – an sein Liebesgebot. Und dieses Liebesgebot von Jesus, das
er uns gelehrt und vorgelebt hat: Dieses Liebesgebot hebt die 10 Gebote
nicht auf, sondern hebt die 10 Gebote auf eine neue Stufe. Das heißt
doch aber: Ich halte ein Gebot nicht nur ein, weil ich muss. Sondern ich
halte ein Gebot ein, weil es für richtig halte oder weil es mir ein
Bedürfnis ist. Dazu ein Beispiel: In den 10 Geboten heißt es, Du sollst
nicht ehebrechen. Ich breche mit Jesu Liebesgebot die Ehe nicht, weil
ich Angst habe, erwischt zu werden. Sondern ich breche meine Ehe ganz
einfach deshalb nicht, weil ich meine Frau lieb habe und mir Mühe gebe,
dass das so bleiben kann.
Nun kann Liebe oder Zuneigung zwischen zwei Menschen nicht verordnet
werden, aber der Glaube an das Liebesgebot von Jesus sollte uns
wenigstens innehalten lassen. Jesus selbst sagt uns dazu: Was ihr den
Geringsten unter meinen Brüdern angetan habt, dass habt ihr mir angetan.
Daran sollten wir manchmal denken, wenn wir wieder einmal einem Anderen
richtig wehgetan haben oder ihm wehtun wollen. Und immer dann, wenn wir
gesündigt haben in Gedanken, Worten oder unseren Taten: Immer dann
wünsche ich uns, dass wir uns auch im Alltag Zeit zum Nachdenken und zum
Gebet nehmen. Und ich wünsche uns auch, dass wir uns dann an die
ausgestreckte Hand Gottes erinnern. Sie werden merken: Das ist wie ein
kleiner Neubeginn. Ein Neubeginn, der uns gut tut.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Einer trage des anderen Last • Galaterbrief 6, 1–5
Predigt am 25.09.2022 • 15. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid. Und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht gegenüber einem andern. Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen.
Heute, liebe Gemeinde, soll es einmal um eine Last gehen. Um eine Last, die getragen werden muss oder getragen werden soll – und zwar von uns. Und natürlich auch eine Last, die wir tragen wollen. Um das anschaulicher zu machen, beginne ich ganz einfach mit einer Last, die wir sehen können. Soll eine solche Last mit ihrem Gewicht von uns angehoben oder getragen werden, gibt es 2 Möglichkeiten: Ist die Last für uns leicht, ist das für uns eine leichte Übung. Aber ist die Last schwer, dann kann diese Last für uns tatsächlich eine Last werden. Beispiele aus dem Alltag kennen wir alle: Das Schleppen von Einkaufstaschen, das Anheben eines Möbelstückes oder das Treppensteigen. Das Thema Last oder schwere Last gilt aber auch zum Beispiel bei einer Anstrengung, um etwas zu erreichen. Oder dem Auftrag, etwas zu schaffen. Oder dem Zwang etwas erfüllen zu müssen.
Die Anzahl der Sprichwörter zum Thema Last ist groß. Und meist steckt dahinter viel Weisheit. Aber hören Sie selbst dazu einige wenige Beispiele: „Nicht alles, was schwer ist, hat Gewicht.“ Oder: „Das Schwere trägt sich leichter, wenn wir es in beide Hände nehmen oder auch andere mit anfassen.“ Und zum Gegenteil dazu sagt der Volksmund schon von alters her: „Wer sich immer das Tragen abnehmen lässt, der kann sich leicht verheben.“
Sie merken schon: Hier geht es nicht nur um das Gewicht eines Gegenstandes, sondern um etwas viel Wichtigeres. Es geht um die Last, die wir im Inneren, in uns, durch uns und mit uns zu tragen haben. Diese Lasten in uns lassen wir uns oft nicht anmerken und werden deshalb nach außen auch nicht sichtbar. Und trotzdem drücken sie uns wie eine Last, die jeder sieht. Auch dazu zwei Sprichwörter: „Die größte Last kann manchmal nur ein paar Worte wiegen“. Oder: „Die größte Last ist, sich selbst zur Last zu fallen.“
Etwas Treffendes zur Last, die wir mit uns oder andere mit sich herumtragen, steht auch im Brief des Apostel Paulus an die Galater im 6. Kapitel. Wir haben den Text vorhin als erste Lesung gehört und er ist gleichzeitig der Predigttext. Paulus hat uns dort auch zwei Sätze aufgeschrieben, die sind so wichtig und bekannt, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes sprichwörtlich geworden sind. Der erste Satz lautet: Einer trage des anderen Last. Und der zweite Satz: Ein jeder wird seine eigene Last tragen.
Beides, liebe Gemeinde, sind Aufforderungen an uns, die es in sich haben. Martin Luther hat das nicht ohne Grund unter die Überschrift gestellt: Mahnung zur Brüderlichkeit. So eine Mahnung ist nicht ein fröhliches Schulterklopfen in dem Sinne: Komm schon, mach mal. Luther selbst hat dazu gesagt: „Die Nöte dieses Lebens fordern von uns, dass wir unserem Nächsten Gutes tun und für ihn beten. Darum leben wir ja auf Erden beieinander, damit einer des anderen Last trage.“
Wir in Deutschland leben zum Glück nicht in so einer Not und leiden nicht unter so einer Last, wie sie Luther damals im 16. Jahrhundert erlebt hat. Aber, liebe Gemeinde, auch wenn wir unter keiner wirklichen Not leiden müssen: Angst davor haben wir schon, dass es uns schlechter gehen wird. Auch vielen unter uns. Wir erleben, wie Gas und elektrischer Strom knapp und sehr teuer werden und das tägliche Leben insgesamt teurer wird. Diese Angst und das teurer werdende Leben sind eine Last. Ich frage uns: Wie gehen wir mit dieser Last um. Sind wir bereit, die Last anderer mit zu tragen? Und sind wir dazu auch dann noch bereit, wenn wir selbst auf etwas verzichten müssen? Wenn wir also diese Last tragen müssen?
Das war auch vor fast 2.000 Jahren nicht viel anders, als Paulus seinen Brief an die Galater geschrieben hat. Sein Brief, in dem unser Predigttext steht, ist so aktuell wie damals. Er ist nicht nur aktuell, sondern er betrifft uns auch direkt. Ich lese uns deshalb den Text noch einmal in einer modernen Übersetzung:
Wenn sich jemand zu einem Fehltritt verleiten lässt, sollt ihr, die ihr euch von Gottes Geist führen lasst, ihm voll Nachsicht wieder zurechthelfen. Dabei muss aber jeder von euch auf sich selbst achtgeben, damit er nicht auch in Versuchung gerät. Helft einander, eure Lasten zu tragen! Auf diese Weise werdet ihr das Gesetz erfüllen, das Christus uns gegeben hat[. Wer sich jedoch einbildet, er sei etwas Besonderes – obwohl er in Wirklichkeit nichts ist –, der belügt sich selbst. Vielmehr soll jeder sein eigenes Tun überprüfen! Dann kann er sich mit dem rühmen, was er selbst tut, und muss sich nicht mit anderen vergleichen. Jeder hat nämlich seine ganz persönliche Last zu tragen.
Es geht also im ganz wörtlichen Sinne um unsere Hilfe für andere und um unsere Nachsicht gegenüber anderen. Das Einer trage des anderen Last heißt auch, dass wir einander helfen, unsere Lasten zu tragen. Jeder von uns hat trotzdem eine eigene ganz persönliche Last zu tragen. Das kann eine persönliche Notlage sein, die Krankheit oder der Verlust eines mir lieben Menschen. Aber oft ist es auch eine Last, die wir uns selbst aufbürden, weil wir uns immer wieder in Versuchung führen lassen, weil wir uns oft selbst belügen und weil wir uns gegenüber anderen oft etwas einbilden. Aber auch das ist oder wird eine Last für uns, wenn wir anderen nicht helfen wollen. Das wird eine Last für uns, da sich unser Gewissen melden wird, weil uns das nicht helfen wollen innerlich ärmer macht. Und weil es uns nicht egal sein kann und meist auch nicht egal ist, was Jesus von uns will.
Paulus bringt das im Predigttext auf den Punkt: Helft einander, eure Lasten zu tragen! Auf diese Weise werdet ihr das Gesetz erfüllen, das Christus uns gegeben hat. Hier will ich uns nur an Jesu Geschichte vom barmherzigen Samariter erinnern. Oder an die Seligpreisungen, wo uns Jesus sagt. Seid barmherzig, dann werdet ihr auch Barmherzigkeit erlangen.
Liebe Gemeinde, bei der Erfüllung dieses seines Gesetzes hilft uns auch wieder Jesus, denn durch ihn dürfen wir beten: Vaterunser im Himmel, bitte vergib uns unsere Schuld. Mit dieser Bitte lässt sich viel von unserer Last abtragen. Und wenn wir die nächste Bitte im Vaterunser ernst nehmen: Nämlich. bitte hilf uns denen zu vergeben, die schuldig an uns geworden sind. Wenn uns das gelingt, tragen wir tatsächlich auch des anderen Last. Und Jesus ist es auch, der uns zugesagt hat: Kommt alle her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Die Mühseligen und Beladenen: Das sind die – auch unter uns, die unter einer Last leiden und denen sich deshalb Jesus besonders zuwendet – wie auch den Schwachen, Armen und Kranken
Ich freue mich, dass wir heute im Gottesdienst etwas besonders Schönes erleben dürfen, nämlich eine eiserne Hochzeit. Eiserne Hochzeit feiern, das heißt 65 Jahre gemeinsame Zeit in Freud und Leid erlebt und gelebt zu haben. Sie – verehrtes Ehepaar Walde – haben in dieser langen Zeit erfahren dürfen, welch große Lebenshilfe das Einer trage des anderen Last sein kann.
Und der Friede Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Der Herrscher über die Welt • Epheserbrief 1, 20b–23
Predigt am 29.05.2014 • Himmelfahrt • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, Der Predigttext für diesen Himmelfahrt-Feiertag steht im Epheserbrief im 1. Kapitel, in den Versen 20–23: Durch seine Kraft hat Gott Jesus Christus
von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über
alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen
hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und
alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum
Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der
alles in allem erfüllt.
Himmelfahrt – genauer Jesu Himmel-Fahrt. Woran denken wir, was
kommt uns in den Sinn bei den Worten Himmel und Fahrt. Das Fahren ist
anders als zu Jesu Zeiten heute für jeden von uns selbstverständlich und
alltäglich geworden: Sei es mit dem Bus, mit einem Schiff, mit der
Bahn, mit dem eigenen Auto. Bei dem Wort Himmel fällt mit mir zunächst
der nächtliche Sternenhimmel ein. Beim Betrachten fühle ich etwas von
Gottes guter Schöpfung, zu der das alles gehört. Aber für uns hat das
Wort Himmel noch eine ganz andere Bedeutung: Denn wenn wir sehr
glücklich sind, dann fühlen wir uns wie im 7. Himmel. Und natürlich
ist das „Himmelhoch jauchzend“ das genaue Gegenteil von „zu Tode
betrübt.“
Auch für unseren Glauben ist der Himmel etwas ganz Besonderes. Jesus hat
uns nicht ohne Grund zu beten gelehrt: Vater unser, der du bist im
Himmel. Und zu unserem Glauben gehört nicht nur das Bekenntnis, dass
Jesus von den Toten auferstanden ist, sondern dass er auch aufgefahren
ist in den Himmel. Nur, wie habe ich mir das vorzustellen? Gibt es hier
ein Bild, woran sich unsere Vorstellungskraft festhalten kann? Zum
Beispiel mit Weihnachten verbinden wir das Bild von der Krippe im Stall
oder mit Karfreitag das Leiden und das Kreuz Jesu Christi. Und der
Himmel: Ist der Himmel ein Ort oder ist er nur ein Gefühl? Und: Ist der
Himmel in unserem Glauben etwas, was tatsächlich existiert?
Dieser Himmel in unserem Glauben: Der existiert tatsächlich und ist
nicht nur eine Einbildung. Allerdings hat dieser Himmel nichts mit dem
Weltall, nichts mit dem Mond, der Sonne und den vielen anderen Sternen
zu tun. Den Himmel, in den Jesus aufgestiegen ist, das ist kein
bestimmter Ort und das ist auch kein umgrenzter Raum. Deshalb können wir
ihn nicht mit dem Fernrohr sehen und auch nicht mit einem Flugzeug oder
einer Rakete erreichen. Trotzdem ist dieser Himmel über uns. Denn der
Himmel, in den Jesus aufgestiegen ist, der umgibt uns von allen Seiten.
Wie Jesus Christus, wie Gott.
Wenn also die Bibel berichtet, Jesus sei in den Himmel aufgefahren, dann
sollten wir uns das nicht naturwissenschaftlich als Überwindung der
Schwerkraft mit den Jüngern Jesu als Zeugen ausmalen. Jesus Christus,
der sanft nach oben entschwebt, bis er hinter den Wolken verschwindet:
Das war schon damals nur ein Bild. Ein Bild, das einigermaßen hilflos
etwas beschreiben will, was eigentlich nicht beschreibbar ist. Wie die
Himmelfahrt geschieht, das ist und bleibt ein Geheimnis des Glaubens.
Genauso wie die Auferstehung Jesu. Beides ist für unseren Verstand nicht
greifbar und macht deshalb auch vielen Christen das Glauben-können
schwer. Hier will ich uns aber daran erinnern: Nirgendwo in der Bibel
wird uns gesagt oder im Glaubensbekenntnis von uns verlangt, wie ich mir
die die Himmelfahrt vorzustellen habe. Im Evangelium für diesen
Sonntag, das wir vorhin gehört haben, steht denn auch nur: Und
es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen
Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit
großer Freude.
Die Jünger Jesu beten ihn als Jesus den Christus an. Jesus Christus,
unser Herr, der in das Reich Gottes eingegangen ist. Jesus ist bei Gott.
Und Jesus ist und bleibt mit seinem Einzug in das Reich Gottes auch bei
uns – jetzt und für alle Zeit. Himmelfahrt ist also kein
Abschiedsfest, bei dem Jesus sich sozusagen von uns verabschiedet.
Sondern Himmelfahrt ist im Gegenteil ein Fest der Gegenwart Christi.
Denn durch die Himmelfahrt erfüllt sich, was Jesus damals seinen Jüngern
versprochen hat: Ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt.
Von alledem spricht auch der Predigttext für diesen
Himmelfahrt-Feiertag. Die zentrale Botschaft dieses Predigttextes an uns
lautet: Jesus Christus sitzt nicht nur zur Rechten Gottes im Himmel,
sondern er ist auch eingesetzt über alle und allem in der Welt. Oder wie
es an anderer Stelle des Predigttextes formuliert ist: Gott hat alles
unter seine Füße getan. Das heißt aber nicht mehr und nicht weniger:
Jesus Christus ist der Herrscher über die gesamte Welt. Und dazu werden
uns Beispiele genannt, über die Jesus Christus herrscht: Länder,
Herrscher, Mächte. Alles, was einen Namen hat. Die gesamte Erde, das
Weltall, alle Tiere und Pflanzen und natürlich die Menschen.
Jesus Christus herrscht über allem? Hier wird unserem Glauben viel
abverlangt. Denn wir erleben täglich das Gegenteil: Blanke Gewalt gegen
Einzelne oder ganze Völker, Hunger, Armut, Ungerechtigkeiten im Großen
wie im Kleinen. Vieles wäre hier – leider – noch anzuführen.
Es ist unsäglich, was der Mensch anderen antun kann und auch antut. Doch
erinnern wir uns: Jesus von Nazareth hat den Menschen damals und auch
uns heute zum Beispiel in der Bergpredigt gesagt, was wir tun sollen und
wie wir miteinander umgehen sollen. Das war und ist unbequem, aber es
war und ist zu unserem Besten. Und er hat es uns vorgelebt. Aber
gezwungen dazu hat Jesus niemanden. Nicht aus Schwachheit, sondern weil
er uns lieb hat.
Auch die Gott-Herrschaft von Jesus Christus über die gesamte Welt nach
seiner Himmelfahrt zwingt uns nichts auf, sondern lässt uns aus Liebe zu
uns unseren freien Willen. Nicht nur im Allgemeinen, sondern bei jedem
von uns. Er legt damit unsere Entscheidung für das Gute oder das Böse in
unsere eigenen Hände. Für unser Denken, unser Reden und unser Tun jeden
Tag und in jeder Situation. Das heißt das Böse, das auf der Welt
passiert, ist nicht von Jesus Christus gewollt.
Die Herrschaft von Jesus Christus über die Welt betrifft nun auch die
christlichen Kirchen in der Welt. Unser Predigttext nennt dazu das, was
wir alle kennen: Die Kirche ist Christi Leib und er ist das Haupt seiner
Kirchen. Er bestimmt weltweit den Geist jeder christlichen Kirche und
jeder christlichen Gemeinde. Und das auch heute bei uns in diesem
Gottesdienst. Luther sagte dazu in einer Predigt vor fast
500 Jahren: „Wo ist Christus? Hier bei uns ist er. Und im Himmel
sitzt er, um uns nah zu sein.“ Ich wünsche uns diese Nähe zu Christus.
Denn Gott, Jesus Christus, nahe zu sein, das ist unser Glück. Und das
ist unsere Hoffnung.
Unser Predigttext sagt uns nun auch, dass Jesus Christus nicht nur in
dieser uns bekannten jetzigen Welt herrscht, sondern auch in der
zukünftigen Welt. Das heißt in einer Welt, die außerhalb unserer
jetzigen Erfahrung liegt, die aber für uns die Zukünftige ist. Was uns
dort erwartet, wissen wir nicht. Was wir aber glauben können: Der Gott
mit dem menschlichen Gesicht wird da sein, so wie er als der ewige Gott
immer da ist – überall und bis an das Ende aller Zeit. Und seine
Nähe zu uns wird auch dann unsere Hoffnung sein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut • Epheserbrief 5, 1–5
Predigt am 06.11.2016 • Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr • Petrikirche Freiberg
So folgt nun Gottes Beispiel als die
geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt
hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu
einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder
Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die
Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen
euch nicht an, sondern Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein
Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind
Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
Liebe Gemeinde, Vollkommen sein, ohne Fehl und Tadel, vollkommen ohne
Sünde. Das wäre doch was. Und das immer, zu jeder Zeit, zu jedermann.
Und zwar jeder, zum Beispiel jeder von uns: Kein Egoist. Immer liebevoll
und hilfsbereit, aufmerksam und rücksichtsvoll, anständig, treu,
gewissenhaft, verlässlich, kein Angeber, nicht neidisch auf Andere,
nicht lügen, sondern immer die Wahrheit sagend. Und nicht zuletzt: Ein
gutes Herz haben und barmherzig sein. Ganz Vieles wäre hier noch zu
nennen. Und ich bin mir sicher: Auch Ihnen wird dazu – zum Gut
sein – noch ganz viel einfallen. Johann Wolfgang von Goethe hat es
seinen Zeitgenossen ins Stammbuch geschrieben: „Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut.“ Das würde er wahrscheinlich auch uns heute sagen.
Auf jeden Fall hätte er allen Grund dazu.
Und unser „immer gut sein zu wollen, unser immer gut zu sein“, das
klingt auch gut. Vielleicht würde damit sogar unser Leben leichter: Ich
könnte immer jedem treu in die Augen blicken, weil ich – frei von
jeder Sünde – natürlich auch immer reinen Herzens wäre. Ich müsste
auch kein schlechtes Gewissen mehr haben, weil ich wieder einmal in
Gedanken, Worten oder Werken gesündigt habe. Und nicht zu vergessen: Wir
müssten nie mehr Angst haben, dass uns jemand irgendetwas Böses tut.
Denn die anderen sind ja auch alles Gute. Ohne Ausnahme. Deshalb würde
auch niemand mehr von uns etwas verlangen, was wir nicht leisten können.
Niemand würde uns wehtun. Aber auch wir würden niemandem mehr wehtun.
Mit all dem würde unser Leben leichter. Wir haben es schon gehört. Aber
würde unser Leben damit auch reicher? Oder wird unser Leben ärmer, wenn
alle Menschen immer nur gut wären – und das ohne Ausnahme, zu jeder
Zeit? Natürlich sollen und wollen wir gut sein. Aber doch nicht immer
und ohne Ausnahme. Und – Gott sei es gedankt – wir sind auch
nicht so, immer nur gut. Dabei wäre es für Gott, unseren Schöpfer, ein
Leichtes gewesen, uns so zu formen, dass wir immer nur gut sind.
Gott hat uns dafür etwas viel Größeres, etwas viel Wertvolleres
geschenkt: Er hat unsere Entscheidung für das Gute oder für das Böse in
unsere Hände gelegt. Das heißt doch aber: Gott hat uns die Freiheit
gegeben, dass wir in jeder Situation selbst entscheiden können, was wir
denken, was wir reden, was wir tun. Natürlich ist Gott für das Gute in
uns und für das Gute von uns – von uns für andere. Aber Gott zwingt
uns das Gute nicht auf, sondern er will, dass wir uns selbst dafür
entscheiden. Ich muss uns nicht sagen, wie wir nun eigentlich sind. Wie
das bei uns ist mit der Entscheidung für das Gute, mit unserer Trägheit
des Herzens, mit unserem Egoismus, mit unserer Geilheit nach verbotenen
Dingen, mit unserer Sucht nach Ruhm und Geld. Natürlich will Gott, dass
wir uns nicht immer nur für das Böse in uns und das Böse, dass wir
anderen antun, entscheiden. Gott will nicht, dass wir in unseren Lügen
versinken. Gott ist es mit uns, mit unseren Sünden sehr ernst. Mit
unserer offenen oder heimlichen Hinwendung zum Bösen.
Wir wissen es: Allein haben wir es schwer gegen unseren Ego. Aber es
gibt Hilfe. Hilfe aus dem Glauben. Hilfe, die uns das Gute zeigt. Und
Hilfe, die uns das Gute näher bringt. Hilfe, die uns ermahnt. Deshalb
die 10 Gebote. Deshalb das Gebot, den Nächsten lieben wie uns
selbst. Und deshalb die Chance, durch die Bitte um Vergebung immer
wieder von Neuem anfangen zu können. Die eigentliche Hilfe für uns ist
Jesus und unser Gewissen. Es ist Jesus, der uns erzählt und vorgelebt
hat, wie sich etwas zum Guten in uns wenden kann. Es ist Jesus, der aus
Liebe zu uns in den Tod gegangen ist. Als sich dann nach Jesu Tod und
Auferstehung die ersten Gemeinden bildeten, glaubten sie fest daran,
dass es Gott selbst war, der in Jesus Christus bei uns war und immer bei
uns bleiben wird. Und damit musste es ja mit dem Menschen besser
werden.
Aber es zeigte sich bald: Der Mensch hatte sich kaum verändert. Und er
brauchte weiterhin sowohl Zuwendung als auch Verbote. Das
5. Kapitel des Epheserbriefes ist dafür ein gutes Beispiel.
Auszugsweise steht dort in einer modernen Übersetzung: Nehmt
euch Gott zum Vorbild. Ihr seid doch seine geliebten Kinder. Euer
ganzes Leben soll von der Liebe bestimmt sein. Denkt daran, wie Christus
uns geliebt und sein Leben für uns gegeben hat.
Dem, liebe Gemeinde, ist nichts hinzu zu fügen. Denn das bringt alles
auf den Punkt. Und es sagt uns genau das, was ich vorhin als Hilfe
benannt habe. Als eine Hilfe gegen unser Verführtwerden durch das Böse
und unser Schuldigwerden durch das Böse, das leider im Menschen
schlummert – auch in uns.
Nach allem, was wir wissen, sind die Christen in den Gemeinden im
1. Jahrhundert sehr zusammen gerückt. Die äußere Gefahr bis zur
Todesstrafe und die befreiende Lehre von Jesus Christus waren ein
starkes Band und einte alle in der Gemeinde. Vor Gott waren alle gleich,
Mann und Frau, Jung und Alt. Das wurde gelebt und deshalb auch alles
geteilt. Und bei diesem Gemeinschaftsgefühl kommt natürlich auch das
Menschliche, das allzu Menschliche nicht zu kurz. Und da muss in der
Gemeinde von Ephesus – und nicht nur dort – ganz schön etwas
los gewesen sein. Sex hat zum Beispiel eine große Rolle gespielt. Und
das nicht nur mit der eigenen Frau oder dem eigenen Mann. Und damit wird
gegenüber Dritten auch noch angegeben. Und das in einer Gemeinde, die
doch moralisch besser sein sollte und eigentlich auch besser sein
wollte.
Auf alle Fälle wurde die Gemeinde deshalb mit einer Schärfe kritisiert,
die auch noch fast 2.000 Jahre später verblüfft. Ich lese wieder
aus dem Predigttext in einer modernen Übersetzung: Weil ihr Gottes heiliges Volk seid, schickt
es sich nicht, dass bei euch von Unzucht, Ausschweifung und Habgier
auch nur gesprochen wird. Es passt auch nicht zu euch, gemeine, dumme
oder schlüpfrige Reden zu führen. Benutzt eure Zunge lieber, um Gott zu
danken! Ihr müsst wissen: Wer Unzucht treibt, ein ausschweifendes Leben
führt oder von Habgier erfüllt ist – und Habgier ist eine Form von
Götzendienst -, für den ist kein Platz in der neuen Welt, in der
Christus zusammen mit Gott herrschen wird.
Ich denke mir, das wird sich die Gemeinde hinter die Ohren geschrieben
haben. Sie werden sich natürlich fragen: Was hat denn das mit uns zu
tun? Unzucht und schlüpfrige Reden darüber sind in unserer Gemeinde in
der Tat kein Thema. Aber, liebe Gemeinde: Unzucht und schlüpfrige Reden
darüber sind ja nur Beispiele aus unserem großen Sündentopf. Egoismus,
Sucht nach Geld und Ruhm, das sich Verführenlassen gehören ebenso dazu.
Und das gibt es bei jedem von uns sehr wohl.
Ich wünsche uns, dass wir uns dessen bewusst bleiben und dass wir bereit
sind, etwas dagegen zu tun. Ich wünsche uns auch, dass wir dabei unser
Gewissen und unseren Glauben als Hilfe begreifen. Alles fängt damit an,
dass wir nicht immer nur an uns selbst denken. Und vielleicht hilft uns
ja auch manchmal die Frage: Was würde denn Jesus zu dem sagen, was ich
gerade tue.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Einander zugetan sein • Epheserbrief 5, 21
Predigt am 02.08.2019 • Goldene Hochzeit • Johanniskirche Meißen
Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.
Liebe Karin, lieber Manfred, liebe Gottesdienstgemeinde,
schon vor über 2.300 Jahren hat uns der Prediger Salomo gesagt: Ein
Jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine
Stunde. Und er nennt dazu Beispiele wie das Geborenwerden oder Sterben,
das Weinen oder Lachen, das Schweigen oder Reden, das Lieben oder
Hassen, das Aufbauen oder Kaputtmachen. Ja, alles hat seine Zeit, das
wissen wir. Und je älter wir werden und je mehr wir schon erlebt haben,
umso mehr wird uns das bewusst. Unsere nur endliche Zeit, unser nur
begrenzter Ereignisvorrat im Leben hier auf dieser Erde machen uns auch
die ganz besonderen Tage in unserem Leben bewusst.
Eure Goldene Hochzeit, liebe Karin und lieber Manfred, ist so ein Tag.
Seit Eurer Hochzeit sind ja nicht nur einfach 50 Jahre vergangen.
Sondern wir reden hier von Euren 50 gemeinsamen Jahren. Und die
habt Ihr ja auch nicht einfach so verbracht. An jedem dieser über
18.000 Tage durftet Ihr Euch lieb haben – wenn Ihr es denn
gewollt habt. Oder wie es in Eurem Hochzeitsspruch heißt: Einander
zugetan sein. Bei der Vorbereitung auf diesen Tag sagtet ihr mir auch,
dass Ihr nicht nur Einander zugetan seid, sondern in Liebe einander
zugetan ward und seid. Und dass dieses schöne Gefühl mit den Jahren
zugenommen hat.
Dazu können wir Euch nur gratulieren. Denn Liebe ist etwas Großes, etwas
besonders Kostbares. Wir haben es gerade im Hohelied der Liebe aus dem
1. Korintherbrief gehört. Und Liebe ist nie etwas Einsames. Dazu
gehören immer zwei. Einer, der Liebe zu geben bereit ist und einer, der
bereit ist, diese Liebe für sich anzunehmen. Das ist auch in einer guten
Ehe wie bei Euch so. Deshalb ist das in Liebe-zugetan-sein, wie Ihr mir
Eure Ehe beschrieben hast, auch etwas Großes, etwas besonders
Wertvolles. Das gilt natürlich auch für den Hochzeitsspruch, der Euch
vor 50 Jahren mit auf den Weg gegeben wurde. Denn einander zugetan
sein, das geht nicht ohne liebevolles Miteinander.
Eine Goldene Hochzeit ist ein guter Anlass, um in Dankbarkeit an unsere
lieben Eltern zu denken. Deine Eltern, lieber Manfred, und später leider
nur Deine geliebte Mutter haben Dir das Rüstzeug mitgegeben, was Du für
Dein Leben und Dein Zusammenleben mit Karin gebraucht hast. Von unseren
Eltern, liebe Karin, können wir das auch sagen. Auch wir sind im
wahrsten Sinne mit Hilfe unserer Eltern lebens- und auch ehetauglich
geworden. Und das vor allem, weil sie es uns vorgelebt haben: Nämlich
wie belastbar eine Ehe und Familie ist, in der der liebevolle Umgang
miteinander wichtig war. Das sollten wir nicht vergessen. Die schönste
Frucht Eures Zusammenlebens ist natürlich Christina, die Euch und uns
vorlebt, was eine dynamische Familie zu leisten vermag: Die Eltern
engagiert und weltoffen, ehrgeizig und erfolgreich im Beruf. Mit drei
jungen Burschen, die ihren Weg gehen werden. Bei Euch, liebe Christina
und lieber Matthias, hätte der Hochzeitsspruch des Goldenen Brautpaares
auch gepasst.
Liebe Karin, lieber Manfred. Dass es nun auch in einer guten Ehe –
wie zum Beispiel bei Euch – nicht immer nur liebevolle Signale
gegeben haben kann und gibt, versteht sich. Überhaupt ist der gute
Umgang miteinander – wie Ihr wisst – kein Selbstläufer. Und an
dieser Stelle wird nun Teil 2 Eures Hochzeitsspruchs aus dem Brief
des Apostel Paulus an die Epheser interessant. Denn dort heißt es: In der Furcht Christi.
Das heißt, in der Furcht des auferstandenen Jesus Christus, selbst
wahrer Gott. Es geht also hier um nichts Geringeres als um Gottesfurcht.
Es geht darum, Gott ernst zu nehmen. Gott ist durchaus eine
Kontrollinstanz, die über das wacht, was wir tun. Und die will, dass wir
zum Beispiel die Gebote einhalten. Gottesfurcht ist das Bewusstsein,
unter den Augen dieses Gottes ein ordentliches Leben zu führen. Schon im
Alten Testament wird uns dazu in den Sprüchen Salomo gesagt: Den Herrn
fürchten heißt das Böse hassen. Und natürlich ist gegenüber Gott, dem
Vater und Schöpfer des Himmels und der Erde, und Jesus Christus, seinem
Sohn, unserem Herrn, auch Ehrfurcht geboten. Das alles steckt in dem
kurzen Satz in eurem Hochzeitsspruch In der Furcht Christi – verständlicher in einer modernen Bibelübersetzung mit Tut es aus Ehrfurcht vor Christus.
Nur was ist nun zu tun aus Furcht oder Ehrfurcht vor Jesus Christus, vor
Gott? Sollt Ihr sein, wie es in Eurem Hochzeitsspruch steht? Nämlich
einander zugetan? Oder sollt Ihr bereit sein, Euch einander unterzuordnen?
Dem anderen auch einmal den Vortritt zu lassen? So wie es die
Bibelstelle fordert, auf die sich Euer Hochzeitsspruch bezieht? Ich
meine den Brief, den der Apostel Paulus an die Epheser geschrieben hat.
Hier kann ich Entwarnung geben: Denn Beides gehört zusammen und beides
bedingt einander. Denn wenn Ihr einander zugetan seid – und das in
Liebe: Dann seid Ihr auch bereit, Euch einmal dem Anderen unterzuordnen oder dem anderen den Vortritt zu lassen. Oder wie es im Epheserbrief heißt: Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.
Das kann natürlich keine Einbahnstraße sein. Aber wenn Ihr dazu beide
bereit seid, dann seid Ihr tatsächlich einander in Liebe zugetan. Ich
wünsche Euch sehr, dass das so bleiben kann und die Erinnerung daran,
dass das von Gott so gewollt ist.
Amen.
Das Böse • Epheserbrief 6, 10-17
Predigt am 20.10.2024 • 21. Sonntag nach Trinitatis • St. Johanniskirche Freiberg
Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht an die Waffenrüstung Gottes, um den listigen Anschlägen des Teufels zu widerstehen! Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen. Darum legt die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils widerstehen, alles vollbringen und standhalten könnt! Steht also da, eure Hüften umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit, die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes!
(Einheitsübersetzung)
Liebe Gemeinde, die Epistel, die wir vorhin als erste Lesung gehört haben, ist gleichzeitig der Predigttext. Und damit soll es einmal um ein Thema gehen, bei dem so richtig keine Freude aufkommt - zumindest auf den ersten Blick. Denn es geht um die Bosheit, ja sogar um das Böse: Das Böse in der Welt und das Böse, das wir aushalten müssen in unserem Leben.
Und es ist ja auch nicht nur das Böse um uns herum, das uns das Leben oft so schwer macht. Auch das Böse, das wir in uns tragen, das wir an uns heranlassen, macht uns unser Leben oft schwerer. Und dabei wollen wir nicht vergessen: Das Böse in uns macht durch uns und mit uns auch das Leben anderer schwerer.
Im Christentum ist der Teufel traditionell der Inbegriff des Bösen in der Welt und der Verführer zum Bösen in der Welt. Dabei ist – modern gesprochen – der Teufel keine Furcht einflößende Gestalt, sondern eher ein zerstörerischer Geist. Ein Geist, der auch heute für das Böse in der Welt steht. Ich denke hier zum Beispiel vor allem an die Menschen, die ganz bewusst Krieg führen und dafür unendliches Leid in Kauf nehmen. Und an die Menschen, die andere Menschen absichtlich quälen, ausbeuten oder belügen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die meisten Menschen wollen das Gute und bemühen sich auch darum. Und dazu gehören auch wir – zumindest meistens. Auch unsere kleinen täglichen Versuchungen müssen natürlich nicht gleich zu etwas Bösen führen. Nur: Der Versucher ist allgegenwärtig, um uns in Versuchung zu führen. Und das kann auch bei uns zu etwas wirklich Bösen führen. Und das gilt nicht nur für die Schwachen unter uns.
Selbst Jesus versuchte der Teufel zu verführen. Denn nachdem Jesus 40 Tage gehungert hatte, sagte der Teufel zu ihm. Komm, mache Steine zu Brot, Du bist doch Gottes Sohn. Und er sagte zu Jesus auch: Wenn Du mich anbetest, dann wird Dir die ganze Welt gehören. Jesus hat sich – wie wir wissen - nicht verführen lassen. Aber wir, wir sind nicht Jesus.
Gott, liebe Gemeinde, Gott will nicht, dass das Böse in der Welt und bei uns das letzte Wort hat. Gott weiß um unsere Schwachheit, deshalb sollen wir uns an seine Stärke erinnern. Gott weiß auch, dass das Böse nicht von allein verschwindet. Gegen das Böse muss gekämpft werden. Denn wenn wir gegen das Böse in uns und gegen das Böse in der Welt nicht kämpfen, wenn uns das Böse besiegt, dann sind wir verloren.
Deshalb müssen wir in diesem Kampf standhaft sein, standhaft bleiben oder standhaft werden. Und damit uns das gelingt, schenkt uns Gott zu unserer Hilfe seine Waffen und Rüstung. Im Predigttext wird uns dazu gesagt: Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht an die Waffenrüstung Gottes, um den listigen Anschlägen des Teufels – also dem Bösen - zu widerstehen!
Das alles klingt gar nicht so friedlich, wie wir uns das immer so gern wünschen. Und ist denn das überhaupt christlich? Es ist christlich, liebe Gemeinde. Denn es wird uns auch im Predigttext gesagt: Es geht um keinen Kampf gegen andere Menschen, sondern um einen Kampf gegen das Böse. Und das ist nicht dasselbe.
Zunächst einmal sollen wir also stark werden durch die Kraft und Macht Gottes. Diese Kraft und Macht Gottes sind eigentlich nicht beschreibbar. Seine Kraft und Macht reichen aus, um das ganze riesige Universum zu erschaffen und zu erhalten. Seine Kraft und Macht halten es auch aus, dass sein eingeborener Sohn, selbst wahrer Gott und unser Herr, verspottet und gefoltert wird. Und der sich für unsere Sünden wie ein Verbrecher ans Kreuz nageln lässt und dort nach qualvollen Schmerzen stirbt.
Und wir? Wir können stark werden gegen das Böse in der Welt und gegen das Böse in uns. Vorausgesetzt wir vertrauen der Kraft und Macht unseres Herrn. Wer also daran glaubt, dem hilft auch die Waffenrüstung Gottes, dem Bösen zu widerstehen. Die im Predigttext beschriebene Waffenrüstung Gottes sind für uns alle gute Bekannte, die uns Schutz geben sollen gegen das Böse. Dargestellt an der Rüstung eines Römischen Soldaten. Nämlich: Brustpanzer der Gerechtigkeit, Gürtel der Wahrheit, Schild des Glaubens, Helm der Rettung, Schwert als Gottes Wort und Schuhwerk zur Verbreitung des Evangeliums.
Wir sollen also, liebe Gemeinde, ganz einfach die Wahrheit sagen. Wir sollen das rechte und gerechte tun. Wir sollen Gott und Gottes Sohn, unserem Herrn, vertrauen. Und wir sollen diesen unseren Glauben nicht nur für uns behalten, sondern weiter tragen. Das ist es. Das hilft gegen das Böse – auch uns.
Weil das alles für uns wirklich wichtig ist, können wir dazu an vielen Stellen in der Bibel Beispiele finden. Ich nenne dazu nur einige: Böse ist einer, der anderen nicht hilft, obwohl sie Hilfe brauchen. Ich denke hier besonders an Jesu Geschichte vom barmherzigen Samariter. Oder: Die Liebe tut nichts Böses. Vergeltet Böses nicht mit Bösem. Ein einziger Böser verdirbt viel Gutes. Töte schändliche Leidenschaft und böse Begierde. Wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid. Die Bosheit lodert wie ein Feuer. Jesus sagt uns aber auch: Gott lässt die Sonne aufgehen über Gute und Böse. Und regnen über Gerechte und Ungerechte. Über diesen letzten Satz lohnt es sich zu Hause einmal in aller Ruhe nachzudenken.
Wie so oft, ist das Vaterunser auch heute bei den Themen Bosheit und Verführung eine große Hilfe. Denn dort dürfen wir Gott anrufen und bitten: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Hier hat Jesus eines für uns verständlich gemacht: Versuchung und das Böse gehören zusammen.
Vielleicht ist auch das Lied eine Hilfe, das wir gleich gemeinsam singen werden: „Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesus Christ, dass uns hinfort nicht schade, des bösen Feindes List.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Jesu, meine Freude • Philipperbrief 4, 4–9
Predigt am 17.03.2019 • Reminiscere, Abschluss-Gottesdienst zur Bibelwoche • St. Johannis Freiberg
Freuet euch in dem Herrn allewege, und
abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen
Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen
Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott
kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. Weiter, Brüder und
Schwestern: Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was
liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein
Lob – darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und empfangen und gehört
und gesehen habt an mir, das tut; so wird der Gott des Friedens mit
euch sein.
Liebe Gemeinde, der Predigttext für diesen Abschluss-Gottesdienst der
Bibelwoche steht im Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in
Philippi. Genauer im Kapitel 4 in den Versen 4 bis 9. Wir
haben ihn vorhin als erste Lesung gehört.
Es ist ein wunderbarer Text: Klar, verständlich und aus dem vollen Leben
gegriffen. Es ist ein Text für uns, für unseren Alltag: Denn er will
uns Mut machen, Hoffnung geben, uns zum guten Tun ermuntern. Und das
nicht nur ganz im Allgemeinen, sondern sehr konkret an Beispielen für
unser Denken, für unser Verhalten und für unser Handeln. Wir haben es
gerade im Predigttext gehört. Gerecht, ehrbar und liebenswert sollen wir
sein, um nur drei Beispiele zu nennen. Im Predigttext ist uns nun aber
auch gesagt, dass dieses unser Denken und Handeln und unsere Freude,
unsere Freude am Herrn zusammen gehören. Und zur Verstärkung heißt es im
Predigttext sogar, ich zitiere: Und noch einmal sage ich: freut Euch!
Ja, wie halten wir es denn mit der Freude? Ich denke mir, wir sind für
alles dankbar, worüber wir uns freuen können. Und da ist es eigentlich
egal, ob uns jemand eine Freude bereitet oder ob wir ihm eine Freude
machen können. Das sich freuen, das sich freuen können, das sich freuen
dürfen, ist für uns etwas Schönes, etwas Gutes und etwas Angenehmes.
Wenn ich mich also an etwas oder über etwas freue, wenn ich mich einmal
richtig freuen kann, dann ist das für mich einfach nur schön. Denn
Freude, richtige Freude hat viel mit Glück, mit Glücklich-sein zu tun.
Nehmen wir einmal an, wir hätten einen Schatz: Dann freuen wir uns
daran. Und diese unsere Freude wird umso größer, je größer der Schatz
ist. Und die Freude ist wahrscheinlich dann am allergrößten, wenn uns so
ein Schatz geschenkt wird. Wem unter uns schon einmal ein Kind seine
Schatzkiste und seine Schätze darin begeistert gezeigt hat, weiß wovon
ich rede.
Nun gibt es – wie wir alle wissen – auch Schätze, die nichts
mit materiellen Dingen und auch nichts mit Geld zu tun haben. Auch dazu
ein Beispiel: Zwei Menschen leben miteinander und sind sich von Herzen
einander zugetan. Und sie wünschen sich sehr, dass sie ein Kind
bekommen, aber das klappt nicht. Deswegen sind sie traurig, obwohl es
ihnen sonst gut geht. Aber eines Tages – sie hatten die Hoffnung
schon aufgegeben – wird die Frau schwanger. Ja, liebe Gemeinde: Da
ist die Freude groß. Und es ist eine Freude, die – wenn die Eltern
Glück haben – ein Leben lang bleiben wird. Und die Freude erst auf
das Kind, dann mit dem Kind, das ist etwas, was ihnen helfen kann. Denn
aus dieser Freude soll den Eltern eine Kraft wachsen, die im Alltag mit
ihrem Kind dringend gebraucht wird. Wie groß so ein Schatz sein kann,
erfahren und zwar leidvoll auch alle diejenigen, denen ein solcher
Schatz nicht geschenkt wird. Entweder weil sie keinen Partner gefunden
haben oder weil sich ihr Kinderwunsch mit ihrem Partner nicht erfüllt.
Obwohl sie doch alles versucht und viel gebetet haben.
Ich will es noch einmal sagen: Ein Schatz, das ist etwas besonders
Wertvolles. Deshalb ist ein Schatz, den wir haben können oder den wir
besitzen, ein Grund zur Freude. Anders ist das natürlich bei denen, die
einen solchen Schatz nicht besitzen oder vielleicht von einem solchen
Schatz überhaupt nichts wissen.
Liebe Gemeinde, ich habe nun nicht ohne Grund so lange über unsere
Schätze und unsere Freude darüber gesprochen. Denn in unserem
Predigttext geht es um unsere Freude und um einen Schatz. Das ist sogar
der Kern dessen, was uns Paulus in seinem Brief an die Philipper sagen
will: Wir haben einen solchen Schatz. Und dieser unser Schatz, das ist
Jesus: Jesus von Nazareth, Jesus Christus, Gottes Sohn, unser Herr.
Jesus ist unser Schatz, weil wir ihm trauen können, weil wir ihm
vertrauen können, weil wir uns ihm anvertrauen können. Jesus ist unser
Schatz, weil er uns helfen will und helfen kann. Jesus ist unser Schatz,
weil wir unser Leben auf ihn aufbauen können.
Wie groß dieser Schatz ist, das konnten die Menschen damals – auch
seine Jünger – nur erahnen. Und auch wir sind ja einfach hilflos ob
der Tatsache, dass der große, ewige Gott seinen einzigen Sohn, selbst
wahrer Gott – also Jesus – zu uns gesandt hat. Was Jesus für
ein großer Schatz für uns ist, hat er uns in seinem kurzen Leben und
Sterben gezeigt. Auch dass Jesus von den Toten auferstanden ist, weil
sich der große ewige Gott zu ihm bekannt hat, gehört dazu.
Weil das alles so ist, wird uns von Paulus im Predigttext gesagt: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Oder wie es in einer modernen Übersetzung heißt: Freut
euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem
Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch! Ja,
liebe Gemeinde, freuen wir uns, dass es Jesus gibt. Freuen wir uns, dass
wir Jesus nahe sein dürfen. Freuen wir uns, wenn Jesus in unserem
Herzen einen Platz findet. Und freuen wir uns, dass Jesus dann bei uns
sein und bleiben will alle Tage bis an der Welt Ende.
Schon im Alten Testament, im Buch Nehemia, ist uns gesagt, dass diese
Freude am Herrn unsere Stärke ist. Und diese Stärke brauchen wir auch.
Denn so, wie bei den Eltern aus ihrer Freude an ihrem Kind eine Kraft
wachsen kann, die ihnen im Alltag mit ihrem Kind hilft: So kann und soll
uns auch unsere Freude am Herrn im Alltag helfen und Richtschnur für
unser Denken, Reden und Handeln sein. Wie das im Einzelnen aussieht,
wird uns im Predigttext, den wir vorhin als erste Lesung gehört haben,
sehr konkret gesagt. Und ganz genau so können und sollen wir uns im
Alltag benehmen. Ich will uns diesen Text deshalb auszugsweise nochmals
in einer modernen Übersetzung vortragen:
• Seid freundlich im Umgang mit allen Menschen.
• Richtet eure Gedanken ganz auf die Dinge, die wahr und
achtenswert, gerecht, rein und unanstößig sind und allgemeine Zustimmung
verdienen.
• Beschäftigt euch mit dem, was vorbildlich ist und zu Recht gelobt wird.
• Wendet euch in jeder Lage mit Bitten und voll Dankbarkeit an Gott und bringt eure Anliegen vor ihn.
Dem ist nichts hinzu zu fügen, außer dass wir uns das tatsächlich zu
Herzen nehmen und uns so verhalten. Dabei soll uns eine im Predigttext
formulierte Zusage helfen, die nicht ohne Grund in jedem Gottesdienst
eine Predigt abschließt und die ich uns auch heute wünsche: Das nämlich
der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus bewahre. Amen.
Die Kraft der Taufe • Kolosserbrief 2, 12–15
Predigt am 15.04.2012 • Quasimodogeniti • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief
des Apostel Paulus an die Kolosser. Ich lese die Strophen 12 bis 14
des 2. Kapitels in der Einheitsübersetzung: Mit Christus wurdet ihr in der Taufe
begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt, durch den Glauben an die
Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. Ihr wart tot infolge
eurer Sünden; Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht
und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns
sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten,
aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn an das Kreuz
geheftet hat.
Was wir soeben gehört haben, zielt unmittelbar in das Zentrum dessen,
was den christlichen Glauben ausmacht. Oder wenigstens ausmachen sollte,
um es etwas vorsichtiger zu formulieren. Denn der Text verbindet Jesu
Tod und seine Auferweckung mit der Taufe und mit der Vergebung unserer
Sünden. Jesu Tod und seine Auferweckung von den Toten gehören dabei
unmittelbar zusammen. Und die Vergebung unserer Sünden, um die wir immer
wieder bitten dürfen, setzen Beides – Tod und Auferweckung –
zwingend voraus. Und das gilt natürlich auch für die Taufe. Oder wie es
im Text heißt: Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt.
Unser Predigttext aus dem Kolosserbrief ist in diesen seinen Aussagen
nicht nur von großer Klarheit. Er ist auch kompromisslos und lässt für
uns – für unseren Glauben – kein Hintertürchen offen. Und es
ist nicht zuletzt ein Text, der die Osterbotschaft mit uns, mit unserem
Leben heute, direkt in Verbindung bringt. Denn die Vergebung unserer
Sünden setzt das voraus, was mit dem Tod und der Auferstehung von Jesu
vor 2000 Jahren passiert ist. Und das heißt doch aber, dass es aus
dem Glauben an den auferstandenen Jesus Christus für uns Trost und
Hoffnung gibt. Von der Freude, die uns allen das eigentlich machen
müsste, einmal ganz abgesehen. Denn, liebe Gemeinde, Jesu Tod und
Auferstehung sind keine Gedankengebilde. Sie sind tatsächlich passiert.
Als Jesus Christus am Kreuz stirbt und am 3. Tage danach von den
Toten auferweckt wurde, da ist das Entscheidende geschehen. Das
Entscheidende steht also nicht noch aus. Das Entscheidende ist nicht
erst noch anzustreben oder zu verwirklichen. Das Entscheidende, das
alles Entscheidende, das ist geschehen. Jesus sagt am Kreuz: „Es ist
vollbracht.“ Alles, was der Rede wert ist, ist für diese Welt
vollbracht. Für alle Zeiten. Für uns. Für jeden von uns – auch hier
und heute.
Noch einmal: Als Jesus Christus von den Toten auferweckt wurde, hat sich
etwas Ewiges in die Geschichte hineinbegeben. Das kurze Leben und das
Sterben des Jesus von Nazareth wurde dadurch zu einem Ereignis, das für
alle Zeiten und für die gesamte Welt wichtig geworden ist. Denn was am
dritten Tag nach seinem Tode geschah, erhob ja alles zuvor mit und durch
Jesu Geschehene in seiner ganzen Einmaligkeit. Jesu Leben und Wirken,
sein Aufruf zur Liebe und seine sonstigen Lehren waren eben nicht nur
ein Beispiel für einen besonders guten und liebevollen Menschen, der vor
2000 Jahren gelebt hat und der uns auch heute noch etwas zu sagen
hat und für uns Vorbild ist. Seit seiner Auferweckung von den Toten
wissen wir, dass Gott selbst damit ein Zeichen gesetzt hat. Ein Zeichen,
das zwar einmalig war, aber für alle Zeiten weiter wirkt. Der große
Theologe Karl Barth sagt denn auch: „Jesu Geschichte war wohl eine
Geschichte zu seiner Zeit, um gerade als solche ewige Geschichte zu
werden: Die Geschichte Gottes mit den Menschen aller Zeiten und also
auch heute und hier geschehend, wie sie damals geschah.“
Unser Predigttext sagt uns: Mit Christus wurdet ihr auferweckt, durch den Glauben an die Kraft Gottes, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat.
Glauben wir an die Auferstehung oder Auferweckung? Auferstehung: Wenn
uns hier der Zweifel zwickt, wenn uns also der Glaube an die
Auferstehung schwer fällt, dann ist das ganz normal. Und immerhin zeigt
das, dass es uns ernst ist mit diesem Jesus von Nazareth. Dass uns die
Frage bewegt: Kann das sein? Schon wenn wir darüber nachzudenken
beginnen, sind wir auf dem richtigen Weg. Ein Weg, der schon für sich
genommen, ein großer Gewinn für uns ist. Und wir befinden uns da auch in
guter Gesellschaft: Egal ob wir dazu die heutigen Gottesdienstbesucher
rechnen oder die 2,3 Milliarden Christen, die es auf der Welt gibt.
An dieser Stelle will ich uns, liebe Gemeinde, Mut machen. Bei allem
Zweifel darüber, wie das damals passiert ist und wie ich mir denn diese
Auferstehung eigentlich vorzustellen habe, ist eines klar: Hier hat sich
etwas ereignet, dass sich unserer Erfahrungswelt und unserem
Vorstellungsvermögen entzieht. Das hören wir neuzeitlichen – oder
wenn sie denn wollen – wir modernen Menschen im
21. Jahrhundert überhaupt nicht gern. Sollen wir unseren Verstand
abschalten, nur um etwas glauben zu können? Mitnichten. Glauben heißt
nicht etwas zu verstehen, sondern Glauben heißt auf etwas zu vertrauen.
Es geht beim Glauben gerade nicht darum, unseren Verstand abzuschalten.
Denn es ist unser Verstand, der uns die Grenze zeigt, an der menschliche
Erfahrung und naturwissenschaftliche Gesetze nicht mehr weiter wissen.
Es ist unser Verstand, der die uns überlieferten Berichte über die
Auferweckung Jesu aufnimmt und analysiert. Es ist nicht nur, aber auch
unser Verstand, der das ganze Puzzle zusammenfügt: Gott als Schöpfer,
der die ganze Welt und so auch uns geschaffen hat. Und zwar geschaffen
hat, so wie wir sind: Jeder einmalig und jeder zur Liebe und zur Sünde
fähig. Und Gott als der Liebende, der in Gestalt von Jesus Christus am
Kreuz unsere Sünden tilgt und uns damit eine Zukunft gibt.
Unser heutiger Predigttext sagt uns dazu: Er
hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine
Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Gott hat den Schuldschein
dadurch getilgt, dass er ihn an das Kreuz geheftet hat.
Es hängt alles zusammen, das haben wir bereits gehört: Jesu Tod, seine
Auferstehung, Sündenvergebung und natürlich auch die Taufe. Oder wie es
Paulus im Predigttext formuliert hat: Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt.
Taufe, liebe Gemeinde, ist nicht nur in allen christlichen Kirchen ein
Sakrament, sie ist auch ein hohes Gut. Sie ist etwas besonders
Wertvolles, was uns geschenkt wurde. Das Taufgebot stammt vom
auferstandenen Jesus selbst, der da gesagt hat: „Taufet alle Völker.
Taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“.
Die Taufe ist ein hohes Gut und sie verlangt keine Vorleistungen. Die
Taufe fragt nicht nach Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit. Und
die Taufe fragt auch nicht nach dem Geschlecht, der gesellschaftlichen
Stellung oder dem sozialen Status. Die Taufe ist ein hohes Gut, weil sie
uns in eine Gemeinschaft im Geiste Christi stellt und damit alle vom
Menschen aufgebauten Hindernisse relativiert. Die Taufe ist ein hohes
Gut, weil wir durch die Taufe ein Teil der Christenheit insgesamt werden
und nicht nur Teil einer bestimmten christlichen Kirche. Die
verschiedenen Kirchen haben denn auch – von wenigen Ausnahmen
abgesehen – die Taufen gegenseitig anerkannt.
Die Taufe ist ein Gnadengeschenk Gottes an uns, in der uns unsere Sünden
vergeben werden. Wir werden bildlich gesprochen gereinigt. Die Taufe
ist nun nicht nur eine Art Startschuss zum Christsein. Sondern unser
Christsein baut sich auf der Taufe auf und hat die Taufe als bleibendes
Fundament. Und auf diesem Fundament können wir getrost stehen. Unser
ganzes Leben lang. Jesu Tod und seine Auferstehung haben das möglich
gemacht. Ob wir diesem Fundament trauen. Ob wir uns diesem Fundament
auch anvertrauen, das liegt natürlich ganz bei uns. Das hat jeder von
uns selbst in der Hand.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Haltet fest am Gebet • Kolosserbrief 4, 2–4
Predigt am 13.05.2012 • Rogate • St. Johannis Freiberg
Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext steht im Brief des Paulus an die Kolosser im 4. Kapitel: Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm
mit Danksagung. Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für
das Wort auftue und dass wir das Geheimnis Christi sagen können, um
dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie
ich es sagen muss.
Christian Morgenstern hat einmal gesagt: Wer Gott aufgibt, der löscht
die Sonne aus, um mit einer Laterne weiter zu wandern. In
Ostdeutschland – also auf dem Gebiet der ehemaligen DDR –
waren 1989 noch 40 Prozent Mitglied in der evangelischen oder
katholischen Kirche. Aktuell sind es nur noch 20 Prozent. Zum
Vergleich: In Deutschland-West sind das aktuell 70 Prozent. In
Ostdeutschland geben 60 Prozent der Befragten an, noch nie an einen
Gott geglaubt zu haben. Das ist weltweit ein trauriger Rekord. Denn in
keinem der untersuchten Länder – wie gesagt in fast der ganzen
Welt – ist dieser Anteil der absolut Gott-Ungläubigen so hoch wie
in Ostdeutschland. Zum Vergleich. In Westdeutschland haben nur
9 Prozent der Menschen noch nie an einen Gott geglaubt.
60 Prozent wandern bei uns also lieber mit einer Laterne, als die
Sonne scheinen zu lassen. In Freiberg ist der Anteil der
Gott-Ungläubigen im Übrigen etwas geringer als 60 Prozent. Ein
kleiner, aber nur schwacher Trost.
Wer nicht an Gott glaubt, der kann natürlich auch keine Beziehung zu
Gott haben. Wir, die wir hier versammelt sind: Wir glauben daran, dass
es Gott gibt. Wir haben damit auch eine Beziehung zu Gott. Zu dieser
Beziehung gehören das Hören auf Gott und das Gebet, also das Gespräch zu
Gott. Und damit bin ich beim Predigttext und beim Namen für diesen
Sonntag Rogate. Rogate kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt:
Betet. Ja, liebe Gemeinde, heute geht es um das Gebet. Die Zahlen am
Beginn der Predigt habe ich aus gutem Grund genannt: Eine zu
60 Prozent gottfreie Gesellschaft wie in Ostdeutschland ist
natürlich auch eine zu großen Teilen gebetsfreie Gesellschaft. Viele
wissen überhaupt nicht mehr, was ein Gebet ist und warum wir eigentlich
beten.
Der heutige Predigttext aus dem Brief des Paulus an die Kolosser sagt
uns zum Gebet zweierlei: Im Teil 1 fordert uns der Apostel Paulus
modern gesprochen auf: Haltet fest am Gebet, wachen Sinnes und voller Dankbarkeit.
Im Teil 2 nennt Paulus den konkreten Gebetsanlass, der ihn selbst
betrifft. Denn er sagt der Gemeinde in Kolossä – ich zitiere auch
hier noch einmal den Predigttext in einer modernen Übersetzung: Betet
zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und
wir das Geheimnis Christi verkündigen können, um dessentwillen ich in
Fesseln liege. Und damit ich das Geheimnis Christi offenbar machen und
davon reden kann, wie es meine Aufgabe ist. Paulus verbindet im
Predigttext also den konkreten Gebetsanlass direkt mit einer allgemeinen
Aufforderung zum Beten, die weit über den konkreten Gebetsanlass
hinausgeht.
Das heißt doch aber: Paulus will nicht, dass nur in einer allgemeinen
Form gebetet wird, sondern er nennt sein konkretes Anliegen. Und Paulus
möchte, dass dieses konkrete Anliegen auch im Gebet genannt wird. Und
das, liebe Gemeinde, beantwortet eine entscheidende Frage, die auch wir
uns immer wieder stellen: Sollen wir denn zum Beispiel unsere konkreten
persönlichen Anliegen im Gebet nennen, obwohl doch Gott sowieso alles
weiß? Und: dürfen wir denn überhaupt mit diesem unseren persönlichen
Anliegen Gott belästigen? Hier gibt uns Predigttext eine klare, eine
eindeutige Antwort: Wir sollen und wir dürfen Gott im Gebet mit allem
ansprechen, was uns bewegt.
Gebetet wird in allen großen Weltreligionen. Das Besondere am
Christentum ist, dass Jesus Christus als Gottes Sohn selbst gebetet hat,
dass er seinen Jüngern und damit auch uns das Beten gelehrt hat und
dass es Jesus Christus war, der uns das zentrale Gebet der
Christenheit – das Vaterunser – geschenkt hat. Auch und gerade
im Neuen Testament können wir an vielen Stellen etwas über das Beten
lesen. Der heutige Predigttext ist ein Beispiel dafür. Zur Erinnerung:
Wir sollen am Gebet festhalten. Und wir sollen mit wachen Sinnen und
voller Dankbarkeit beten. Es betet ja jeder von uns, die wir hier
versammelt sind: Mehr oder weniger. Aber das muss jeder mit sich selbst
klären. Auf alle Fälle wird im Gottesdienst gebetet. Meist wird zu Hause
vor dem Einschlafen und oft zu den Mahlzeiten gebetet.
Viele beten, wenn sie vor einer neuen oder schwierigen Aufgabe stehen,
wenn sie eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Wir beten, wenn wir
Angst haben, wenn wir verzweifelt sind, wenn wir keinen Ausweg mehr
wissen. Wir beten, wenn jemand besonders Hilfe braucht. Und wir beten
auch, wenn wir Unsinn gemacht haben, oder wenn wir Schuld auf uns
geladen haben. Viele dieser Bitten finden wir auch im Vaterunser: Die
Bitte um das tägliche Brot und die Vergebung unserer Schuld, um nur zwei
Beispiele zu nennen. Zum Gebet gehört natürlich auch der Dank. Und zum
Danken haben und hätten wir so viel Grund. Da ist der Dank für etwas,
was uns gut gelungen ist oder was wir erlebt haben. Oder der Dank für
eine erfüllte Bitte. Und wer dankt heute eigentlich im Gebet Gott, dass
es uns allen so gut geht? Dass wir alle genug zum Essen haben und dass
wir alle im Frieden leben können?
Das Gebet ist ein Gespräch zu Gott. Wenn ich im täglichen Leben mit
Jemandem regelmäßig tagein und tagaus spreche, entsteht schon dadurch
ein Vertrauensverhältnis. Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass das
auch für ein Gespräch zu Gott gilt? Dass also im Gebet Vertrauen
aufgebaut werden kann? Dass auf diesem Vertrauen letztendlich unser
Glaube beruht? Dazu gehört auch, dass mein Gebet, mein Reden zu Gott
etwas sehr Intimes ist. Und dass ich dort oft etwas sage, was ich nur
Gott mitteilen möchte. Dass wir zum Beispiel im Gottesdienst oder zu
Hause auch gemeinsam beten ist dazu kein Widerspruch. Das ganz
Persönliche eines Gebetes und das Gemeinschaftliche der Wir-Gespräche
wie im Vaterunser und beim Tischgebet – beides gehört zusammen. Das
ist wie in einer Familie: Das ganz Persönliche zwischen Mann und Frau
zum Beispiel im Schlafzimmer ist diskret, aber ganz vieles in einer
Familie wird gemeinsam besprochen.
Liebe Gemeinde, es ist besser, sein Herz in ein Gebet zu legen ohne
viele oder wohlformulierte Worte zu machen. Das ist besser, als viele
Gedanken und richtige Formulierungen zu finden, wenn doch das Herz nicht
dabei ist. Und es soll auch der Verstand beim Beten dabei sein. Was
nützt es, wenn Bekanntes im Gebet heruntergeleiert wird und der Verstand
wo ganz anders ist? Am Aufmerksamsten sind wir, wenn wir Gott aus
innerster Not um etwas bitten oder ihm aus freudigem Herzen für
Erfahrenes Gutes danken.
Ein erfahrener Beter hat einmal gesagt: Geh an einen ruhigen Ort. Lass
dich nieder und richte deinen Verstand auf dein Herz. Dorthin, wo du
dich am tiefsten vor dir selbst fühlst. Dann kannst du am besten und am
ehrlichsten zu Gott sprechen. Ich habe einmal gelesen, dass
Aufmerksamkeit das natürliche Gebet der Seele ist. Deshalb sollen wir
auch im Gebet nicht immer nur an uns, sondern auch an andere denken.
Gute Beispiele sind hier die Fürbittgebete und das Vaterunser. Denn dort
heißt es nicht: Mein tägliches Brot gib mir heute. Sondern: Unser
tägliches Brot gib uns heute. Über diesen Unterschied kann ruhig einmal
nachgedacht werden.
Das Gebet – also das Gespräch zu Gott – ist etwas ganz
besonders Wertvolles, mit dem wir beschenkt sind. Ich wünsche uns sehr,
dass wir uns von unserer Gleichgültigkeit oder ganz einfach von unserer
Bequemlichkeit dieses Geschenk nicht wegnehmen lassen. Halten wir also
am Gebet fest, und tun wir das mit wachem Sinn und mit Dankbarkeit. So
wie wir es im heutigen Predigttext gehört haben. Oder wie es in einem
beliebten Tauf- oder Konfirmationsspruch heißt: Seid fröhlich in
Hoffnung, geduldig in Trübsal und haltet an am Gebet.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Betet für alle • 1. Timotheus 2, 1–3
Predigt am 01.05.2016 • Rogate • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der heutige 5. Sonntag nach Ostern ist dem Beten
gewidmet. Wir haben es in der 1. Lesung aus dem Brief an Timotheus
und in der 2. Lesung aus dem Johannesevangelium schon gehört.
Genauer geht es heute nicht um das Beten im Allgemeinen, sondern um die
Aufforderung zum Beten. Das sagt uns schon der Name dieses Sonntags:
Rogate – übersetzt heißt das: Betet! Betet doch um Himmels willen,
damit euch geholfen werden kann. Persönlich haben wir das alle schon
erlebt. Denn wer von uns hat noch nie ein Stoßgebet gesprochen, weil er
nicht mehr weiter wusste oder weil ihm etwas besonders wichtig war?
Auch der weitere Gottesdienst bleibt dem „Betet!“ verbunden. So werden
wir zum Beispiel nach der Predigt einen schönen Choral aus einer
Bachkantate hören. Text und Musik des ersten Teiles gehen auf Martin
Luther zurück. Vorlage dazu war ein Gesang, der inzwischen
1200 Jahre zurückliegt. Ich benenne das alles nicht, weil ich aus
einer Verkündigungspredigt eine Ankündigungspredigt machen will. Sondern
weil der Gesang ein Hilferuf von Menschen in ihrer Not ist –
damals wie heute. Ein Hilferuf von Menschen, die auf Gott vertrauen in
der Hoffnung, dass ihre Bitte, ihr Gebet erhört wird. Sie rufen Gott an:
Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch
ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott,
alleine.
Bei uns im Lande gibt es heute diese Not nicht – Gott sei es
gedankt. In den Hunger- und Kriegsgebieten dieser Welt und bei den
Flüchtlingen, die aus dieser Not fliehen, aber gibt es diese Not. Und
das sollte und kann gerade Christen – auch bei uns – nicht
egal sein. Und damit bin ich schon inmitten des Predigttextes, den wir
vorhin als erste Lesung gehört haben. Es ist ein Hirtenbrief an
Timotheus, den Bischof der Gemeinde in Ephesus. Ich lese den Text
nochmals auszugsweise aus der Einheitsübersetzung: Vor allem fordere ich zu Bitten und
Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für
die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller
Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das
ist recht und gefällt Gott.
Dieser Predigttext ist in modernen Übersetzungen unter das Motto
gestellt: „Gebet für alle Menschen“. Das Gebet für alle Menschen beginnt
nicht irgendwo, sondern bei uns. Bei uns in den Hauskreisen, bei
unserer Gemeinde im Gottesdienst, bei uns zu Hause. Bei uns allen, bei
jedem von uns. Also auch bei mir und mit mir selbst. Dabei ist es egal,
wann wir beten und wo wir beten. Und eigentlich ist es auch egal, wie
wir beten. Worauf es ankommt, klingt fast banal: Wir müssen bereit sein
zum Gebet. Das heißt, wir müssen es wollen und dazu bereit sein, Gott
anzusprechen. Das kann zum Beispiel das Gebet sein, das uns Jesus
gelehrt hat, das Vaterunser. Also unsere Bitte um Hilfe für uns und
andere und um die Vergebung der Sünden.
Was dabei oft vergessen wird: Jesus hat uns dieses Gebet nicht nur
gelehrt, sondern er hat uns damit auch gesagt, dass wir Gott, unseren
Vater im Himmel, ansprechen sollen und vor allem auch ansprechen dürfen.
Das ist ja so selbstverständlich nicht: Wir hier und dort Gott. Auch
wenn Gott in Jesus ein menschliches Gesicht bekommen hat, auch wenn sich
Gott in der Person Jesus Christus uns zugewendet hat: Er ist und bleibt
der große und ewige Gott, der das gesamte Weltall, die Erde und nicht
zuletzt auch uns erschaffen hat und der das alles auch erhält. Es ist
schon eine große Sache, dass wir die Nähe zu diesem Gott im Gebet suchen
dürfen. Das wir alles, was uns bewegt, alles, was uns bedrängt und
alles, worüber wir uns freuen, in ein Gebet legen können und vor allem
auch dürfen. Ich sagte es schon: Eine Selbstverständlichkeit ist das
alles nicht.
Und nun dieser Sonntag Rogate, an dem wir zum Gebet geradezu ermuntert
und aufgefordert werden. Ich denke mir: Der heutige Sonntag ist ein
guter Anlass, wieder einmal darüber nachzudenken, was mir das Gebet
eigentlich bedeutet. Und wer Angst vor dem Beten hat oder wem das Beten
zunehmend schwerer fällt, wer sich immer weniger auf das Gebet
konzentrieren kann oder wer plötzlich merkt, dass er eigentlich kaum
noch betet. Für alle diejenigen unter uns, die diese Erfahrungen machen,
lohnt sich die Frage, warum das so ist.
Nun geht der Predigttext noch einen wichtigen Schritt weiter, indem er
uns sagt, für wen wir denn alles beten sollen. Kurz gesagt für alle.
Oder wie es uns im Predigttext genauer gesagt ist: Vor allem fordere ich zu Bitten und
Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, und
so auch für alle Herrscher und für alle, die Macht ausüben.
Gebet für alle Menschen? Das klingt allgemein, irgendwie unverbindlich.
Und wie soll das gehen? Auf der Erde leben aktuell 7,4 Milliarden
Menschen. Und dann auch noch Fürbitte für alle Herrscher und für alle,
die Macht ausüben. Oder wie es neuhochdeutsch heißt: Fürbitte für die da
oben. Das wäre ja noch schöner. Das kann von uns niemand verlangen.
Doch! Fürbitte brauchen alle Menschen auf dieser Welt. Und für uns heißt
das: Unsere Fürbitte für alle, deren Freud und Leid uns aus eigener
Erfahrung oder in unserem Umfeld oder in der großen, weiten Welt aus den
Medien bekannt ist. Und das heißt auch: Fürbitte
für die Mächtigen, damit wir ein Leben in Ruhe und Frieden führen
können, fromm und anständig in jeder Hinsicht. Das ist gut und gefällt
Gott. So übersetzt die Gute Nachricht den Schluss des Predigttextes.
Wer für andere betet, dem wird im Gebet und durch das Gebet das Herz
geöffnet. Wenn wir also unser Herz in ein Gebet legen, kommen wir Gott
näher und den anderen, die Hilfe brauchen. Und wir kommen damit auch uns
selbst, unserem Gewissen und unserem inneren Frieden näher. Ich wünsche
uns diese Erfahrung.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Denn alles Fleisch, das ist wie Gras • 1. Petrusbrief 1, 24–25
Predigt am 25.11.2018 • Ewigkeitssonntag • St. Johannis Freiberg
Denn alles Fleisch, das ist wie Gras und
alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume. Das Gras ist
verdorrt und die Blume abgefallen. Aber: Das Wort des Herrn bleibt in
Ewigkeit.
Liebe Gemeinde, der heutige Sonntag ist für alle, die einen lieben oder
vertrauten Menschen verloren haben, ein Tag der Trauer und des
Schmerzes. Aber es ist auch ein Tag der Erinnerung und der
Rückbesinnung. Und es ist ein Tag, an dem eine Ahnung aufkommen kann,
wie aus Trauer und Schmerz wieder Trost wächst. Der heutige Sonntag ist
etwas Besonderes. Ganz formal ist er der letzte Sonntag im Kirchenjahr.
Wer im Glauben fest ist, nennt diesen Sonntag einen Ewigkeitssonntag.
Natürlich ist es auch ein Totensonntag. Und so wird er ja auch am
häufigsten im Alltag genannt. Ich denke mir: Berechtigt sind alle drei
Namen. Denn jeder der drei Namen sagt uns etwas über diesen Sonntag aus
und darüber, was diesen Sonntag zu etwas Besonderem macht.
Zunächst: Letzter Sonntag im Kirchenjahr. Das Kirchenjahr wird ja
bestimmt durch den Lebensweg Jesu: Also seine Geburt zu Weihnachten,
sein Leiden und Sterben in der Passionszeit, seine Auferstehung zu
Ostern. Und dann natürlich sein Wirken über den Heiligen Geist, der nach
alter Überlieferung zu Pfingsten beginnt. Logischerweise beginnt damit
das Kirchenjahr mit dem Warten auf Jesu Geburt, also im Advent. Und
endet – wie der Name schon sagt – mit dem heutigen „Letzten
Sonntag im Kirchenjahr“.
An diesem Tag geht es um letzte Dinge, die jeden von uns betreffen: Also
das Lebensende, den Tod – deshalb ja auch der sehr direkte und
ehrliche Name Totensonntag. Hier gedenken wir der Toten. Aber wir denken
dabei auch an unser eigenes Ende. Nicht nur, aber im Besonderen ist
dieser Sonntag wichtig wegen der Verstorbenen. Aber er ist auch wichtig
für uns selbst. Denn es geht heute auch um unser Leben und um unser
Sterben, um unseren Tod. Was nach dem Tod kommt, wissen wir nicht. Was
wir wissen, ist das, was uns Jesus dazu gesagt hat und uns im Glauben an
ihn hoffen lässt: Nämlich, dass dann für uns noch nicht alles vorbei
sein wird, weil wir fest in seiner, in Gottes Hand bleiben. Und das bis
in alle Ewigkeit – also bis weit über unseren Tod hinaus. Von daher
auch der Name: Ewigkeitssonntag.
Wir sollten an diesem Namen festhalten. Denn dahinter verbirgt sich mit
der Zusage von Jesus Christus, Gottes Sohn, selbst wahrer Gott und unser
Herr, für uns Tröstendes und Hoffnungmachendes. Wir können uns trösten
und zu Recht darauf hoffen, dass es Jesus gut mit uns meint. Und das
nicht nur bei den bereits Verstorbenen. Sondern auch bei uns hier in
diesem unseren Leben und auch dann noch, wenn wir gestorben sind. Und
das bis in alle Ewigkeit. Diese Hoffnung finden wir im Übrigen schon an
vielen Stellen im Alten Testament, also lange vor Jesu Geburt. So können
wir im Psalm 103 als Verheißung lesen: Die Gnade des Herrn währt
von Ewigkeit bis in Ewigkeit.
Natürlich ist das Leben und Sterben auch in der Literatur ein ganz
großes Thema. So schreibt zum Beispiel Carl Zuckmayer, einer der großen
deutschen Dramatiker im vorigen Jahrhundert, in seinen „Strophen von der
Unsterblichkeit“: „Wärst du nicht geweiht zur Unsterblichkeit, bräch
die Schöpfung in sich selbst zusammen.“
Liebe Gemeinde, wir sind schon lange mitten im Predigttext, der im 1. Petrusbrief im 1. Kapitel: steht: Denn
alles Fleisch, das ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie
des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen. Aber:
Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.
Nur drei Sätze, aber welch eine Botschaft: Alle Pflanzen, Tiere und
Menschen haben ein Leben, sind modern gesprochen biologische Wesen. Und
haben damit viele Gemeinsamkeiten: Ihr Leben hat einen Anfang. Sie
wachsen und gedeihen und bringen Frucht. Kommen in die Jahre und altern.
Das gilt für das Fleisch und das Gras gleichermaßen. Und auch wir
Menschen sind zunächst einmal Fleisch. Der Predigttext sagt uns dazu nur
kurz und knapp: Denn alles Fleisch, das ist wie Gras.
Zum Glück beschreibt der Predigttext den Menschen nicht nur als Fleisch,
sondern wie auch sonst in der Bibel als Krone der Schöpfung. Hier ist
der Mensch kein Gras, sondern wie eine Blume im Gras. Genauer ist die
Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume. Mit der Herrlichkeit des
Menschen ist das gemeint, was uns von allen anderen Geschöpfen
unterscheidet oder wenigstens unterscheiden sollte. In der
Schöpfungsgeschichte können wir dazu lesen: Gott sprach: Lasst uns
Menschen machen. Keine Menschen, die Gott gleich sind, aber Menschen,
die ein Bild Gottes sind. Welch ein Zuspruch für uns, aber auch welch
ein Anspruch an uns.
Nun bleibt unser heutiger Predigttext nicht beim Leben der Pflanzen,
Tiere und Menschen stehen, sondern führt uns weiter und sagt uns auch: Das Gras ist verdorrt und die Blume ist abgefallen.
Das heißt, nach dem Leben kommt das Sterben, kommt der Tod. Genauer
endet unser Leben hier auf dieser Erde. Wir wissen es ja: Es hat alles
seine Zeit in Gottes Schöpfung. Nicht nur Menschen, Pflanzen und Tiere.
Sondern auch alles, was uns umgibt. Auch das, was es schon ungeheuer
lange gibt und wahrscheinlich auch noch ungeheuer lange geben wird. So
ist Freiberg auf Gneis gebaut. Das ist ein Stein, ein Gestein, das schon
vor 300 Millionen Jahren entstanden ist. Aber auch dieses Gestein
wird es nur noch eine begrenzte Zeit geben – auch wenn das
10 Millionen oder 100 Millionen Jahre sind. Wir wissen heute,
dass alles vergänglich ist und sich alles mit der Zeit ändert. Das
betrifft sogar das gesamte Weltall. Alles verändert sich und vergeht
letztendlich.
Nur Gott, der Schöpfer von Himmel und Erde, vergeht nicht. Und auch
Jesus Christus, sein eingeborener Sohn, vergeht nicht. Vielmehr liegt
alle Zeit in seiner Hand. Wir haben es schon gehört: Jesus Christus,
selbst wahrer Gott, regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und das ist unsere
Rettung, obwohl doch alles vergeht und auch wir sterben müssen. Also
das Gras verdorrt und die Blume abgefallen ist. Im Predigttext heißt es
dazu als Reaktion: Aber, das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.
Und das ist nun entscheidend: Denn das Wort unseres Herrn Jesus
Christus, ist das, was bleibt. Und das nicht nur heute oder morgen, oder
für ein Jahr, sondern für immer, bis in alle Ewigkeit. Dieses Wort des
Herrn bleibt für alle: Für die, die schon gestorben sind, und für die
Lebenden. Also auch für uns. Für jeden von uns. Ja, liebe Gemeinde:
Jesus lebt. Er ist bei uns und hält uns in seiner Hand – auch wenn
wir um einen Verstorbenen trauern oder einmal selbst sterben müssen.
Jesus ist und bleibt auch dann bei uns, wenn wir gestorben sind.
Ich wünsche uns sehr, dass wir das für uns annehmen können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottes lebendiger Stein • 1. Petrusbrief 2, 3–6
Predigt am 27.07.2014 • 6. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im
1. Petrusbrief, Kapitel 2 in den Versen 3 bis 6. Ich
lese ihn nach der Einheitsübersetzung: Ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist.
Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber
von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige
Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen
Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die
Gott gefallen. Denn es heißt in der Schrift: Seht her, ich lege in Zion
einen auserwählten Stein, einen Eckstein, den ich in Ehren halte; wer
an ihn glaubt, der geht nicht zu Grunde.
Mit einer Erfahrung fängt alles an. Im Leben und auch im heutigen Predigttext ist das so. Ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist.
Gütig sein hat etwas mit gut sein zu tun. Im Duden wird Gütigsein an
Beispielen genauer beschrieben: „Anderen mit Freundlichkeit und
Nachsicht begegnen, ihnen wohlwollend zugetan zu sein und das auch zu
zeigen.“ Unser Gott zeigt uns das. Das Gütigsein. Wir haben es im
Eingangspsalm an einem wunderbaren Beispiel gehört: Denn er hat seinen
Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.
Und weil das so ist, sollen wir zu dem kommen, auf dessen Seite Gott
steht. In unserem Predigttext werden wir geradezu aufgefordert, werden
wir geworben. Kommt! Kommt nicht irgendwo hin, sondern kommt zu dem, den
Gott auserwählt hat. Zu dem, den Gott für uns auserwählt hat. Zu Jesus
Christus, dem lebendigen Stein. Wir sollen also gehen. Dorthin, wo wir
einen festen Grund finden. Einen festen Grund, auf dem wir stehen
können. Einen festen Grund, auf dem wir sicher sind.
Es wird uns also kein Sand verheißen, der uns unter den Füßen zerrinnt.
Wir sollen nicht auf Sand bauen. Sondern im 1. Petrusbriefes wird
uns gesagt: Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein. Kommt zu ihm, obwohl
dieser lebendige Stein von den Menschen verworfen wurde. Denn Gott hat
eben und gerade diesen lebendigen Stein auserwählt. Schon durch den
Propheten Jesaja im Alten Testament sagt uns Gott: Seht her, ich lege in
Zion einen auserwählten Stein, einen Eckstein, den ich in Ehren halte.
Liebe Gemeinde, dieser Eckstein als lebendiger Stein. Auf den kommt es
an. Nur auf den kommt es an. Wir hörten es schon: Der lebendige Eckstein
ist Jesus von Nazareth. Jesus, der die Liebe lehrte und vorlebte und
der zuletzt verleugnet, geschmäht, geschlagen und gekreuzigt wurde.
Jesus der starb, aber von den Toten auferstand. Jesus, zu dem sich Gott
bekannt hat in seinem Leben, Sterben und Auferstehen. Wer das glaubt,
der hat sich aufgemacht, auf den Weg zu Jesus und er ist ein lebendiger
Stein – um im Bild des Predigttextes zu bleiben. Wir alle sind hier
angesprochen. Wir sind es, denen im Predigttext gesagt wird: Lasst
euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer
heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer
darzubringen, die Gott gefallen.
Aufbau eines geistigen Hauses mit uns und durch uns: Wir sollen uns
aufbauen lassen zu einem geistigen Haus. Wir sind natürlich als
Kirchgemeinde und auch heute hier als Gottesdienstgemeinde nicht nur
eine Ansammlung von lebendigen Steinen, sondern wir sind bereits ein
geistiges Haus. Ein geistiges Haus mit uns als lebendige Steine, das auf
dem Grundstein Jesus Christus steht. So weit, so gut.
Aber ist es nicht so, dass wir zwar alle lebendige Steine sind, aber
jeder doch ein bisschen anders? Und dieses Anderssein, dieses etwas
nicht haben, dieses etwas nicht können. Das wäre alles nicht so schlimm,
wenn es nicht andere gäbe, die ebenso zu unserem geistigen Haus
gehören. Andere, die das haben, das können, was uns fehlt. Wir fragen
uns: Wie kann denn bei den Unterschieden zwischen uns überhaupt ein
geistiges Haus aufgebaut und vor allem stabil gehalten werden.
Bei dieser Frage hilft der Blick auf ein ganz reales Haus. Ein Haus, das
aus ganz normalen Ziegelsteinen usw. besteht. Was mir so ein Haus über
seine Steine sagt, gilt nämlich ganz analog für eine Gemeinde, für ein
geistiges Haus mit seinen lebendigen Steinen. Zunächst sind in einem
steinernen Haus die Steine fest miteinander verbunden und es werden alle
verwendeten Steine gebraucht. Genauer: Jeder Stein wird nicht nur
irgendwo gebraucht, sondern in der Regel an einer ganz bestimmten Stelle
und dort ist er unverzichtbar.
Jeder Stein oder jede Gruppe von Steinen hat eine andere Funktion, aber
alle haben das gleiche Ziel. Nämlich das Haus stabil und funktionsfähig
zu halten. Und damit das erreicht wird, sind Steine mit ganz
unterschiedlichen Eigenschaften notwendig. Die Steine sind überhaupt
verschieden: In der Größe, in der Form, in der Farbe, im Gewicht. Und
eines ist für den Vergleich besonders wichtig: Es gibt Steine, die
fallen einem sofort ins Auge, und es gibt Steine, die man überhaupt
nicht sieht. Bei einem technischen Haus käme niemand auf die Idee, nur
die gut sichtbaren Steine für wichtig zu halten. Ich wünschte mir, dass
wir das bei uns lebendigen Steinen auch einmal zu sehen bereit sind.
Denn auch bei uns gilt: Unterschiede zwischen lebendigen Steinen sind
kein Makel, sondern sie sind eine Bereicherung. Sie sind sogar notwendig
für eine Gemeinde.
Im Predigttext ist nun noch die Rede von den Christen, die geistige
Opfer darbringen sollen, die Gott gefallen. Gemeint ist damit etwas
Entscheidendes. Kirche, Gemeinde, jeder lebendige Stein soll nicht nur
für sich selbst, sondern auch für andere da sein. Für andere in der
Gemeinde und für andere, die nicht zur Gemeinde gehören. Denn das ist
das, was Gott will, was Gott von uns will. Das sind die geistigen Opfer,
von denen der Predigttext spricht. So richtig und wichtig es ist, dass
in einer Gemeinde die lebendigen Steinen alle ihren richtigen Platz
bekommen. Das allein reicht nicht aus. Auch nicht in unserer Gemeinde.
Die Aktion „Offene Kirche“ unserer Gemeinde zeigt, wie er aussehen kann,
der mutmachende Schritt in die richtige Richtung. Bei dem, was Gott von
uns will, sollen wir nicht bei der eigenen Gemeinde stehen bleiben.
Denn dazu gehört auch der Missionsbefehl von Jesus, den wir vorhin Im
Evangelium gehört haben. Wir sollen auch auf andere zugehen, die nicht
zu unserer Gemeinde gehören.
Durch Jesus Christus, den lebendigen Stein, haben wir den Halt, den wir
in dieser schnelllebigen Zeit so dringend brauchen. Wir: Die
Christenheit insgesamt, jede Gemeinde und nicht zuletzt auch jeder von
uns. Wir können nicht nur auf Jesus aufbauen, sondern wir können auch
auf ihn bauen – wie es umgangssprachlich für „ihm vertrauen“ heißt.
Vorausgesetzt wir wollen auf Jesus aufbauen. Ich wünsche uns den Mut
dazu. Und das Vertrauen darauf, dass wir, die lebendigen Steine, dabei
einen Halt finden. Einen Halt für uns und einen Halt für andere und von
anderen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Über das Mitfühlen • 1. Petrusbrief 3, 8-9a
Predigt am 29.10.2023 • 21. Sonntag nach Trinitatis • St. Johanniskirche Freiberg
Schließlich sollt ihr alle einig sein, voller Mitgefühl und gegenseitiger Liebe. Seid barmherzig zueinander und demütig. Und vergeltet Böses nicht mit Bösem.
Liebe Gemeinde, jede Predigt ist der Versuch, etwas Gutes zu vermitteln. Also etwas, das uns einfach gut tut oder nachdenklich stimmt. Und etwas, dass uns letztendlich eine Hilfe für unser Leben sein kann. Und wenn daraus auch eine Hilfe durch uns für andere wachsen kann: Dann ist das etwas, was Jesus gefallen würde.
Und dass dabei unser Glaube an Jesus Christus eine Hilfe ist, versteht sich.
Gerade wegen der Kriege, der Not in vielen Ländern und der Unsicherheiten in unserem Land soll es auch heute in der Predigt um dieses benannte Gute gehen.
Und zwar um das so zart klingende Wort „Mitgefühl“. Sie haben richtig gehört:
Es geht um das Mitgefühl. Mitgefühl, das wir schenken, und Mitgefühl, das uns geschenkt wird. Ein Beispiel dazu ist unsere Anteilnahme an der Not oder am Leid anderer. Genau das erreichen wir durch unser Mitgefühl. Mitgefühl, das wir – hoffentlich – haben. Mitgefühl, das wir zeigen, und Mitgefühl, das wir empfinden. Und das übrigens nicht nur bei anderen, sondern auch für uns.
Wenn unser Mitfühlen ernst gemeint ist, verbergen sich bei uns dahinter ganz viele Eigenschaften. Eigenschaften, die alle positiv und gut sind: Entgegenkommen und Rücksichtnahme, Güte und Zuwendung, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft und letztendlich auch Liebe und Barmherzigkeit.
Hier denke ich an das alte russische Sprichwort „Vom Herd in der heimischen Hütte“,
das da lautet: „Der Friede am Herd der heimischen Hütte vermag alle Unbill der Welt aufzuwiegen.“ Ja, auch Mitgefühl und Anteilnahme tragen zum Frieden bei: In der heimischen Hütte genauso wie in der großen, weiten Welt mit ihren Kriegen und vielen Ungerechtigkeiten – wie zum Beispiel in Israel und der Ukraine.
Auch in der Literatur sind Anteilnahme und Mitgefühl ein großes Thema. Und wie nicht anders zu erwarten, werden beide und die daraus folgenden Eigenschaften hoch gelobt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der große römische Staatsmann und Philosoph Cicero hat dazu schon vor fast 2.100 Jahren gesagt: „Anteilnehmende Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück.“
Was auch heute so oft fehlt, hat Albert Schweitzer, Theologe und Philosoph, Menschenfreund und Friedensnobelpreisträger auf den Punkt gebracht: „Das Mitgefühl mit allen Geschöpfen ist es, was Menschen erst wirklich zum Menschen macht.“ Fehlendes Mitgefühl ist leider keine Ausnahme. Manchmal ist es nur Gedankenlosigkeit. Meistens ist es Egoismus. Wie dem auch sei: Wer immer nur an sich denkt oder vor allem Mitleid mit sich selbst hat, dem fehlt das richtige Mitgefühl. Er ist ein armer Mensch, denn er merkt nicht, was er damit und dadurch in seinem Leben verpasst.
An dieser Stelle frage ich uns: Wie ist das denn das nun bei uns, wenn uns jemand mit einem nur eingeschränkten Mitgefühl begegnet? Sagen oder denken wir nicht auch manchmal: Ein bisschen Mitgefühl könnte ihm schon nicht schaden. Und da sind wir uns selbst nicht sicher, ob wir diesen Satz mehr ironisch gemeint haben, ob das nur ein flüchtiger und schnell vergessener Gedanke war oder doch ein Hilferuf. Ein Hilferuf, weil uns gerade dieses ein - bisschen - Mitgefühl geholfen hätte?
Eine noch ganz andere Kategorie ist beim Thema Mitgefühl und Anteilnahme ein bewusst gefühlloser Mensch. Also einer, dem es nur um materiellen Reichtum, um Macht, um das eigene Fortkommen geht - ohne Rücksicht auf andere. Und der dazu Mitgefühl oder ähnliche Eigenschaften wie Ballast
über Bord wirft. Wie wertvoll, aber vor allem wie wichtig Mitgefühl ist, sehen wir an diesem genauem Gegenteil.
Wie dem auch sei: Mitgefühl ist ein weites Feld und für uns oft eine Herausforderung.
Beides - Mitgefühl und die damit für uns verbundene Herausforderung - ist natürlich auch in der Bibel ein Thema. Es ist sogar ein großes und für unseren Glauben zentrales Thema. Denn das Handeln Gottes ist ohne sein Mitgefühl, ohne seine Barmherzigkeit und ohne seine Gnade für uns nicht vorstellbar und auch nicht darstellbar.
Liebe Gemeinde, mit dem, was wir bisher alles gehört haben, sind wir schon lange im Predigttext, der vorhin ein Teil der ersten Lesung war. Genauer hat er uns schon vom Anfang der Predigt begleitet. Hier will ich es noch einmal sagen: Der Text steht im 1. Petrusbrief im dritten Kapitel. Der Text ist zwar nur kurz, aber er hat es in sich.
Ich lese den Text in der Übersetzung der Bibel Neues Leben:
Schließlich sollt ihr alle einig sein, voller Mitgefühl und gegenseitiger Liebe. Seid barmherzig zueinander und demütig. Und vergeltet Böses nicht mit Bösem.
Anders als die Paulusbriefe wurden die beiden Petrusbriefe wie auch die Johannesbriefe nicht nur an eine Gemeinde geschrieben. Deshalb sind in diesen Briefen auch weniger die Aufgaben und Probleme beschrieben, die nur oder vor allem einzelne Gemeinden betrafen. Sondern hier werden Probleme und Aufgaben benannt, die in allen Gemeinden anzutreffen waren. Und dabei war viel allzu Menschliches ein Thema.
Vor allem ging es an vielen Stellen darum, was eine Gemeinde als Gemeinschaft zu leisten und auszuhalten hatte. Und hier spielten auch zwei Tatbestände eine Rolle, die heute oft vergessen werden. Nämlich zum einen die Bedrohungen, die die Christen damals befürchten und aushalten mussten. Und zum Anderen der allgemein höhere moralische Status, den die Christen damals durch ihren Glauben an Jesus Christus zu Recht hatten.
Aber je höher ein Anspruch ist, um so mehr musste getan werden, um diesem Anspruch aufrecht zu erhalten. Dass das dem Urchristentum mit seiner Glaubensfestigkeit und ihrem Zusammenhalt fantastisch gelungen ist, das wissen wir.
Natürlich war das alles kein Selbstläufer. Da musste schon auch einmal nachgeholfen werden. Und dafür ist die heutige erste Lesung und damit auch der Predigttext ein klassisches Beispiel. Luther hat das ganze Kapitel denn auch nicht ohne Grund unter die Überschrift gestellt: Ermahnungen an die ganze Gemeinde.
Und hier wiederhole ich gern noch einmal den Predigttext,
Schließlich sollt ihr alle einig sein, voller Mitgefühl und gegenseitiger Liebe. Seid barmherzig zueinander und demütig. Und vergeltet Böses nicht mit Bösem. Es ist eine Aufforderung im besten Sinne, eine Aufforderung, die für sich spricht.
Und eine Aufforderung, die ernst gemeint ist. Petrus will etwas Gutes und Notwendiges für die Gemeinden. Und das verbindet er nicht mit einer Unverbindlichkeitsgeste oder vielen Öffnungsklauseln - wie sie auch unter uns üblich geworden sind.
Sondern er sagt damals den Gemeinden: Ihr sollt. Ihr sollt einig sein und einig bleiben. Ihr sollt Böses nicht mit Bösem vergelten. Ihr sollt zueinander barmherzig und demütig sein. Und das alles mit gegenseitiger Liebe und Mitgefühl.
Und die Kraftquelle für das alles war Jesus und der Glaube an ihn.
Liebe Gemeinde, ich wünsche uns, dass Jesus auch für uns eine Quelle ist und bleibt, aus der wir Kraft schöpfen können. Kraft für unseren Alltag und für alles, was das Leben für uns noch bereit hält.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Über die Demut • 1. Petrusbrief 5,5
Predigt am 20.09.2020 • 15. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext ist ein Teil der 1. Lesung, die wir vorhin gehört haben. Uns wird dort – im 1. Petrusbrief - gesagt:
Alle miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Alle miteinander bekleidet euch mit Demut. Oder wie es modern übersetzt heißt: Alle begegnet einander in Demut. Aber passt Demut überhaupt noch in unsere Zeit? Ist das Wort Demut nicht fast aus unserem Wortschatz verschwunden? Und hier frage ich uns: Wie weit komme ich - zum Beispiel im Beruf – mit einem demütigen Verhalten? Ist nicht Jemand, der demütig ist, oft der Dumme? Macht sich jemand, der demütig ist, nicht selbst klein und ist unterwürfig? Und sitzt derjenige auch ganz privat, zum Beispiel in einer Ehe oder Partnerschaft, am kürzeren Ende?
Sie merken schon: Das Thema Demut ist ein weites Feld. Das gilt für unsere Demut gegenüber Gott und gegenüber anderen Menschen. Das gilt aber auch gegenüber uns selbst, wenn wir mit unserem Leben nicht zufrieden sind oder nicht zufrieden sein können. Das alles war schon immer so. Es kommt hinzu, dass sich manche zum Maß aller Dinge machen. Und das eigene Ich steht dann oft im Mittelpunkt, um den sich alles drehen soll. Genauso wie die Frage, was denn vor allem mir gut tut. Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass das nicht nur etwas mit Egoismus zu tun hat, sondern auch mit unserer fehlenden Demut? Egoismus und das sich immer in den Mittelpunkt-stellen sind tatsächlich Beispiele für fehlende Demut. Und diese Beispiele zeigen auch, warum das Demütig-sein uns so schwer fällt.
Dabei ist Demut für uns gut und kann uns bei der Bewältigung unseres Lebens, aber auch beim Umgang mit anderen Menschen helfen. Am einfachsten lässt sich das am direkten Gegenteil von Demut zeigen, nämlich dem Hochmut. In den Sprüchen Salomo, der ja als der Weise gilt, können wir im Alten Testament lesen. Ich zitiere dazu auszugsweise: Ehe man zu Ehren kommt, muss man Demut lernen. Oder: Wo Hochmut ist, da ist auch Schande. Aber Weisheit ist bei den Demütigen. Oder: Wer zugrunde gehen soll, der wird zunächst stolz. Und Hochmut kommt vor dem Fall.
Gerade der letzte Satz fasst den Hochmut als das Gegenteil von Demut so gut zusammen, dass er sprichwörtlich geworden ist. Im Predigttext wird uns nicht ohne Grund gesagt, dass wir einander in Demut begegnen sollen. Und der Predigttext geht ja an dieser Stelle noch weiter und sagt uns mit großer Deutlichkeit: Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen schenkt Gott seine Gnade.
Demut, liebe Gemeinde, hat nichts mit Unterwürfig-sein oder mit Sich-klein-machen zu tun. Auch wenn das viele denken und ich das uns vorhin gefragt habe. Demut verlangt
vielmehr von uns Mut und Realitätssinn, Herzenswärme und Liebe, Geduld und Bescheidenheit. Richtige und nicht nur vorgespielte Demut ist eine innere Haltung. Eine innere Haltung von uns, die unsere Grenzen sieht und diese für uns anzuerkennen bereit ist. Demut ist letztendlich der Wille und die Fähigkeit, Grenzen – die uns durch das Leben gesetzt sind - anzunehmen. Und wenn es sein muss: Auch hinzunehmen oder auszuhalten.
Die Grenzen, die das Leben für uns bereithält, sind so vielfältig, wie das Leben selbst. Es sind sehr viele und sehr unterschiedliche. Es gibt Grenzen für uns, die wir leicht akzeptieren können. Bei anderen Grenzen fällt uns das schwer. Und einige Grenzen, die uns das Leben setzt, wollen oder können wir nicht akzeptieren. Und was die Sache nicht einfacher macht: Bei jedem Menschen sind die Grenzen anders, die das Leben für ihn bereithält. Es braucht schon viel Demut anzuerkennen, dass andere zum Beispiel etwas haben oder können, was ich nicht habe oder kann.
Demut kann gelernt werden. Und manchmal muss sie auch gelernt werden. Dabei ist das wirkliche Leben der beste Lehrmeister. Demütig sein oder sein wollen, ist nichts für Feiglinge, denn De-mut hat viel mit Mut zu tun. Denn es braucht schon Mut, zum Beispiel etwas einzugestehen, was mir peinlich ist oder wovor ich Angst habe. Es braucht Mut, um vom Hochmut abzulassen und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.
Wer demütig sein will, braucht nicht nur Mut. Er braucht auch Herzenswärme und Kraft. Herzenswärme gegenüber denjenigen, die anders sind als wir. Deren Lebensentwurf anders ist als der Unsrige. Die im Beruf wenig leistungsfähig sind oder ihr Leben nicht gut meistern können. Aber auch bei denen, die als Fremde und Flüchtlinge zu uns kommen.
Wie schwer Demut ist und wieviel Kraft wir dafür brauchen, merken wir spätestens dann, wenn es uns selbst nicht gut geht. Wenn sich zum Beispiel ein Partnerwunsch oder Kinderwunsch nicht erfüllt. Wenn wir unter einer Krankheit leiden oder im Alter plötzlich merken, dass wir nicht mehr das leisten können, was wir wollen, obwohl das für uns bisher kein Problem war. Oder – natürlich, wenn wir einen lieben Menschen verloren haben. Hier könnten noch viele Beispiele genannt werden
Weil das alles so ist: Demut hat auch viel mit Liebe zu tun. Mit unserer Liebe zu Gott, zu unserem Nächsten, zu uns selbst. Von Gandhi, dem indischen Friedensnobelpreisträger stammt dazu der schöne Satz: “Liebe ist die stärkste Macht der Welt. Und doch ist sie die Demütigste, die man sich vorstellen kann.“
Und hier lohnt es sich auch, noch einmal auf unseren Predigttext zurückzukommen, in dem uns gesagt wird: Gott schenkt den Demütigen seine Gnade, aber er widersteht den Hoch-mütigen.
Denken wir also daran, dass nur vorgespielte Demut Hochmut ist. Und Hochmut kommt – wie wir wissen – vor dem Fall.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Gottes Liebe zu uns • 1. Johannes 4, 7–12
Predigt am 21.08.2016 • 13. Sonntag nach Trinitatis • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im 1. Johannesbrief im
4. Kapitel. Wir haben ihn vorhin als 1. Lesung gehört. Ich
lese ihn nochmals auszugsweise in einer modernen Übersetzung. Er ist
dort unter die Überschrift gestellt: Gottes Liebe und die Liebe zum
Mitmenschen. Meine Freunde! Lasst uns einander lieben,
denn die Liebe kommt von Gott. Wer liebt, ist ein Kind Gottes und kennt
Gott. Wer aber nicht liebt, der weiß nichts von Gott, denn Gott ist die
Liebe. Niemand hat Gott jemals gesehen. Doch seine Liebe zu uns ist für
alle sichtbar geworden, als er seinen einzigen Sohn in die Welt sandte,
damit wir durch ihn leben können; Wenn wir einander lieben, bleibt Gott
in uns und seine Liebe erfüllt uns ganz.
Der Predigttext beginnt mit dem bemerkenswerten Satz: Meine Freunde.
Gemeint waren damit vor über 1900 Jahren die Gemeindemitglieder.
Gemeindemitglieder wie wir. Seitdem hat sich in der Welt viel geändert.
Aber die Mitglieder einer Gemeinde kommen damals wie heute zusammen, um
Gottes Wort zu hören, gemeinsam zu singen und zu beten. Bloß: Empfinden
wir uns – zum Beispiel hier im Gottesdienst – als Freunde?
Sind wir tatsächlich Brüder, wie es Luther übersetzt? Oder modern
gesprochen: Sind wir tatsächlich Schwestern und Brüder?
Und was damit gemeint ist, wird uns im Text ja auch gleich mit gesagt. Ich zitiere: Meine Freunde, lasst uns einander lieben.
Eigentlich ist dem wenig hinzu zu fügen. Wenn es denn nicht so schwer
wäre, das „einander lieben“. Denn das betrifft natürlich nicht nur
unsere Freunde. Wir haben es oft genug erfahren, dass alles Gute auf
dieser Welt irgendwie mit dem Liebesgebot zusammen hängt. Umgekehrt gilt
aber auch – und das ist vielleicht noch wichtiger: All das Böse
und Schlechte, all das, was Menschen, was wir einander antun, gäbe es
viel weniger auf dieser Welt, wenn: Ja wenn uns nicht nur in schönen
Stunden mit unseren Lieben in der Familie oder im Freundeskreis das
Liebesgebot in den Sinn käme.
Dort gehört es natürlich hin, aber eben nicht nur. Es gehört auch in
unseren ganz normalen Alltag. Wenigstens manchmal. Und vielleicht in
Zukunft etwas mehr. Dabei beginnt das Liebesgebot im Alltag nicht mit
Liebe im engeren Sinne. Es beginnt mit Freundlichkeit, zum Beispiel an
der Kasse eines Supermarktes, oder mit Rücksichtnahme, zum Beispiel auf
der Autobahn. Höflichkeit, Ehrlichkeit usw. gehören auch dazu. Wichtig
sind ein liebevolles Herz und eine Barmherzigkeit, die aus einem
liebevollen Herzen kommt. Und das eben nicht nur gegenüber denen, die
uns ans Herz gewachsen sind. Sondern auch gegenüber denen, die nicht
gerade unsere Freunde sind, die nicht so richtig zu uns passen oder die
uns fremd sind. Also alles Menschen, vor denen wir uns oft ganz
instinktiv verschließen wollen.
Hier will und kann uns der Predigttext eine Hilfe sein. Denn er erinnert
uns daran, dass die Liebe nicht von irgendwoher, sondern von Gott
kommt. Unsere Liebesfähigkeit ist uns wie unser Leben von Gott
geschenkt. Und so wie jedem von uns sein Leben – Gott sei es
gedankt – wichtig ist, so ist auch die Liebesfähigkeit für unser
Leben und damit für uns wichtig. Das klingt ein bisschen allgemein, aber
das ändert sich sofort und wird sehr konkret, wenn das jeder auf sich
selbst bezieht. Wenn er also in aller Stille zu sich selbst sagen kann:
Meine Liebesfähigkeit ist für mein Leben wichtig – für andere, aber
genauso für mich selbst. Ich wünsche jedem von uns, dass er das zu sich
sagen kann. Denn was ist ein Leben ohne Fähigkeit zur Liebe. Wenn es
niemanden gibt, den ich lieben oder wenigstens achten kann. Oder wenn es
niemanden gibt, der mich liebt oder wenigstens achtet. Und nicht
zuletzt: Wenn ich mich nicht selbst lieben oder achten kann.
Was das alles für unsere Beziehung zu Gott bedeutet, das bringt unser Predigttext sehr direkt auf den Punkt. Ich zitiere: Wer liebt, ist ein Kind Gottes und kennt Gott. Wer aber nicht liebt, der weiß nichts von Gott. Denn Gott ist die Liebe.
Viele werden jetzt an Jesus Christus denken und sie haben Recht damit.
Ich komme darauf noch zurück. Zunächst aber erst einmal: Wer liebt, der
kennt Gott. Oder einfacher gesagt: Er weiß oder fühlt, was Gott will.
Aber wer nicht liebt, der weiß nichts von Gott. Das klingt hart. Soll es
denn keinen Wert haben, wenn ich viel über Gott gelesen oder über ihn
nachgedacht habe? Wenn ich einigermaßen regelmäßig in den Gottesdienst
gehe oder fleißig in der Bibel lese? Wenn ich mich bemühe, an diesen
unseren Gott zu glauben?
Natürlich hat das alles seinen Wert. Denn wem geht nicht das Herz auf
oder wächst nicht die Bereitschaft, irgendwie etwas Gutes zu tun oder zu
denken, wenn er an Gott glaubt und Gott vertraut. Ich will es anders
herum sagen: Wie sollte jemand an Gott glauben können, wenn es bei ihm
außer Egoismus nichts gibt, wenn er also nur an sich selbst denkt, wenn
er seine Augen und Ohren verschließt gegenüber aller Liebe, die ihm
entgegen gebracht wird, gegenüber der Not und den Sorgen anderer?
Natürlich hat niemand von uns Gott den Vater, den Schöpfer des Himmels
und der Erde jemals gesehen. Was die Menschen vor 2000 Jahren
gesehen haben, das war Jesus. Jesus von Nazareth, den sie erlebt haben
und zu dem sich Gott als seinem Sohn bekannt und ihn von den Toten
auferweckt hat. Jesus wurde uns von Gott, seinem Vater, gesandt. Durch
Jesus sollten wir erkennen, wie und was der ewige Gott für uns ist.
Jesus, dem als menschgewordener Gottessohn die Liebe über alles ging:
Jesus hat uns gelehrt und vorgelebt, dass die Liebe das höchste Gut ist,
das wir haben.
Und es war Jesus, der sich aus Liebe zu uns hat ans Kreuz nageln lassen und dort einen qualvollen Tod gestorben ist.
Jesus nimmt die Liebe sehr ernst, weil es ihm ernst ist mit uns. Und
weil das so ist, sollten auch wir – wenigstens manchmal –
Ernst machen mit der Liebe: Mit der Liebe zu Gott, mit der Liebe zu
unseren Mitmenschen und mit der Liebe zu sich selbst. Es ist diese
Liebe, ohne die man tatsächlich nichts von Gott weiß und auch gar nichts
wissen kann. Genau besehen wahrscheinlich auch gar nichts von Gott
wissen will.
Uns geht es da viel besser – auch wenn man das uns viel zu oft
nicht ansieht. Denn wir dürfen an Gott, den Vater, von dem alle Liebe
ausgeht, glauben. Und genauso an Jesus, Gottes Sohn, durch den diese
Liebe ein menschliches Gesicht bekommen hat. Diese Liebe Gottes ist und
bleibt uns bis an das Ende aller Zeit – weit über unseren Tod
hinaus. Unser Predigttext sagt uns dazu: Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe erfüllt uns ganz.
Gott ist und bleibt also nicht nur bei uns, sondern Gott ist und bleibt
auch in uns. Er bleibt in uns, wenn wir bereit sind, seine Liebe zu uns
anzunehmen und sie auch mit anderen zu teilen. Wenn wir also bereit
sind, Gottes Liebe in uns wirken zu lassen. Wie das aussehen kann, haben
wir heute im Evangelium „Vom barmherzigen Samariter“ gehört.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Kraft des Glaubens • 1. Johannesbrief 5, 4
Predigt am 25.04.2010 • Jubilate • Petrikirche Freiberg
Predigt am 25.04.2010 • 7. Sonntag nach Trinitatis • Kirche in Nauwalde bei Riesa
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im 1. Johannesbrief im 5. Kapitel: Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Die zentrale Botschaft in diesem Text lautet: Der Glaube besiegt die
Welt. Genauer: Der Glaube hat die Welt besiegt. Die spannende Frage ist
nun: Was will uns diese Stelle aus dem 1. Johannesbrief sagen und
was heißt das ganz konkret heute für jeden von uns? Der Glaube hat die
Welt besiegt. Glauben wir das? Entspricht das unserer Erfahrung? Können
wir uns das vorstellen, dass gerade der Glaube die Welt besiegt? Wollen
wir uns das überhaupt vorstellen?
Sieg über die Welt. Seit es den Menschen gibt, will er die Welt
besiegen – im Großen wie im Kleinen. Im Großen hieß und heißt der
Königsweg dabei meist: Willst Du siegen, musst Du den Anderen besiegen.
Die dafür geführten Kriege ziehen sich wie eine Blutspur durch die
bekannte Menschheitsgeschichte. Und ein Ende ist leider nicht abzusehen.
Oder: Wenn Du die Welt besiegen willst, dann musst Du mächtig sein oder
wenigstens viel Geld haben. Aber ein Krieg kostet nicht nur viel Geld,
sondern er bringt auch Tod und viel Leid. Vor allem bei denen, die
diesen Krieg gar nicht gewollt haben. Und auch wenn ein Sieg über die
Welt ohne Krieg angestrebt wird, ist das immer mit der Durchsetzung von
eigenen Interessen oder wirtschaftlichem Abhängigmachen, wenn nicht
sogar mit Unterdrückung oder Ausbeutung der Besiegten verbunden.
Und ein Sieg im Kleinen, d. h. ein Sieg in unserer kleinen Welt
oder über unsere kleine Welt? Viel Geld zu haben, das wäre schon etwas.
Aber im Ernst: Geld, viel Geld. Das bringt zeitweilig einen Lustgewinn,
aber einen Sieg, einen Sieg über meine kleine Welt? Dabei ist ein Sieg
im fairen Wettbewerb natürlich eine gute und in der Regel auch gerechte
Sache. Hier sei als Beispiel der Sport genannt. Nehmen wir einen
Wettlauf: Alle Läufer starten zur gleichen Zeit. Alle Läufer haben die
gleiche Strecke zurückzulegen. Und welcher Läufer vorher am härtesten
trainiert gesiegt hat, gewinnt diesen Wettlauf. Das sei ihm herzlich
gegönnt. Er hat also gesiegt, aber er hat die anderen Läufer nicht
besiegt.
Um jemand besiegen zu wollen, muss ich genau das tun, was uns die Gebote
verbieten. Denn es heißt dort: Du sollst nicht töten, Du sollst nicht
stehlen, Du sollst nicht die Ehe brechen, Du sollst nicht begehren
Deines Nächsten Haus und Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider
Deinen Nächsten. Solche Siege, die nur errungen werden, wenn wir Gottes
Gebote missachten, können es nicht sein.
Wir müssen deshalb tiefer fragen:
- Was für ein Sieg soll das sein, von dem unser Predigttext spricht?
- Welche Welt soll eigentlich besiegt werden oder besiegt worden sein?
- Was hat das alles mit unserem Glauben zu tun?
Zunächst: Was ist dem Begriff „die Welt“ gemeint? Die Welt ist nicht das
Bild, das wir uns von der Welt machen. Es ist auch nicht die Welt, wie
wir sie uns wünschen. Nein, gemeint ist die Welt, so wie sie ist und mit
allem, was dazugehört. Anders formuliert: Die Welt ist die gesamte, die
gute Schöpfung Gottes. Und dazu gehört nun nicht nur alles, was uns
umgibt – Großes und Kleines, Totes und Lebendiges, Bekanntes und
Unbekanntes, Fremdes und Vertrautes – sondern dazu gehören auch
wir. Wir sind nicht nur auch, sondern in besonderer Weise Geschöpfe
Gottes. Wir sind die Geschöpfe Gottes, denen er die gesamte übrige Welt
anvertraut hat.
Ich will es noch einmal sagen: Wir sind Bestandteil dieser Welt. Und
zwar jeder von uns. Wenn wir also von einem Sieg über die Welt reden,
dann gehört der Sieg über uns dazu. Genauer geht es um unseren Sieg über
uns selbst. Und hier bin ich an einem zentralen Punkt, denn: Der Sieg
über die Welt beginnt eben nicht mit einem Sieg über Andere, sondern mit
einem Sieg über uns. Und hier gibt es viel zu besiegen:
- unsere Trägheit des Herzens
- unsere Gleichgültigkeit gegenüber unserem Nächsten
- unsere Gleichgültigkeit gegenüber der Not in dieser Welt
- unsere Feigheit, wenn zum Beispiel unser Bekenntnis oder unser Handeln gefragt sind
- unser Neid auf Dinge oder Erfolge, die andere haben
- unsere Unzufriedenheit über das, was wir haben, oder das, was wir können.
Unser Glaube muss uns also selbst besiegen, mein Glaube muss mich selbst
besiegen. Die gute Nachricht für diesen Sonntag ist deshalb: Wenn wir
etwas gegen unseren inneren Schweinehund tun können und vor allem auch
tun wollen, so schaffen wir das am ehesten mit unserem Glauben. Jeder
tägliche Anlauf, etwas Gutes zu tun, jeder tägliche Anlauf, dieses gute
Tun auch anderen zuzutrauen, sind ein Schritt zum Sieg über die Welt.
Und hier gibt es in der Tat viel und vieles zu tun – für jeden von
uns.
Sieg über die Welt. Im Predigttext aus dem 1. Johannisbrief hatte
vor 1900 Jahren der Glaube die Welt besiegt. Ich würde für uns
heute sagen wollen: Es ist unser Glaube, mit dem die Welt besiegt werden
kann. Dieser Glaube ist nicht nur das bloße Für-wahr-halten dessen, was
vor 2000 Jahren passiert ist – so sehr das damalige Geschehen
natürlich die Grundlage für alles andere ist. Sondern glauben heißt
auch vertrauen: Vertrauen darauf, dass Gott unser Leben trägt. Vertrauen
darauf, dass der Glaube an Jesus Christus uns, unser Leben jeden Tag
behütet.
Dass wir das glauben dürfen, ist ein großes Geschenk. Und es ist Trost
und Hilfe in allen Lebenslagen. Dieser Glaube, der kann tatsächlich die
Welt besiegen. Unsere Dankbarkeit dafür und unsere Freude darüber
sollten wir aus dem Gottesdienst mit in unseren Alltag nehmen. Mitnehmen
in den Alltag heißt, den Glauben ernst zu nehmen, heißt Glauben zu
lernen und Glauben zu leben. Mitnehmen in den Alltag heißt aber auch, zu
diesem Glauben gegenüber anderen zu stehen. Und das heißt nicht
zuletzt, mit diesem Glauben glaubhaft zu sein. Glaubhaft vor Gott,
glaubhaft vor anderen Menschen und glaubhaft vor unserem eigenen
Gewissen.
Glaubhaft sein im Glauben. Das verändert die Welt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Über das Zuhören • Hebräer 3, 7
Predigt am 22.02.2022 • Sexagesimae • Petrikirche Freiberg Predigt am 06.03.2022 • Invokavit • Kirche Reinsberg
Heute, wenn ihr seine – also Gottes - Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.
Heute, liebe Gemeinde, soll es einmal um das Hören gehen. Sie haben richtig gehört: Heute geht es um das Hören. Genauer: Um unser Hören. Um unser Hören auf unsere Mitmenschen und um unser Hören auf Gott. Dass das Thema für Jesus wichtig war und wichtig ist, haben wir gerade im Evangelium gehört. Denn nachdem er sein „Gleichnis vom Sämann“ erzählt hatte. rief Jesus: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Und das sagt Jesus nicht nur, sondern das ruft er seinen Zuhörern zu. Auch im Spruch für diese Woche geht es um das Hören. Ich habe ihn deshalb als Predigttext gewählt.
Liebe Gemeinde, die Geräuschkulisse im Alltag um uns herum ist groß. Sie reicht vom ruhestörenden Lärm jeder Art bis hin zu einer leisen angenehmen Musik, vom Ange-brüllt-werden bis hin zum liebevollen, zärtlichen Wort, von Reden, die uns Mut und Hoffnung machen, bis hin zu Reden, die uns verletzen oder in Angst und Schrecken versetzen. Und eine Besonderheit unserer modernen Zivilisation ist die Reizüberflutung durch die schiere Menge an Wort und Ton – aus Radio, Fernsehen und Internet. Sie alle kennen diese Beispiele.
Und wie reagieren wir auf das alles? Zunächst einmal: Das Hören ist wie das Sehen natürlich eine Voraussetzung für unseren Kontakt zu anderen Menschen und zu dem Vielen, was uns umgibt. Ich frage uns: Wie ist das denn bei uns - mit dem Hören, mit dem Hören auf Andere? Wir können ja – Gott sei es gedankt – hören. Ich denke mir, über eines sind wir uns einig: Wenn uns jemand wichtig ist, wenn wir ihn interessant finden oder gern haben, wenn wir etwas zu hören bekommen, was uns selbst betrifft oder was uns besonders interessiert. Ja, dann hören wir aufmerksam und dankbar zu. Und das aufmerksame und manchmal auch dankbare Hören beginnt mit dem Zuhören. Wenn wir zuhören, lassen wir das zu Hörende an uns heran. Und damit auch den, der uns das sagt.
Natürlich muss sich niemand alles anhören. Aber ich frage uns: Warum wollen wir eigentlich so oft nicht zuhören? Warum überhören wir so oft etwas? Warum verschließen wir uns so oft einem Gespräch - auch wenn wir noch gar nicht wissen, ob das für uns wichtig werden kann? Warum hören wir nur halbherzig zu, wenn es uns nicht direkt betrifft – auch wenn hinter dem uns Gesagten vielleicht ein Hilferuf an uns steckt? Und warum vergessen wir so oft, dass zu einem guten und für uns wertvollem Gespräch unser Zuhören gehört? Auch nicht gut ist das Hereinreden oder Unter-brechen, wenn der andere uns etwas sagt. Und nicht zuletzt: Warum tun wir oft nur so, als ob wir zuhören würden?
Zuhören-wollen und auf einen anderen hören: Das heißt auch den anderen ernst nehmen. Und damit komme ich nun zu Gottes Wort. Natürlich ist Gottes Wort und damit auch das, was uns Jesus sagt, für unser Leben wichtig. Das wissen wir alle.
Gottes Wort und was er uns als Jesus sagt: Das ist ein fester Grund, auf dem wir stehen und auf dem wir aufbauen können. Es ist für uns Halt und Richtschnur, Schutz und Hoffnung bis über unseren Tod hinaus. Und das Wort Gottes an uns ist etwas sehr Wertvolles. Es wird wie die Liebe nicht kleiner, wenn wir es mit anderen teilen. Gottes Wort ist ein großes Geschenk an uns, das überhaupt nicht selbstverständlich ist. Schließlich ist es das Wort Gottes gewesen, dass das ganze Weltall, das Universum geschaffen hat.
Hier will ich uns daran erinnern: Voraussetzung ist unser Hören: Unser Hören auf Gottes Wort und auf das, was uns Jesus sagt oder sagen will. Jesus weiß um unsere Schwachheit und er weiß auch, worauf es bei unserem Hören ankommt. Er sagt uns deshalb im Predigttext aus dem Hebräerbrief: Heute, wenn ihr seine – also Gottes - Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.
Ja, der Text ist kurz. Es ist nur ein Satz. Aber er enthält viel, was unseren Glauben und unser Hören auf Gottes Wort ausmacht oder ausmachen sollte. Wir sollen unsere Herzen nicht verschließen, wenn wir Gottes Wort hören. Und in diesem Satz, liebe Gemeinde, schwingt etwas mit, was auch unser Hören auf andere Menschen betrifft. Denn: Wer sein Ohr und sein Herz für das Wort Gottes öffnet, dem verschließen sich Herz und Ohren nicht, wenn er das Wort Gottes zu Ende gehört hat.
Oder anders gesagt: Das, worauf wir hören und für uns annehmen, das bewegen wir auch in unserem Herzen. Das gilt für Gottes Wort genauso wie für das Wort eines Menschen, der uns nahesteht. Weil das alles so ist, habe ich vorhin so viel über unsere Hörgewohnheiten im Alltag erzählt. In dem Buch „Vom kleinen Prinzen“ steht der wunderschöne Satz: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Hier will ich uns sagen: Man hört auch nur mit dem Herzen gut. Oder wie es uns im Predigttext gesagt ist: Heute, wenn ihr Gottes Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.
Und dieses Wort Gottes, das höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Vom Gehorsam • Hebräer 5, 7-9
Predigt am 03.04.2022 • Judika • wegen des Ukrainekriegs nicht in Petrikirche Freiberg gehalten, dafür Matthäus 7, 24-27
Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden,
Liebe Gemeinde, die 1. Lesung, die wir vorhin gehört haben, ist gleichzeitig unser Predigttext. In diesem Text geht es um den Gehorsam. Und zwar um den Gehorsam des Jesus von Nazareth gegenüber Gott, seinem Vater. Und: Um unserem Gehorsam gegenüber Jesus.
Aber, was heißt das eigentlich gehorsam zu sein? Was bedeutet es für uns, wenn wir gehorsam sein wollen oder gehorsam sein müssen? Oder von anderen zu verlangen uns gegenüber gehorsam zu sein? Und das nicht nur in der Wohlfühlzone schöner Worte, sondern schlicht und einfach in unserem Alltag. Und hier zeigt sich schnell: Gehorchen oder Gehorsam-sein gehören zu unserem Alltag dazu. Aber davon ist – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – nur noch wenig zu hören. Und Gehorsam scheint auch nichts Erstrebenswertes mehr zu sein.
Dabei war das einmal ganz anders und das über Jahrtausende hinweg. Und das war – weiß Gott – nicht immer gut. Denn da war Gehorsam gegenüber allem verlangt, was von oben kam. Auch der real existierende Sozialismus in der DDR hat von uns Dinge verlangt, die etwas mit erzwungenem Gehorsam zu tun hatten. Wir haben das damals Unfreiheit genannt. Die friedliche Revolution 1989 bei uns war nicht zuletzt ein erfolgreiches Aufbegehren gegen diese Unfreiheit.
Die Freiheit der damaligen Bundesrepublik hatte vor der Wiedervereinigung auch schon eine lange Geschichte hinter sich. Es war vor allem die jüngere Generation, die in den Siebziger Jahren gegen alle Arten von Obrigkeit aufbegehrten. Und das mit Erfolg. Fast alles, wo Gehorsam-sein eine Rolle spielte: Das wurde hinterfragt, lächerlich gemacht oder verworfen. Egal, ob es die Kirchen oder den Staat oder die Erziehung der Kinder in der Schule oder im Elternhaus betraf.
Seitdem ist die Entwicklung auch im wieder vereinten Deutschland wie in allen freien Ländern der Welt weiter gegangen. Viel Vernünftiges wurde erreicht: Mehr Freiheit und mehr Emanzipation zum Beispiel der Frauen. Und vieles hat sich verändert. So ist zum Beispiel Gehorsam kein Erziehungsziel mehr. Leider hat die Sehnsucht nach Freiheit, das Ablehnen von Gehorsam auch zu mehr Egoismus geführt. Die eigene Identität, das eigene Ich stehen heute bei vielen Menschen im Mittelpunkt. Vieles ist damit brüchig geworden, was das Zusammenleben in der Gesellschaft und auch im ganz privaten Bereich zusammen gehalten hat. Und dazu gehören leider auch die Zeitgenossen, die sagen oder denken: Wozu brauche ich Gott, ich habe doch mich.
Und nun das, dieser unser Predigttext. Ich lese ihn noch einmal in der modernen Neuen Genfer Übersetzung:
Als Christus hier auf der Erde war – ein Mensch von Fleisch und Blut –, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen gebetet und zu Gott gefleht, der ihn aus der Gewalt des Todes befreien konnte. Und weil er sich dem Willen Gottes in Ehrfurcht unterstellte, wurde sein Gebet erhört. Allerdings blieb es selbst ihm, dem Sohn Gottes, nicht erspart, durch Leiden zu lernen, was es bedeutet, gehorsam zu sein. Doch jetzt, wo er durch sein Leiden vollkommen gemacht ist, kann er die retten, die ihm gehorsam sind; Ihm verdanken sie alle ihr ewiges Heil.
Ja, liebe Gemeinde: Hier geht es gleich zweimal um das Gehorchen, um das Gehorsam-sein. Im 1. Teil des Predigttextes ist Jesus, Gottes Sohn, gegenüber seinem Vater gehorsam. Und im Teil 2 geht es um unser Gehorsam-sein gegenüber Jesus. Wir haben es gerade gehört. Ich beginne einmal mit uns. Und da gibt es viele Fragen. Ich habe ja vorhin nicht ohne Grund so ausführlich berichtet, wie sich das mit dem Gehorsam mit der Zeit entwickelt hat. Und wo wir heute stehen. Ich frage uns deshalb: Verbinden wir das Gefühl von Freiheit oder den Wunsch nach Freiheit nicht nur, aber auch noch mit Gehorsam? Welchen Stellenwert hat das Gehorsam-sein in unserem Leben? Was würden wir uns wünschen für uns und unsere Gesellschaft? Und welche Unterschiede gibt es dabei zwischen einem aufgezwungenen, freiwilligen oder gewollten Gehorsam?
Und seien wir ehrlich: Wenn schon Gehorsam gefragt ist, fällt er uns wahrscheinlich leichter, wenn wir uns davon einen Vorteil versprechen können. Und das Gehorsam-sein fällt uns auch leichter gegenüber einem, der für uns ein Vorbild ist, den wir verehren, dem wir vertrauen oder an den wir glauben. Wo das gegeben ist, müssen Gehorsam und Freiheit kein Widerspruch sein. Und das, liebe Gemeinde gilt nun nicht nur zwischen uns Menschen, sondern das gilt auch für das Verhältnis zwischen Jesus und uns. In unserem Predigttext ist Jesus - je nach Bibelübersetzung - für uns der Urheber der ewigen Seligkeit, der Garant für ewiges Heil, unser Erlöser und Retter. Und das für alle, die ihm gehorsam sind.
Das ist eine wunderbare Nachricht. Denn Jesus ist nicht nur unser Erlöser und unser Retter, sondern gegenüber Jesus steht unser Gehorsam nicht im Widerspruch zu unserer Freiheit. Denn Jesus vertrauen wir und an Jesus glauben wir – trotz aller Zweifel, die wir manchmal immer wieder einmal haben. Von Dietrich Bonhoeffer stammt der Satz: “Nur der Gehorsame glaubt und nur der Glaubende gehorcht“. Daraus folgt, dass weder der Glaube noch Gehorsam ein Selbstzweck sind. Sie müssen in „ein gutes Tun“ münden, wie es Bonhoeffer nennt, um nicht wertlos zu werden. Im guten Tun für andere und für uns selbst finden Glaube, Gehorsam und unsere Verantwortung für das, was wir tun, zusammen.
Und eines wollen wir nicht vergessen: Jesus Christus ist selbst wahrer Gott und damit das Größte, was wir Menschen überhaupt denken können. Vor dieser Größe ist unser Gehorsam kein Wegducken, sondern ein Verbeugen in Ehrfurcht, Demut und Dankbarkeit. Und Jesus gehorchen ist – einmal ganz einfach gesagt - das Horchen, also das Hören-wollen, was uns Jesus sagt.
Voraussetzung dessen, was wir gehört haben, das steht nun auch im Predigttext und spricht für sich: Als Christus hier auf der Erde war – ein Mensch von Fleisch und Blut –, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen gebetet und zu Gott gefleht, der ihn aus der Gewalt des Todes befreien konnte. Und weil er sich dem Willen Gottes in Ehrfurcht unterstellte, wurde sein Gebet erhört.
So weit so gut. Aber für Jesus hatte das einen hohen Preis, dass er unser Retter und Erlöser werden konnte. Im Predigttext können wir dazu lesen: Allerdings blieb es selbst ihm, dem Sohn Gottes, nicht erspart, durch Leiden zu lernen, was es bedeutet, gehorsam zu sein. Im Matthäus-Evangelium können wir dazu lesen, dass Jesus im Garten Getsemani ein Stück weiter lief, sich zu Boden warf und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.
Mir kommt hier eine Bitte aus dem Vaterunser in den Sinn: Dein Wille geschehe, Vater im Himmel. Irgendwie finden hier Angst und Hoffnung, Glaube und Gehorsam zusammen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Christus gestern, heute und in Ewigkeit • Hebräer 13, 8+9
Predigt am 31.12.2016 • Silvester • Kirche Bieberstein
Jesus Christus gestern und heute und
derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde
Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest
werde.
Liebe Gemeinde, nun ist es wieder soweit – egal ob uns das recht
ist oder nicht: Das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Und viele von uns
werden sich fragen, wie war das mit dem Jahr 2016. War es für mich ein
Jahr wie jedes Jahr davor. Oder habe ich etwas erlebt, was für mich
besonders wichtig war und was für mich auch wichtig bleiben wird.
Wichtig vielleicht auch für andere, für deren Leben. Habe ich im
vergangenen Jahr etwas geleistet, worauf ich heute noch stolz bin. Ganz
egal, ob ich das an die große Glocke gehängt habe. Oder ob es ein
stiller Erfolg ganz für mich allein war, der mir aber gut getan hat. Zum
Beispiel etwas, wo ich mich überwinden musste, obwohl mir das schwer
gefallen ist und vor dem ich vorher auch Angst hatte.
Viele von uns haben in diesem Jahr auch Schlimmes erlebt. Manchmal so
schlimm, dass es sie fast aus der Bahn geworfen hätte. Es kann sein,
dass heute einer unter uns ist, der einen lieben Menschen verloren hat
und so sehr hofft, dass er wieder Trost findet. Den meisten ist es
wahrscheinlich so gegangen wie mir: Ich weiß, dass mit mir und um mich
herum eine ganze Menge passiert ist. Ich war glücklich und traurig. Ich
habe – auch im Alltag – wunderbare Dinge erlebt und mich oft
gefreut. Aber natürlich habe ich mich auch geärgert: Über andere, aber
leider viel zu oft über mich selbst. Jeder von uns hat wie jedes Jahr so
auch 2016 seine speziellen Erfahrungen gemacht. Gute und Schlechte. Und
diese Erfahrungen und Erlebnisse sind bei jedem von uns sehr
verschieden gewesen. Aber eines haben wir alle gemeinsam: Es ist nicht
alles geworden, was wir uns vorgenommen hatten. Und es ist auch nicht
alles in Erfüllung gegangen, was wir uns gewünscht hätten. Und so sehr
viel wird ja nicht mehr passieren in den nicht einmal 7 Stunden,
die uns bleiben von den fast 8800 Stunden des Jahres 2016.
Und weil das alles so ist: Silvester ist wie jedes Jahr eine gute Zeit,
einmal inne zu halten und uns wieder einmal selbst zu fragen: Was soll
bleiben. Was soll anders werden im neuen Jahr. Was muss sich
ändern – bei mir, in meiner Familie und in meinem Bekanntenkreis.
Aber auch in meiner Gemeinde, in meiner Stadt, in Deutschland, in der
großen, weiten Welt. Und was wollen wir dazu beitragen. Und: Was will
ich bei mir selbst anders machen. Und natürlich ist es auch und im
besonderen Silvester erlaubt zu fragen: Was wünsche ich mir denn für
mich selbst im neuen Jahr. Und was wünsche ich anderen, das es in
Erfüllung gehen möge.
Liebe Gemeinde, wir leben in einer Zeit, in der vieles
selbstverständlich geworden ist. Wo wir einfach davon ausgehen, dass auf
jeden Fall das bleibt, was uns angenehm ist. Was uns irgendwie
zukommt – ohne dass wir groß darüber nachdenken. Wir sollten aber
schon manchmal darüber nachdenken. Und auch hier ist Silvester ein guter
Anlass. Denn: Was ist eigentlich sicher, dass es bleibt. Was ist
eigentlich uns sicher, dass es bleibt. Worauf kann ich tatsächlich immer
wieder vertrauen. Das ist – Gott sei es gedankt – eine ganze
Menge. Und dieser unser Gott, der gehört dazu. Denn er hält alles in
seiner Hand und dem können wir vertrauen. Ich wünsche uns dieses
Vertrauen zu Gott und zu Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn.
Unser Predigttext aus dem Hebräerbrief sagt uns dazu im
13. Kapitel: Jesus Christus gestern und heute und
derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde
Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest
werde.
Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
Gott, der das ganze Weltall geschaffen hat, ist ein ewiger Gott, der
immer schon da war und das auch bleiben wird. Das gesamte Alte Testament
in der Bibel ist voll von Geschichten und Erzählungen, die das
beschreiben. Bei den Propheten können wir lesen, welche Hoffnungen die
Menschen seit Tausenden von Jahren mit diesem Gott verbunden haben. Er
war für sie allgegenwärtig – auch in ihren Zukunftshoffnungen.
Viele Menschen, die von Gott wussten, haben ihm vertraut. Sie haben an
ihn geglaubt und auf sein Kommen gehofft. Als dann vor 2000 Jahren
Jesus von Nazareth als armer Wanderprediger mit einer kleinen
Jüngerschar durch die Lande zog, viele Wunder tat, die Liebe predigte
und vom Kommen des Reich Gottes sprach: Da waren viele erstaunt, einige
hoffnungsvoll oder eher skeptisch. Denn das sollte der neue König und
der erhoffte Messias sein? Und als sich Jesus misshandeln ließ und wie
ein Verbrecher am Kreuz sterben musste: Da werden damals viele Menschen
gesagt haben: Das war ein so guter Mensch, aber Gottes Sohn kann er
nicht gewesen sein. Wahrscheinlich war er ein Prophet.
Aber wir wissen ja, dass die Geschichte weitergegangen ist. Jesus wurde
von den Toten auferweckt, denn der große, ewige Gott hatte sich zu Jesus
bekannt. Aus Jesus von Nazareth war Jesus Christus geworden. Wahrer
Mensch und wahrer Gott. Ein wahrer Mensch, der uns Menschen schon immer
verstanden hat und auch heute versteht. Es ist uns verheißen, dass Jesus
unser Heiland ist und bleibt. Nicht nur heute und im nächsten Jahr,
sondern bis an das Ende aller Zeit. Oder wie es in unserem Predigttext
geschrieben steht: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
Liebe Gemeinde, gestehen wir es uns ein: Das können wir mit unserem
Verstand nicht begreifen. Daran – an die Auferstehung unseres Herrn
Jesus Christus – kann damals wie heute nur geglaubt werden. Zu
diesem Glauben gehört Mut. Und dazu gehört vor allem Vertrauen. Das
Vertrauen darauf, dass der Auferstandene nicht nur Gottes Sohn ist,
sondern dass wir geborgen sind in seiner Hand. Und das nicht nur heute
oder im kommenden Jahr, sondern immer, zu jeder Zeit. Ich wünsche uns
diesen Mut und dieses Vertrauen.
Und weil uns allen – damals wie heute – so oft dieser Mut und
dieses Vertrauen fehlen, gibt uns unser Predigttext mit auf den Weg: Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde.
Wir sollen uns also von anderen nicht einreden lassen, dass unser
Glaube ein veraltetes Märchen ist. Und vor allem: Wir sollen uns das
nicht selbst einreden. Hören wir lieber auf unser Herz. Öffnen wir unser
Herz für das, was uns Jesus vorgelebt und gelehrt hat.
Wir bitten nicht ohne Grund am Schluss jeder Predigt, dass der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne in
Jesus Christus bewahren möge. Das ist es, was ich uns allen auch für das
kommende Jahr wünsche.
Amen.
Geduldig warten • Jakobusbrief 5, 7–8
Predigt am 09.12.2018 • 2. Sonntag im Advent • Petrikirche Freiberg
Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Brief des Jakobus im 5. Kapitel: So seid nun geduldig, Brüder und
Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die
kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den
Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen;
denn das Kommen des Herrn ist nahe. In dem kurzem Predigttext
kommt das Wort „geduldig-sein“ gleich dreimal vor. Und Martin Luther hat
auch das ganze Kapitel, zu dem der Predigttext gehört, unter die
Überschrift gestellt: Mahnung zur Geduld.
Ich frage uns deshalb: Wie halten wir es denn mit der Geduld? Und zwar
mit unserer eigenen Geduld? Aber auch mit der Geduld, die wir von
anderen erwarten? Oder mit der Geduld, die andere von uns erwarten? Und
was meinen wir zum Gegenteil der Geduld: Also der Ungeduld